Lawrence Durrell - Justine / Tunc (Start 01.06.15)

  • Das ist auch schwierig, wenn nicht gar umöglich, weil alles ineinander verwoben ist und erst die Folgeromane gewisse, jetzt noch sehr schwer bewertbareFakten beinhalten. Das ist anfangs ein sehr kompliziertes Verwirrspiel das sich erst nach und nach auflöst. Ich weiß, dass ich anfangs manchmal kurz davor
    war aufzugeben.

    Anscheinend wird das Avignon-Quintett auf Englisch aktuell auch nur noch in einem Fünfer-Sammelband vertrieben, gar nicht mehr einzeln (was mir sehr sinnig erscheint). Konnte man TUNC im Grunde noch einzeln lesen (ohne mit NUNQUAM weiterzumachen), ist das hier nicht mehr möglich. Dafür waren in TUNC und NUNQUAM die anscheinend Durrell-typischen, poetisch gefärbten Situationsbeschreibungen ziemlich heruntergefahren. Im Avignon-Quintett gibt es da schon mehr davon.


    Seltsam finde ich dann nur, dass zwischen der Veröffentlichung von Band 1 und Band 2 VIER JAHRE vergangen sind. (Dann wieder vier, dann eins, dann zwei). Gab es die Folgebände des Alexandria-Quartetts nicht in einem flotten Einjahres-Turnus? Die "armen Leser", die zwischen 1974 und 78 gerätselt haben, was sie von MONSIEUR nun eigentlich halten sollten ... :wink:


    Außerdem muss ich doch noch draufhinweisen (auch als Merkzettel für mich selber), dass - bei dem Glaubensthema ja auch nicht von der Hand zu weisen - relativ viele Christentum- und Bibelanspielungen vorhanden sind: Judas, die Kreuzigung, Gog und Magog, die "Wesensverwandlung" beim Abendmahl, wenn sich Brot und Wein verwandeln, sowie direkte Zitate wie z.B. "Weib, was hab ich mit dir zu schaffen". Was da wohl noch kommt? Gespannt bin ich!

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (214/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

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    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • Und schon stecke ich im zweiten Teil ...


    Durrells Art, seine Romane aufzubauen, gefällt mir. Es wirkt in einem fließenden Sinne ungeplant: Als finge er erst einmal an und schaute, was mit seinen Figuren passiert. Was ihn dann nicht mehr interessiert, lässt er links liegen. Und holt es vielleicht später mal wieder aus der Werkzeugkiste, wenn es passt. So gerät alles manchmal auch ein bisschen aus dem Ruder. Aber interessant!


    Bisher telefoniert der Schriftsteller Blanford mit seiner Romanfigur, dem Schriftsteller Sutcliffe, "seinem einzigen Freund", die beide gewissermaßen die gleiche Frau lieben (Livia - Pia), bei der es sich - um die Sache zu verkomplizieren - um mehr oder weniger versteckte Lesbierinnen handelt (Livia wird in dem Roman in Analogie zu Homo manchmal Homa genannt werden, was ich noch nie gehört habe). Beide Frauen sind tot. Tja: Eigentlich liebte Blanford natürlich Livias Schwester Constance (die auch gerade verstorben ist), doch Livia heiratete ihn schnell, damit er Constance nicht bekam. Ein gehässiges Wesen? Blanford und Sutcliffe jedenfalls beschließen, gemeinsam ein "Quincunx von Romanen" schreiben, ein Roman-Set aus fünf Teilen, wovon "Monsieur" (bei Blandford) bzw. "Der Fürst der Finsternis" (bei Sutcliffe) der erste Teil ist. Mal sehen, was nach diesem postmodernen Anfang als nächstes geschieht. Auf dem Umschlagbild sind jedenfalls Sigmund Freud und Adolf Hitler abgebildet (Livia soll eine Schwäche für "das Deutsche" gehabt haben... )


    Wie auch immer, die drei Motti des Romans gefallen mir:


    "Im Namen des Hundes des Vaters,
    des Hundes des Sohnes
    und des Hundes des Heiligen Geistes,
    Amen.
    Hier beginnt die zweite Lektion."


    "Gibt es womöglich
    zwischen dem vollkommen Unbestimmten
    und dem vollkommen Bestimmten
    einen Weg?"


    "Fünf Farben gemischt machen Menschen blind."
    Chinesisches Sprichwort

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  • Mich kribbelts ja in den Fingern etwas dazu zu schreiben. Im Besonderen zu Constanze und Livia, aber das kann ich frühestens, wenn du den
    zweiten Teil beendet hast. Ich lehne mich also zurück, lese was du so schreibst, freue mich über einige deiner Anmerkungen und Vermutungen
    und lese derweil über Durrells Leben in Cypern, das lange nicht so ruhig und meditativ ist wie seine Zeit in Korfu.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Auch der zweite Roman des Avignon-Quintetts ist sperrig - das Attribut werden wir wohl nicht mehr los! Jetzt, wo ich ihn zuende gelesen habe, bin ich immer noch "so klug als wie zuvor".


    In LIVIA spielen also ganz andere Figuren als in MONSIEUR eine Rolle: Vor allem der Schriftsteller Blanford, der sich einen Schriftsteller namens Sutcliffe ausgedacht hat. Die Figuren des ersten Romans sind also "Romanfiguren". Aber, wie es der Roman LIVIA erweisen wird, dann doch mit realen Vorgaben. Oder doch nicht?! Jedenfalls trifft Blanford in der Irrenanstalt zufällig auf eine junge Frau (Sylvie?!), die von einem gewissen Piers erzählt. Das Avignon-Quintett, ein Roman-Zyklus voller Überlappungen. Oder Schichten einer Zwiebel. Man kann und soll die Übersicht verlieren! :mrgreen:


    Es geht auch um das Schwesterpaar Livia und Constance. Ein ägyptischer Prinz taucht auf, ein alternder Lord Galen spielt mit und ein auf ein diplomatisches Abstellgleis geschobener "unglücklicher" Felix. Die Geschichte ereignet sich (große Teile jedenfalls) Ende der 1930er-Jahre kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges: Lord Galen und der Prinz fahren in Verkennung der Zustände nach Deutschland, um ... ja was, Geschäfte?! zu machen. Jedenfalls begehen sie - bzw. Lord Galen, da sich der Prinz geschickt rausgehalten hat - "einen großen, dummen Fehler". Was bloß? :-k:lechz: Sie kommen überstürzt nach Avignon zurück. Livia ist übrigens auch sehr an Deutschland interessiert, außerdem an einer karibischen Schönheit, mit der sie ihren Mann Blanford recht offensichtlich betrügt. Überhaupt ist sie sehr unnahbar und geht eigene Wege. Ist sie das tatsächlich auf dem jenem Foto, auf dem sie (oder wer ihr sehr ähnliches) in Deutschland in Nazi-Uniform mit zum Hitlergruß gestrecktem Arm zu sehen ist? Das wird sich wohl noch später herausstellen! (Hoffentlich!)


    Der Roman endet mit einigen Abschieden und dem Ausbruch des Krieges - nicht ohne zuvor mehrmals die Suche nach dem Schatz der Templer ins Spiel gebracht zu haben. Ins Spiel gebracht, erwähnt, eine Andeutung von Abenteuer, was dann aber erst einmal wieder vernachlässigt wird. 8)


    Nach einer gewissen Pause werde ich mich dann bald in Band 3 stürzen. Mein lieber Scholli! :king:

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  • Ich habe gar keine Ahnung mehr wie ich auf diesen Blog aufmerksam wurde und fast hätte ich auch schon weggeklickt, wenn es nicht "Klick" beim Stichwort "Durelliana" in meinem Kopf gemacht und mein Blick gerade noch den Namen des Autors um den es ging, gestreift hatte. Da hat eine Frau ihrem Lieblingsdichter Lawrence Durrell einen ganzen Blog gewidmet, so ich es mit meinen mageren Sprachkenntnissen verstanden habe. Passt doch wunderbar zu unserer Werkleserunde.


    Edit: Da es mir allerdings -warum auch immer- nicht gelingt, den Link über die Verknüpfung reinzubekommen, dann halt so: https://whitemetropolis.wordpress.com/

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  • Da hat eine Frau ihrem Lieblingsdichter Lawrence Durrell einen ganzen Blog gewidmet, so ich es mit meinen mageren Sprachkenntnissen verstanden habe. Passt doch wunderbar zu unserer Werkleserunde.

