Günter Grass - Vonne Endlichkait

  • Klappentext:
    Allen Zumutungen des Alterns und der »Endlichkait« zum Trotz, plötzlich erscheint erneut fast alles möglich: Liebesbriefe, Selbstgespräche, Eifersuchtsdramen, Schwanengesänge, Gesellschaftssatiren und Augenblicke des Glücks drängen aufs Papier. Plötzlich findet rhythmisierte Kurzprosa ein vielstimmiges Echo in episch wuchernden oder pointiert zugespitzten Gedichten. Plötzlich entstehen sinnenfrohe Doppelstücke, die vom Zeichner ins Bild gesetzt, weitererzählt oder auf den Doppelpunkt gebracht werden.
    So traurig und gewitzt, so lebensklug und doch kämpferisch kann nur ein in die Jahre gekommener Künstler ans Werk gehen, der dem Tod wiederholt von der Schippe gesprungen ist. Zahlreiche berührende Geschichten bringt er hervor, verdichtet sie zu kunstvollen Miniaturen, die hier und jetzt spielen. In »Vonne Endlichkait« schafft der Literaturnobelpreisträger in einem beeindruckenden Wechselspiel aus Lyrik, Prosa und Illustration sein letztes Gesamtkunstwerk.
    (von der Steidl-Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Günter Grass wurde am 16. Oktober 1927 in Danzig als Sohn einer Kaufmannsfamilie geboren. Er studierte Bildhauerei, zunächst an der Düsseldorfer Kunstakademie, dann an der Hochschule für Bildende Künste Berlin. Ab 1955 nahm er regelmäßig an den Tagungen der Gruppe 47 teil. 1956 erschien sein erstes Buch, der Gedichtband Die Vorzüge der Windhühner. Mit dem Roman Die Blechtrommel wurde er 1959 schlagartig berühmt: Neben weiteren großen Romanen (Hundejahre, örtlich betäubt, Der Butt, Die Rättin und Ein weites Feld) entstehen Gedichtbände (Gleisdreieck, Ausgefragt, Letzte Tänze u.a.), Kurzprosa, Theaterspiele, Essays, Novellen (Katz und Maus, Im Krebsgang), Erzählungen (Das Treffen in Telgte, Unkenrufe, Aus dem Tagebuch einer Schnecke, Kopfgeburten oder Die Deutschen sterben aus und Mein Jahrhundert) sowie autobiografische Werke (Beim Häuten der Zwiebel, Die Box, Grimms Wörter). Außerdem ist Grass als Zeichner, Grafiker und Bildhauer tätig, viele Bücher mit seinem bildkünstlerischen Werk sind seit 1986 erschienen. 1993 übernimmt der Steidl Verlag die Weltrechte am Werk von Günter Grass. Große Teile seines literarischen Werks hat der Autor für Hörbuch-Editionen selbst eingelesen. Aus den zahlreichen Auszeichnungen, mit denen Grass geehrt wurde, ragt der Nobelpreis für Literatur 1999 hervor. (von der Steidl-Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Kurzprosa, Lyrik, essayistische und autobiographische Notizen
    Illustriert mit Bleistiftzeichnungen des Autors
    173 Seiten


    Persönliche Meinung:
    Er hat sich selbst und seinen Lesern einen würdigen Abschied bereitet. Grass spielt in diesem Buch sein ganzes Können aus, sowohl in zeichnerischer als auch in literarischer Kunst. Man erkennt seine (fehlende) Bescheidenheit wieder, die Koketterie mit seinem Alter und seiner Karriere und seine intellektuelle Beschäftigung mit aktuellem Zeitgeschehen und dessen Verursachern.
    Noch ein letztes Mal zeigt Grass, dass er sämtliche literarischen Gattungen beherrscht(e), dass ironische Brechungen sein liebstes Stilmittel sind / waren und dass seine Sprache zu den schöpferischsten der Gegenwart gehört(e).


    Er schäkert mit Alter und Tod, den grundlegenden Themen. Dass er nur noch einen Zahn besaß und sein Gebiss abends in ein Glas Wasser legte: Die Welt soll es erfahren und vor allem soll sie erfahren, dass sogar ein solches Malheur lyrisch sein kann. (Dass irgendwann dieser letzte Zahn heraus fällt, erfährt die Welt natürlich auch.)


    Gaumenkauer, Mümmelgreis,
    dem nur löffelweise Brei bekömmlich,
    lägen nicht im Wasserglas
    nachts und reichlich dritte Zähne.



    Ebenso verkündet er der Welt, dass er bestens vorgesorgt hat: Mit dem Bau zweier Särge, maßangefertigt für ihn und seine Frau, wurde ein Tischler beauftragt; das anschließende Probeliegen fiel zur Zufriedenheit aus. (Dass die Särge bei einem Einbruch gestohlen wurden und später wie durch ein Wunder wieder auftauchten, war nicht vorauszusehen, scheint ihn weniger zu interessieren.)
    Es wundert nicht, auch Seitenhiebe auf seine Kritiker und auf die Politiker zu finden. So widmet er das Gedicht „Mutti“ nicht der eigenen Mutter. Was die Erotik betrifft: Immer noch vorhanden sind Gedanken, Gefühle und Lust; über das, was nicht mehr ist, formt er lyrisch missverständliche Sätze.
    Dass er das Rad nicht neu erfindet und seine Originalität nicht mehr in noch nie dagewesenen Themen ausbreiten kann, weiß er; stattdessen reizt er seine neu erwachte und immer wieder hervor sprießende Kreativität aus, z.B.:


    Das Ende
    Als ich kürzlich einen Satz
    um drei Ecken lenkte,
    wurde beim Zurückblättern gewiß,
    daß ich vor Jahren schon
    diesen Dreieckensatz
    um eine Ecke genauer geschrieben hatte.
    Das ist das Ende, rief ich,
    aber auch dieser Ruf stand
    auf seit Jahren welkem Papier.


    Nicht jeder Satz ist ein Treffer, und manchmal, so scheint es, denkt er einfach laut vor sich hin oder ihm fällt irgendein Satz ein, der nicht große Literatur ist. Es sei ihm gegönnt.


    Er illustriert sich selbst. Ob zuerst das Bild oder zuerst der Text war, kann man als Leser nicht beurteilen; sie bedingen sich gegenseitig.
    Neben dem Selbstbildnis mit einem Zahn fallen die Zeichnungen zur Vergänglichkeit auf: Moderndes Laub, herabsinkende Federn, tote Vögel.


    Grass hat der Welt zum Schluss ein melancholisch-ironisches Bilderbuch hinterlassen. Wie passend.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)