Herman Melville - Moby Dick (ab dem 19. Okt)

  • So, ich bin jetzt auch mit den erste 16 Kapiteln/ 150 Seiten durch. Bis auf eine Längen - zum Beispiel die Predikt - hat es mir sehr gut gefallen.
    Ich mag den "Ton", den Melville mit der Stimme von Ishmael anschlägt; das leicht Ironische, aber Neugierige und Weltoffene.
    Die Stelle mit dem Lehrer übrigens noch einmal nachgelesen und - peinlich, peinlich :uups: - wohl falsch interpretiert. Ishmael spricht da wohl allgemein, und nicht über sich. Wie er auch sonst nur wenig über sich verrät, ob Ishmael sein Name ist, ist ja auch nicht ganz klar.
    Überhaupt frage ich mich, wie zuverlässig Ishmael als Erzähler ist und wie viel Seemansgarn er spinnt. Ich meine, einige Stellen gefunden zu haben, die darauf hindeuten, dass er seine Erzählung ganz schön ausschmückt.


    Ich schreibe mehr, wenn auch die anderen soweit sind.
    Bis jetzt haben mir vor allem die Beschreibungen gut gefallen - über Queequeg: "Queequeg was George Washington cannibalistically developed."
    Über Nantucket: "all beach, without a backround."
    Über die Quaker: "They are fighting Quakers. They are Quakers with a vengeance."


    Bei Nantucket fallen mir übrigens ständig diese Limericks ein....
    There once was a man from Nantucket
    Who kept all his cash in a bucket.
    But his daughter, named Nan,
    Ran away with a man
    And as for the bucket, Nantucket


    Die nicht jugendfreien Versionen erspare ich Euch jetzt mal :wink:

    "Selber lesen macht kluch."


    If you're going to say what you want to say, you're going to hear what you don't want to hear.
    Roberto Bolaño

  • Ich mag an Ishmael, dass er überhaupt nicht dem Klischee des rauen, zupackenden, "männlichen" Kerls entspricht (davon wird es bestimmt noch genug geben), aber dennoch als gewissenhaft, kraftvoll und ernst zu nehmend beschrieben wird. Gleichzeitig ist er aber auch sehr geheimnisvoll. Über sich selbst erzählt er so gut wie nichts (oder es ist mir entgangen). Seine Herkunft, seine Absichten, was ihn antreibt, wer auf ihn wartet - all das ist im Dunkel. Insofern ist er aber auch gut als Beobachterfigur und Erzähler geeignet, der selber vielleicht nicht alles versteht, was um ihn herum vorgeht; der verlängerte Arm des Lesers gewissermaßen. Man kann bestimmt noch einige Überraschungen (oder Wandlungen) erleben.
    Queequeg ist natürlich eine gewaltige, sehr außergewöhnliche Figur. Und Ishmael darf im Umgang mit ihm tatsächlich viel Weltoffenheit und Glaubensfreiheit zeigen!

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


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    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)

  • So, ich melde ebenfalls Vollzug.
    Durch die dreitägige Abwesenheit haben mir die 88 Seiten gerade so gereicht.


    Mann, bin ich froh, dass meine Ausgabe keine Fuß- oder Endnoten hat! Mein erstes Kapitel heißt übrigens Kimmungen (was ja sowas wie eine Luftspiegelung oder einfach der Horizont ist). Und der erste Satz heißt schlicht: "Nennt mich Ishmael".

    Meine Ausgabe hat ebenfalls keinerlei Fußnoten und auch die von euch beschriebenen Vorworte/Zitate zum Walfang fehlen bei mir.
    Bis jetzt liest es sich sehr flüssig und angenehm. Die etwas ausschweifenden Beschreibungen empfinde ich keinesfalls als langweilig.
    Mein erster Satz lautet übrigens "Nenne mich Ismael."


    Wenn jemand von Euch bei den Absätzen ankommt, in denen die Jacken der Walfänger erwähnt werden: Könnt Ihr mir mal schreiben, wie die auf Deutsch heißen? Danke!

    Kann mir mal jemand sagen, in welchem Kapitel das sein soll? Ich finde nämlich keine wie auch immer gearteten Jacken, außer in Kapitel 6 (Die Straße), wo es um Bekleidung der Stadt- bzw. Land-Dandys geht.


    Ist er nicht Lehrer?


    Die Stelle mit dem Lehrer übrigens noch einmal nachgelesen und - peinlich, peinlich - wohl falsch interpretiert. Ishmael spricht da wohl allgemein, und nicht über sich.

