Louis-Ferdinand Céline - Die Kirche / L’Église

  • Autor: Louis-Ferdinand Céline
    Titel: Die Kirche
    Seiten: 184
    Originaltitel: L’Église, entstanden 1926, veröffentlicht 1933


    Über den Autor: (Klappentext)
    Louis-Ferdinand Destouches, geboren 1894 in Courbevoie, meldete sich 16-jährig freiwillig zum Militär. Bereits in den ersten Tagen des 1. Weltkriegs schwer verwundet, wurde er 1915 als kriegsuntauglich nach London versetzt. Nach seiner Entlassung aus der Armee arbeitete er 1916-1917 in Schwarzafrika als Verwalter auf einer Plantage. Wieder zurück in Frankreich, studierte er 1919-1924 in Rennes Medizin. Er arbeitete als Arzt für den Völkerbund, in dessen Auftrag er mehrere Untersuchungen in Europa, Afrika und Amerika durchführte. 1927 verliess er den Völkerbund und liess sich als Armenarzt in Clichy bei Paris nieder.
    1932 erschien unter dem Pseudonym Céline sein berühmter erster Roman „Reise ans Ende der Nacht“. Ab 1937 entzweite sich das intellektuelle Paris mit ihm, weil er neben seinen Romanen antisemitische Pamphlete und Schriften verfasste. 1944 musste er vor den Alliierten nach Deutschland fliehen. Auf der Flucht verbrachte er mehrere Monate in Sigmaringen und floh dann 1945 nach Dänemark, wo er bis 1951 lebte. Nach mehreren Verurteilungen in Frankreich wurde er schliesslich vom französischen Militärgericht amnestiert und kehrte in die Heimat zurück. Er starb 1961 in Meudon, wo er seit seiner Rückkehr nach Frankreich zurückgezogen lebte und arbeitete.


    Inhalt: (Klappentext)
    Es hat Gerüchte gegeben, denen zufolge die gesundheitliche Fürsorge gewisser Kolonialmächte in Afrika zu wünschen übriglässt. Seuchen sollen die eingeborene Bevölkerung ganzer Stammesgebiete dezimieren. Der junge Mediziner Dr. Bardamu wird vom Völkerbundkomitee nach Afrika geschickt, um die Vorwürfe zu untersuchen.
    Was er findet, bestätigt die Befürchtungen: in einer kleinen Provinzstation im Innern einer französischen Besitzung hat er Lungenpest festgestellt.
    Doch der französische Gouverneur, der aus der Provinzhauptstadt erschienen ist, um Dr. Bardamu zu überreden, ein günstiges Urteil abzugeben, will von einer solchen Diagnose nichts wissen. Sein Ruf würde in Mitleidenschaft gezogen.
    Als Dr. Bardamu seinen Bericht beim Völkerbund abgibt, hat der zuständige Kommissar bereits eine Warnung aus Afrika erhalten: Bardamu ist als trouble-maker avisiert worden. In einem Vier-Augen-Gespräch versucht der „Direktor der Kompromiss-Abteilung beim Völkerbund“, Herr Yudenzweck, Bardamu zum Abmildern seines Berichts zu überreden; er stellt weitere Forschungsaufträge in Aussicht. Als Bardamu unbeirrt bei der Wahrheit bleibt, geht es mit seiner Karriere bergab. Im letzten Akt wirkt er als Armenarzt, ohne Praxis, in einer Kneipe von Paris, und Polizisten treten ein, um ihn zu verhaften, weil er ohne Lizenz praktiziert.


    Meinung:
    Wem der Name „Dr. Bardamu“ und die Stationen afrikanische Kolonie, Amerika und Paris bekannt vorkommen, der kennt möglicherweise Céline bekanntestes Werk „Reise ans Ende der Nacht“. Tatsächlich gilt dieses Theaterstück in fünf Akten als Vorläufer zu seinem ausgezeichneten Roman. Aber eines vorweg: die Qualität des Romans erreicht dieses Werk zu keinem Zeitpunkt. Ich fand die Erzählung für ein Theaterstück zu lang und abschweifend. Es gab eine Menge Exkurse, die mit der eigentlichen Handlung gar nichts zu tun haben: bspw. nahezu der komplette 2. Akt, wo eine Tänzerin lediglich über den Tod ihres Mannes unterrichtet werden sollte; das artet zu einer Kritik am amerikanischen Kapitalismus aus, es gibt Hochzeitsanträge, etc. Und im dritten Akt wird seitenlang die Behörde des Völkerbundes mit ihren Untergremien dargestellt, inklusive der sinnlosen diplomatischen Debatten und der Amtsträger, die nur auf ihren Vorteil hin arbeiten.
    Bei so viel Themen und Kritik an allen Seiten geht der eigentlich Handlungsstrang mit Dr. Bardamu ziemlich verloren. Das episodenhafte fand ich im Roman noch in Ordnung, aber bei einem Theaterstück finde ich die eigentliche Geschichte zu sehr in die Länge gezogen, zumal der Sprachwitz und die Bitterkeit und Hoffnungslosigkeit fehlt, die den „Reise…“-Roman ausmachen. Vielleicht auch, weil Dr. Bardamu hier wirklich noch ein Held, der einzig aufrichtige Mensch ist, der zu seiner Meinung steht, die Wahrheit ans Licht bringen will und den Kranken hilft, weil er es bei den Gesunden am Ende nicht mehr aushält.
    So ein Gutmensch ist Bardamu im Roman dann nicht mehr – was mir dort insbesondere gefallen hat, eben dass es keine Hoffnung mehr gibt und alle Menschen verdorben sind, einschliesslich des „Helden“.
    Somit bleibt es bei einem Stück, das ganz okay ist, aber auch vergessen werden kann. Für mich hatte es seinen Reiz, um zu sehen, was davon im Roman übernommen wurde – und um auch die eher unbekannteren Stücke von Céline gelesen zu haben.