Joseph Roth - Die Geschichte von der 1002. Nacht (ab 21. Sep)

  • Ich denke z.B. an "Das Parfüm". DER unsympathische Protagonist schlechthin. Und doch ist das Buch faszinierend (für mich jedenfalls).

    "Das Parfüm" ist auch ein gutes Beispiel! Das habe ich zweimal gelesen und mag es sehr! (Aber in dem gleichen Zeitraum hätte ich niemals nie "Die Blendung" mit dem gleichen Genuss lesen können. Mir wären die Figuren einfach zu schräg gewesen. Das nur nebenbei erwähnt.) Von daher darf es auch gerne ein unsympathischer Protagonist sein. Trotzdem habe ich bei dieser Geschichte ein sehr distanziertes Verhältnis. So wirklich sympathisch sind mir die Figuren nicht, aber auch nicht unsympathisch.



    Zu einer ausführlichen Zusammenfassung, komme ich leider nicht mehr, deshalb nur kurze Eindrücke zu den Kapiteln.


    Kapitel 20
    Das Unheil braut sich über Taittinger zusammen und er kriegt es gar nicht mit. Ich fand den Gegensatz so klasse beschrieben zwischen dem heiteren Taittinger und der Beschreibung des Regens bzw. der Umgebung von ihm. Man spürt regelrecht das Donnerwetter aufkommen, dass ihn erwarten wird. Da ist so ein Kerl tatsächlich weiter vom Boden der Tatsachen entfernt, wie vergleichsweise Mizzi. Und die ganze Welt um ihn herum weiß schon mehr wie er und erfreut sich noch diebisch am Inhalt der Heftchen. Und ganz langsam dämmert es Taittinger was passiert und sein Tagesablauf wird erschüttert, er macht nicht gewohnt die "große Nachttoilette" und hat schreckliche Albträume. Und auch am nächsten Tag vergisst er das rasieren. Dafür teilt er mächtig viel Strafen an alle unrasierten Leute aus. Das da niemand protestiert :-, Und endlich erhält er den "rekommandierten Brief" bzw. insgesamt 2 Briefe. Leider versteht er den Inhalt nicht :roll:


    Kapitel 21
    Und hier tritt die erste -für mich- sympathische Figur auf, Zenower In Zivil! Ein ganz tolles Kapitel! Zenower klärt Taittinger Punkt für Punkt über seine Lage auf und rät ihm was zu tun ist. Zenower denkt klare, aber ehrliche Worte über Taittinger. Und auch hier wieder Andeutungen, dass das ganze Regiment (und nicht nur die) ziemlich viel über "die Affäre" weiß. Interessant auch Zenowers Lebenslauf. Und tatsächlich hat Taittinger zum ersten Mal einen aufrichtigen Gedanken in seinem Leben, er beneidet Zenower und würde sehr gerne mit ihm tauschen. Reaktion von ihm: "Herr Baron, sie brauchen niemanden zu beneiden und mit niemandem zu tauschen, wenn Sie nur immer aufrichtig zu sich selbst sind." Genau das ist der Knackpunkt. Aufrichtig zu sich selbst sein. Sich selbst bewusst sein. Da mangelt es doch arg.


    Kapitel 22
    Mittlerweile beginnt es sogar zu schneien. Mein erster Gedanke, jetzt wird es richtig schlimm für Traittinger werden. Und tatsächlich es trifft ein. Es gibt weitere Heftchen mit Enthüllungen über die Affäre. Taittinger fühlt sich "verloren". Dabei fällt er doch eigentlich recht weich. Da hat Zenower schon recht, vorausgesetzt Taittinger versteht es ab sofort zu handeln. Was ich persönlich noch stark anzweifel.


    Kapitel 23
    Taittinger wird zum Oberst befohlen. Roth hatte das so wunderbar beschrieben, man hört quasi den Oberst rumbrüllen. Allerdings würde ich mal behaupten, das ganze Ausmaß der Affäre ist -noch?- nicht bekannt. Bis jetzt wurde "nur" die Gräfin W. ins Spiel gebracht. Die Fäden zu Mizzi sind wohl noch nicht gezogen worden. Jeder in der Kaserne konnte problemlos sich alles anhören und jeder war gleichzeitig schadenfroh und litt für Traittinger -dank der soldatischen Solidarität- mit. Dem Rittmeister wird der Abschied nahegelegt.


    Kapitel 24
    Zenower verbringt die kommende Nacht mit Taittinger bei Sedlak. Sozusagen sein Trost und Stütze. Er hilft ihm das Abschiedsgesuch zu formulieren bzw. er schreibt es Taittinger vor, der braucht es nur noch abzuschreiben. :roll: Und dann kommt es zu einer intensiven Szene, die mich stark an einer bei "Der Idiot" von Dostojewskij erinnert hatte. Da tauschen die beiden Hauptfiguren ihre Kreuze aus, hier sind es die beiden Uhren. Taittinger hat eine letzte Bitte an Zenower, dass er doch seine Pferde verkaufen möchte. Der letzte Faden zum Militär wird dadurch gekappt.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Da bin ich ja beruhigt, dass nicht nur ich die Geschichte als ein recht distanziert empfinde. Es ist nicht so, dass mir die handelnden Personen als "wirkliche" Menschen erscheinen, sondern nur als Kunstfiguren. Auf hohem Niveau, das auf alle Fälle! Joseph Roth verschwindet nicht hinter der von ihm erzählten Geschichte, sondern ist meiner Meinung nach noch sehr in ihr präsent.


