David Madsen - Der Zwerg, der Papst und die Heiligkeit / Memoirs of a Gnostic Dwarf

  • Über den Autor:
    David Madsen, geboren in London, studierte in Rom, wo er erstmals auf die Lehren der großen Gnostiker und ihren Einfluß auf die esoterische Tradition innerhalb des Christentums stieß. Der Theologe, Philosoph und Schriftsteller lebt und lehrt heute in Kopenhagen. In England ist 1997 sein zweiter Roman „The Confessions of a Flesh-Eater“ erschienen, dazu von Madsen herausgegeben „Orlando Crispe's Flesh-Eater Cookbook“.
    (Quelle: Klappentext)


    Inhalt laut Klapptext:
    Peppe ist der Zwerg des Papstes. Während Leo X. seine Hämorrhoiden mit Jungfrauenwasser behandeln lässt, liest Peppe ihm aus den Schriften des Augustinus vor. Nachts schreibt er an seinen Memoiren: über Ketzer, Amouren und die Pusteln des Pontifex. Aus Roms Armenvierteln ist Peppe über den Orden der Gnostiker, die Gefängnisse der Inquisition und einen Wanderzirkus in die höchsten Kreise des Vatikans gelangt. Aber auch die heiligen Hallen sind ein sündiges Pflaster. Schöne Frauen landen auf dem Scheiterhaufen, junge Männer in den Betten der Fürsten. Am Ende liegt nicht nur das Leben des Papstes in Peppes Händen.


    Das Buch umfasst 382 Seiten, die Kapitel sind mit Jahreszahlen tituliert, beginnend 1518, dann zunächst in der Zeit zurückgehend, um schließlich 1521 zu enden.


    Meine Meinung:
    Upps, was hab ich da gelesen... Ein historischer Roman auf jeden Fall, angesiedelt in der Renaissance zu Zeiten von Kaiser Maximilian I., dem französischen König Franz I., Papst Julius II. und schließlich seinem Nachfolger Leo X. Historisch gut recherchiert ist der Roman wohl, mir sind keine Unstimmigkeiten aufgefallen. Die politischen und kriegerischen Konflikte der damaligen Zeit bis hin zum Beginn der Reformation, die von Leo wohl nicht als echte Gefahr für die Kirche erkannt wurden, spielen immer wieder eine große Rolle, haben sie doch das Pontifikat der beiden Päpste bestimmt und damit natürlich auch das Leben des Zwergs Peppe, der hier seine Memoiren vorstellt. Der Roman wird so auch eingeführt als habe der Autor die Memoiren de facto vor sich liegen und stelle sie nun der Welt vor. Und was für Memoiren – beginnend 1518 im Vatikan mit einer Szene, über die ich bei Amazon den folgenden Satz fand (sinngemäß übersetzt):

    Zitat

    wer die erste Szene durchsteht ohne sich zu übergeben, hat wohl weiter nichts mehr zu befürchten.


    Na, ganz so dramatisch war die erste Szene nicht, es folgen bei weitem schlimmere. Auch wenn die historischen Vorgänge eine große Rolle spielen, so sind die Vorgänge hinter der Bühne und vor allem die in den Privatgemächern diejenigen, die den größten Raum einnehmen. Die Historie ist nur der Rahmen um die schon etwas absurde Geschichte des Zwerges Guiseppe Amadonelli raus aus der tiefsten Gosse Trasteveres hinaus bis in die höchste Sphäre des Vatikans – eine Geschichte, die dabei wirklich alles mitnimmt, was mitzunehmen geht: Monströsenkabinette wie sie damals üblich waren, Folterungen durch die Inquisition ebenso, gnostische Häresie mitsamt ihrem Glauben und ihrer Liturgie (falls diese sich wirklich so abgespielt haben sollte) bis hin zu Mord und Totschlag und was sonst noch so hinter den Kulissen abgelaufen sein mag. Und natürlich kommen der Sex, die Lüsternheit und die Maßlosigkeit nicht zu kurz innerhalb der Mauern des Vatikans, weshalb man in bezug auf den Roman auch immer wieder auf die Bezeichnung Erotikon stösst – ein Genre, in dem ich mich nicht auskenne. Aber falls erotische Romane so aufgebaut sein sollten, so werden sie weiterhin ein für mich uninteressantes Genre bleiben, denn als erotisch habe ich die Szenen so gut wie nie empfunden, sondern lediglich als deftige Sexszenen. Und das sind für mich noch immer zwei Paar Schuhe.


    Stilistisch hatte ich so hin und wieder meine Schwierigkeiten, denn der Autor lässt den Zwergen seine Memoiren oft recht schwülstig-opulent erzählen und das wurde mir so manches Mal zuviel. Zwar passt das durchaus in die Sprache der Zeit, die ja auch immer erst auf Umwegen zu ihrem Ziel gelangte, doch ist das Ganze immer wieder ziemlich ausgeufert. Ebenso gab es immer wieder Einbrüche in der Spannung, es wurde langatmig um dann erneut Fahrt aufzunehmen. Auch war mir immer wieder zuviel von der gnostischen Lehre die Rede, die den Autoren durch seine langjährigen Studien wohl sehr fasziniert – etwas weniger wäre mehr gewesen in diesem Roman. Aber das ist mein persönlicher Geschmack, manch anderem mag es gefallen, der sich mehr mit theologischen Fragen auseinandersetzen möchte. Ich habe schon das Gefühl (nicht das Wissen), dass der Autor hier sehr genau diese Lehren wiedergibt.


    Das Ende – naja, nicht so mein Geschmack, ich hätte mir durchaus ein anderes, weniger dramatisches vorstellen können, aber dazu müsste ich ja selbst erstmal einen Roman verfassen.


    Mein Fazit:
    Sehr skurril und deftig, launisch in Sprache und Bild – das muss man mögen, wenn man diesen Roman in die Finger nimmt. Es war nette Unterhaltung über den größten Teil des Buches hinweg, aber ganz sicher gehört es nicht zu den Büchern, von denen ich sagen würde: Das muss man gelesen haben.

    viele Grüße vom Squirrel



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