Tim Parks - Der ehrgeizige Mr. Duckworth / Italienische Verhältnisse / Cara Massimina / Juggling the Stars

  • Klappentext:
    Tim Parks’ Krimitrilogie: Der Aufstieg eines skrupellosen Hochstaplers in Verona.
    Morris Duckworth ist von seiner eigenen Genialität und moralischen Untadeligkeit felsenfest überzeugt. Wenn er also ein Durchschnittsleben auf unterstem ökonomischem Niveau führen muss, sind andere schuld.
    Um reich zu werden und in die gute Gesellschaft Veronas aufzusteigen, schreckt er vor nichts zurück. Erpressung und Entführung, Mord und Totschlag sind manchmal einfach unvermeidlich.
    Morris Duckworth kann – in aller Unschuld – einfach nicht verstehen, warum andere Leute reich sind und er nicht.
    Massimina Trevisan, die reich ist, versteht – in aller Unschuld – nicht, warum sie Morris nicht auch noch haben kann.
    In einem heißen italienischen Sommer brechen die beiden zu einer Reise auf, bei der alle Unschuld auf der Strecke bleibt.
    (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Tim Parks, geboren 1954 in Manchester, wuchs in London auf und lebt seit 1981 in Italien. In vielen seiner Romane und erzählenden Sachbücher hat er das Leben in Italien thematisiert. Er hat das Werk von Italo Calvino, Roberto Calasso, Alberto Moravia und Machiavelli ins Englische übersetzt und lebt als Professor für Literarisches Übersetzen in Mailand. Zuletzt erschien von ihm "Italien in vollen Zügen" (Kunstmann 2014). (Von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Cara Massimina
    Aus dem Englischen übersetzt von Lutz-W. Wolff
    Erstmals erschienen 1990 bei Minerva
    Deutsche Erstausgabe erschienen bei Verlag Antje Kunstmann
    Personale Erzählperspektive aus den Augen Morris’
    1. Band der dreiteiligen Morris-Duckworth-Reihe
    21 nummerierte Kapitel
    303 Seiten


    Persönliche Meinung:
    Parks hat Patricia Highsmith ausgiebig studiert – dieser Eindruck drängt sich nach der Lektüre demjenigen auf, der Tom Ripley kennt. Die Parallelen entdeckt man weniger in der Handlung, als in der Person des Protagonisten.
    Auch der Engländer Morris kommt aus einem zerbrochenen Elternhaus, die Mutter starb früh, der gewalttätige Vater trank und verspottete seinen „Weichei-Sohn“. Morris flüchtet nach Verona (Parks italienische Heimat) und hält sich als Aushilfs- und Privatlehrer für die Nachkommen reicher und adliger Familien über Wasser, die er in seiner Muttersprache manchmal mehr schlecht als recht unterrichtet.


    Von seinen intellektuellen und menschlichen Qualitäten überzeugt fühlte Morris sich vom Schicksal benachteiligt. In Wahrheit, so glaubt er, stünden ihm Reichtum, Ansehen und eine geistig anspruchsvolle Arbeit zu. Dass er sein Studium in England seinerzeit hinwerfen musste, war natürlich die Schuld anderer.
    Er lebt in dem ständigen Gefühl eines „Wenn …, dann wäre ich!“


    Massimina, Tochter aus reichem Haus, verliebt sich in ihn, doch die Familie hat - begreiflich - etwas gegen die Beziehung und untersagt dem Mädchen den Umgang. Dass sie von Zuhause wegläuft, macht Morris sich zunutze und inszeniert die Flucht als Entführung mit Lösegeldforderung. Gemeinsam brennen sie durch, verändern Massiminas Aussehen und durchlaufen mehrere Städte. Morris verstrickt sich darin, Massimina ständig zu bewachen, damit sie keinen Kontakt zur Mutter aufnimmt, die Arbeiten der Polizei quasi als Helfer zu begleiten und sich der Familie als sorgenvoller Freund zur Seite zu stellen.
    Einige Leichen hinterlässt er auf seinem Weg zum großen Geld.
    Auch wenn sich gelegentlich Skrupel melden: Immer hat Morris die Entschuldigung zur Hand, dass er sich nur nimmt, was ihm zusteht, und dass er angeblich keine andere Wahl hat.