    Kapitel XX - XIV
    Und jetzt geht es Taittinger an den Kragen :-? .
    Dabei merkt man richtig, wie es sich um ihn zusammenzieht (die Schilderung des Bahnhofsrestaurants finde ich irgendwie unheimlich). Er sonnt sich noch seinem Glanz, wie weit er über dem Ober steht (genial, wie dieser die Patience legt, weil Taittinger sowas für "unschicklich" hält. Und dann stürzt er hinab und merkt, dass es doch keine so gute Idee ist, seinen Regimentskameraden die Zeitschrift zu zeigen - wenn sogar der Ober weiß, was Taittinger getan hat...
    Was Taittinger von Frauen hält, merkt man auch daran, wie er seine beiden Pferde benannt und beschreibt: "Pylades", ein griechischer Philosoph :roll: , und "Wally", langsam, störrisch, "Launisch war sie halt, nicht umsonst ein Frauenzimmer und urplötzlich aus Trägheit in Übermut umsiedelnd. Aber man liebte sie eben.". Naja, was Taittinger so als "Liebe" bezeichnet...
    Aus den zwei Briefen erfahren wir, wieviel Zeit verstrichen ist, 14 Jahre ist der Sohn von Taittinger und Mizzi mittlerweile. Und kommt anscheinend nach dem Pferd von Taittinger, weil er ebenso störrisch ist wie dieses. Andererseits, wer sollte es ihm verdenken? Seine Mutter kümmert sich kaum um ihn (und als "Mutter" kann man sie auch nicht bezeichnen), und seinen Vater kennt er gar nicht.
    Im nächsten Kapitel erzählt Zenower (da kann ich @Farast zustimmen, der ist der sympathischste aller Handelnden - den Obereunuchen vom Anfang mal ausgenommen), dass der Sohn von Taittinger und Mizzi ausgerissen ist. Und aufgrund der Umstände kann sich auch nur noch Taittinger um den Bub kümmern - alle anderen sind ausgefallen. Das verspricht auch nichts gutes für den Jungen.
    Da ist übrigens ein Widerspruch: einerseits wird gesagt, dass Taittinger noch nie Alimente gezahlt hat und dieser äußert sich auch, dass Mizzi niemals welche verlangt hat - andererseits hat doch Taittinger Mizzi die Pfaidlerei eingerichtet, sozusagen als Naturalunterhalt. Wetten, jetzt ist der arme Taittinger noch dran wegen Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht (Entschuldigung - da kommt die Rechtsanwaltsgehilfin durch :uups: ). Schließlich hat er anscheinend gar keinen Überblick über seine Finanzen. Brauchte er auch nicht, für sowas hat er sein Personal.
    Und das kommt in den nächsten Absätzen auch durch, als Zenower Taittinger die Hiobsbotschaften ausrichtet, dass es finanziell bei ihm nicht wirklich gut aussieht.
    Zu allem Überfluss geht jetzt auch noch seine Militärkarriere flöten :-, . Wie der Oberst ihn faltet, ist wirklich filmreif. Übrigens, den Oberst finde ich auch recht angenehm: zugegeben, der typische Radfahrer ("nach oben buckeln, nach unten treten"), aber anscheinend hat er sich seine Karriere erarbeitet, ohne "Vitamin B":
    "Ich bin ein einfacher Frontoffizier, jawohl, einfacher Frontoffizier! Ich war nie detachiert. Ich hab' keine Freunderln in Wien. Ich kenn' keine Exzellenzen! Jawohl, so wahr ich der Oberst Joseph Maria Kovac bin, einfacher Oberst...".
    Also ein wahres Schlachtross.



    Allerdings würde ich mal behaupten, das ganze Ausmaß der Affäre ist -noch?- nicht bekannt. Bis jetzt wurde "nur" die Gräfin W. ins Spiel gebracht. Die Fäden zu Mizzi sind wohl noch nicht gezogen worden.

    Also, ich hatte es so verstanden: dem Redakteur reichen die von Taittinger erhaltenen 2.000 Gulden nicht aus und marschiert zum Ehemann der Gräfin W., um auch von diesem eine entsprechende Summe zu erhalten. Was sich jedoch als böser Fehler herausstellt, denn dieser arbeitet im Finanzministerium und kennt den Kriegsminister (Verbindungen zu haben, zahlt sich - fast - immer aus). Schlecht für den Redakteur, weil er kein Geld erhält. Und noch schlechter für Taittinger, weil damit eine Verbindung zu ihm gezogen wird (der Redakteur hat schließlich gesagt, dass er von Taittinger bereits 2.000 Gulden erhalten hat), deshalb wird er entlassen.
    Dass es noch schlimmer kommen wird, wenn Mizzi mit ins Spiel kommt, glaube ich nicht. Damen, die diesen Beruf ausüben :wink: , hatten damals noch einen weitaus schlechteren Ruf als heute. Sie leben absolut am Rande der Gesellschaft und hatten überhaupt keine Lobby; für die gute Gesellschaft existierten sie gar nicht.
    Allerdings ist da die Sache mit den gefälschten Brüsseler Spitzen...


    Ich bin wirklich gespannt, wie es weiter geht. Derzeit gehe ich aber davon aus, dass der Besuch des Schah-in-Schahs für keinen der Beteiligten was Gutes gebracht hat. Und ein Happy-end für Taittinger und Mizzi rückt auch in weite Ferne :mrgreen: (ein wahres Traumpaar - lebensuntüchtig bis zum geht-nicht-mehr, wenn sie keinen haben, der ihnen das Denken abnimmt). Eher bringt sich Taittinger noch um, weil er keinen Ausweg mehr sieht...

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Auch, wenn es nicht so aussieht: ich lese noch mit. Nur mit dem hier schreiben ist es in den letzten Tagen etwas schwierig geworden :-,


    Da ihr alles schon so schön zusammengefasst habt hier nur noch ein paar minder zusammenhängende Gedanken zu den letzten Kapitel meinerseits:
    - Die Matzner: Kann man an Hypochondrie bzw. eingebildeter Armut sterben? Den Eindruck macht sie mir bisweilen. Einerseits ist sie die toughe Geschäftsfrau, die im Gegensatz zu Mizzi genau weiß, wie Bücher auszusehen haben und damit den Lissauer zu Fall bringt. Auf der anderen Seite wirkt sie auf mich geradewegs hysterisch. Jedes Mal, wenn irgendetwas nicht ganz rund läuft, rennt sie panisch zur Bank und ist in Gedanken schon diverse Male verhungert, obwohl ihr Bankier ihr ebenso oft versichert hat, dass sie finanziell mehr als gut aufgestellt ist. Entsprechend auch ihre Reaktion auf die Nachricht vom Tode des Bankiers. Dass dadurch das Geld nicht verschwindet sollte eine Geschäftsfrau doch eigentlich wissen?! Am Ende ist sie - so scheint es mir zumindest - in einem Wahnzustand und auch hier geht es wieder einmal nur darum, dass sie Angst um ihr Geld hat, es dann verteilen will und es doch nicht tut. Fast so als müsste sie in dem Moment, in dem sie über die große Summe verfügt, sich selbst mal eingestehen, was sie da eigentlich alles besitzt.
    -Eine Phrase, die mir immer wieder auffällt, gerade von Seiten Taittingers als Militär ist der "behäbige, betäubende Friede" (oder ähnlich formuliert). Ich sehe ja ein, dass einem gestandenen Soldaten das Leben ohne Krieg ein wenig sinnlos vorkommen kann, aber gerade der Taittinger ist ja nun nicht gerade der geborene Soldat. So richtig gehört er nicht zur Truppe, das liest man auch immer wieder heraus.
    - Und dann stürzt die Realität recht geballt auf den Taittinger ein. Recht leid will er mir nicht tun, aber auf einmal scheint er ein Mensch aus Fleisch und Blut. Beginnend mit seinem Besuch bei Mizzi im Gefängnis. Auf einmal nimmt er sie tatsächlich als bedauernswerte Person wahr und damit setzt sich ein Sinneswandel in Gang, der sich selbst in so Kleinigkeiten äußert wie dem bewussten Wahrnehmen des fallenden Schnees. Nur leider kommt er damit überhaupt nicht klar.
    -Der Herr Zenower - vielleicht ist das eine lokale Sache, aber zumindest in dieser Gegend gibt es einen Ausdruck "Mach doch nicht so ein Zinober" (im Sinne von Aufstand), das sehr ähnlich klingt. Das mag jetzt Zufall sein, da ich mich mit den österreichischen Ausdrücken auch nicht auskenne, aber irgendwie würde es ein wenig passen. Dahin gehend, dass der Zenower eben der einzige zu sein scheint, der eben kein Aufheben um die Dinge macht, sondern als einziger recht klar sieht. Aber vielleicht interpretiere ich hier einfach zu viel hinein.

