Viktor Pelewin - Snuff (Start: 29.05.15)

  • zu Kapitel 5


    angeblich gehe es um Vernunft auf höherer Ebene, also der Selbst-Gewährleistung der Natur für die Ewigkeit … oh Mensch, ich kann mir das hier echt nicht verbeißen: also wenn im Endeffekt immer die Natur mit ihrer Sorge um ihren Fortbestand entscheidet, dann ist die Natur alles andere als treffsicher in Sachen Gewährleistung des Fortbestandes:

    Natur sorgt sich halt nicht um Gut/Böse oder gar Sozial/Asozial. Allerdings hat das mit höherer Vernunft auch nichts zu tun, denn der Mensch sorgt ja durch seine
    ach so vernünftige Vorgehensweise in Punkto Zerstörung der Erde und damit Zerstörung der eigenen Existenzgrundlage in wohl absehbarer Zeit für ihre eigene Auslöschung.



    An dieser Stelle habe ich gedacht, dass Herr Pelewin im Grunde jetzt froh sein kann, dass er sich so anonym und vom öffentlichen Leben zurückgezogen gibt, denn sonst hätte ihn bestimmt schon die eine oder andere Frau in ihrer Unvorhersehbarkeit abgewatscht oder mit einer ihrer unteren Extremitäten seine Weichteile schwungvoll angepeilt.


    Pelewin haut dem Leser da schon ein manchen Männern liebgewonnenes Klischee um die Ohren. Männer sind alle soo kontrolliert und ihr Handeln ist natürlich immer auf das
    Wahre, Schöne und Gute ausgerichtet. Aber klar, Herr Pelewin (oder besser wohl, Herr Damiola)

    Jedesmal, wenn ich diesen Satz lese, kriege ich das große Schütteln vor Lachen – was mich daran hindert, diesen Gedanken Damilolas irgendwie auf die Reihe für einen Kommentar zu bringen (Das stimmt zwar irgendwo, aber es ist doch einfach zu blöd, wie das Faktotum Mensch funktioniert, da hat der liebe Gott eindeutig ein bisschen gepfuscht.

    Komisch, dass das Handeln all`unserer Götter (der "liebe" eingeschlossen) nie so richtig zu funktionieren scheint. Die Dialektik der Extase kann er sich an den Hut stecken.
    Das ist doch wirklich zu platt.

    Schon allein die Formulierung mit de „roten Block / Stern“ ist sowas von Klasse – das klingt, als hätte Herr Pelewin tierischen Spaß beim Schreiben gehabt.

    Das gefällt mir auch. Alles was den Menschen so an Charateristika ausmacht hat sozusagen den Gefahrenstern am Hinterteil. Das spricht nicht unbedingt für unsere
    Spezies, oder?


    aber ist nicht die Garantie des (sexuellen) Erfolgs und des damit verbundenen Ansehens nach Überwindung (möglichst simulierter) Hürden genau das, was sich der Durchschnittsamerikaner unter seinem in der Verfassung des „land of the free and home of the brave“ verbrieftes „right to the pursuit of happiness“ vorstellt? (Nur so nebenbei: Wie armselig ist das denn? Das ist zumindest meine Meinung …)

    Die schöne Formulierung in der Verfassung der Amis erstickt leider in der Realität des zerstörten amerikanischen Traumes, der schon lange zum Albtraum mutiert ist.


    Auch wenn es mich gruselt, dass so einer nicht nur eine Puppe fickt, sondern sie sogar einsperren muss, weil nicht einmal eine Puppe es mit ihm aushalten würde …

    Man muss Pelewin lassen, dass er es geschafft hat hier einen der unsymphatischsten Protagonisten der Literaturgeschichte erschaffen zu haben. Dabei ist Damiola wohl ein gar
    nicht so seltener Vertreter unserer Art. Traurig, nicht wahr?

    Unser Fliegerheld kann Kayas Widerwillen und Ekel voll genießen, weil er ja weiß, dass er seine Macht und Kontrolle über sie elektronisch abgesichert hat und sie sich im Endeffekt nicht gegen ihn wehren kann

    Das ist der Knackpunkt. Der Arsch gefällt sich in seiner Überlegenheit und hat doch nur alles Risiko ausgeknipst. Der Kerl ist wirklich armselig, denn als moralische Instanz
    kann er noch nicht mal einer Puppe das Wasser reichen.


    Die Sure ist praktisch eine richtige Prosopopöie. (Mann, wie lange hat das gedauert, bis ich endlich mal diesen maximalen Klugscheißer-Begriff anbringen konnte. Ich glaube, ich bin mal im Zusammenhang mit Indigo von Clemens Setz darüber gestolpert – aber endlich konnte ich das Wort einmal anbringen - ein Hoch auf Pelewin! )


    Dank Herrn Pelewin und meiner lieben Mitleserin kenne ich jetzt einen Begriff, den ich noch nicht mal richtig aussprechen kann. Wurde wohl extra für die Geschichten unseres
    verrückten Russen eingeführt. (Ich sollte den Clemens Setz doch noch lesen). :lol:


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Die Dialektik der Extase kann er sich an den Hut stecken.
    Das ist doch wirklich zu platt.

    Genau, aber leider springen wir emotional genau auf diese Art von Aschenputtel-Fanfiktion an, in der man von Anfang an über "das Besondere" einer Person im Bilde ist, und die nach ewigem und tiefem Leiden unter Ungerechtigkeiten etc. dann endlich zum strahlenden Happy End mit dem "... und wenn sie nicht gestorben sind, dann schütten auch heute noch ihre Hypophyse und ihr Hypothalamus permanent gewaltige Mengen an Endorphinen aus" kommen. Wir wissen genau, dass es so nicht läuft, aber wir glauben immer noch dran und schmelzen jedes Mal wieder dahin - wie tief ist dieser Bockmist "vom Tellerwäscher zum Millionär" denn in unser Erbgut eingegraben?!

    Das gefällt mir auch. Alles was den Menschen so an Charateristika ausmacht hat sozusagen den Gefahrenstern am Hinterteil. Das spricht nicht unbedingt für unsere
    Spezies, oder?

    Haargenau, und wenn man dann noch ganz böse denken will, dann könnte man vermuten, dass hier der Autor auch noch einen kleinen Fußtritt nach "links" ausgeteilt hat , so mit rotem Stern als Symbol des Kommunismus - aber wie gesagt, da würde man Herrn Pelewin sicherlich zu viel an böser Absicht zumuten, denn das würde ja heißen, dass Charakteristika wie Spiritualität, Hinterfotzigkeit, Verlockung, Aufrichtigkeit, Koketterie und Doppelzüngigkeit hinter dem Durchschnittswesen in der kommunistischen Sowjetunion zu vermuten gewesen seien - bestimmt nicht, nein, nein ...

    Die schöne Formulierung in der Verfassung der Amis erstickt leider in der Realität des zerstörten amerikanischen Traumes, der schon lange zum Albtraum mutiert ist.