    Also ich bin auch der Meinung, dass Ismael Lehrer war. In meiner Ausgabe lautet die entsprechende Stelle:


    "...Aber noch scheußlicher, wenn du, bevor du die Hand in den Teertopf tunktest, ein Herrscherleben führtest als Landschulmeister, der Schrecken der schlimmsten Schüler. Vom Schullehrer zum Seemann - der Übergang ist hart, das kann ich dir bezeugen. Es braucht schon eine tüchtige Dosis Seneca dazu, um so was stoisch zu ertragen...." (Kap. 1; S.10)


    Sein Zeugnis, zusammen mit der Erwähnung von Seneca erscheint mir schon auf seine eigene Person bezogen.

  • Kann mir mal jemand sagen, in welchem Kapitel das sein soll? Ich finde nämlich keine wie auch immer gearteten Jacken, außer in Kapitel 6 (Die Straße), wo es um Bekleidung der Stadt- bzw. Land-Dandys geht.

    Die erwähnte Munkejacke hat ihren bedeutungslosen Auftritt zu Beginn von Kapitel 5, am Frühstückstisch:

    Zitat von Herman Melville

    ...eine braungebrannte und bärenstarke Gesellschaft, mit buschigen Bärten, ein ungeschorener, ungehobelter Haufen Leute, die allesamt Munkejacken als Morgenmäntel trugen.


    die von euch beschriebenen Vorworte/Zitate zum Walfang fehlen bei mir

    Da hast Du wohl nicht viel verpasst. Eine lose Sammlung von Texten, die irgendwie was mit einem Wal zu tun haben. Ist wohl als eine Art Einleitung gedacht, um zu zeigen, wie eng verbunden und teilweise mystifiziert der Wal in der Menschheitsgeschichte ist.


    So, die ersten 150 Seiten sind durch und wir sind noch an Land. Dass die Geschichte ausführlich erzählt wird, hatten wir ja schon bemerkt, aber langweilig fand ich es bislang noch nicht. Ismael ist ein ruhiger Typ, der nicht allzusehr um seinen Lohn feilscht. Immerhin ist er aufgeschlossen für Neues und freundet sich schnell mit "dem Wilden" Queequeg an. Das ist schon eine spezielle Beziehung, und auch für das Fischerdorf aussergewöhnlich. Man war wohl Wilde und andere Völker aus der Welt gewohnt, aber dass ein Amerikaner mit so einem Wilden gemeinsam plaudernd die Strasse entlang schreitet, sorgt dann doch für Aufsehen. Ansonsten hat mir die Kirche und die Predigt sehr gut gefallen. Die Beschreibung des grossen Wandgemäldes, die Tafel mit den verstorbenen Walfängern und natürlich die spezielle Kanzel mit der "lotrechten Fallreepsleiter" zeigt, wie sehr die Kirchengemeinde und der Walfang miteinander verbunden sind. Tatsächlich musste ich mich an die Verfilmung von John Huston mit Gregory Peck als Ahab erinnern. Da kletterte der damals noch nicht ganz so korpulente, aber doch körperlich wuchtige Orson Welles als Pfarrer Mapple die Leiter flott hinauf und zog sie seemännisch ein.

  • Die erwähnte Munkejacke hat ihren bedeutungslosen Auftritt zu Beginn von Kapitel 5, am Frühstückstisch:



    ...eine braungebrannte und bärenstarke Gesellschaft, mit buschigen Bärten, ein ungeschorener, ungehobelter Haufen Leute, die allesamt Munkejacken als Morgenmäntel trugen.

    Aha, nun weiß ich, weshalb ich die Jacken nicht gefunden habe!
    Bei mir lautet das Ganze:
    "...Kurz, eine Bande von Männern aus Bronze und Muskeln, mit buschigen Bärten, ein Haufen borstiger, unrasierter Gesellen, welche ihre Kittel wie Schlafröcke trugen..."
    Interessant, die unterschiedlichen Übersetzungen!


    Ismael ist ein ruhiger Typ, der nicht allzusehr um seinen Lohn feilscht.

    Das fand ich ja schon komisch, wie er da so scheinbar gar kein Interesse an der Bezahlung hat.
    Als wäre alleine die Mitfahrt auf dem Walfänger Lohn genug für ihn.


    Seine Offenheit gegenüber den Gebräuchen von Queequeg ist auch erstaunlich! Dass er da gleich dessen Gottheit mit anbetet - nunja...

    Ansonsten hat mir die Kirche und die Predigt sehr gut gefallen.