  • XX
    So langsam wird der Taittinger von all seinen Sünden eingeholt. Seine Geschichte ist also bekannt; Lazik zu schmieren war also unnötig, denn man hat sich schon seit Jahren den Mund über ihn zerrissen.
    Am Ende auch noch der uneheliche Sohn, der sich jetzt in sein Leben drängt. Kein Wunder, dass der arme Mann Alpträume bekommt, bröckelt doch die ganze Fassade, die er sich aufgebaut hat.
    Roths Beschreibungen fallen mir wegen ihrer ungewöhnlichen Wortzusammenstellung immer wieder auf. „Ein dünner langweiliger (sic!) und kalter Regen rieselte sacht und zudringlich hernieder und umgab die armseligen gelblichen Petroleumlampen mit einem nassen Dämmer.“ Langsam komme ich dahinter, was Roth macht: Er nimmt Adjektive und verbindet sie mit einem Substantiv, das auch einem anderen Bereich kommt ... kann Dämmer nass oder trocken sein? Aber genau dadurch erzeugt er die Stimmung für eine Szene, denn jeder weiß, wie sich „nasser Dämmer“ anfühlt.


    XXI
    Jetzt sitzt Taittinger seinem Gegenentwurf gegenüber, denn Zenower ist einer, der es aus eigenen Kräften bis hierher geschafft hat, der sich nicht damit aufhält, Vergangenem nachzuweinen, sondern der ehrgeizig ist und etwas aus seinem Leben machen will. Dagegen wirkt Taittinger verwirrt und dumm; es rächt sich jetzt, dass er bisher immer nur an sein eigenes Vergnügen dachte und sich um die schnöden (langweiligen) Alltagsprobleme oder die Konsequenzen seiner leichtsinnigen Lebensweise nicht kümmerte.
    Taittinger beneidet Zenower. Tatsächlich? Vermutlich nicht, weil er sich auf einmal wünscht, zu den „Guten“ zu gehören, sondern weil ihm Zenowers Leben einfacher, klarer und lebenswerter erscheint. Nach dem Motto: Wäre ich du, hätte ich meine Probleme nicht!
    Roths Ironie lässt von Kapitel zu Kapitel mehr nach.


    XXII
    Es gibt sie wirklich, diese Leute, die immer jemanden finden, der ihnen die Kohlen aus dem Feuer holt, und dafür sorgt, dass sie immer wieder mit heiler Haut und weißer Weste davon kommen. Warum macht Zenower das? So wie es aussieht, durchschaut er Tattinger; dennoch will er für ihn den ganzen Ungemach in Ordnung bringen.
    Und nach dem ganzen Schlamassel mit Matzner, Lazik, dem Sohn, dem maroden Hof und den weggeschmolzenen Finanzen schafft der Traittunger es tatsächlich, Mizzis Brief abzuholen und sogar zu lesen. :thumleft: Kein Wunder, dass er sich für mutig hält. Mehr hat er im Augenblick vor und für sich selbst nicht zu bieten. Inzwischen kann er nicht mehr anders, und sein Selbstbewusstsein wird nur noch von Realitätsverleugnung und Selbstbetrug mühsam aufrecht erhalten.


    XXIII
    Der „Kasernengott“ :totlach: schlägt zu. Mit aller Kraft, die er in seinen „kurzen Ärmchen“ hat. – Das ist nun wieder große Kunst, wie Roth den Oberst umreißt und dieser, nur mit den wenigen Worten vorgestellt, sofort als Bild im Kopf erscheint.
    Mag sein, dass Tattinger gegen alle möglichen geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze, gegen Moral und Soldatenehre verstoßen hat, für den Oberst ist die Sache schlimm, weil sie in seiner Garnison passiert, weil er den Ärger und die üble Nachrede zu spüren bekommt.
    Jetzt hat Tattinger also noch seinen Posten verloren. Jeder Schritt, den er bis hierher machte, war noch dümmer und leichtfertiger als der vorige. Als hätte jemand einen geraden Strich zur tiefsten Stelle des Abgrunds gezogen und den Tattinger darauf geschickt. Zielsicher hat er alles falsch gemacht und bei jeder Entscheidung die schlechtere Alternative gewählt.


    XXIV
    Das wars dann. Dass es eine Zeit gab, in der man auf Uniformen stand, dass Frauen Männer wegen ihrer Uniform sexy fanden, weiß ich; nachvollen kann ich es nicht, im Gegenteil.
    Aber zu der Zeit, in der der Roman spielt (und auch noch zu der Zeit, in der er geschrieben wurde), war die Uniform für einen Angehörigen des Militärs Symbol nicht nur des Berufes, sondern auch der gesellschaftlichen Stellung. Uniform ausziehen heißt also, sich entblößen (mir kommt bei diesem Gedanken die geschorene Mizzi in den Sinn).
    Ich bin jetzt wirklich gespannt, ob und wie sich Tattinger aus dieser Situation heraus laviert. Geld hat er keines mehr, ein Zuhause nicht mehr, nur noch Zenower, der zu ihm hält.
    Neben der individuellen Seite Tattingers hat sein Vergehen auch gesellschaftliche Relevanz. Was hat er denn schon getan? Den Schah an der Nase herumgeführt. Eine Gräfin vor „Unheil“ bewahrt. Ein uneheliches Kind gezeugt (was aber nicht soo schlimm war und öfter vorkam; schlimm war er eher für die Mutter und das Kind, das mit dem Stigma aufwuchs). Man stelle sich vor, Tattinger hätte damals anders reagiert und für eine „Bekanntschaft“ des Schahs mit Gräfin W. gesorgt. Dann hätte er die Prügel auch abbekommen. Es war mithin ein Himmelfahrtskommando, das er beim Schahbesuch durchführen musste – mal abgesehen von der eigenen Belustigung, die er dabei hatte.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Kapitel 25
    Was für ein Gut! Es gibt doch so ein Spruch: Wie der Herr so das Gescherr. Mausefalle ist doch ein recht passender Name für das was Taittinger dort antrifft. Übrigens ein Satz fand ich ziemlich komisch: "Die Raben hingen reglos und schwarz an den verschneiten Tannen." Ich habe da so ein schräges Bild vor Augen. Raben, die wie Tannenzapfen oder Fledermäuse an den Tannen hängen. :totlach: So seltsam wie das ganze Gut.... Da ist doch alles zerfallen und was von Wert war, wurde weggeschafft. Kein Wunder das es den Bediensteten peinlich war als der Baron auftauchte. :roll: Und dann will der Kerl ja auch noch bleiben und man fürchtet wohl um das gewohnte Lotterleben. Man könnte sie doch direkt schon beruhigen und sagen, dass Taittinger eh kein Mumm in den Knochen hat und vermutlich schneller wegfährt als ankommt.
    Taittinger lernt seinen Sohn kennen, der so gar nicht nach seinen Vorstellungen ist. Zumindest vom äußerlichen her. Aber immerhin scheint der doch etwas klüger wie sein Vater zu sein. Entsetzt hat mich übrigens die Gewalt von diesem Wachtmeister. Dem Jungen ins Gesicht zu schlagen, ohne Vorwarnung! Heftig! Wie sollte ausgerechnet der Junge Respekt vor seinem Vater haben? Wie auch immer der Sohn verrät dem Vater in einem kleinen Brief (den sich Taittinger natürlich erklären lässt...) von dem Diebstahl des Bürgermeisters. Und auch da wieder die gewohnte Tatenlosigkeit des Taittingers. Das einzigste was ihn in Bewegung bringen konnte war die klare Anweisung sich an einem bestimmten Termin der Superarbitrierungskommission zu stellen. Taittinger als Zivilist, kommt mir vor wie ein Fisch ohne Wasser. Das ist einfach der Typ der militärisches Umfeld braucht. Kein eigenes Denken, Befehlen gehorschen, klare Anweisungen, ein geregelter Tagesablauf....
    Und einen alten Bekannten trifft man wieder, den Lazik. Der viel zu hoch gestapelt hat und tief gefallen ist. Damit hätte sich "die Affäre" wohl erledigt. Und auch hier wieder diese absolut nervige Naivität Taittingers.
    Die Szene die dann folgte war doch recht amüsant. Lazik als Hehler 8) Und ein naiver Taittinger der nichts schnallt und niemand erkennt und sich ausrichten lassen muss, dass Herr Oberinspektor Sedlacek ihn ausrichten lasse, dass der Redakteur mit Kokain handelt, die Polizei ihn benützen würde und der Baron soll ihn ja nicht unterstützen.
    Taittinger fährt zu Mizzi, die sich mittlerweile sehr verändert hatte. Taittinger kann die Welt nicht verstehen, alles ist zu verworren und zu hoch für ihn. Auch Zenower hat sich verändert, er ist mittlerweile Rechnungleutnant geworden und tritt bald einen neuen Dienst an. Und lässt den Baron wie einen "Waisenknaben" zurück.


