Johannes Bobrowski - Litauische Claviere

  • Original : Deutsch, 1965
    Diese unten verlinkte Ausgabe mit einem Nachwort von Jochen Meyer


    INHALT :
    Die Geschichte, die 1936 im Memelgebiet spielt, erzählt vom Gymnasiallehrer Voigt und dem Konzertmeister Gawehn, die eine Oper über den litauischen Nationaldichter Kristijonas Donelaitis schreiben wollen. Bei ihren Recherchen geraten sie in die beginnenden, sich äußernden Zwistigkeiten der nationalen Vereine von Deutschen und Litauern.


    BEMERKUNGEN :
    Ich interessiere mich doch sehr für die Literatur aus dem « Osten » Europas, den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches oder auch den baltischen Ländern. Hier tun sich Kulturräume auf, wo über lange Zeit am selben Ort verschiedene Gruppen, Sprachen, Kulturen mehr der weniger gut zusammenlebten. So stieß ich auf Bobrowski. « Litauische Claviere » ist sein zweiter Roman, den er kurz vor seinem frühen Tod 1965 abschloss. Und er erstaunte mich durch eine so andere Tonart, Sprache als erwartet (doch was habe ich denn erwartet?).


    Wie in der Inhaltsangabe beschrieben spielt die Geschichte in neun Kapiteln 1936, genauer gesagt sogar in der dritten Junidekade, im Memelgebiet (siehe auch : https://de.wikipedia.org/wiki/Memelland ), das damals zu Lithauen gehörte. Konzertmeister Gawehn und Lehrer, Dichter Voigt aus dem naheliegenden Reichsgebiet haben eine Idee : sie wollen eine alte lithauische Bezugsfigur, den Pfarrer und Dichter Donelaitis ( https://de.wikipedia.org/wiki/Kristijonas_Donelaitis ) aus dem XVIII. Jahrhundert zum Helden einer Oper machen. Dazu fahren diese Preußischen Lithauer zu Schlüsselfiguren auf die lithauische Seite, werden aber um den Johannistag herum Zeugen nationalistischer Spannungen und gegenseitiger Herausforderungen oder gar Provokationen, die nun an der Tagesordnung sind. Da feiert der « Vaterländische Frauenverein », hier die Lithauer den « Vytautastag ».


    Im Zusammenhang der erstarkenden Nationalismen erscheint aber ein Bezug auf diese historische, Einheit und Frieden stiftende Figur fast naiv, oder unangebracht. Oder aber wird selbst von gutwilligen etwas traurig belächelt. Denn natürlich gibt und gab es von je her auch jene, die sich nicht in die Extreme einordnen lassen (wie eben Voigt und Gawehn u a m). Diese Extreme aber scheinen immer wortgewaltiger, oder schlicht : gewaltiger, zu sein. Der historische Kontext ist nicht weit hergeholt und arbeitet die herrschenden Spannungen in der Mitte der 30iger ein.


    Wie Bobrowski die hier angeschnittenen Themen ausarbeitet und die böse Saat aufzeigt finde ich doch erstaunlich. Andererseits kannte er aus eigener Erfahrung durch « alljährliche Sommerurlaube bei Verwandten (die) Dörfer an der Memel zwischen Rombinus und Jūra, die von der alten Misch- und Einwanderungskultur Preußisch Litauens geprägt waren » (Quelle : wikipedia).


    Sprachlich und stilistisch benutzt der Autor eine ganze Palette an Farben : manchmal kurze Sätze (wie Bühnenbeschreibungen), manchmal längere hochgestochene ; manchmal spöttisch herablassende, dann mundartlich geprägte Ansprachen an den Leser oder auch Figuren des Romans ; manchmal Ausschnitte aus Gedichten und Balladen in poetischer Form, dann auch ein leiser Liebesdialog. Die Personenkonstellationen wechseln leicht von Kapitel zu Kapitel : verschiedene Gestalten, verschiedene Haltungen werden so dargestellt.


    Ein vielschichtiges Buch, das mich doch etwas überraschte !


    AUTOR :
    Johannes Bobrowski (* 9. April 1917 als Johannes Konrad Bernhard Bobrowski in Tilsit; † 2. September 1965 in Berlin) war ein deutscher Lyriker und Erzähler. Er stammte aus einer evangelisch-baptistischen, nationalkonservativ orientierten Familie, sein Vater schlug eine Laufbahn in der Reichsbahnverwaltung ein. 1925 zog die Familie nach Rastenburg, 1928 nach Königsberg, wo Johannes Bobrowski das humanistische Stadtgymnasium Altstadt-Kneiphof besuchte. Nach dem Abitur 1937 musste er einen zweijährigen Militärpflichtdienst in Königsberg antreten, während die Eltern und die jüngere Schwester nach Berlin übersiedelten, wo Bobrowski später ein Kunstgeschichtsstudium aufnehmen wollte. Wie die Familie trat er 1935 der Bekennenden Kirche bei. Bobrowski nahm als Gefreiter in einem Nachrichtenregiment am gesamten Zweiten Weltkrieg teil (Überfall auf Polen 1939, dann Nordfrankreich, 1941 Einmarsch in die Sowjetunion: Kaunas, Porchow, Nowgorod, Ilmensee). Ende 1941 konnte er ein Semester lang Kunstgeschichte in Berlin studieren; eine NSDAP-Mitgliedschaft, die ihm einen längeren Studienaufenthalt ermöglicht hätte, lehnte er ab. Erste Gedichte erschienen 1944 in der Zeitschrift Das Innere Reich. Von 1945 bis 1949 war Bobrowski in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, u. a. im Don-Gebiet, wo er im Kohlebergbau arbeitete.


    Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft lebte er bis zu seinem Tod in Berlin-Friedrichshagen. Er war als Lektor in Ost-Berlin tätig. 1955 erschienen weitere Gedichte. Weitere Veröffentlichungen in meist westdeutschen Zeitschriften und Anthologien folgten, die Bemühungen um die Veröffentlichung eines eigenen Gedichtbands blieben jedoch erfolglos. Erst 1961 erschien in der Deutschen Verlags-Anstalt Stuttgart Bobrowskis erster Gedichtband "Sarmatische Zeit", der wenig später auch in der DDR veröffentlicht wurde. Auch Bobrowskis spätere Veröffentlichungen – sein zweiter Gedichtband "Schattenland Ströme" sowie seine Erzählungen und Romane – erschienen sowohl in Verlagen der Bundesrepublik Deutschland (Deutsche Verlags-Anstalt, Verlag Klaus Wagenbach) als auch in der DDR (Union Verlag Berlin). Bobrowski verstand sich stets als deutscher Dichter, der eine Trennung in ost- und westdeutsche Literatur ablehnte: „Ich bin, meiner Überzeugung nach, ein deutscher Schriftsteller. So wie einige meiner Freunde in Westdeutschland, Westberlin oder Frankreich deutsche Schriftsteller sind.“


    Ab 1960 nahm Bobrowski an den Treffen der Gruppe 47 teil, im Oktober 1962 erhielt er deren Preis, wodurch er in ganz Deutschland und auch international bekannt wurde. Zu den Folgen seiner zunehmenden Bekanntheit und der Tatsache, dass Bobrowski sich in beiden deutschen Staaten und Literaturen vorbehaltlos bewegte, gehörte auch, dass er in den letzten Jahren seines Lebens von der Staatssicherheit observiert wurde. 1963 wurde Bobrowski Mitglied im Deutschen Schriftstellerverband der DDR, was er bis dahin vermieden hatte.


    Am 2. September 1965 starb Bobrowski an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs und wurde auf dem Christophorus-Friedhof in Berlin-Friedrichshagen beigesetzt.
    (Quelle : https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Bobrowski )


    Ich las eine (andere) antiquarische Ausgabe…, verlinke aber mal eine neuere :


    Taschenbuch: 149 Seiten
    Verlag: Reclam, Philipp, jun. GmbH, Verlag (1. Juni 2009)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 315021470X
    ISBN-13: 978-3150214701

  • Bobrowski ist immer einer meiner liebsten Dichter gewesen. Ich weiß gar nicht, warum ich die "Litauischen Claviere" nie gelesen habe.
    Nun werde ich das Buch aber gleich auf die Liste setzen.

  • Ja, er wurde eben gerade als Dichter bekannt. Beim vorgestellten Roman handelt es sich um seinen zweiten und letzten...


    Dem Namen war ich wohl sicherlich schon öfter begegnet, doch das war alles bislang sehr vage bei mir gewesen.