Julia Jusik - Die Bräute Allahs / Nevesty Allaha / Невесты Аллаха

  • Inhalt lt. Buchcover (Innenseite):
    Die Attentate im Moskauer Musicaltheater Nord-Ost und in der U-Bahn und das Beslaner Schulattentat erschütterten die Welt. Bei diesen brutalen Terroranschlägen treten immer häufiger Frauen in Erscheinung: die Selbstmordattentäterinnen aus Tschetschenien. Man nennt sie "Schwarze Witwen". Was treibt sie dazu, sich Sprengstoff umzuschnallen und sich inmitten einer Menschenmenge in die Luft zu jagen?
    Die Moskauer Journalistin Julia Jusik ist kaum älter als die meisten Schwarzen Witwen. Sie hat monatelang in Tschetschenien recherchiert und erfuhr, dass die meisten nicht freiwillig in den Tod gehen, sondern geopfert werden. Fern gezündet von Männern. Die Frauen üben Blutrache für ihre von russischen Soldaten verschleppten Männer, Väter und Brüder. Sie werden angeworben von Separatisten , die sich deren Schmerz zu Nutze machen. Julia Jusik gibt Antworten auf Fragen, die in Russland niemand stellt. "Ich schreibe über Kamikaze-Frauen, die mein Land in die Luft jagen. Ich will erzählen, wer sie sind und warum sie das tun. Ich will, dass man jede von ihnen persönlich kennt. "


    Zur Autorin (lt. Buchcover):
    Julia Jusik wurde 1981 in Donetsk geboren. Nach Abschluss eines Journalistik-Studiums arbeitete sie im Rostover Büro der Komsomolskaya Pravda, wurde Redaktionsleiterin und wechselte später nach Moskau. 2002 fuhr sie für eine erste, später preisgekrönte Reportage über die Selbstmordattentäterinnen nach Tschetschenien. Nach dem Attentat im Musicaltheater Nord-Ost verließ sie die Zeitung um auf eigene Faust für dieses Buch zu recherchieren. Seit Januar 2004 arbeitet sie für die russische Ausgabe von Newsweek.


    Titel der Originalausgabe: Nevesty Allaha, 2003
    Coverfoto: Screenshot aus einem Polizeivideo


    Meine Meinung zum Buch:
    Ich lese solche Bücher grundsätzlich aus dem Interesse heraus, etwas mehr über Hintergründe zu erfahren, Geschehnisse aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten zu können um mir dann selbst ein Bild machen zu können.
    Nach Beendigung des Buches fragte ich mich, ob diese Wünsche erfüllt worden sind.
    Teils teils.
    Die Autorin führt mit vielen Personen Interviews und erklärt danach ihre eigene Zusammenfassung des Mitgeteilten. Ist das nun die endgültige Wahrheit?
    Ihr Motiv war, dass sie das WARUM hinter allem erfahren wollte. Parallelen herstellen. Die Wurzeln des Üblen entdecken.
    Meiner Meinung nach ist ihr einiges gelungen, aber für mich selbst bleiben am Ende des Buches mehr Fragen offen als vorher.


    "Anstelle eines Vorwortes" schildert die Autorin, warum es zu diesem Buch und der Recherche kam. Dann folgen die verschienden Kapitel, die aufgeteilt waren in:
    Teil 1: Sie waren die Ersten (2002)
    Teil 2: Die "Nord-Ost"-Attentäterinnen (2000)
    Teil 3 Die Wiederkehr der tschetschenischen Selbstmordattentäterinnen (2003-2004)
    Teil 4: Wie eine Frau zur Marionette wird
    Teil 5 Wer wird die Nächste sein?
    Das Buch schließt dann ursprünglich mit dem Abschnitt "Anstelle eines Nachwortes", wurde aber dann aus gegebenen Anlass um ein Kapitel erweitert: "P.S:: Das Leben vor Beslan und danach".