    Kapitel 26
    Frühling wird es. Neubeginn. Mizzi wird entlassen und von Taittinger abgeholt. Taittinger der sich in nichts im klaren ist. Um seine Gefühle, was er tun will, nichts. Er lässt sich einfach so treiben. :roll: Eine neue Figur betritt die Bühne, Magdalene Kreuzer, Leni genannt. Ich würde mal sagen, die Dame weiß was sie will. 8) Das ist doch DAS was der Baron braucht. Man trifft sich. Dazu stösst noch der Freund Lenis, Ignaz Trummer, ein "Ungeheuer" von einem Kerl. Taittinger soll für Mizzi das Panoptikum finanzieren. Wäre nur noch die Kleinigkeit ihr mal offen zu sagen von was denn. Denn Geld hat der Baron ja wirklich nicht mehr. Das Gut ist verlottert und sich selbst überlassen.


    Kapitel 27
    Es entsteht eine Art Routine bei Taittinger. Die Vormittage sind der Aristokratie gewidmet, die Nachmittage dem "Volk". Irgendwie kommt er dabei Mizzi wieder näher. Mizzi, die sich stark anstrengt um sich ihm anzupassen, immer gewiss das es nur für ein paar Stunden seien. Mizzi, die über das Geschehene nachgedacht hatte und zum Entschluss kam, dass ihr Unrecht geschehen ist. Und die Ursache der Baron Taittinger wäre. So absolut naiv ist sie dann wohl doch nicht mehr? Nochmal wird über Alimente nachgedacht. Unterstützung erfährt sie durch Trummer, der über entsprechend eigene Erfahrung verfügt. Immerhin ist er Vater von drei unehelichen Kindern und konnte sich von zwei Unterhaltszahlungen durch Lügen drücken. Das dritte Kind hat er zu seiner alten Tante gebracht, wo es durch einen schrecklichen Unfall gestorben ist. Ja, der Mann hat Erfahrung ](*,):-# Das Wachsfigurenkabinett käme als Entschädigung für Mizzi in Frage. Und wenn man eben noch gedacht habe, dass Mizzi etwas klüger geworden ist, erfährt man kurz danach, dass sie Taittinger immer noch liebt. Und eigentlich nichts bereut. Obwohl, wären die beiden nicht ein absolutes Traumpaar? Beide völlig naiv und lebensunfähig. Und trotzdem hat Mizzi etwas durch das Leben gelernt, nämlich sich noch ein wenig Geld in der Hinterhand zu behalten.

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  • Roths Beschreibungen fallen mir wegen ihrer ungewöhnlichen Wortzusammenstellung immer wieder auf. „Ein dünner langweiliger (sic!) und kalter Regen rieselte sacht und zudringlich hernieder und umgab die armseligen gelblichen Petroleumlampen mit einem nassen Dämmer.“ Langsam komme ich dahinter, was Roth macht: Er nimmt Adjektive und verbindet sie mit einem Substantiv, das auch einem anderen Bereich kommt ... kann Dämmer nass oder trocken sein? Aber genau dadurch erzeugt er die Stimmung für eine Szene, denn jeder weiß, wie sich „nasser Dämmer“ anfühlt.

    Danke Marie für diese Hinweise. :) Mir entgehen die Besonderheiten wie ein Buch "handwerklich" aufgebaut ist immer. Da habe ich leider einfach kein Auge dafür.

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  • Kapitel XXV - XVII

    Den Ausdruck kenne ich auch - aber den in Verbindung mit Herrn Zenower zu bringen, darauf bin ich nicht gekommen. Passt aber wirklich :-k .

    Der Herr Zenower - vielleicht ist das eine lokale Sache, aber zumindest in dieser Gegend gibt es einen Ausdruck "Mach doch nicht so ein Zinober" (im Sinne von Aufstand), das sehr ähnlich klingt. Das mag jetzt Zufall sein, da ich mich mit den österreichischen Ausdrücken auch nicht auskenne, aber irgendwie würde es ein wenig passen. Dahin gehend, dass der Zenower eben der einzige zu sein scheint, der eben kein Aufheben um die Dinge macht, sondern als einziger recht klar sieht.

    Taittinger kehrt also an seinen Heimatort, die "Mausefalle" zurück. Der Name ist wirklich zutreffend. Ist auch verständlich, wie "gehemmt" die ganzen Dorfbewohner sind, als der Herr Baron bei ihnen in der Kneipe sitzt.
    Welche Szene ich sehr gut fand, als die Dorfbewohner sozusagen Kommando bekommen, sich ganz normal zu geben, und sich dann auch unterhalten - ganz natürlich, schon klar.
    Die Ohrfeige des Wachtmeisters fand ich in Anbetracht der damaligen Zeit nicht so erschreckend. Hier war es noch vor recht kurzer Zeit üblich, dass die Kinder von ihren Eltern geschlagen wurden (Stichwort "Züchtigungsrecht"), und eine Mindermeinung sagt immer noch, "eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet.". Der Sohn hat keine Eltern, die sich vor ihn stellen und schützen könnten, als unehelicher Sohn ist er quasi Freiwild für alle. Mir tut er wahnsinnig leid: die Mutter hat ihn abgeschoben, der Vater hat ihn ignoriert, er fühlt sich nirgendwo richtig zugehörig. Trotzdem hat er gegenüber seinem Erzeuger soviel Loyalität entwickelt, dass er ihn mittels eines Briefes von den Unterschlagungen des Bürgermeisters unterrichtet. Da habe ich sogar Hochachtung vor dem Jungen.
    Und Taittinger? Den interessiert das gar nicht, wenn er es überhaupt verstanden hat. Ich habe eine Ahnung, wie es dem armen Bub ergeht, als er zum Haus des Bürgermeisters zurück verfrachtet wird.

