Michel Bussi - Die Frau mit dem roten Schal / N'oublier jamais

  • Klappentext:


    Ein kalter Wintermorgen in der Normandie.
    Jamal läuft wie jeden Morgen die Küste entlang, als er plötzlich eine verzweifelte junge Frau am Rand der Klippen stehen sieht. Er nähert sich ihr, spricht sie an, will ihr die Hand reichen, doch sie springt vor seinen Augen in die Tiefe.
    Er allein hat den Sturz gesehen, und niemand will ihm glauben. Schließlich sind zuvor bereits zwei Frauen auf genau die gleiche Art ums Leben gekommen.
    Jamals einzige Chance ist, die Wahrheit auf eigene Faust herauszufinden.
    Dabei gerät er immer tiefer in einen Strudel aus Verdächtigungen und Beweisen - bis er selbst nicht mehr weiß, wem er eigentlich noch trauen kann und ob er wirklich ohne Schuld ist.



    Über den Autor:


    Michel Bussi, geb. 1965, Politologe und Geograph, lehrt an der Universität in Rouen. Seine Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt und haben sich als internationale Bestseller durchgesetzt. Bussi ist der meistprämierte französische Autor des Jahres 2011 gewesen.




    Meine Meinung:


    Dieses Buch ist während der Buchmesse in Frankfurt auf meiner Wunschliste gelandet und die Beschreibung hat mich so gereizt, dass es nicht lange dort geblieben ist, sondern ratzfatz erst auf meinem SuB und dann auf meinem Lesesessel gelandet ist. Von dem Autor hatte ich bis dahin noch nie etwas gehört oder gelesen.


    Aber dieses Buch hat sich gelohnt. :thumleft:



    Der Autor zieht den Leser hier in einen Strudel aus scheinbar völlig unerklärlichen Geschehnissen, die nach und nach das Vertrauen in die Unschuld des Hauptprotagonisten untergraben, obwohl man eigentlich zu Anfang des Buches noch felsenfest davon überzeugt war, dass dieser nette Typ einfach kein Mörder sein kann.
    Mit Jamal bekommt man in diesem Roman nämlich einen jungen, sympathischen Hauptprotagonisten serviert, der aus der allgemeinen Masse der Krimifiguren heraussticht. Er ist wegen eines fehlenden Beines behindert, trägt daher eine Prothese und trainiert mit dieser Hilfe für den schwierigsten Wettlauf der Welt: Den Lauf über den Mont Blanc.
    Darüber, auf welche Weise Jamal sein Bein verlor, lässt er den Leser jedoch beinahe das gesamte Buch über im Unklaren.


    Während dieses Trainings, das er während seines Urlaubs irgendwo an der französischen Küste absolviert, überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Ein unerklärliches Rätsel türmt sich auf das nächste und irgendwann weiß Jamal selbst nicht mehr, ob er wirklich unschuldig ist oder nicht. Mir ist beim Lesen mehrfach förmlich der Mund offen stehen geblieben und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie diese scheinbar völlig irrationalen Enthüllungen je zu einem logischen Ende führen sollten.


    Nichts ist in diesem Buch so, wie es zu sein scheint und bis zum letzten Kapitel weiß man als Leser nicht, wer nun tatsächlich hinter all diesen Morden und sonstigen seltsamen Ereignissen steckt.


    Kurz vor Ende der Geschichte kommt es zu einer derart hahnebüchenen Pseudo-Auflösung, dass ich während des Lesens schon darüber nachgedacht habe, wie ich dieses vermeintliche Ende in meiner Rezi am besten "verreißen" könnte - und dann kam doch noch einmal alles ganz anders. :-s
    Denn selbst die Auflösung der Geschichte ist letzten Endes nicht so, wie es den Anschein hatte...


    Der Schreibstil des Autors ist flüssig und leicht verständlich.
    Er beschreibt im Laufe des Buches mehrere verschiedene Zeitebenden, die sich zum Schluss aber alle miteinander verknüpfen und in ein wirklich schlüssiges und glaubwürdiges Ende münden.