    Die ersten 3 Teile beschäftigen sich mit den einzelnen Selbstmordattentäterinnen und tragen auch die jeweiligen Unterkapitel die Namen der Frauen. Wer nicht schon Grundkenntnisse über die Attentate hat sehnt sich vielleicht nach diversen erklärenden Fußnoten bei einzelnen Begriffen oder Abkürzungen. Erst zu spät entdeckte ich z.B: das Glossar am Ende des Buches. Hier wäre ein Fußnotenzeichen etc. für mich persönlich angenehmer gewesen.
    Für meinen Begriff vermischt die Autorin direkte Schilderungen von Gesprächen mit Verwandten stark mit ihrer eigenen Meinung und schildert diese dann jeweils bei der Zusammenfassung.
    Viele Szenarien ähneln sich. Namen von vermeintlichen Drahtziehern tauchen immer wieder auf. Gerade auch durch die für mich schwierig zu lesenden Namen ist es nicht immer leicht gewesen, dem ganzen zu folgen. Auch wurde man zwischendurch etwas müde, ähnliche Hintergründe bei mehreren Frauen zu lesen, immer wieder einzeln aufgezeigt.
    Zu diesem Zeitpunkt wäre meine Beurteilung bei max. 3 Sternen gewesen.


    Für mich persönlich nahm dann in Teil 4 das Buch für mich die gewünschte Form an. Hier wurden die verschiedenen Typen von Frauen zusammengefasst und Parallen verglichen: "Die Unglückliche" bzw. "Die Braut". Auch wurden die verschiedenen Phasen (Anwerbung, Entführung, Isolation, Indoktrinatin, Abschluss) in Teil 4 behandelt. Dieser Teil des Buches wirkte auf mich sehr viel übersichtlicher und verständlicher.


    In Teil 5 bringt die Autorin Beispiele von Frauen, die aufgrund ihrer Lebensgeschichte die optimalen "Nächsten" sein könnten. Auch leuchten hier bei der Beschreibung der Gefühle die Beweggründe ein. Auch wenn man sich die diversen Grausamkeiten kaum vorzustellen vermag und wünscht, so etwas würden sich Menschen nie gegenseitig antun.


    Im Teil "Anstelle eines Nachwortes" fasst die Autorin auch die Situation generell zusammen. Stellt Fragen zur Rolle der Geheimdienst, des Militärs, der Politik und prophezeit, dass die Problematik weitergehen wird, wenn das Problem der Selbstmordattentäterinnen nicht an der Wurzel gepackt wird, sondern nur wertend darüber berichtet wird. Man erhält den Eindruck und schreibt dies auch die Autorin nieder, dass zwar alle von allem wissen, aber es nie einen Befehl von oben gibt, tatsächlich tätig zu werden.


    Für mich waren es die letzten Teile bzw. Kapitel, die den Ausschlag gaben, dem Buch doch noch 4 Sterne zu geben. Diese Teile waren für mich leichter lesbar. Gerade im "P.S." -Teil stellt die Autorin zwar mehr Fragen als dass sie Antworten gibt. Aber auch durch diese Fragestellungen wird klar, wie die Einstellung der Autorin zu diesem Thema ist und was sie kritisiert.
    Auch erwähnt sie, dass trotz namentlicher Bekanntheit der Anwerber und Organistoren, diesen kein Haar gekrümt wurde, ihr Buch jedoch mit einem Verkaufsverbot belegt wurde.
    Jeder Leser kann nun seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.


    Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass die Problematik an sich sehr interessant ist, man auch ein bißchen Einblick in die dortigen Verhältnisse bekommt. Die Sicht von Täterinnen auf Mitopfer (Stichwort: Fremdzündung) wird teilweise geändert, man ist bestrebt weitere Fragen zu stellen, weiter darüber zu lesen u.a. in anderen Büchern zu diesem Thema.
    Der Aufbau und die Struktur des Buches sind jedoch in einigen der Teile für mich nicht optimal gelöst und schwanke ich daher zwischn 3,5 und 4 Punkten (habe mich dann netterweise zu 4 entschieden).

    :study: Audre Lorde: Sister Outsider (eBook)

    :study: Joseph Roth: Hiob (eBook) - MLR

    :study: Thomas Chatterton Williams: Selbstportrait in Schwarz und Weiss - Unlearning Race



    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


    Warnhinweis:
    Lesen gefährdet die Dummheit

    :study:

  • Ups sorry, ich sollte wohl nicht mehr zu solch nächtlicher Stunde Rezis schreiben, da passieren mir zu leicht Fehler! Diesmal habe ich extra in den Text noch den Originaltitel dazugeschrieben, und schon vergesse ich auf die Autorin. Danke fürs ausbessern!

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