    Das ist einfach der Typ der militärisches Umfeld braucht. Kein eigenes Denken, Befehlen gehorschen, klare Anweisungen, ein geregelter Tagesablauf....

    Oja, das trifft auf Taittinger zu. Der braucht jemandem, der ihm das Denken und alles, was darüber hinaus geht, abnimmt. Allein schon dieser eine Satz: "Ein Zivilist kann aufstehen auch ohne Burschen: Einen Wecker hat ein Zivilist."

    Frühling wird es. Neubeginn.

    Ich fand den Anfang des Kapitels wunderschön beschrieben. Beim ersten Absatz sieht und riecht man richtig den herannahenden Frühling.


    Der Fokus richtet sich auf Taittinger. Dieser sitzt in den "frühreif erblühten Gasthausgärten der Wiener Vorstädte" und sinniert in seinen Wein. Ein schlechtes Gewissen hat er nicht, wieso auch? Nein, er meint nicht, dass er am Schicksal von Mizzi schuld ist (ich kann verstehen, dass es schwer fällt, da den Kausalzusammenhang herzustellen), schließlich verdankt sie ihm doch ein paar gute Jahre :roll: . Sehr schön finde ich folgende Formulierung: "Liebte er sie? - Auch dies nicht. Das Herz gehörte zu den verkümmerten Organen Taittingers."

    Wäre nur noch die Kleinigkeit ihr mal offen zu sagen von was denn. Denn Geld hat der Baron ja wirklich nicht mehr. Das Gut ist verlottert und sich selbst überlassen.

    Ich bezweifle wirklich, dass er da den Überblick hat. Derjenige, der das für ihn hätte retten können (sozusagen sein Peter Zwegat :mrgreen: ) ist als Rechnungleutnant unterwegs.

    So absolut naiv ist sie dann wohl doch nicht mehr?

    Oh doch, ich fürchte schon :roll: .

    Obwohl, wären die beiden nicht ein absolutes Traumpaar? Beide völlig naiv und lebensunfähig.

    Sag ich doch. Ich weiß wirklich nicht, woher der gemeinsame Sohn den offenbar vorhandenen Grips her hat (von anderen offenbar vorhandenen Eigenschaften wie Loyalität usw. ganz zu schweigen).

    Und wenn man eben noch gedacht habe, dass Mizzi etwas klüger geworden ist

    Das war dann wohl der Sieg der Hoffnung über die Erfahrung 8-[ .



    Eine neue Figur betritt die Bühne, Magdalene Kreuzer, Leni genannt. Ich würde mal sagen, die Dame weiß was sie will. Das ist doch DAS was der Baron braucht. Man trifft sich. Dazu stösst noch der Freund Lenis, Ignaz Trummer, ein "Ungeheuer" von einem Kerl. Taittinger soll für Mizzi das Panoptikum finanzieren.

    Das nächste Traumpaar. Ich werde jetzt mal richtig boshaft :twisted: und sage, dass in dem Panoptikum nahezu das gesamte Personal dieses Buchs ausgestellt werden könnte.

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • XXV
    Das Gut ist in einem schlimmeren Zustand als Taittinger ahnte, alles kaputt, notdürftig repariert, im Grund unbewohnbar. Dennoch ist es das einzige Zuhause, das er im Augenblick noch hat.
    Was er hier durchmacht, der Hass auf alles und jeden, die Unfähigkeit, den Tag zu strukturieren (was für einen, der vorher gewohnt war, auf Kommando zu handeln, natürlich schwierig ist) und das Gefühl, nur für den Abend und den Besuch im Gasthaus zu leben, kommt einer Depression nahe. Er hat, wie damals Mizzi, keinen Halt. Der Zenower, der Einzige, der bis dahin noch irgendwie auf seiner Seite stand, ist versetzt worden.
    Ist der Besuch im Gefängnis nicht der Griff nach dem allerletzten Strohhalm? Einen anderen Grund kann ich mir nicht vorstellen.
    Er benutzt immer noch das Wort „penibel“, wenn er „peinlich“ meint. Hat ihm in all den Jahren niemand gesagt, welchen Stuss er redet?
    Das Wort „unappetitlich“ wendet Roth zweimal auf Taittingers Sohn an: Er hat unappetitliche (Finger)Nägel und macht einen unappetitlichen Knix. (Hier wieder das Adjektiv, das aus einem anderen Bereich kommt als das Substantiv.)
    Lazik taucht wieder auf, es geht ihm noch schlechter als Taittinger, und seine kriminelle Karriere scheint auf dem Vormarsch.


    XXVI
    Bis jetzt überließ der Erzähler es dem Leser, sich ein Urteil über Taittinger zu bilden, nun greift er erstmals selbst ein und sagt von ihm: „Das Herz gehörte zu den verkümmerten Organen Taittingers.“ Das weiß der Leser längst, das braucht ihm eigentlich niemand zu sagen.
    Endlich kann man Luft holen nach all den düsteren Kapiteln. Auch für den Leser ist es Frühling geworden. Und bunt: Lenis Wohnzimmer mit rotem Plüsch, grüner Tischdecke, gelben Vasen, … Dann erscheint ein Gegenstück zu Taittinger, der Trummer, der sich bestens zurecht findet, Geschäfte macht, die nicht immer sauber sind, der aber eine Lebenslust verkörpert, wie noch niemand in diesem Buch. Ein ungehobelter, aber ehrlicher und gutmütiger Klotz. Kaum hat Taittinger sich darauf eingelassen und beginnt, sogar das niedere Volk „charmant“ zu nennen, wird er hinterrücks vom Schicksal in Form eines ehemaligen Regimentskameraden eingeholt. Prompt werden Mizzi, Leni und Trummer verleugnet, ebenso wie seine verfahrene finanzielle Situation und das ruinierte Gut. Jetzt hätte er die Möglichkeit gehabt, eine Kehrtwendung zu machen, denn Leni und ihr Freunde scheinen bodenständige Leute zu sein. Aber immer noch sind der Schein und das Selbstmitleid stärker.