    Sympathisch ist er sicher nicht, andererseits bangt man mit und um ihn, fiebert mit, ob er mit seinen dilettantischen Verbrechen durchkommt. Oder ob die Gerechtigkeit am Ende doch zuschlägt und ihn bezwingt.
    Die Polizei agiert in ihrer Ermittlung ebenso stümperhaft wie Morris in seinen Verbrechen, auch hier eine Parallele zu Highsmith. Trotz Zeugen, Fingerabdrücken und Phantombild läuft die Nachforschung ins Leere.


    1982 verfasste Parks nach eigenen Angaben diesen Krimi als letzten in einer Reihe unveröffentlichter Manuskripte. Der ewig unverstandene Morris besitzt Züge des ewig unverstandenen Schriftstellers Parks, und natürlich ist auch er ein Engländer in Verona.
    Erst 1990 wurde der Krimi gedruckt, zunächst unter Pseudonym und in einem anderen Verlag als die bisherigen Romane, bis Parks sich aus dem Vertrag freikaufte. Acht Jahre nach dem ersten schrieb er den zweiten Band und erst 2011 den dritten. Die Schreibarbeit war für ihn ein Vergnügen, und diese Leichtigkeit, die dem Spiel mit den kriminellen Möglichkeiten entspringt, spürt man beim Lesen.


    Ein Plagiat verfasst zu haben kann man Parks nicht unbedingt vorwerfen, dass er sich einige Ideen „ausgeliehen“ hat, schon. Vor allem das Leseerlebnis von Parks und Highsmiths Romanen ist gleiche: Der Sog der Spannung und die Ambivalenz gegenüber dem Protagonisten.


    Band 2 und 3 erscheinen im Juli, bzw. September in deutscher Übersetzung. Man darf gespannt sein.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Morris Duckworth, der Protagonist dieses schon 1990 erschienenen Buches von Tim Parks stammt aus England. Dort war er trotz guter Studienleistungen wenig erfolgreich und geht nach Italien um dort sein Glück zu machen. Er lebt in Verona und arbeitet dort an einer Schule, aber auch als Privatlehrer für Kinder von Leuten, die alles haben. Alles das, was, wie Duckworth findet, ihm schon lange zusteht. Er fließt über vor Selbstmitleid, hadert mit seinem Schicksal, das ihm wie er findet, arg mitgespielt hat und ihm um sein richtiges Leben betrogen hat und jeden Tag weiter betrügt.



    Eine seiner Schülerinnen aus reichem Hause hat sich in Morris verliebt und der wittert seine Chance, mit einer Heirat endlich an das große, alte Geld zu kommen. Massiminas Mutter allerdings hält davon gar nichts, und die beiden beschließen zu fliehen, wobei durchaus das Mädchen die treibende Kraft ist. Da sie aber mit dem mitgenommenen Geld sehr geizig umgeht, ist Morris` Kasse nach wie vor chronisch knapp. Mit verschiedenen Ganovenstreichen versucht er vergeblich an Geld zu kommen. Mit jeden Mal werden seine Straftaten schwerer, doch Massimina merkt nichts.



    Mit Morris Duckworth hat Tim Parks einen Ganoven geschaffen, der an Highsmiths Tom Ripley erinnert. Wenig sympathisch lügt und betrügt er sich durch die Welt. Immer ist alles die Schuld der anderen, die sein Genie nicht sehen und ihm nicht das geben, was er für sich permanent in Anspruch nimmt, viel Geld und Ruhm. Zunächst voller Selbstmitleid, wir Morris immer härter, böser und gnadenloser in der Durchsetzung seiner Ziele. Tim Parks gelingt es, dieser Figur so viel Charme zu geben, dass der Leser trotz ihres abstoßenden Charakters das Buch bis zum Ende nicht aus der Hand legen kann.



    Ein Ende, das gar keines ist, denn für Juli und September sind von Kunstmann die beiden weiteren Bände der Parks`schen Trilogie über Morris Duckworth schon abgekündigt.