    Für das hahnebüchene "Fast-Ende" ziehe ich einen Stern ab, denn das war wirklich abstrus - aber ansonsten kann ich dieses Buch uneingeschränkt jedem empfehlen, der eine wirklich spannende Geschichte lesen und sich bis zur letzten Seite überraschen lassen möchte. :thumleft:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Himmel, was hat das Original für ein scheußliches Cover. :-s
    Mit diesem Bildchen hätte mich das Buch wohl nicht neugierig gemacht. Das sieht ja aus wie eine schlechte Kulisse für die Augsburger Puppenkiste. :-#

  • Für das hahnebüchene "Fast-Ende" ziehe ich einen Stern ab, denn das war wirklich abstrus - aber ansonsten kann ich dieses Buch uneingeschränkt jedem empfehlen, der eine wirklich spannende Geschichte lesen und sich bis zur letzten Seite überraschen lassen möchte.

    Dankeschön! Ich hatte das Buch schon mal wegen des schönen Covers in der Hand und war mir noch unsicher, ob ich das mitnehmen sollte oder nicht, aber jetzt hüpft es auf jeden Fall auf meine WuLi und bestimmt auch irgendwann ins Regal! :friends:

  • Nur wenige Sekunden sind es, die Jamals Leben komplett auf den Kopf stellen. Beim Joggen in einem normannischen Badeort trifft er auf eine bildschöne junge Frau, die in einem zerrissenen Kleid am Klippenrand steht, einen roten Schal in den Händen, und offenbar kurz davor ist, hinunterzuspringen. Jamal versucht, sie von dem tödlichen Sprung abzuhalten, will sie mit Hilfe des Schals auf sichereren Boden ziehen, doch vergebens, sie stürzt, zig Meter tief auf den Kiesstrand.


    Jamal ist völlig außer sich. Doch es kommt noch schlimmer - bevor er überhaupt eine Chance hat, das traumatische Erlebnis zu verarbeiten, findet er sich plötzlich unter Mordverdacht gestellt. Die Beweislage spricht unmissverständlich gegen ihn, auch wenn es da Indizien gibt, die so eigentlich gar nicht existieren dürften. Je mehr sich die Schlinge für ihn zuzieht, umso stärker beginnt er an seinem Verstand zu zweifeln und fragt sich, ob er am Ende wirklich in geistiger Umnachtung die junge Frau getötet hat.


    Gleichzeitig erhält er immer wieder detaillierte Hinweise auf zwei sehr ähnliche Todesfälle, die sich zehn Jahre zuvor ereignet haben, einer sogar am gleichen Ort. Todesfälle, die der damalige Ermittler nie ganz ad acta gelegt hat. Jamal spürt immer mehr, dass er in dieser Sache sich auf niemanden verlassen kann, und versucht, auf eigene Faust so viel wie möglich herauszufinden, aber je mehr er erfährt, umso rätselhafter wird das Ganze.


    Als unschuldiger Mordverdächtiger allein auf weiter Flur zu stehen, ist eine üble Extremsituation, die man keinem wünscht, schon gar nicht dem einbeinigen Sportler, der sich in seinem jungen Leben schon gegen so einige Widrigkeiten behaupten musste und dabei dennoch nie seinen Humor, seine Phantasie und sein Faible für versponnene Geschichten verloren hat.


    Jamal wird übel mitgespielt (wie übel genau, kristallisiert sich erst mit der Zeit heraus), und es ist ziemlich nervenaufreibend, mitzuverfolgen, wie sich immer wieder Spuren unerklärlicherweise im Sand verlaufen, die er für hieb- und stichfest gehalten hatte, und wie er immer wieder an seinen wenigen vermeintlichen Verbündeten zweifeln muss. Lange Zeit fragt man sich, wie zur Hölle das alles so sein kann, wie es ist, und stellt irgendwann dann notgedrungen auch Jamals Zuverlässigkeit als Erzähler in Frage. Das hat der Autor ziemlich gewieft angestellt.


    So viel zu den Vorzügen des Buches, das schnell in seinen Bann zieht, so dass man immer wieder nur noch ein weiteres kurzes Kapitelchen lesen möchte und plötzlich schon die Hälfte hinter sich hat.


    Leider gab es aber auch einiges zu bemängeln. Die Dialoge klingen häufig hölzern (inwieweit das der Übersetzung geschuldet ist, kann ich natürlich nicht beurteilen), die Beschreibung der Figuren wirken gerne schablonenhaft, und bei aller Spannung erscheint die Story ab einem gewissen Punkt wie aus einem Hollywood-Popcornthriller abgekupfert, mit heftigen Gewaltausbrüchen und der üblichen attraktiven Dame, die für ein bisschen erotisches Prickeln zwischendurch sorgt (und die Frage aufwirft, wieso zwei einander bis kurz zuvor noch völlig unbekannte Menschen, von denen mindestens einer unter extremem Druck steht, in solchen Thrillern immer mir nichts, dir nichts in die Kiste hüpfen müssen. Das ging hier ein bisschen sehr schnell.)