    XXVII
    Beide sind gleichermaßen in ihren Gefühlen verwirrt, Mizzi und Taittinger. Sie hasst ihn, denn inzwischen ist sie dahinter gekommen, dass er am Anfang ihres unglücklichen Lebens stand; gleichzeitig liebt sie ihn wie ein junges unerfahrenes Mädchen. Die Jahre im Gefängnis haben sie nicht verändert, und wenn Leni nicht so gewieft wäre – sie ist es, die Mizzi rät, über ihre tatsächlichen finanziellen Verhältnisse zu schweigen - , wäre sie Taittinger und seinem becircendem und gleichzeitig berechnendem Charme wieder ausgeliefert. Insofern waren das Gefängnis und die Freundschaft mit Leni das Beste, was ihr passieren konnte.
    Ebenso schizophren wie seine Gefühle gestalten sich Taittingers Tage. Der Morgen gehört dem Adel und seinen ehemaligen Bekannten und Freunden – wenn auch nur als Zuschauer am Rande der Reitbahn. Ihnen präsentiert er sich als Landedelmann, der ganz in seiner neuen Rolle als Gutsbesitzer aufgeht. Den Nachmittag widmet er dem gemeinen Volke, Mizzi und deren Freunden. Als Ausgleich für die nicht gezahlten Alimente (was ist mit der Pflaiderei?) soll Taittinger Mizzi einen Zuschuss für ein Wachsfigurenkabinett geben, in das sie sich einkaufen will und das laut Trummer gute Einnahmen verspricht. Man weiß nicht, ob man den Optimismus teilen kann.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Raben, die wie Tannenzapfen oder Fledermäuse an den Tannen hängen.

    Zuerst las ich "Reben" und dachte, es handele sich um Trauben, die niemand gepflückt hat. Als sie aufflogen, las ich die Stelle sicherheitshalber nochmal. :uups: Mein altes Taschenbuch von dtv aus dem Jahr 1972 (aufgedruckter Preis 3,80 DM), ist sehr klein gedruckt, und hell ist es auch nicht mehr.

    Welche Szene ich sehr gut fand, als die Dorfbewohner sozusagen Kommando bekommen, sich ganz normal zu geben,

    Genauso, wie wenn der strenge Chef kommt und von seinen Leuten verlangt, locker zu sein.

    Die Ohrfeige des Wachtmeisters fand ich in Anbetracht der damaligen Zeit nicht so erschreckend.

    Ich auch nicht. So lange ist es bei uns nicht her, dass eine Ohrfeige als normales und alltägliches Erziehungsmittel galt. Ich habe in der Schule noch Lehrer erlebt, die schlugen.

    sage, dass in dem Panoptikum nahezu das gesamte Personal dieses Buchs ausgestellt werden könnte.

    :totlach:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Genauso, wie wenn der strenge Chef kommt und von seinen Leuten verlangt, locker zu sein.

    Oder beim Militär das Kommando "Steht bequem!".


    So, Abschluss, Kapitel XVIII bis zum bitteren Ende

    Es geht abwärts mit Taittinger. Immer weiter.
    Sein Sohn wird zur Mutter geschickt, und diese und ihre neuen Freunde schicken ihn wiederum zum Taittinger. Der ist geschockt, als der "grausige Junge" vor ihm steht. Ich war ein wenig befremdet, dass Taittinger seinen Sohn mit "Herr Schinagl" anspricht, aber es passt zu ihm.
    Taittinger überlegt, ob er wieder zum Militär gehen könnte. Eine an sich ganz gute Idee, denn dort wird ihm wieder das Denken abgenommen, und außerdem - Geld hat er ja auch nicht mehr.
    Jedoch, dann erscheint Mizzi mitsamt dem gemeinsamen Sohn (das klingt, als ob wir von einer ganz normalen Familie reden). Übrigens, ich fand toll, wie Joseph Roth Taittingers Höflichkeit beschreibt: Er hat sich zwar vorgenommen, nicht aufzustehen, als Mizzi erscheint, aber völlig automatisch steht er auf. "Er war unfähig, vor einem Wesen in Frauenkleidern sitzen zu bleiben." Das ist noch schöne altmodische Höflichkeit (Emanzipation hin oder her, aber eine grundsätzliche Höflichkeit finde ich sehr gut!).
    Der Sohn wird am nächsten Tag 18. Vor lauter Verlegenheit überreicht Taittinger ihm einen 100-Gulden-Schein. Mizzi will Xandl den Hunderter abnehmen, aber Xandl lehnt das ab, mit recht drastischen Worten. Diese drastischen Worte treffen Mizzi sehr, zum ersten Mal fühlt sie sich wirklich erniedrigt dadurch, dass ihr Sohn auf sie herabblickt. Ich glaube, nicht nur ich dachte, dass sie sich jetzt von der Brücke stürzt.
    Mizzi und Taittinger sind nicht nur in ihrer Naivität gleich, auch darin, dass sich beide zu einem Leben zurücksehnen, in dem alles für sie geregelt wurde: Taittinger zum Militär, Mizzi zum Gefängnis.
    Jetzt wird es dramatisch: Xandl hat von seinen 100 Gulden ein Bizykl angezahlt (ich vermute, ein Fahrrad?) und will es am nächsten Tag abholen. Finde ich auch sehr lobenswert. Mizzi will den Rest haben, Xandl steckt diesen ein. Was dann passiert - ja, Verkettung unglücklicher Umstände, würde ich mal sagen: Der Schani (wer ist das denn nochmal?) braucht Geld und will Xandl was verkaufen. Schani hat nur Schmuck (dem Xandl nicht traut, berechtigterweise) und einen Revolver. Xandl nimmt den Revolver. Und irgendwie kann einem der Xandl wirklich nur leidtun, denn egal, was er macht, es wird ihm immer negativ ausgelegt. Mein Gerechtigkeitsempfinden bäumt sich da richtig auf: Wieso meinen die "Erwachsenen", dass der Xandl kein Anrecht auf das Geld hat? Wieso wird ihm das weggenommen? Schließlich nimmt es ihm der Trummer ab und wird es auch Mizzi nicht aushändigen. Kein Wunder, dass es dann kommt, wie es kommen muss: Xandl begeht angeblich einen Raubüberfall. Ich glaube nicht einen Moment, dass es sich so abgespielt hat, wie Trummer und die Leni das darstellen. Jedenfalls sitzt der Xandl jetzt auch in Haft, und die ganze Geschichte kommt raus und kommt vor Gericht.
    Taittinger überschreibt noch das Panoptikum auf Mizzi, dieses wird "feierlich" eröffnet.


    Dann schließt sich der Kreis, der Schah kehrt zu einem erneuten Besuch nach Österreich zurück. Taittinger ist inzwischen merklich gealtert. Er hat weiterhin seine Rückkehr zur Armee betrieben. Und erfährt, dass im Zuge der Rückkehr des Schahs auch seine Akten genauer geprüft werden. Was ihn dazu veranlasst, den endgültigen Schlussstrich zu ziehen. Und ich muss sagen, dass ich damit schon seit einiger Zeit gerechnet habe.
    Im Gefolge des Schahs befinden sich nicht nur seine neueste Frau und der Obereunuch, sondern auch der charmante Kirilida. Dieser erinnert sich an seinen "Freund" vom letzten Mal, den Rittmeister Taittinger, erkundigt sich an diesem und erfährt, dass er verstorben ist. Ich finde es erstaunlich: beim ersten Schahbesuch hatte ich den Eindruck, dass Kirilida und Taittinger ungefähr gleichaltrig sind. Wenn man sich jetzt überlegt, wie alt und gebrechlich Taittinger war, als er sich umgebracht hat, und wie jung Kirilida noch rüberkommt...
    Bei einem Stadtbummel sehen der Obereunuch und Kirilida die Perlen, die der Schah nach der Liebesnacht Mizzi überreicht hat, und erwerben sie. Nach einem sehr vielsagenden Gespräch des Schahs mit dem Obereunuchen kehren die Perlen zu ihrem ursprünglichen Besitzer zurück. Übrigens, wurde nicht nur ich melancholisch bei dem Gespräch?
    Allerdings ist beim letzten Kapitel der gesamte Grundton recht melancholisch gehalten: der Schah verlässt die Reichshaupt- und Residenzstadt. Im Welt-Bioscop-Theater sitzt Mizzi an der Kassa, und denkt manchmal an Xandl (allerdings keine sehr tiefsinnigen Gedanken - sie ist anscheinend nicht so der mütterliche Typ), selten an Taittinger, kaum an die 2000 Gulden, die sie noch gespart hat. Und hält Ausschau nach einem Mann. Gut, dann hoffen wir mal, dass sie einen findet. Denn irgendwie tut sie immer noch sehr leid (auch wenn ich mit naiven Frauen nicht so die Geduld habe).
    Mit ein paar weisen Worten des Wachsfigurenlieferanten endet das Buch.


    Und damit endet die Geschichte von der 1002. Nacht.


    Über die Gesamtbewertung muss ich noch ein wenig nachdenken und werde dazu heute Nachmittag noch was schreiben :-k .

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • XXVIII
    Es scheint sich Normalität anzubahnen, sofern man bei Mizzi oder Taittinger von Normalität sprechen kann. Heißt: Sie haben sich im Alltag miteinander arrangiert. Sie treffen sich, gehen miteinander ins Café und ins Bett. Taittinger gefallen die alten Gewohnheiten und das Vertraute, Mizzi überlegt schon wieder, ob sie den Taittiner nicht doch noch leibt. – Könnte sie bitte langsam zu einer Entscheidung kommen? –
    Ihre Träume sind Träume von einem neuerlichen Opfer – aus der Rolle kommt sie nicht heraus – doch sie fühlt sich stark dabei: Was, wenn er krank würde, bettlägerig, und sie könne ihn versorgen und pflegen. Sie kennt Beziehung auf Augenhöhe; entweder ist er der Herr Baron und sie seine kleine Geliebte. Oder er ist als Kranker von ihr abhängig.
    Jetzt kommt der Sohn zurück, den man endgültig aus dem Internat geworfen hat. Nicht einmal in der Steiermark würde ein Internat ihn aufnehmen, heißt es. Vielleicht kann einer unserer österreichischen Kollegen mich über den Sinn dieser spitzen Bemerkung aufklären. Taittinger kauft sich für 100 Gulden eine kurze Ruhe von ihm.
    Ich denke, das Problem mit dem Geld für Mizzis Sohn stellt sich zeitgeschichtlich betrachtet ganz anders dar als heute. Mit 18 war man, zumindest als Mann, noch Kind. Und einem Kind Weiß man, was das Kind mit einer so großen Summe anstellt? Tatasächlich: Der Junge erwirbt einen Revolver, und ich denke an Tschechow (war ers?), der sinngemäß gesagt hat: Wenn ein Revolver in einem Buch auftaucht, muss er bis zum Ende abgefeuert werden.


    XXIX
    Es passiert schneller als gedacht, dass der Junge ballert. Heute würde man es „Amoklauf“ nennen und hätte die Erklärungen sofort parat, die für mildernde Umstände sorgen würden. Aber hier kann nur der Kaiser selbst das drohende Gerichtsurteil mildern. Die Mizzi zieht alle Register; jetzt, aber immerhin besser spät als nie, setzt sie sich für den Sohn ein. Ob es ihm etwas nutzt? Immerhin gehört zu ihrem Einsatz auch ein Schlag gegen Taittinger – Mizzis erster. Sie nennt in ihrem Brief an den Kaiser den Vater ihres Sohnes beim Namen. Und das, wo Taittinger gerade alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, dass sein Name nicht im Gerichtssaal erscheint.


    XXX
    Kehrt Mizzi wieder zu ihren alten unseligen Verhaltensweisen zurück und offenbart dem Taittinger, dass sie sein Geld an und für sich nicht braucht? Doch diesmal bewahrt er Haltung, und er kauft ihr das Panoptikum. Wovon? fragt man sich. Er ist doch absolut pleite. Eigentlich hatte er das Gut verkaufen wollen, aber man hat davon nichts mehr gehört.
    Mizzi macht gute Miene zum bösen Spiel und führt zur Eröffnung ihres Panoptikums eine persische Szene auf, sieht dabei aus wie eine der Wachsfiguren, die ausgestellt werden. Kein Wunder, dass Taittinger wegläuft; so etwas hält selbst einer wie er nicht aus.



    XXXI
    Der Kreis schließt sich, der Schah kommt wieder zu Besuch, aber Taittinger steigt aus. Nachdem er es um ein Haar geschafft hatte, wieder zum Militär zurückzukehren, wird ihm buchstäblich alles genommen, was ihm noch ein wenig Luft verschaffte, und nachdem jetzt der letzte Funke Hoffnung erloschen ist, sieht er nur eine Konsequenz, den Selbstmord. Es geht alles sehr schnell, ein paar Leute nur auf dem Friedhof, keine Reden, keine Ehrung, keine Orden. So wenig, wie er am Ende seines Lebens gegolten hat, so wenig auch jetzt nach dem Ende. Kalergis Satz „Ich glaub, er hat sich verirrt im Leben“ ist nichts mehr hinzuzufügen, er trifft Taittingers Kern.
    Mizzi hat es schlauer angestellt; ihr Panoptikum scheint zu florieren. Sie greift das Thema „Persien“ auf, für das sie sich vermutlich als Expertin fühlt, und kauft dafür altes Zeitungsmaterial vom Lazik.


    XXXII-XXXIV
    Der Schah kommt, der Schah fährt, alles im grünen Bereich. Keine Probleme wie beim letzten Mal. Er reagiert sogar gelassen auf die Entlarvung seiner ehemaligen Gespielin. Damit war alles umsonst. Was so lange und so fest unter der Decke gehalten wurde, was offenbar als Staatsgeheimnis gehandelt wurde, die Mizzi ins Gefängnis, den Lazik in den Ruin und den Taittinger in den Selbstmord getrieben hatte, verpufft. Sinnlos, die ganzen Schwierigkeiten. Und das nur, weil man glaubte, den Schein wahren zu müssen.
    Wer hätte gedacht, dass Mizzi auf die Füße fällt. Anscheinend hat sie es mit Hilfe von Leni und Trummer geschafft, endlich für sich selbst zu sorgen. Wer auf der Strecke bleibt, ist der Sohn. Er hatte nie Eltern und wird auch weiterhin keine haben. Stattdessen droht ihm Gefängnis, wenn nicht sogar die Todesstrafe.
    Die Welt verlangt weiterhin nach Ungeheuern, sagt der Wachspuppenhersteller. Passende letzte Worte dieses Romans.