    Danke für den Link. Schon das Gedicht >At Rhodes< macht Lust auf mehr. Auch der Beitrag über die vom Verfall bedrohte Villa in Alexandria, wo Durrell eine Zeit lebte
    und schrieb, hat mir gut gefallen. Jetzt schau ich mal weiter, denn da gibt es noch viel mehr zu entdecken in diesem Blog. Toller Fund @Farast .

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  • Da hat eine Frau ihrem Lieblingsdichter Lawrence Durrell einen ganzen Blog gewidmet, so ich es mit meinen mageren Sprachkenntnissen verstanden habe. Passt doch wunderbar zu unserer Werkleserunde.


    Edit: Da es mir allerdings -warum auch immer- nicht gelingt, den Link über die Verknüpfung reinzubekommen, dann halt so: https://whitemetropolis.wordpress.com/

    Und schöne Fotos und andere Ausschnitte. Das ist wirklich prima zum Rumstöbern, Danke @Farast. :thumleft:


    Auswärts-Links kriege ich über den Link-Button auch nicht mehr hin. Vielleicht wurde das so geändert, um sichtbar zu machen, wohin die Links verweisen?!

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  • Ich hatte gar nicht mitgekriegt, dass Du jetzt das "Avignon-Quintett" liest, werter Herr @Jean van der Vlugt.


    Es bleibt für mich unverständlich, wie Ihr Euch so viele Durrell-Romane hintereinander 'reinziehen könnt - ich empfand das "Alexandria-Quartett" als eine durchaus sinnliche Leseerfahrung, und bei diesem Vierteiler fand ich u.a. recht schön, wie die Schreibweise ein bisschen "aus der Zeit gefallen" schien (das ist möglicherweise selbst ein Teil des sinnlichen Elements beim Lesen).
    Kurz darauf hatte ich das "Avignon-Quartett" auf Englisch gelesen ... ich habe mit dem ersten Band furchtbar gehadert und danach abgebrochen. Der Stil Durrells kam mir plötzlich affektiert und überheblich vor. Vielleicht war es viel zu früh, gleich wieder mit einem Roman von Durrell weiterzumachen. Möglicherweise habe ich etwas Ähnliches wie das "Alexandria-Quartett" erwartet, und kam deshalb nicht mit "Avignon" zurecht?
    Irgendwann hole ich das Buch noch mal aus dem Regal und wage einen neuen Anlauf. An die Handlung kann ich mich nur noch dunkel erinnern, zurück bleibt bei mir eher der Eindruck des Genervtseins beim Lesen, deutlich kann ich mich noch an den englischen Ausdruck "female stag" erinnern - was sollte denn das sein? Ein Hirsch als Hermaphrodit? Auch die Sache, dass da jemand den Kopf eines Toten vom Leib trennen musste, nur um eine Totenmaske anzufertigen, hat mich gestört ... mittlerweile frage ich mich, ob da eventuell sogar eine seltsame Art von Humor dahinterstehen könnte? Obwohl mir Durrell vom "Alexandria-Quartett" her nicht gerade als humorvoll vorkam ...

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ich hatte gar nicht mitgekriegt, dass Du jetzt das "Avignon-Quintett" liest, werter Herr @Jean van der Vlugt.


    Es bleibt für mich unverständlich, wie Ihr Euch so viele Durrell-Romane hintereinander 'reinziehen könnt ...

    Ja, ich finds auch seltsam! :lol: Aber es liest/las ja auch jeder was anderes, Farast das Alexandria-Quartett, taliesin Reiseberichte und ich den ungeliebten Rest. :wink: Sinnlich im Sinne von "schwelgerisch in Worten badend" ist das Avignon-Quintett nun wirklich nicht. Und ich bin auch etwas genervt und frage mich schon, wie man einen im negativen Sinne so dahindümpelnden, im positiven Sinne wie planlos dahinfließenden Riesenroman veröffentlichen kann (dann auch noch in Fortsetzungen über mehrere Jahre). Bei einem gewissen Stand des Autoren vielleicht auch keine große Überwindung, aber im Grunde doch ein Titel im Verlagsprogramm, wo man draufzahlt. Ich nehms einfach sportlich und will wissen, was noch kommt.
    :)

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