    Zu diesem "right to the pursuit of happiness" gibt es wohl auch sehr frühe Kommentare aus dem 18. Jahrhundert, also um die Entstehungszeit der "Bill of rights", die einen ganz anderen Sinn da hinein interpretieren (ich weiß nicht mehr, von wem, hab' auch keine große Lust zu suchen, sorry) als die Bedeutung, die heute dieser Ausdruck gemeinhin angenommen hat.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Zu diesem "right to the pursuit of happiness" gibt es wohl auch sehr frühe Kommentare aus dem 18. Jahrhundert, also um die Entstehungszeit der "Bill of rights", die einen ganz anderen Sinn da hinein interpretieren

    Ich denke, dass die Gründerväter da einige sehr gute Ideen zu einer neuen Gesellschaft, die gleiche Rechte für alle sozialen Schichten gewährleisten sollte, hatten.
    Zugang zur Lehre, Einbringung neuer Ideen und daraus entstehend das Wachsen einer Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Ziel, aber auch die Möglichkeit ganz
    eigene Wege zum persönlichen Glück zu finden sollte durchgesetzt werden. !855 erschien Walt Whitmans >Leaves of grass< in dem er diese Ideen noch einmal den
    Amerikanern vermitteln wollte. Auch Ralph Waldo Emerson und Henry David Thoreau bemühten sich darum. Leider blieb es aber bei der Utopie und was heute davon
    übrig ist wissen wir ja.
    So, schluss jetzt mit dem amerikanischen Traum. Kommen wir nun wieder zum Pelewinschen Albtraum. Herr Grimm zieht in den "Hoilischen Kriesch" Nummer 221.


    Kapitel 6 (Swastika Kapitel)


    Grimm ist in der Kaserne angekommen und es gibt einige Vorkriegsreden und eine Menge Brimborium um den bevorstehenden Krieg. Das wirkt auf Grimm eher einschläfernd,
    bis die sogenannten Orkasmen beginnen. Die Orkasmen sind auch der Name für ein Wahrsagebuch, dessen Weisheiten einem Soldaten die Zukunft im kommenden Krieg
    vorhersagen. Grimm, der sich durch seine guten Beziehungen zur Ordonnanz wenig Sorgen um seine persönliche Zukunft macht gehört zu denen die sich den Orkasmen stellen.
    Die ersten beiden Wahrsagungen treffen die Freiwilligen hart und sind kurz gesagt ein unglaublicher Schwachsinn über Schwuchteln, Fliegen und schlechte Musik. Kurz, die
    Jungs sind schlicht zum Tode verurteilt. Mir erschien das eher wie ein Seitenhieb Pelewins auf die Homophobie seiner Landsleute.


    Dann kommt Grimm an die Reihe und seine Vorhersage erinert an die politisch orientierten Wahrsagungen des Orakels von Delphi, denn er bekommt eine selten erreichte
    positive Vorausschau und es wird ihm auch die Ehre zuteil das Buch der Orkasmen selbst als Geschenk zu erhalten. Mir erscheint das alles sehr manipulierzt, denn Grimm
    hat ja einen einflussreichen Förderer, der ihm versprach, dass sein Aufstieg kurz bevorsteht.
    Interessant fand ich die Idee vom Verstand als Wächter, denn dieses Prinzip kenne ich auch aus einigen anderen philosophischen Ideen.



    Zitat von V. Pelewin

    Manchmal wird wirr gesprochen von einer Welt an sich, welcher eine einzige für alle sein soll. Ich aber sage euch: Die Welt an sich ist ein Gedanke und jeder
    Verstand denkt ihn auf seine eigene Weise. In jedem falle kommt aber alles aus uns selbst heraus.
    (...) und das dieser selbige Verstand gleichsam ein wildes Tier ist, das mich bewacht, und dass es nur in dem Sinne das meinige ist, das es mir zum Wächter
    bestellt wurde. Darüber hinaus wir unsere sterbliche reine Vernunft niemals gelangen können.

    Da wird der Verstand und die Vernunft aber irgendwann auch zum Tyrann, denn er hindert den Menschen daran in eine neue, andere Wirklichkeit und Wahrnehmung zu
    gelangen. Verstand und Vernunft werden gebraucht um unsere Verbindung zur Realität wie wir sie kennen zu erhalten, aber sie hindern uns durch diesen Schutz daran
    weiterzugehen und neues zu suchen. Castaneda argumentiert in seinen Büchern auf diese Weise um den möglichen Zugang zu einer anderen Wirklichkeit zu erklären
    So würde unsere sterbliche reine Vernunft dann doch darüber hinausgelangen. .
    Jetzt komme ich schon wieder von Hölzchen auf Stöckchen. Das passiert mir bei Herrn Pelewin recht oft, wie ich feststellen muss. :uups:


    Grimm wandert weiter und wir beobachten mit ihm die etwas ärmliche Vorstellung der Künste der Orkschen Krieger. Zumindest ist er optimistisch gestimmt aufgrund der
    positiven Aussichten in seine Zukunft. Aber etwas nagt an ihm. Der Passus mit dem, "Verstand als wildem Tier das zum Wächter wird", lässt ihn unruhig zurück.



    Zitat von V. Pelewin

    ...und Grimm erblickte in der Vergangenheit eine verworrene Seele, die auf all die Fragen seines Wächter-Tieres keine einzige Antwort fand.
    Und wie viele solcher Seelen waren schon über die Erde gepilgert? Wahrscheinlich hatten viele von ihnen herrliche Zeilen für die Ewigkeit verfasst, voller
    Verzweiflung und Hoffnung, und die Ewigkeit verschlang ihre Gaben ohne Gefühlsregung und auf ihrer glatten Oberfläche verblieb nicht einmal ein Kräuseln.


    Sehr schön beschrieben und auch eine Hinwendung zum nicht ganz so verstockt orkschen Charakter von Grimm. Könnte glatt sein, dass Herr Pelewin uns hier den
    ersten symphatisch erscheinenden Charakter (zusammen mit der Sure) in diesem Roman vorstellt.


    Ich habe extra so früh gepostet, weil die Temperaturen jetzt bald schon wieder so hoch sind, dass logisches Denken doch sehr schwer fält. :shock:


    lg taliesin

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  • Zu Kapitel 6, Spastika, Seite 103 bis 121:

    Die ersten beiden Wahrsagungen treffen die Freiwilligen hart und sind kurz gesagt ein unglaublicher Schwachsinn über Schwuchteln, Fliegen und schlechte Musik. Kurz, die


    Jungs sind schlicht zum Tode verurteilt. Mir erschien das eher wie ein Seitenhieb Pelewins auf die Homophobie seiner Landsleute.

