Charles-Ferdinand Ramuz - L'Amour du monde

  • Original : Französisch, geschrieben im Laufe des Jahres 1923, erstmals veröffentlicht in « La Semaine littéraire » in Genf 1924, und als Buchausgabe im Juli 1925 bei Plon


    INHALT :
    In einer kleinen Stadt am Ufer eines Sees hat man « nie zu wissen gesucht, was außerhalb der bekannten und die Sicht limitierenden Grenzen geschah ». Drei Ereignisstränge werden diese wohlregulierte Welt durcheinanderbringen : die Einrichtung eines Kinos, die Rückkehr des Weltenbummlers Joël nach fünf, sechs Jahren und schließlich ein « Erleuchteter », der sich für Christus hält.


    BEMERKUNGEN :
    In dieser kleinen Stadt am Rande des Genfer Sees, im Schatten des « Dent d'Oche », hat man nie groß über seine eigene Nasenspitze geschaut. Die Welt ist klein geblieben und die Ereignisse der weiten Welt berührten diese Ordnung nicht, erreichten die Leute gar nicht. In einem ersten Leitthema erinnert ein Erleuchteter aber die Einwohner, insbesondere die Frauen, aber auch die ihm anhänglichen Kinder, an Christus. Und seltsame Parallelen tun sich auf zur Erde Galiläas, den einfachen Leuten dort, den Kindern, Fischern, dem Ruf in die Nachfolge und eventueller Heilung. Doch klar ist hier nichts : Handelt es sich nicht schlichtweg um einen Patienten von Doktor Morin ? Sind die Leute nur leichtgläubig, oder ist dies Zeichen einer Neugier, einer Öffnung zur Welt, zu einer anderen Welt als das tägliche Einerlei ? Es folgen hier, und für den Autor wohl typisch, Beschreibungen der erzählten Gegenwart und Parallelen, Reminiszenzen an uralte Zeiten, die aber doch gegenwärtig bleiben.


    Ähnlich könnte man die Ankunft der Stummfilme in diesem Dorf der vermutlicherweise 20iger Jahre einschätzen : Werden Träume und Gefühle geweckt, die nahezu unbekann waren ? Welten eröffnet, von denen man keine Ahnung hatte ? Das Kino, in all seiner Fiktion und Phantasie, als « Fenster zur Welt » (sehr moderne Sicht des Autors eines Buches von 1924!). Die Trennung, wie es einmal fein heißt, zwischen weiter Welt und dem Hier scheint aufgehoben.


    In einem dritten Grundmotiv begleiten wir den ziemlich stummen Joël bei seiner Rückkehr in seine Stadt. Er war jahrelang unterwegs gewesen, hat die Welt gesehen, und wenn er später im Bistro anfangen wird zu erzählen, wird so mancher Dorfsäufer zu seinem Anhänger, träumt von exotischen Ländern, der Polygamie oder wilden Tieren… Auch hier Begegnung mit der Welt, der großen, weiten. Doch wann stößt das alles an seine Grenzen ? Findet der Weltenbummler seinen Platz, oder wird er des Platzes verwiesen ?


    Spannungen entstehen in der Dorfgemeinschaft, und Schuldige müssen her. Das Buch endet mit tragisch.


    Manche Gedanken finde ich sehr aktuell, zB über den Einbruch der Medien in unsere Welt. Aber auch Sündenbockmechanismen.


    Sprachlich leistet Ramuz für mich Neues und Originelles : wie er Themen wieder aufnimmt, erweitert, variiert, wiederholt, auch innerhalb eines Satzes plötzlich nochmals einen Ausdruck weiterführt – das alles ist sehr lebendig und für mich toll. Das erfordert eventuell eine gewiße Lesepräsenz ? Gibt dem Ganzen aber auch einen ganz eigenen Ton, und jemand, der Ramuz viel gelesen hat sagte mir : Tja, seinen Ton erkennt man wieder ! Also ein exzellenter Schriftsteller, den ich gerne noch weiter entdecken will.


    AUTOR :
    Charles-Ferdinand Ramuz (* 24. September 1878 in Lausanne; † 23. Mai 1947 in Pully) war ein Schweizer Schriftsteller, Lyriker, Essayist und Nationaldichter und gilt als bedeutendster Vertreter der Schweizer Literatur in französischer Sprache. Er wurde als Sohn eines Kolonialwaren- und späteren Weinhändlers geboren. Nach dem Collège classique besuchte er das Gymnasium und ließ sich im Jahre 1896 in der Philosophischen Fakultät der Universität Lausanne einschreiben. Den Entschluss, Dichter zu werden, fasste er bei einem sechsmonatigen Aufenthalt in Karlsruhe.