    Ja, die fand ich auch klasse!
    Den Film kenne ich nicht, aber die Beschreibungen sind ja so ausführlich, dass man sich seinen eigenen Film beim Lesen machen kann :)
    Ich hatte beim Lesen überlegt, dass die Jonas-Geschichte natürlich sehr passend für die Seeleute ist, aber das kann er ja nicht ständig predigen. Und die meisten anderen biblischen finden an Land statt. Das hätte mich interessiert, wie er da seine seemännischen Anspielungen einbaut. Na, vielleicht kommt er ja nochmal vor.

  • Na, denn leg ich noch die Rathjen-Übersetzung von der Stelle aus Kapitel 5 obendrauf: :wink:

    Zitat

    ... eine braune und brecheiserne Gesellschaft, mit buschigen Bärten; ein ungeschorener, zotteliger Haufen, alle mit Munkijacken als Schlafröcken angetan.

    (S. 74) brecheisern, bärenstark, (Männer aus) Muskeln :lol:

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  • Wie kommt Ihr voran ? Ich bin jetzt bei Kapitel 27, und teilweise gibt es ja tolle Stellen (wie die, die @FreakLikeMe schon im anderen Thread gepostet hatte), aber teilweise ist es auch etwas zäh:

  • Mein Lesezeichen liegt bei Kapitel 31 und ich komme gut voran, wenn ich momentan auch meinen anderen beiden Büchern Vorzug gebe, da sie längere Lesepausen nicht so gut vertragen wie "Moby Dick". Ich finde den Roman wirklich klasse und interessant zu lesen - mit vielen zitierwürdigen Stellen, einigem Humor zwischen den Zeilen und ungewöhnlichen Einsichten. Ich habe jede Erwartung an eine generische Seefahrergeschichte fallen gelassen und warte staunend darauf, in welche Ecken mich der Erzähler führen will. Was ich nicht zäh fand, was dagegen etwas anstrengend, was dagegen wieder richtig prima, lasse ich mal gespoilert:

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  • Hallo Zusammen, hab irgendwie den Einstiegtermin verplant. Hatte den 01.11 im Kopf. :pale:


    Dennoch konnte ich mir das Buch gestern besorgen und würde, (sofern ich es schaffe aufzuholen) gerne noch mitmachen, wenn es für euch O.K. wäre?


    Liebe Grüße
    eure Magichip

    Ein Wort, ein Buch, ein Autor sind nichts als einzelne Wassertropfen. Alle zusammen ergeben den Strom, der alles hinwegreist und den keine Kraft zurückfließen lassen kann. Adalbert de Chamisso

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    :study:Das andere Geschlecht - Simone de Beauvoir

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  • Hallo Zusammen, hab irgendwie den Einstiegtermin verplant. Hatte den 01.11 im Kopf. :pale:


    Dennoch konnte ich mir das Buch gestern besorgen und würde, (sofern ich es schaffe aufzuholen) gerne noch mitmachen, wenn es für euch O.K. wäre?


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    Ach lass mal ich hab auch noch nicht angefangen... :pale: Hoffe ich schaffe das heute mal....

    Wer keine Fehler macht, macht wahrscheinlich auch sonst nicht viel.

  • Ich bin wie Nungesser bei Kapitel 27 angelangt - und musste nach den im Spoiler beschriebenen Kapiteln auch erst einmal eine Pause einlegen und mich meinem anderen Buch widmen.



    Bei allem Gemeckere, mir gefällt Melvilles Stil nach wie vor und ich bin auch durchaus dazu bereit, mich auf die Kapitel einzulassen, die die Handlung verzögern, statt sie voranzutreiben.


    Was ist eigentlich auch der "charitable Aunt Charity" im Deutschen geworden? (Kap. 20)

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    Roberto Bolaño

  • Oh, da muss ich doch noch was zu dem pathetischen Hohelied des Walfangs schreiben, damit das nicht missverständlich rüberkommt: Ich mag erstmal jeden Gedanken, auf den ich nicht selbst gekommen wäre. Und wenn Ishmael den Pioniercharakter der Walfänger-Seefahrt betont, der die Walfänger oftmals noch vor anderen Entdeckern in unwegsame, unbekannte Gegenden der Erde brachte, dann ist mir dieser Gedanke im Grunde neu - und freut mich. Die Ablehnung des Waleschlachtens folgt dann in einem zweiten oder dritten Gedankenschritt. Aber ich will während des Moby-Dick-Lesens da auch gar nicht so schnell in Oppostition gehen ... :wink:

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  • Ich habe gerade Kapitel 31 geschafft, das bei mir 13 Seiten umfasst.
    Dass meine Ausgabe ein wenig gekürzt ist, bedauere in diesem Fall ganz und gar nicht, denn...