    Genau das habe ich mir auch gedacht bei diesem Orakel-Blödsinn. :lol:


    Bei der Ziehung und Berechnung der Prophezeihung durch den "Militärgeistlichen Knilch" (die Beschreibung seines Äußeren ist auch ein bisschen zum Würgen ...) habe ich mir einen gegrinst, denn das klingt wie Kabbala und I Ging in den Händen eines Grundschülers, wie er da seine Finger zum Rechnen hernehmen muss - das klingt gleich auf dreifache Weise nicht sonderlich zuverlässig für ein Orakel :clown:

    Mir erscheint das alles sehr manipulierzt, denn Grimm hat ja einen einflussreichen Förderer, der ihm versprach, dass sein Aufstieg kurz bevorsteht.

    Stimmt. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht, an die Versprechen des Herrn in der seltsam ekligen Lederjacke.

    Interessant fand ich die Idee vom Verstand als Wächter, denn dieses Prinzip kenne ich auch aus einigen anderen philosophischen Ideen.

    Ich nehme an, dass Du recht hast. kann gut möglich oder sogar wahrscheinlich sein, dass Pelewin Castaneda gelesen hat - er variiert in seinen Büchern immer wieder auf schräge Weise unterschiedliche mystische Betrachtungsweisen.
    Ich muss hier zugeben, dass ich genau den Teil mit dem Wächter (noch?) nicht so recht verstehe.

    Da wird der Verstand und die Vernunft aber irgendwann auch zum Tyrann, denn er hindert den Menschen daran in eine neue, andere Wirklichkeit und Wahrnehmung zugelangen. Verstand und Vernunft werden gebraucht um unsere Verbindung zur Realität wie wir sie kennen zu erhalten, aber sie hindern uns durch diesen Schutz daran weiterzugehen und neues zu suchen. Castaneda argumentiert in seinen Büchern auf diese Weise um den möglichen Zugang zu einer anderen Wirklichkeit zu erklären. So würde unsere sterbliche reine Vernunft dann doch darüber hinausgelangen.


    Jetzt komme ich schon wieder von Hölzchen auf Stöckchen. Das passiert mir bei Herrn Pelewin recht oft, wie ich feststellen muss. :uups:

    Die beiden ersten Absätze der Prophezeihung reden nicht von einer anderen zusätzlichen Wirklichkeit, sondern dass die jetzige Wirklichkeit, die wir als unsere konkrete Realität bezeichnen, gar nicht so unbedingt real sein soll.
    Trotzdem glaube ich, dass Du recht hast mit der Vernunft als Tyrann auch wenn ich das Ganze nicht recht verstehe und als sehr verwirrend empfinde. Denn wenn wir denken, dass unsere Realität nur in unserem Kopf stattfindet, dann bildet doch auch dieser Gedanke nur einen Teil der in unseren Gedanken gebildeten (und im Grunde nicht realen) Realität. Und dahinter muss es wieder einen die Realität als Gedanken entlarvenden Gedanken geben, etc. etc. (Mich ärgert es maßlos, dass ich schon seit Ewigkeiten daran herumdenke, während meine Tochter dieses Konzept so mal von ganz alleine und im Vorbeigehen, so in knappen zwei Minuten problemlos als logisches Problem erfasst und beschrieben hat - diese Generation, die selber schon an ihren eigenen virtuellen "Realitäten" am Computer herumbastelt und -programmiert, wächst praktisch auf diesem ideellen Nährboden mental auf. Es gibt übrigens einen phantastischen Essay von Tao Lin zu diesem Thema von virtuellem Leben (hat mich glatt umgehauen), aber egal, Hölzchen --> Stöckchen, wie Du so schön sagst).


    Auf jeden Fall leuchtet mir das mit der Vernunft als Tyrann irgendwie ein, auch wenn es mir ungleich einfacher erscheint, aus uns einfach nur Schönes und Positives heraus zu erschaffen, wenn wir uns tatsächlich unsere Welt aus uns heraus erschaffen. Was brauchen wir Kriege und Krebs oder Unfälle (und reformunwillige, EU-Milliarden absaugende Griechen - wo wir schon mal dabei sind, die wirklich unangenehmen Dinge des Lebens aufzuzählen :twisted: )? Wie kann die Vernunft in solchen Fällen als "Wächter" fungieren? ich sehe das noch ein in Fällen, in denen wir meinetwegen vorgeben, dass uns unsere Vernunft nicht zu glücklich werden lasse und uns angeblich mit fehlendem Selbstbewusstsein aufgrund von nicht schönheitsnormiertem Äußeren (wobei wir die Schönheitsnorm ja auch wieder aus uns heraus schüfen) oder aufgrund des (unbegründeten) Autoritätsgebaren von Vorgesetzten bzw. Kunden ("unbegründet" könnte man bei der Verfolgung dieser Theorie mindestens in zweifacher Weise ansetzen). Wozu? Wer braucht so einen Dämmlack von Wächter?! Wenn ich mir meine eigene Welt aus mir heraus erschaffe, dann will ich sie nicht so verdammt negativ ... aber wahrscheinlich ist es genau daas, was Du als "Tyrann" bezeichnet hast, @taliesin? 8-[
    Da muss ich noch länger drüber brüten ... ich verstehe einfach nicht, warum ich um alles in der (nicht realen) Welt Zicken und arrogante Vollpfostenaus mir heraus schaffen soll, die mir nur das Leben schwer machen - bin ich wirklich so blöd?! :shock: (Gibt es irgendwo einen Beschwerdeschalter oder eine "Realitäts-Werkstatt", wo man seine fehlerhafte Realität hinbringen kann zwecks Nachbesserung? Wie lang darf denn dann die Liste der Personen sein, die ich aus meiner aus mir erschaffenen Welt gerne 'raushaben möchte? Darf so eine Liste die Länge einer Magnum-Klorolle haben? :mrgreen: Also Barde, falls Du weißt, wo man da hinmuss, lang' mal bitte die Adresse und die Öffnungszeiten 'rüber)


    Sehr schön beschrieben und auch eine Hinwendung zum nicht ganz so verstockt orkschen Charakter von Grimm. Könnte glatt sein, dass Herr Pelewin uns hier denersten symphatisch erscheinenden Charakter (zusammen mit der Sure) in diesem Roman vorstellt.

    Wir brauchen den auch, diesen sympathischen, oder zumindest relativ unschuldigen / integren Charakter, sonst wird dieser Roman unlesbar, nicht auszuhalten wäre das mit all den Ar....


    Die Beschreibung der etwas urigen orkschen Krieger, wie Grimm sie in Slawa beobachtet, erinnert ein bisschen an die historische Vorstellung der urtümlichen und ungeschlachten Kosaken, die geschichtlich eine große Rolle für die Wurzeln der Ukraine und damit für ihr Nationalbewusstsein spielen - kann das sein?


    Ach, da ich auch immer wieder mal ein paar Seiten in Andreas Kappelers Sachbuch "Eine kleine Geschichte der Ukraine" lese: In "SNUFF" ist doch immer wieder die Rede davon dass "Kirchenenglisch" die offizielle Amtssprache ist. Ein paar Jahrhunderte lang (etwa 13. bis 18., wenn ich recht erinnere) war Kirchenslawisch als Amtssprache in Teilen dessen, was wir heute (noch) als Ukraine kennen, auch wenn von Polen-Litauen und von Großrussland immer wieder dagegen gearbeitet wurde.

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  • Wenn ich mir meine eigene Welt aus mir heraus erschaffe, dann will ich sie nicht so verdammt negativ ... aber wahrscheinlich ist es genau daas, was Du als "Tyrann" bezeichnet hast, taliesin?

    Ja, das geht so in diese Richtung. Allerdings ist der Tyrann z.b. bei Castaneda eher eine Blockade der über die Vernunft verhindert, dass ein Suchender seinen Weg zu
    einer anderen jenseits unserer Realität gelegenen Wahrnehmung findet. Du hast recht, der Herr Pelewin nutzt und variert existierende Denkmodelle und stellt sie in einen
    anderen Zusammenhang. Das macht die Sache nicht einfacher, aber ich habe da definitiv meinen Spass dran.


    Die Beschreibung der etwas urigen orkschen Krieger, wie Grimm sie in Slawa beobachtet, erinnert ein bisschen an die historische Vorstellung der urtümlichen und ungeschlachten Kosaken, die geschichtlich eine große Rolle für die Wurzeln der Ukraine und damit für ihr Nationalbewusstsein spielen - kann das sein?


    Das habe ich gar nicht dran gedacht.. Aber stimmt, die Kosaken könnten da ein Beispiel sein. Soweit ich weiß, haben die Kosaken im Ersten Weltkrieg auf deutscher
    Seite noch mit gezogenen Säbeln gekämpft.
    Das wiederum erinnert mich an das folgende Kapitel in dem die Orksche Streitmacht mit mittelalterlicher Bewaffnung gegen eine High-Tech Armee antritt.
    Aber um den "Höllischen Kriesch 221" kümmere ich mich dann morgen. Was für eine abgedrehte Vorstellung.............. :shock:


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  • Allerdings ist der Tyrann z.b. bei Castaneda eher eine Blockade der über die Vernunft verhindert, dass ein Suchender seinen Weg zu


    einer anderen jenseits unserer Realität gelegenen Wahrnehmung findet.

    Könnte man das evtl. so ausdrücken, dass gerade die Vernunft uns sagt, dass solch negative Dinge unmöglich aus uns selbst entspringen können, und deshalb existieren müssen? Damit würde die Vernunft ja genau den Zugang zu der Erkenntnis der (Ir-)Realität verbauen ... Ich fühle, dass der Gedankengang von Castaneda in eine bestimmte Richtung weist, während Pelewin sich kreisförmig zu bewegen scheint, aber führt es nicht doch zum gleichen Ergebnis?


    Hast Du eine Ahnung, was Castaneda gelesen hat (was als seine philosophischen Einflüsse gelten könnte), bevor er zu den Indios gegangen ist? Denn Castaneda hatte doch vorher studiert, oder? Kann man annehmen, dass er evtl. zuvor angeeignetes Wissen mit seinen Erfahrungen mit psilocybinhaltigen Pilzen bei den Indios kombiniert und so neue Ideen geschaffen hat? Pelewin hat übrigens auch schon mindestens eine Kurzgeschichte über den Konsum von haluzinogenen Pilzen geschrieben (ich glaube aber, da ging es um die Klasse der "amanitas", also fliegenpilzähnliches Zeugs).

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  • Hast Du eine Ahnung, was Castaneda gelesen hat (was als seine philosophischen Einflüsse gelten könnte), bevor er zu den Indios gegangen ist? Denn Castaneda hatte doch vorher studiert, oder? Kann man annehmen, dass er evtl. zuvor angeeignetes Wissen mit seinen Erfahrungen mit psilocybinhaltigen Pilzen bei den Indios kombiniert und so neue Ideen geschaffen hat?

    Ich weiß, dass er Anthropologie studiert und abgeschlossen hat. Schon gegen Ende des Studiums lernte er den alten Indianer kennen, dessen Weltsicht er nach und
    nach annimmt. Ansonsten weiß man ja nicht viel über ihn. Ich habe mal gelesen, dass er sich auch mit Zen beschäftigt hat.
    Vielleicht wollen Pelewin und Castaneda auf dasselbe hinaus, bewegen sich aber auf verschiedenen Pfaden der Erkenntnis. Castanedas Ideen kommen ja nicht nur
    durch die Einnahme von psychoaktiven Pflanzen, (das passiert nur im ersten Buch), sondern auch durch die Erlebnisse und die Techniken die er mit der Truppe um
    Don Juan durchführt..
    Das er später daraus auch seine eigenen Ideen und Wege ausgetüftelt hat, ist durchaus wahrscheinlich.

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  • Kapitel 7 / BB - S. 122 -136


    Da hätte ich jetzt fast ein Kapitel übersprungen. Bevor es zum eigentlichen Krieg kommt, stehen noch die Vorbereitungen von Damiola aus. Er sitzt zuhause mit
    seiner Sure, die ihn wegen des anstehenden Gemetzels gründlich beschimpft, aber auch weiter auf die philosophische Frage nach Realität und Wahrnehmung
    eingeht. Dieses Thema liegt Herrn Pelewin offensichlich sehr am Herzen.


    Damiola, seinen Worten nach Angehöriger der militärisch-medialen-Elite der Menschheit sitzt wieder an seinem "Joystick" und denkt über Kayas Versuche ihm
    die Gedanken des Altertums über Ich/Wahrnehmung/Erkenntnis zu erklären nach.


    Wo befinden sich die "Heimarbeiter" wirklich wenn sie mit ihren Kameras durch den Himmel fliegen?. In ihren Wohnungen? Am orkschen Himmel? In beiden gleichzeitig?
    Kaya sieht das so...........




    Zitat von V. Pelewin

    Ihrer Meinung zufolge hängt die Antwort davon ab, was genau wir unter Ich verstehen. Meinen wir unseren Körper, so befinden wir uns in unserem Zimmer. Meinen
    wir unsere Wahrnehmung und Erkenntnis, so sind wir am Himmel. Doch in Wirklichkeit sind wir weder da noch hier, weil der Körper nicht über den Wolken fliegen
    kann, während Wahrnehmung und Erkenntnis außerhalb des Körpers nicht zustande kommen. Auf die Frage gibt es daher keine Antwort. Denn, so sagt Kaya, ein
    jeglicher Gegenstand und jedweder Begriff lösen sich auf und verflüchtigen sich beim Versuch der Klärung dessen, was wir in Wirklichkeit vor uns haben. Und dies
    gilt in vollem Umfang auch für denjenigen, der diesen Versuch der Klärung unternimmt.

    Puuuuh. Hat Kaya da recht? Eigentlich müsste man jetzt hingehen und sich das Höhlengleichnis des alten Platon und ein paar andere Philosophen vornehmen, um diese
    alte Frage entsprechend zu untersuchen. Kann man Körper und Geist trennen? Können beide für sich existieren oder sind sie untrennbar verbunden?


    @Hypocritia Wenn wir jetzt damit anfangen würden, müssten wir die MLR wohl in >Pelewin und die Theorie der Wahrnehmung und Erkenntnis in seinem Roman SNUFF<
    umbenennen. Wie auch immer. Ich schaue später mal bei Platon nach............... :wink:


    Damiola ist davon überzeugt, dass Kaya nur existiert wenn er seine Aufmerksamkeit auf sie richtet. Noch so eine Frage............. :-k


    Damiola beschreibt dann wie ihm eine seltene Aufnahme gelingt, die dann in den Nachrichten später Furore machen wird. In diesem Krieg hat er nicht den Auftrag Orks zu
    töten oder Kriegsaufnahmen im Tiefflug zu machen. Allerdings bringt Kaya ihn dazu Grimm zu suchen und zu verhindern, dass ihm etwas zustößt.
    Das fliegende Arschgesicht hat damit wohl zum ersten Mal eine anständige Aufgabe.

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  • Ich weiß, dass er Anthropologie studiert und abgeschlossen hat. Schon gegen Ende des Studiums lernte er den alten Indianer kennen, dessen Weltsicht er nach undnach annimmt. Ansonsten weiß man ja nicht viel über ihn. Ich habe mal gelesen, dass er sich auch mit Zen beschäftigt hat.
    Vielleicht wollen Pelewin und Castaneda auf dasselbe hinaus, bewegen sich aber auf verschiedenen Pfaden der Erkenntnis. Castanedas Ideen kommen ja nicht nur
    durch die Einnahme von psychoaktiven Pflanzen, (das passiert nur im ersten Buch), sondern auch durch die Erlebnisse und die Techniken die er mit der Truppe um
    Don Juan durchführt..
    Das er später daraus auch seine eigenen Ideen und Wege ausgetüftelt hat, ist durchaus wahrscheinlich.

    Interessant jedenfalls. Ich kann mir das gut vorstellen, dass Castaneda seine eigenen Theorien entwickelt hat. Und ich kann mir immer mehr vorstellen, dass Pelewin tatsächlich Castaneda gelesen hat.


    Eigentlich müsste man jetzt hingehen und sich das Höhlengleichnis des alten Platon und ein paar andere Philosophen vornehmen,

    Wie gut bist Du denn heute drauf? :shock: Das war mir gar nicht aufgefallen, aber das könnte total stimmen, dass Pelewin das Höhlengleichnis zumindest im Hinterkopf hatte #-o (Warum sehe ich das Höhlengleichnis nie, wenn irgendwo Anspielungen auftauchen? :evil: Das hatte ich auch bei Bolanos "2666" nicht bemerkt, obwohl es da noch viel deutlicher auf der Hand lag).


    Ich muss nachher erst mal ein paar saubere Kommentare zusammenschreiben (und das Höhlengleichnis sollte ich mir evtl. auch nochmal vornehmen ...). Ich fand recht raffiniert, wie er den Damilola immer herumargumentieren lässt, dass Kaya als Softwaresimulation menschlichen Verhaltens relativ einfach gestrickt sein muss, während er von sich selbst glaubt, als echter Mensch ungleich komplexer aufzutreten, obwohl er mental eigentlich fast so simpel wie ein Tamagochi funktioniert, denn alles richtet sich bei ihm nach der Formel für "Dialektik der Ekstase".

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  • Zu Kapitel 7 / BB , S. 122 -136


    Bevor es zum eigentlichen Krieg kommt, stehen noch die Vorbereitungen von Damilola aus. Er sitzt zuhause mit seiner Sure, die ihn wegen des anstehenden Gemetzels gründlich beschimpft,

    Damilola ist sowas von eingebildet. Da er seine Sure nicht auf langweiligen Fabrikeinstellungen hält, sondern auf den komplexen Maximaleinstellungen, hält er sich selbst für komplex und großartig, während er seine Sure nur als softwaretechnische Simulation von Emotionen klassifiziert. Ich würde sagen, genau andersrum wird ein Schuh draus, denn es ist doch wurscht, ob die Emotion eine Software-Emulation ist – solange sie aufrichtig ist, zählt sie meines Erachtens. Und Kayas Software kommt nach ihren Regeln der Software aufrichtig zum Ergebnis Mitleid für die Orks – immerhin nimmt diese Software enzyklopädisches Wissen und alle möglichen historischen Details als Grundlage zur „Berechnung“ der resultierenden Emotion Mitleid her. Das Einzige, worum die Software hier die Sure betrügt, ist der eigene innere Kick, der in der Überwindung der relativ mühseligen Aneignung und der gedanklichen Verarbeitung des Wissens und der Befriedigung menschlicher Neugier bzw. Wissbegier (nicht zu verwechseln mit Morbidität, wie beim nachbarlichen Tratsch, bei der Prominews-Lektüre und Schaulustigen bei Unfällen und Katastrophen). Denn dieser innere Kick stellt für mich persönlich einen nicht zu vernachlässigenden Teil echten Lebensgefühls dar.


    Damilola dagegen verfügt nicht über Wissen, er ersetzt das durch Angeberei (ich bin ein toller Lover, ich habe eine erstklassige Sure, sowas können sich nur ganz wenige leisten etc. bla bla); mittlerweile halte ich sogar sein „Extase-Dialektik“-Geschwafel für Blödsinn. Wo ist denn die Dialektik? Wenn Kaya ihn umgarnt, will sie irgendwas anderes von ihm, aber ihn erregt im Grunde doch nicht die Verführung selbst, sondern die Tatsache, dass sich Kaya mit der demütigen Schleimerei erniedrigt. Und wenn sie beim „Sex“ (eigentlich ist das auch kein Sex, sondern hochtechnologisches Onanieren, oder etwa nicht?) den Kopf angewidert wegdreht, dann erregt ihn das auch, gerade weil er sich ihr aufzwingt.


    Hier muss mal ein Lob auf alle Männer her, denen der Lustgewinn der Partnerin beim Akt am Herzen liegt, und die selbst eigenen Lustgewinn aus dieser Wahrnehmung ziehen. Schön, dass es auch solche gibt, die keinen Spaß an der Sache haben, wenn sie mitkriegen, dass die Partnerin es nicht so doll findet.


    Aber wo liegt denn jetzt das Ego und wo das Bewusstsein, und wie grenzen sie sich ab? (Ist eigentlich eindeutig, welchen Part dieser beiden Konzepte jeweils Damilola und Kaya innehaben …)


    Ich denke schon, dass Du voll richtig reingelangt hast in den großen Pott der Erkenntnis, mit dem Höhlengleichnis, obwohl ich immer noch zugeben muss, dass ich da nicht drauf gekommen wäre. Wir haben nun mal nur unsere fünf etwas defizienten Sinne (der Mensch ist nun wirklich nicht als „SL“-Ausstattung in Sachen Geruchsinn, Vision etc. konzipiert, wenn man das z.B. mit Hunden, Katzen, Fledermäusen etc. vergleicht), und dann unsere komische Denkfähigkeit, die anscheinend für alles irgendwie einen Anfang und ein Ende braucht, damit es in unsere Vorstellung hineinpasst – mit Begriffen wie „Unendlichkeit“, beliebig vielen Dimensionen etc. kommen wir verstandesmäßig einfach nicht klar. Ich habe den Eindruck, dass wir in unserer Platon'schen Höhle gar nicht festgebunden sind, aber es fehlen uns die entscheidenden Sinne (oder ein genügend großes Spektrum unserer vorhandenen Sinne), um den Ausgang aus der Höhle erkennen zu können, und wenn wir einen sehen würden, dann wäre das Licht draußen wohl permanent zu grell, als dass wir überhaupt etwas damit anfangen können (Ich muss hier wieder mal auf den Begriff „dunkle Materie“ verweisen: die Physik findet wissenschaftlich jede Menge Anhaltspunkte in Form von Logikbrüchen mit bestehenden physikalischen Gesetzen, die sich „nur“ (in Anführungszeichen, weil das ja auch wieder so ein Fall sein könnte, der zufällig eine richtige Aussage darstellt … Schotter, ich bin in die „philosophische Dialektik“ gerutscht; Sorry) mit dunkler Materie erklären lassen / ließen, wenn wir denn anatomisch über einen passenden Sensor verfügen würden, um eine solche „begreifbar“ zu machen (dann wäre sie allerdings auch nicht mehr „dunkel“). Wir als Menschen verfügen eindeutig nicht über genügend (ausgebildete) Sinne, um auf alles eine Antwort geben zu können – damit muss man leben können, damit muss man meines Erachtens auch sterben können, so ist das nun mal, da ändert auch kein esoterisches Rumgelabere und kein „Wahrlich, ich sage Euch“-Proselytismus und auch kein Frauen-unter-Burkas-Stecken etwas dran. Das bleibt trotzdem so. Ist es halt. Können die ganzen religiösen Fundamentalisten im Dreieck springen, davon kriegen sie auch keine besser ausgebildeten Augen oder Taktsinn oder was auch immer. Und mit dem Doppelspaltexperiment will ich gar nicht erst anfangen … Sorry, Hölzchen --> Stöckchen, ich weiß. :lol:

    müssten wir die MLR wohl in >Pelewin und die Theorie der Wahrnehmung und Erkenntnis in seinem Roman SNUFF< umbenennen. Wie auch immer. Ich schaue später mal bei Platon nach............... :wink:

    Das mit dem Höhlengleichnis ist der Punkt, das muss er sein. Wir können als Mensch nun mal nicht aus uns raus und unsere Welt (im Sinne von Kosmos als ideologischer Weltvorstellung, in der sich unser Leben abwickelt, hier auch wieder „Kosmos“ als Begriff nach Platon) aus ein paar hundert Metern sicherer Entfernung betrachten, um hier ein verlässliches Urteil abzugeben. Ich will ja nur damit sagen, dass Du mit Deiner Frage von oben

    Kann man Körper und Geist trennen? Können beide für sich existieren oder sind sie untrennbar verbunden?

    genau die richtige Antwort gegeben hast, zumindest meiner Meinung nach. Aber man kann doch diese Frage im Buch nicht nicht diskutieren, sonst gehen ja drei Viertel vom Buch unkommentiert vorbei ...


    Damilola ist davon überzeugt, dass Kaya nur existiert wenn er seine Aufmerksamkeit auf sie richtet. Noch so eine Frage............. :-k

    Haargenau. Man braucht das, was Du heute von Dir gibst, eigentlich gar nicht mehr zu kommentieren … Wer existiert denn hier eigentlich „mehr“ – Damilola oder Kaya? Worin bestehen denn die Kriterien dafür? In Fleisch und Blut als ignorante und arrogante „Krone der Schöpfung“, oder in einem Maschinchen, das über Wissen verfügt und dieses auch ethisch in Anwendung zu bringen versucht? Existiert denn Damilola außerhalb seiner Ausrichtung auf plumpen Vergewaltigungssex als bewusstes Wesen (wobei diese übersteigerte Triebbefriedigung nur auf den von Mutter Natur eingerichteten Arterhaltungsmechanismus zurückzuführen wäre)? Das zeugt nicht unbedingt von einer Existenz, bei der viel läuft, wenn sie nicht gerade mit Rammeln beschäftigt ist.


    Und auf der anderen Seite: wie will Damilola ausschließen können, dass nichts in der Kaya-Maschine vorgeht, wenn er nicht hinguckt oder an sie denkt? Weil sie extrem schnell arbeitende Prozessoren hat? Soll man annehmen müssen, dass die Mitleid-„Simulation“ programmgemäß nicht läuft, wenn sie nicht in Interaktion mit Damilola tritt? Diese Vorstellung fällt mir schwer.

    Allerdings bringt Kaya ihn dazu Grimm zu suchen und zu verhindern, dass ihm etwas zustößt.


    Das fliegende Arschgesicht hat damit wohl zum ersten Mal eine anständige Aufgabe.

    Mit welcher mentalen Einstellung er allerdings diese Arbeit antritt, lässt mich wieder mal würgen:

    wenn man tiefer fliegt und die Vergrößerung einschaltet, werden die farbenfrohen Blümchen sichtbar, die auf dieser Wiese mit den Bienchen Hochzeit feiern. Ewige Heraldik des Lebens. (Poetisch kann unser Fliegerheld also auch noch …). Seltsam, diese Orkstun mir nie leid, doch finde ich es immer sehr schade, dass diese riesige blühende Wiese sich während des Krieges von einer grünen in eine schwarz-braune verwandelt. So viele Käfer und Schmetterlinge müssen jedes Mal sterben!

    Was für eine kalte Gefühllosigkeit und was für ein pathetisches Rumgeheuchel in einem Absatz!


    Nach den alten Regeln musste ein Schauspieler in einem Snuff-Film mindestens einen Ork persönlich umbringen und er musste genau im richtigen Moment abdrücken, damit der Ork technisch noch lebt, wenn ihn seine Strafe ereilt. Nach den neuen Regeln ist es jedoch nicht mehr so wichtig, wer genau ihn umbringt, der Schauspieler oder der Kamermann. (Die Theologen sind zu der Einsicht gekommen, dass den Lebensfaden in jedem Fall Manitu durchschneidet.) Wichtig ist nur, dass die in Snuff-Filmen auftretenden Orks wahrhaftig sterben.

    Das klingt alles sehr grotesk und zynisch. Man sollte hier wohl besser gar nicht auf die Idee kommen, nach Analogien zu Snuff-Filmen unserer Zeit und zu diversen religiösen Praktiken zu suchen, macht einen ja nur depressiv.




    Ich blicke das mit dem Sinn des Krieges nicht. Die aus dem Big Byz metzeln die Orks nieder, wobei sie ihre Schauspieler beim Morden filmen und beim Abknallen helfen. Gegen wen richtet sich der Krieg? An und für sich war doch die Kriegsbegründung laut Bernard-Henri die Vortäuschung, dass sich ein Khagan (klingt wie „Khan“) mit seinen Leuten an den Orks vergriffen hätte (die aber eigentlich die Untergebenen des Khagans sind, oder täusche ich mich da?). Und irgendwo stand doch auch, dass die Orks gegen die Schwuchteln kämpfen. Das ist ein heilloses Durcheinander – ist das so zu verstehen, dass Pelewin die Sinnlosigkeit von Kriegen im Allgemeinen darstellen will? Wenn da wirklich ein Sinn hinter dem „hoellischen Kriesch“ stehen sollte, dann blicke ich überhaupt nichts mehr in dem Buch … :lol:

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Wir können als Mensch nun mal nicht aus uns raus und unsere Welt (im Sinne von Kosmos als ideologischer Weltvorstellung, in der sich unser Leben abwickelt, hier auch wieder „Kosmos“ als Begriff nach Platon) aus ein paar hundert Metern sicherer Entfernung betrachten, um hier ein verlässliches Urteil abzugeben. Ich will ja nur damit sagen, dass Du mit Deiner Frage von oben


    Ja, du liegst richtig. Ausweichen gilt nicht, da würden wir am grundlegenden Thema vorbeischlittern. Ich wollte mich da zurückhalten, weil ich fürchtete, dass wir auf den Weg
    der Überinterpretation kommen könnten. Funktioniert aber nicht, so würden wir der Sache die Würze klauen...............

    Und auf der anderen Seite: wie will Damilola ausschließen können, dass nichts in der Kaya-Maschine vorgeht, wenn er nicht hinguckt oder an sie denkt? Weil sie extrem schnell arbeitende Prozessoren hat? Soll man annehmen müssen, dass die Mitleid-„Simulation“ programmgemäß nicht läuft, wenn sie nicht in Interaktion mit Damilola tritt? Diese Vorstellung fällt mir schwer.

    Ich denke Pelewin hat da schon wieder eine Philosophie im Kopf, die besagt, dass der Mensch mit seiner Wahrnehmung das Außen erschafft und das da sonst nur
    enrgetisches Chaos und keine eigentliche Welt ist. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube es war E. Husserl der eine solche Theorie verfolgte.Ich schaue mal nach.
    Wer auch immer, Herr Damiola scheint sich eine solche Einsicht bezüglich seiner Kaya zurechtzulegen. Ohne mich bist du gar nicht existent! Das würde dem Idioten
    genau richtig in den Kram passen. Der Kerl fühlt sich sonst bedroht und unterlegen. Das macht ihn wütend.

    Was für eine kalte Gefühllosigkeit und was für ein pathetisches Rumgeheuchel in einem Absatz!

    Die Passage habe ich mir auch gemerkt. Ist das eklig und armselig und................. :puker:

    Das ist ein heilloses Durcheinander – ist das so zu verstehen, dass Pelewin die Sinnlosigkeit von Kriegen im Allgemeinen darstellen will? Wenn da wirklich ein Sinn hinter dem „hoellischen Kriesch“ stehen sollte, dann blicke ich überhaupt nichts mehr in dem Buch …

    Das ist es wohl @Hypocritia . Dieser Krieg ist völlig sinnlos, aber er beschäftigt die Menschen am TV, er gibt ihnen Brot und Spiele und er gibt ihnen einen Feind über den sie
    sich erhaben fühlen können. Eine perfide Vorstellung aber genau so könnte es werden. Vielleicht ist es ja schon auf dem besten Weg. Dann könnten wir uns den nächsten
    Krieg der Amis auf dem Rechner herunterladen und immer wieder mal reinschauen. Himmelt, ist das zynisch............

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Dieser Krieg ist völlig sinnlos, aber er beschäftigt die Menschen am TV, er gibt ihnen Brot und Spiele und er gibt ihnen einen Feind über den sie
    sich erhaben fühlen können. Eine perfide Vorstellung aber genau so könnte es werden. Vielleicht ist es ja schon auf dem besten Weg. Dann könnten wir uns den nächsten


    Krieg der Amis auf dem Rechner herunterladen und immer wieder mal reinschauen. Himmelt, ist das zynisch

    Und es geht gleich weiter mit dem Zynismus:



    Kapitel 8 (Spastika), S. 137 bis168:



    Der „Kriesch“ beginnt. Dazu fahren bzw. laufen die Orks durch das offene Tor des Sieges zum Kampfplatz, den ich mir ähnlich wie eine Arena für die ersten Christen, die dort von wilden, hungrigen Tieren gefressen werden sollen, vorstelle …
    Grimm eskortiert den Khagan mit anderen zuseinem sicher geschützten Winkel und konsultiert noch einmal das Buch der Orkasmen. Kapitel 71 ist dran, und was ich da lese, lässt mich denken, dass Frau Merkel irgendwie dieses ominöse Buch in ihre Finger bekommen hat (wahrscheinlich hat sie es von der NSA geschenkt bekommen, im Gegenzug dafür, dass sie sich widerstandslos abhören lässt). Im Orakel heißt es nämlich:

    Einundsiebzig. Das Geheimnis der Macht.
    ...


    Wahrlich, ich sage euch: Die Kunst des Herrschens läuft einzig darauf hinaus, möglichst lange den Anschein zu erwecken, als bändige man den Wirbelsturm, der einen trägt, …


    Auf jeden Fall läuft es so, dass die Orks mit primitiven und altertümlich anmutenden Waffen wie Hellebarden, Morgensternen, Lanzen und Säbeln (S. 140) ausgestattet werden, zum Teil muten sie mit ihren weißen Matrosenhemden an wie Lämmer, die zur Schlachtbank geführt werden. Sie treten in dieser Form aussichtslos gegen hochtechnologische Kampfmaschinen im Fantasy-SciFi-Design an, wie z.B. riesige eiserne Giganten, aber auch irgendwelche Elfen und Zwerge, automatisierte, mobile gigantische Festungsmauern etc. Die Orks haben überhaupt keine Chance, sie werden zu Hunderten niedergemäht, zerquetscht und auch zum Teil hinterrücks durch ferngesteuerte Kameras getötet.