    Um 1900 hielt er sich erstmals in Paris auf, um seine Studien fortzusetzen. Im Jahre 1904 siedelte er nach Paris über, um eine Doktorarbeit über den Dichter Maurice de Guérin zu schreiben. Jedoch gab er dieses Vorhaben auf und betätigte sich in Paris als Dichter. Dort lernte er auch seine Frau kennen, die Malerin Cécile Cellier, die er 1913 heiratete. Aus der Ehe ging die Tochter Marianne hervor. 1914 verliess Ramuz Paris und zog mit seiner Familie zurück ins schweizerische Lausanne.


    Ramuz veröffentlichte zahlreiche Werke und erhielt viele Preise für sein Werk, u. a. 1936 den Grossen Schillerpreis der Schweizerischen Schillerstiftung. Viele hätten ihn gerne als Nobelpreisträger gesehen... (Quelle: wikipedia.de)


    Leider scheint dieses Werk noch nicht übersetzt zu sein ?!


    Détails sur le produit :


    Broché: 165 pages
    Editeur : Séquences (1 juillet 2005)
    Collection : Collection ramuzienne
    Langue : Français
    ISBN-10: 2907156128
    ISBN-13: 978-2907156127

  • @tom leo: Dank Dir für die schöne Rezension! Wirklich schade, dass der Roman nicht übersetzt wurde (das Los teilen wohl einige Ramuz-Werke). Ich bekomme gleich Lust, wieder etwas von ihm zu lesen! :winken:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (214/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • @tom leo: Dank Dir für die schöne Rezension! Wirklich schade, dass der Roman nicht übersetzt wurde (das Los teilen wohl einige Ramuz-Werke). Ich bekomme gleich Lust, wieder etwas von ihm zu lesen! :winken:

    So wie Du mir vor Kurzem durch Deine Rezi zur "Trennung der Rassen" LMust gemacht hast! Die Lektüre von Dherborence lag wirklich Jahrzehnte zurück und ich schäme mich fast dafür. Ramuz ist so ein Schriftsteller, den man gerne nach ersten Büchern weiteren Platz einräumen will. Tja, und dann wurde es bei mir eine lange Zeit...


    ...bis ich dieses Buch neulich von einem Mitglied des Freundeskreis' Ramuz empfohlen bekam und erhielt! Danke an dieser Stelle!


    Und ich stelle gerade fest, dass ich diesen Roman durchaus in die Kategorie der Klassiker hätte einstellen können, wie Du es gemacht hast. Vielleicht kann das ein Mod noch nachholen?

  • Ich hatte eben gemeint, den deutschen Titel gefunden zu haben und die Verlinkung hier eingefügt, aber nach weiteren Recherchen war er es dann doch nicht. Da haben mir meine spärlich verbliebenen Kenntnisse der französischen Sprache einen hitzebedingten Streich gespielt. :pale:


    Allerdings habt ihr mich jetzt so neugierig auf diesen Autor gemacht, dass ich mir gerade die schon mal von @Jean van der Vlugt erwähnte Ausgabe bestellt habe.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Leider gibt es keine Inhaltsangabe dabei, aber so vom Titel her könnte es passen

    Es ist auch unter dem Titel Die Schönheit auf Erden erschienen und dazu hab ich eine Inhaltsangabe gefunden, vielleicht hilft sie euch weiter:


    Was wäre sonst aus der „Schönheit der Erde“ geworden, deren Gang hin- und herspielt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, so wie die Bürgersleute hin- und herbewegt werden von der Schönheit der Juliette, der verwaisten Auswanderertochter, die aus Mexiko zu den Waadtländer Verwandten zurückkehren muß, heim ins Exil, aus dem sie dann über Nacht wieder, wer weiß wohin, entflieht: „Und da erschien sie nun wieder; und eine große Freude entstand auf den Bergen ... Sie setzt ihre schönen bloßen Füße auf die Kieselsteine ... Sie sieht, wie die Berge in diesem Augenblick von der Seite her angerührt wurden von der Sonne, die sich senkte, und ihr Licht war nun weniger weiß; wie Honig war das an den Felswänden. Weiter unten, auf den Wiesenhängen, lag es’wie Goldstaub; über dem Wald eine heiße Asche. Alles machte sich schön... Es gibt einen Platz für die Schönheit...



    Quelle: http://www.zeit.de/1973/49/daheim-im-exil

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • @Mara jetzt hast du dir wegen meinem hitzebedingten Ausfall so viel Mühe gemacht. :uups: Das tut mir wirklich leid :ergeben:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Also es ist definitiv nicht dieser Titel. Ich hatte irgendwo auch eine Inhaltsangabe schon gesehen und ausgeschlossen, dass es das sein könnte. Es gibt bei Ramuz mehrere Titel in denen die "Welt" vorkommt. Ich glaube, dass es für ihn ein Grundthema war, wie eine eher abgeschiedene Realität mit der "Welt" in Berührung kommt?!


    Ich denke, Farast, dass Du mit dieser Ausgabe nicht viel falsch machen kannst. Und wünsche Dir eine weitere interessante Autorenentdeckung!