    Um eine Resümee zu schreiben, muss ich erst einmal eine Nacht über das Buch schlafen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Entschuldigt bitte, wenn ich mich jetzt erst wieder melde. Sonntags steppt bei uns immer der Familienbär und als ich hier kurz noch Bescheid schreiben wollte, hatte unser Internetzugang Wochenende und ging derartig langsam, dass aus einem "kurz noch reinhüpfen" leider nichts wurde.


    Ihr habt derartig tolle Zusammenfassungen geschrieben, dass ich nur noch ein wenig meine Gedanken dazu ergänzen möchte :)



    dass in dem Panoptikum nahezu das gesamte Personal dieses Buchs ausgestellt werden könnte.

    Der war gut! :lol: Wobei mir dann allerdings auch noch ein Gedanke dazu gekommen ist. So ganz fern beschrieben sind doch diese Figuren nicht. Bei einigen Beschreibungen musste ich still nicken, weil sie einem so im Laufe eines Lebens doch irgendwann auf die eine oder andere Art begegnen.


    Das ist noch schöne altmodische Höflichkeit (Emanzipation hin oder her, aber eine grundsätzliche Höflichkeit finde ich sehr gut!)

    Da bin ich ganz bei dir. :thumleft:

    Allerdings ist beim letzten Kapitel der gesamte Grundton recht melancholisch gehalten: der Schah verlässt die Reichshaupt- und Residenzstadt. Im Welt-Bioscop-Theater sitzt Mizzi an der Kassa, und denkt manchmal an Xandl (allerdings keine sehr tiefsinnigen Gedanken - sie ist anscheinend nicht so der mütterliche Typ), selten an Taittinger, kaum an die 2000 Gulden, die sie noch gespart hat. Und hält Ausschau nach einem Mann. Gut, dann hoffen wir mal, dass sie einen findet. Denn irgendwie tut sie immer noch sehr leid (auch wenn ich mit naiven Frauen nicht so die Geduld habe).
    Mit ein paar weisen Worten des Wachsfigurenlieferanten endet das Buch.

    So ganz und gar naiv fand ich sie am Schluss noch nicht einmal. Ich fand, dass sie sich schon mehr weiterentwickelt hatte als Taittinger. Sie handelt wenigstens. Marie hat es so schön beschrieben: Wer hätte gedacht, dass Mizzi auf die Füße fällt. Anscheinend hat sie es mit Hilfe von Leni und Trummer geschafft, endlich für sich selbst zu sorgen. Taittinger dagegen sieht nur noch einen Ausweg...


    XXVIII
    Es scheint sich Normalität anzubahnen, sofern man bei Mizzi oder Taittinger von Normalität sprechen kann. Heißt: Sie haben sich im Alltag miteinander arrangiert.

    Die beiden kamen mir wie so ein altes Ehepaar vor. Man kann nicht mit, aber auch nicht ohne.

    Jetzt kommt der Sohn zurück, den man endgültig aus dem Internat geworfen hat. Nicht einmal in der Steiermark würde ein Internat ihn aufnehmen, heißt es. Vielleicht kann einer unserer österreichischen Kollegen mich über den Sinn dieser spitzen Bemerkung aufklären.

    Das würde mich auch interessieren! Deshalb schreibe ich es hier noch einmal rein, damit es nicht überlesen werden kann.


    Es passiert schneller als gedacht, dass der Junge ballert. Heute würde man es „Amoklauf“ nennen und hätte die Erklärungen sofort parat, die für mildernde Umstände sorgen würden.

    Oh ja! Die Erklärungen sehe ich schon regelrecht vor mir :roll:

    Kehrt Mizzi wieder zu ihren alten unseligen Verhaltensweisen zurück und offenbart dem Taittinger, dass sie sein Geld an und für sich nicht braucht? Doch diesmal bewahrt er Haltung, und er kauft ihr das Panoptikum. Wovon? fragt man sich. Er ist doch absolut pleite. Eigentlich hatte er das Gut verkaufen wollen, aber man hat davon nichts mehr gehört.

    Woher er das Geld genommen hatte, habe ich mich auch gefragt. Er hat hier sehr zielstrebig (was ja nicht so seine Art ist) einen Schlussstrich gezogen, fand ich.

    Der Kreis schließt sich, der Schah kommt wieder zu Besuch, aber Taittinger steigt aus. Nachdem er es um ein Haar geschafft hatte, wieder zum Militär zurückzukehren, wird ihm buchstäblich alles genommen, was ihm noch ein wenig Luft verschaffte, und nachdem jetzt der letzte Funke Hoffnung erloschen ist, sieht er nur eine Konsequenz, den Selbstmord.

    Ein sehr trauriges Ende von ihm. Und wie man ja dann gelesen hatte, völlig unnötig.

    So wenig, wie er am Ende seines Lebens gegolten hat, so wenig auch jetzt nach dem Ende. Kalergis Satz „Ich glaub, er hat sich verirrt im Leben“ ist nichts mehr hinzuzufügen, er trifft Taittingers Kern.

    Yep!




    Der Schah kommt, der Schah fährt, alles im grünen Bereich. Keine Probleme wie beim letzten Mal. Er reagiert sogar gelassen auf die Entlarvung seiner ehemaligen Gespielin.

    Um nicht zu schreiben, dass er gleichgültig reagiert hatte.

    Was so lange und so fest unter der Decke gehalten wurde, was offenbar als Staatsgeheimnis gehandelt wurde, die Mizzi ins Gefängnis, den Lazik in den Ruin und den Taittinger in den Selbstmord getrieben hatte, verpufft. Sinnlos, die ganzen Schwierigkeiten. Und das nur, weil man glaubte, den Schein wahren zu müssen.

    Ist doch echt unglaublich. Da hatte man die ganze Zeit alles unternommen, dass ja nichts in die Öffentlichkeit dringen konnte und dann hatte sich das Ganze in Luft aufgelöst. Alle Aufregung umsonst.


    Die Welt verlangt weiterhin nach Ungeheuern, sagt der Wachspuppenhersteller. Passende letzte Worte dieses Romans.

    Dem lässt sich nichts hinzufügen.



    Ich habe ja das Buch am Wochenende beendet und überlege wie so mein Fazit dazu ausfällt. Mir hatte der anfänglich amüsante und ironische Tonfall, gegen Schluss eher melancholische, sehr gefallen. So abwegig fern waren die Figuren auf eine erschreckende Art -wie ich es ja schon oben geschrieben habe- nicht. Diesen Charaktereigenschaften läuft man ja doch irgendwann über dem Weg. Und doch blieb da auch eine Distanz zu dem Ganzen. Und trotz dieser Kritik, mir hatte das Buch gefallen. Ich schwanke zwischen 4 und 4 1/2 Sternchen.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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