    Ein bisschen habe ich noch bis zum Wochenziel bei Kap. 40 und ich bin schon gespannt, wie es weiter geht.

  • Was ist eigentlich auch der "charitable Aunt Charity" im Deutschen geworden? (Kap. 20)

    In meiner Ausgabe heisst es:

    Zitat von Kapitel 20

    Nie hat eine Frau ihren Namen mehr verdient, und der war Charity - Tante Charity, wie jedermann sie rief.

    Ich bin übrigens mit dem Wochenpensum durch - und der Roman gefällt mir trotz kleinerer Längen noch sehr gut.

    Ich mag erstmal jeden Gedanken, auf den ich nicht selbst gekommen wäre.

    Da stimme ich Dir zu. Und tatsächlich ist die Passage recht interessant. Ich war beim Lesen nicht etwa irritiert wegen "Für und Gegen" den Walfang, sondern wegen des umfangreichen Exkurses an sich. Mit dem Fortgang der Handlung hatten diese Kapitel ja wenig zu tun. Dabei hatte ich mich so schön eingelesen und wollte wirklich wissen, wie es nun weitergeht, und dann kommt da so ein Abriss über die Geschichte des Walfangs. Interessant ja, aber teilweise wäre ich doch lieber bei der eigentlichen Erzählung geblieben. Aber wenn man sich darauf einlässt, und sich von Melville durch alle philosophischen, geschichtlichen und wissenschaftlichen Passagen führen lässt, ergibt sich mit der Zeit ein umfangreiches Bild der damaligen Zeit.

  • Aber wenn man sich darauf einlässt, und sich von Melville durch alle philosophischen, geschichtlichen und wissenschaftlichen Passagen führen lässt, ergibt sich mit der Zeit ein umfangreiches Bild der damaligen Zeit.

    Da sagste was! Ich habe auch den Eindruck, als Leser erst einmal eingestimmt zu werden - wie in ein vielstimmiges Orchester oder Mosaik. Gerade für all Vorgänge, die noch kommen, und die so weit zurück liegen bzw. dem "normalen" Alltagsleben der Gegenwart so fern sind, lobe ich mir die Abschweifungen!


    @FreakLikeMe: Bei mir heißt die Charity-Stelle:

    Zitat

    Niemals hat irgendeine Frau ihren Namen besser verdient, welchselbiger Charity war - Tante Charity, wie jedermann sie rief. Und wie eine Schwester der Caritas eilte diese barmherzige Tante Charity bald hierhin und bald dorthin geschäftig umher, bereit, Hand und Herz an alles zu wenden, was Sicherheit, Wohlbefinden und warmen Trost allen jenen zu gewähren versprach, so an Bord eines Schiffes, an welchem ihr geliebter Bruder Bildad beteiligt war und an welchem sie persönlich einen oder zwei Anteile aus wohlersparten Dollars besaß.

    (S. 166f.) Dass am Ende ihre Geldanteile erwähnt werden, klingt ein wenig wie ein spöttischer Kommentar ihrer Barmherzigkeit, oder täusche ich mich?

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  • Das mit dem Für und Wider des Walfangs hatte ich ins Spiel gebracht.
    Natürlich ist es nicht ganz fair, den Walfang der damaligen Zeit mit heutigem Blick zu sehen. Es scheint wohl auch irgendwie in der menschlichen Natur - oder besser gesagt in der Natur einiger Menschen - zu liegen, stolz darauf zu sein, etwas sehr Großes zu töten. Vermutlich wieder so ein Überbleibsel aus der Steinzeit, wo ein Mammut das Überleben des ganzen Stammes sicherte... Im Gegensatz zu heutigen Großwildjägern haben Walfänger ja auch tatsächlich ihr Leben riskiert. Da erscheint es nur natürlich, dass sie mit einem gewissen Stolz auf ihre Leistung durchs Leben gegangen sind.


    Ich muss gestehen, dass ich noch nicht weitergelesen habe. Mein anderes Buch war gerade so fesselnd - allerdings geht mir da jetzt die latetente Behindertenfeindlichkeit auf die Nerven, sodass heute wohl wieder der Walfang an der Reihe sein wird :wink:

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    Roberto Bolaño

  • Ich habe gestern bis einschließlich Kapitel 32, dem Wal-Klassifikationskapitel, gelesen. Dann habe ich Wale gegoogelt. :roll:
    Vor allem, da mir nicht alle englischen Begriffe etwas sagten.