    Als sich erste Hinweise auf eine mögliche Auflösung andeuten, merkt man außerdem, wie konstruiert und übertrieben der Plot ist, streckenweise sogar regelrecht unglaubwürdig. Wer darüber hinwegsehen kann bzw. mag (oder noch nicht so viele Thriller gelesen und gesehen hat), kann sich damit sicherlich trotzdem gut unterhalten und wird am Ende mit einem Knalleffekt belohnt, der wiederum so nicht vorherzusehen war.

  • Jamal sieht zuerst nur den roten Schal. Dann die verzweifelte Frau, die am Rand der Klippen steht. Er will sie retten, wirft ihr den Schal zu, aber im selben Moment springt die Frau in die Tiefe. Und niemand glaubt ihm seine Geschichte, denn es sind bereits zwei Frauen zu Tode gekommen – nach exakt dem gleichen Muster. Verzweifelt versucht Jamal zu beweisen, dass er nichts mit dem Tod der Frau zu tun hat, aber alles spricht gegen ihn. Und schon bald weiß er selbst nicht mehr, was wahr ist und wem er noch trauen kann …(Klappentext)


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    ....und so geht es nicht nur dem Protagonisten, sondern auch dem Leser.
    Dieser wird auf typische ruhige Bussi-Art auf falsche Fährten gelockt die immer in einer überraschenden Wendung enden, nur um wieder in eine ganz andere Richtung zu laufen. Man rätselt, verdächtigt, versucht zu kombinieren, zweifelt manchmal an so mancher Logik und wird so mit Spannung durch die Geschichte getrieben.


    Es wird aus der Sicht des Hauptprotagonisten Jamal geschrieben. Dieser stürzt regelrecht in seine eigene Ermittlungen, um seine Unschuld zu beweisen. Hilfe bekommt er von Mona, einer ungewöhnlichen wie hübschen Frau, welche die Einzige zu sein scheint die ihm glaubt und auf seiner Seite steht. Zudem erhält er immer Umschläge von einem Unbekannten, in denen sich Unterlagen zu den Ermittlungen der anderen zwei Opfer befinden, welche auf die selbe Art und Weise umgekommen sind.
    Jamal gegen die Polizei und den Rest der Welt. Mögen die Spiele beginnen!


    Der Schreibstil ist ruhig und dennoch fesselnd. Die Spannung baut sich erst im Verlauf der Geschichte auf, bis man jedoch nicht mehr aufhören kann zu lesen. Zudem enthält dieser Roman eine sehr bildhafte und atmosphärische Umgebungsbeschreibung der Normandie.
    Bis auf Jamal bleiben die weiteren Charaktere eher blass, doch das hat seinen Grund, der sich dem Leser erst am Ende eröffnet.
    Auch die Namen der Opfer ähneln sich und daher musste ich öfters zurückblättern, aber auch das hat seinen Sinn, der sich erst gegen Ende erschließt.
    Michel Bussi überlässt hier nichts dem Zufall, alles ist wirklich äußerst durchdacht, um nicht nur den Protagonisten, sondern auch den Leser zu verwirren, nur um mit einem erstaunten "Ahhaaaaa" aus dem Buch wieder aufzutauchen.
    Die Auflösung ist dann in sich stimmig und enthält auch selbst noch eine überraschende Wendung.
    Das Ende selbst traurig und einfühlsam und doch auch passend.


    Fazit:
    Mittlerweile gehört der Autor Michel Bussi zu meinen liebsten französischen Autoren der Spannungsliteratur.
    Immer wieder schafft er es mich zu fesseln und in die Irre zu führen und das auf seine ruhige und atmosphärische Erzählweise.
    Diese Neuauflage des bereits 2015 erschienenen Romans konnte mich wieder begeistern und daher gibt es von mir ein absolute Leseempfehlung.

    Wenn ein Mann zurückweicht, weicht er zurück. Eine Frau weicht nur zurück, um besser Anlauf nehmen zu können. (Zsa Zsa Gabor)
    :twisted: