Katherine Webb - Italienische Nächte / The Night Falling

  • Klappentext (Quelle: Amazon):


    Clare folgt ihrem Mann, als sie 1921 von England in die Hitze Apuliens reist. Boyd arbeitet dort als Architekt für den reichen Grundbesitzer Leandro Cardetta, und möchte, dass Clare den Sommer bei ihm verbringt. Doch Boyd empfängt sie abweisend und scheint etwas zu verbergen. Auf sich allein gestellt erkundet Clare die fremde Umgebung und lernt dabei Ettore kennen, den Neffen des Grundbesitzers. Clare fühlt sich unbändig zu ihm hingezogen – zu einer Welt, in die sie nicht gehört und die droht, für beide zum Verhängnis zu werden …



    Der erste Satz:


    Zitat

    „Alle müssen in Bari umsteigen, und der Bahnsteig ist plötzlich voller schlurfender Männer, zerknittert und verdrießlich wie eben aus dem Schlaf gerüttelt.“ S. 7



    Man schreibt das Jahr 1921, als die Engländerin Clare mit ihrem Stiefsohn Pip nach Apulien reist. Ihr Mann hat dort einen Architekten-Auftrag erhalten und holt die beiden zu sich. Während Clare mit ihrer Familie bei dem reichen Grundbesitzer Leandro Cardetto lebt, sind die Arbeiter vor den Mauern vom Ersten Weltkrieg und Armut gezeichnet.


    Apulien ist von der Pracht und Gelehrtheit Venedigs, Florenz’ und Roms entfernt. Es ist ein karges, verbranntes Land; eine andere Welt, in der Hunger und Gewalt an der Tagesordnung stehen. Eine Welt, in der die einzige Möglichkeit, ein Stück Mozzarella zu essen, darin besteht, es zu stehlen. Eine Welt, in der Menschen auf offener Straße fast totgeschlagen werden und das Ganze ohne Konsequenzen bleibt. Es herrscht Krieg zwischen Arm und Reich.


    „Clare wendet sich ab und schaut hinaus auf den makellos blauen Himmel und die grellen weißen Mauern im strahlenden Sommerschein. Sie erwartet beinahe, irgendein Anzeichen dieser Gewalttaten zu sehen, wie eine Rauchsäule am Horizont. Sie erwartet beinahe zu spüren, wie der Boden unter den schweren Schritten von Kummer, Hass und Tod erbebt.“ S. 339


    Clare ist schwer schockiert von den Verhältnissen in Apulien und zudem in ihrer Ehe mit Boyd nicht unbedingt glücklich. Sie sind seit 10 Jahren verheiratet und Clare wünscht sich sehnlich ein Kind, was Boyd entschieden ablehnt .Zugleich gibt er sich ihr gegenüber distanziert, und sie hat das Gefühl, niemals gegen Boyds Liebe zu seiner verstorbenen ersten Frau anzukommen.



    Eines Tages lernt Clare Ettore kennen, Cardettos Neffen, der der Arbeiterbewegung angehört und nur widerwillig die Hilfe seines reichen Onkels annimmt und kurzzeitig in der Villa einzieht, um sich auszukurieren.


    Während vor den Mauern des Anwesens ein Bürgerkrieg entbrennt, entwickelt sich zwischen den beiden eine Beziehung, die nicht sein darf.



    Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sichtweise von Clare und Ettore beschrieben, wobei jeweils eine personale Erzählsperspektive verwendet wird. So werden die unterschiedlichen Welten der gutbürgerlichen Clare und des armen Ettores kontrastvoll dargestellt.


    Die Personen sind komplex und lassen sich nicht einfach in „gut“ und „böse“ unterteilen, was zu einem überraschenden Ende beiträgt.



    Obwohl der Roman im Jahre 1921 spielt, ist die Geschichte komplett im Präsens verfasst. Katherine Webb schreibt sehr detailreich und atmosphärisch.

    Zitat

    „Diese Party ist eine Form von Wahnsinn: Sie lachen, während die Decke bröckelt, und tanzen, während der Boden unter ihren Füßen wegbricht.“ S. 460




    Teilweise ist ihr Schreibstil wunderbar poetisch, stellenweise aber auch immer wieder langatmig und ermüdend zu lesen.


    Die einzelnen Kapitel sind sehr umfangreich. Einzelne Tage gehen ineinander über, ohne dass ein Absatz verwendet wird.


    Wirkliche Spannung kommt erst auf den letzten 150 Seiten auf, aber wer es schafft, sich durch den Anfang des Buches durchzukämpfen, wird mit einem überraschenden und aufwühlenden Ende belohnt.




    Zitat

    „Die Landschaft hat sich nicht verändert, und das allein erscheint ihr unwirklich, hat sie doch das Gefühl, dass gewaltige Erdbeben ihr Leben in Trümmer gelegt haben. Sie erwartet, rauchende Ruinen zu sehen, gewaltige Risse im Boden. Doch vor ihr liegt das flache, weite Land mit seinem braunen Gras und den verkohlten Stoppelfeldern, denselben knorrigen Olivenbäumen, die schon Generationen von Menschenleben haben erlöschen sehen wie die Sterne im Morgengrauen.“ S. 530




    Fazit: „Italienische Nächte“ ist ein Buch über Italiens Sorgenregionen, über Arbeiterkämpfe, Verrat und eine Liebe ohne Zukunft. Für Italien- sowie Geschichtsinteressierte ein interessantes Leseerlebnis!



    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    gelesene Bücher 2023: 35 (+20 Hörbücher)

    SUB: 30 (Jahresanfang: 76)

  • Mein Fazit:


    Der Plot und das Cover haben mich magisch angezogen. Ich glaubte, das Buch könnte mir angenehme Lesestunden bescheren und mich in eine Welt entführen, die ich in der Form noch nicht erlebt habe! Schließlich verweilte ich lesetechnisch noch nie im Italien so kurz nach dem 1. Weltkrieg!


    Was so hoffnungsvoll begann, endete dann aber leider im abrupten Abbruch auf Seite 255. Die Autorin hat ziemlich eindrucksvoll die Atmosphäre der damaligen Zeit beschrieben, die bedrückende Armut, das karge Land und die brutalen und herzlosen Gutsherren bzw. deren Verwalter. Auf Clare, die nur ihr behütetes Leben in England kennt, wirkte dies schockierend und verstörend.


    Mich hat es auch verstört, denn so wirklich voran kommt die Autorin nicht. Sie ergießt sich in ausführlichen Beschreibungen über das Land und die Menschen und hat es dabei versäumt, die Magie einer sich anbahnenden Liebesgeschichte heraufzubeschwören. Doch bis Seite 166 lernten sich Ettore und Clare noch nicht einmal kennen, um dann keine 100 Seiten später wie Tiere übereinander herzufallen. Wenn die Spannung wenigstens vorher irgendwie spürbar gewesen wäre, hätte ich es ja verstanden. Aber so? Es passierte für mich auf nicht nachvollziehbare Weise.
    Das ergab alles keinen Sinn für mich. Ich weiß nicht, wo die Autorin die Schwerpunkte setzen wollte: bei den schwelenden Konflikten zwischen den Ständen? Oder wollte sie eine außergewöhnliche Liebesgeschichte beschreiben oder eher ein Krimi um den Mafiosi! Ich wollte es nicht mehr herausfinden, ich hatte immer weniger Lust, mich um diese Geschichte zu bemühen und gab es dann auf. Es konnte mich einfach nicht mitnehmen.


    Ich bedanke mich bei dem Diana Verlag, dass ich durch das Rezie-Exemplar die Autorin kennenlernen durfte. Die Autorin kann sehr wohl schreiben und hat zu Recht eine große Fan-Gemeinde. Aber mich konnte es leider nicht begeistern. Daher bekommt das Werk von mir die Mindestbewertung von zwei Sternen!