Laetitia Rimpau (Hrsg.) - Gab mich meinen Träumereien hin...

  • Inhalt (Cover):
    Jeder kennt das Kopfkino der Nacht, die Flut unscharfer Bilder. Die meisten verschwinden spurlos, einige aber prägen sich fest in unsere Erinnerung ein. Während des Schlafs bleiben wir Zuschauer dieses faszinierenden wie erschreckenden Schuspiels. Sind Träume wirklich nur Schäume? Oder verbirgt sich in ihnen tieferer Sinn? Auch Dichter versuchen seit jeher, dem Wesen des Traums auf die Spur zu kommen.
    Mit Texten von Dante, Charles Baudelaire, Franz Kafka und anderen.


    Meine Meinung:

    "Mich dünkt der Traum eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit und Gewöhnlichkeit des Lebens, eine freie Erholung der gebundenen Phantasie, wo sie alle Bilder des Lebens durcheinanderwirft, und die beständige Ernsthaftigkeit des erwachsenen Menschen durch ein fröhliches Kinderspiel unterbricht. Ohne die Träume würden wir gewiß früher alt [...]." (S. 161, "Traum von der blauen Blume" von Novalis)


    Wie bei allen Anthologien gibt es in dieser Sammlung solche und solche Geschichten. Jeder Autor hat seinen Stil, jede Epoche diktiert ihre Konventionen und so hat man hier eine farbenfrohe Mischung aus Schönem, Kuriosem, Forderndem und Verwirrendem. Man muss nicht alles mögen, was sich Klassik nennt, und so hatte auch ich hier meine Favoriten und einige, von denen ich in nächster eher nicht wieder hören möchte.


    Laetitia Rimpau hat es sich zum Ziel gesetzt, die Entwicklung des Traumes und Träumens in der Literatur nachvollziehbar zu machen. Dazu geht sie zum einen chronologisch vor, damit die Texte verschiedenen Epochen zugeordnet werden können, zum anderen fasst sie zusammengehörende Texte unter einem bestimmten Oberthema als Schwerpunkt zusammen, beispielsweise "Feenträume", "Philosophenträume" oder "Dichterträume nach Freud". Vorne gibt es ein Inhaltsverzeichnis, sodass man nach Lust und Laune auf Entdeckungsreise gehen kann. In einem Nachwort kommentiert Rimpau die einzelnen Themen und stellt die Unterschiede heraus, was mir sehr gut gefallen hat. In manchen Epochen ist man eben literarisch nicht so bewandert und weiß nicht, worauf man achten muss.


    Mir persönlich haben es die Griechen sehr angetan. Ich bin sowieso ein Fan griechischer Sagen, sodass ich diese Geschichten wirklich genossen habe. Besonders gut hat mir die Geschichte "Lukians Traum" von Lukian selbst gefallen, in der die Bildhauerkunst und die Gelehrsamkeit dem jungen Mann im Traum erscheinen und um seine Gunst werben. Dieser soll sich für den einen oder anderen Lebensweg entscheiden. Auch fand ich Gefallen an den philosophischen Träumen, obwohl sie teilweise echt harte Kost waren; an einigen Gedichten (von Heinrich Heine beispielsweise), wobei ich sonst nicht so viele lese und hier schon einmal antesten konnte, was mir zusagt; an "Der Buchstabe U" von Igino Ugo Tarchetti (das war etwas unheimlich, aber unglaublich gut geschrieben!) und an Kafkas Kurzgeschichte "Ein Traum".


    Dagegen haben die anderen großen Autoren wie Dante, Baudelaire oder Boccaccio nicht wirklich bei mir punkten können. Entweder haben sich die Geschichten gezogen oder sie waren schwierig zu durchschauen. Andere Autoren haben sich gar so stark in ihre Traumvision hineingesteigert, dass ich gar nichts mehr verstanden habe. So soll es ja auch nicht sein. An dieser Stelle muss ich aber noch einmal gedanklich mit den Schultern zucken: Man kann nicht alles mögen und muss nicht alles verstehen. Und bei einer Anthologie ist es überhaupt kein Problem, solange man noch Geschichten bzw. Gedichte hat, die einen ansprechen.


    Fazit:
    Ein Buch mit Höhen und Tiefen, sowohl echten Schätzchen als auch fragwürdigen Kompositionen. Ein guter Tipp, wenn man generell am Thema, besonders in Verbindung mit Literatur, interessiert ist und/oder viele klassische Autoren antesten möchte.

    :jocolor: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa // Norman Davies (Projekt)



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