    Gegen alle Erwartungen fand ich das "Cetology"-Kapitel sehr unterhaltsam. Okay, ich fand jetzt auch Franz Schätzings "Der Schwarm" spannend und mochte die Mythenmetzsche Abschweifung in Walter Moers' "Ensel und Krete", so gegen alle Erwartung war es also vielleicht nicht. :lol:
    In erster Linie gefiel mir das Kapitel, da Melville das Walverhalten so anschaulich, wenn auch sehr vermenschlichend beschreibt. Man merkt, dass er ein sehr guter Beobachter und ein sehr guter Zuhörer ist. Ein Biologe ist an ihm zwar nicht verlorengegangen, aber es hat schon was, wenn er versucht zu agumentieren, warum Wale Fische sind, oder einfach mal neue Namen für Arten festlegt, da ihm die alten nicht passend genug erscheinen.


    Zum anderen war ich auf die Abschweifungen vorbereitet - und das ist für mich auch kein neues Stilmittel. In der postmodernen Literatur ist das sehr gängig. Mir ist auch gestern erst aufgefallen, wie viele andere Autoren sich - mehr oder weniger deutlich, mehr oder weniger satirisch - auf Melville beziehen. Wenn Walter Moers in "Ensel und Krete" in einer mythenmetzschen Abschweifung die Klassifikation der Buntbären darstellt, ist der Bezug ja recht eindeutig :wink:

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  • So, ich habe gerade das Wochenpensum geschafft.


    Ganz schön spannend, die Geschichte, die mir gut gefällt.
    Mit diesen ausschweifenden Beschreibungen wie bei diesem Walarten-Kapitel tue ich mich schwerer. Auch wenn ich bislang alles brav gelesen habe und noch nichts übersprungen habe, kann ich damit wenig anfangen. Es bremst mich beim Lesen aus und ich möchte doch wissen, wie es mit Ahab und der Mannschaft weitergeht!
    Merkwürdig fand ich Kapitel 39 "Mitternacht, Vorderdeck", das wie ein Theaterstück geschrieben war und vom Inhalt nicht besonders viel hergab, außer dass man erfuhr, wie viele Nationen auf dem Schiff versammelt sind.


    Ich habe übrigens auch etwas gegoogelt in Sachen Walen :)
    Denn auch wenn die Beschreibungen sehr ausführlich sind, tut man sich mit ein paar Bilderchen doch leichter.

  • Jetzt bin ich auch mit dem Wochenpensum durch! :)

    Merkwürdig fand ich Kapitel 39 "Mitternacht, Vorderdeck", das wie ein Theaterstück geschrieben war und vom Inhalt nicht besonders viel hergab, außer dass man erfuhr, wie viele Nationen auf dem Schiff versammelt sind.

    Das Kapitel (bei mir ist es Kapitel 40) fand ich auch verwunderlich. Verwunderlich, aber auch ganz vergnüglich! (Die zwei, drei davor waren ja auch schon in theatralischer Sprache und mit kleinen Regieanweisungen verfasst.) Und in meiner Vorstellung erlaubt die Form des Theaterstücks hier tatsächlich, so viele unterschiedliche Stimmen unterschiedlicher Herkunft auf kleinstem Raum hintereinander zu reihen. In den Kapiteln davor schien die Mannschaft ja fast nur aus "dem gehobenen Management" der Maate und Obermaate zu bestehen. Jetzt füllt sich die Bühne mit Leben! Auf dieser Ebene gibt das Kapitel schon was her, finde ich.


    Außerdem dachte ich noch Folgendes. Im drauffolgenden Kapitel 40 schreibt Ishmael in etwa, die Mannschaft sei jetzt auf das Vorhaben und die Rache Ahabs eingeschworen. Das bezieht sich ja nicht nur auf das gemeinsame Trinken und die Ansprache Ahabs, sondern auch auf Kapitel 39 mit den vielen Seeleuten aller Nationen. Sie reden ja über alles Mögliche, worüber "harte Kerle" eben so reden (Frauen etc.). Auch kleine Prügeleien liegen im Raum. Was sie nicht äußern, sind irgendwelche Einwände gegen Ahabs Rachefeldzug. Ein wenig, wie bei einer Hochzeit: Wer jetzt nicht aufsteht und dagegen spricht, der soll schweigen und mitziehen! Insofern ist auch dieses spielerische Theater-Kapitel 39 Ausdruck der gemeinsamen Verpflichtung, eingeschworen zu sein auf eine Sache. Oder lese ich da zuviel hinein?! :-k

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