    Das alles kriegt man nur mit, weil Grimm aufseinem Moped eigentlich Befehle der zentralen Kommandantur zu den einzelnen Fronten überbringen soll. Doch dies erweist sich schwierig für ihn, da überall, kreuz und quer auf dem Schlachtfeld, Werbebanner angebracht sind (genau, Werbebanner im Krieg, das fehlt den Amis noch, die Coke light-Schilder neben ihren Panzern in der Wüste, und das Budweiser-Logo auf ihren Kampfjets – das wär doch mal was). Es gibt ein heilloses und aussichtsloses Durcheinander, und Grimm verirrt sich zwischen den Bannern. Gleichzeitig werden Schauspieler im Nahkampf mit den Orks gefilmt. Wobei das ja wieder Szenen sind, die hinterher für die bei den Orks gezeigte Version zensiert undüberdeckt wird. Irgendwie sinnlos. Auch wenn sie einen kleinen Überraschungserfolg mit einem Selbstmordattentäter und vier zusammengebundenen Gasflaschen, also primitivster Technik, erzielen.


    Das mit dem Sinn des Kriesches bestätigt sich auch in diesem Kapitel wieder als chaotisch: die aus dem Big Byz setzen anscheinend die Khagane ein, und hetzen dann die Orks gegen sie auf. Im Krieg selbst stehen die aus BB auf der Seite der Khagane, wobei die Khagane nur unter Palmen sitzen und gar nicht mitkämpfen? Irgendwo stand doch, dass der Krieg gegen die Schwuchteln erklärt wurde, oder? Und der Khagan hat einen „Kampffächer“? – Ja, wer sind denn eigentlich die „Schwuchteln“? Und wer ist mit „Herrschaften“gemeint (z.B. auf S. 141 oben) – sind das die vom BB?


    Ende des Kapitels: Grimm wird leicht verwundet, kriegt aber noch mit, wie praktisch wehrlose Orks bis zum Schluss rücksichts- und gewissenlos abgeknallt werden. Die Herrschaften vom BB ziehen sich vom Schlachtfeld zurück, und dann verkündet eine Lautsprecherdurchsage den Orks den Sieg und das Versprechen von Hilfe zur Heimkehr.


    Da liegt nur Inszenierung und Zerstörungswillen und noch die eine oder andere künstlich zusammengeschusterte Heldendarstellung vor (zugegebenermaßen nicht viel anders als in den Kriegen unserer Zeit auch).
    Mit seinen Fantasy-Elementen faszinierend, mit der Brutalität abstoßend, und mit Ironie und Sarkasmus schön schräg, dieses Kapitel. Das nächste Kapitel lese ich erst morgen, sonst könnte ich das Buch satt kriegen, habe ich das Gefühl. Es wirkt auf mich alles zu überladen im Moment.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Mit seinen Fantasy-Elementen faszinierend, mit der Brutalität abstoßend, und mit Ironie und Sarkasmus schön schräg, dieses Kapitel. Das nächste Kapitel lese ich erst morgen, sonst könnte ich das Buch satt kriegen, habe ich das Gefühl. Es wirkt auf mich alles zu überladen im Moment.


    Ich habe dieses Kapitel als sehr zwiespältig empfunden. Dieser wilde Mix aus irrsinnigen und völlig schrägen Kriegsereignissen mit all den Fantasiefiguren und im Gegensatz
    dazu, die bluttriefenden und brutalen Gemetzel, war mir etwas zuviel. Etwas weniger literarische Keule hätte dem Kapitel gut getan.
    Fantasie hat der Mann ja ausgiebig, aber hier wirkt das, wie du @Hypocritia schon geschrieben hast, sehr überladen.

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  • Ich denke Pelewin hat da schon wieder eine Philosophie im Kopf, die besagt, dass der Mensch mit seiner Wahrnehmung das Außen erschafft und das da sonst nur
    energetisches Chaos und keine eigentliche Welt ist. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube es war E. Husserl der eine solche Theorie verfolgte.

    Zu Husserl wollte ich heute eigentlich ein bisschen nachlesen, aber das habe ich nun wohl vergessen ... Sollte ich in den nächsten Tagen aber noch tun.





    Kapitel 9 (BB), S.169 bis 186:


    Ich habe nicht den blassesten Schimmer, ob Pelewin bei diesem Kapitel zum Thema Surenpsychologie wieder auf irgendeinen Philosophen oder auf berühmte Theorien aus der Verhaltenslehre zurückgreift, aber gerade lese ich dieses Kapitel zum zweiten Mal und komme aus dem Grinsen nicht mehr heraus … wir Frauen funktionieren alsowie verirrte Torpedos. Gut zu wissen.


    Damilola liebt zwar die Maximal-Einstellungen an seiner Gummipuppe , aber er muss auch mal über die Rage, in die Kaya ihn immer wieder versetzt, mit jemandem reden. In unserer Zeit tun Männer das wohl in der Kneipe über ein paar Bierchen und lassen sich ganz vertraulich über ihre hinterfotzigen Frauen aus, aber Damilola sucht Rat bei einem Surologen (=Spezialist für die simulierte Psychologie von Suren, sh.S. 169).


    Dann kommen ein paar analytische Gedanken, wie das Denken bei Suren funktioniert. Da die Software von Suren menschliche Verhaltensweisen täuschend echt simuliert, habe ich diese paar Seiten sehr aufmerksam gelesen. Irgendwo und irgendwie leuchtet es glasklar ein, dass man seine eigenen Reaktionen basierend auf einem „Abgleich von verfügbaren Präzedenzfällen“, also basierend auf Erfahrungen, seien es eigene oder von anderen erzählte Erfahrungen, steuert.


    Wobei laut Surologe der Unterschied zwischen Mensch und Surenpuppe darin besteht, dass man als Mensch angeblich den Überblick behält bzw. den größeren Zusammenhang versteht, während die Sure einfach leer vielfältige Regeln abgreift und befolgt, ohne den Zusammenhang zu überblicken. Die Analogie mit dem chinesischen Zimmer (S.171/172) finde ich sehr schön. Doch glaube ich, dass auch wir Menschen oft einfach Regeln bzw. woanders abgeschaute Verhaltensmuster kopieren, ohne dass wir weiter blicken könnten.


    Zwei Beispiele:


    Ich sehe oft genug, dass Schüler in Grammatikteilen von Schulaufgaben eine relativ hohe Punktzahlerzielen, weil sie bsw. die Entscheidung über den Einsatz von Present Perfect oder Simple Past anhand von erkennbaren Schlüsselwörtern (yet, ever, never imGegensatz zu usually, always) treffen, obwohl sich herausstellt, dass sie den zusammenhängenden Text, der dieser Grammatikaufgabe zugrunde liegt, weder vomWortschatz noch vom Sinn her entschlüsseln können, noch selbst einen vernünftig klingenden englischen Satz artikulierne können.


    Oder auch bei jungen Menschen / recht einfach gestrickten Menschen in einer Beziehung. Wenn man miteinander geht, dann macht man vieles zusammen, das ist halt so. Man geht halt
    zusammen mit dem Freund / Partner auf das eine oder andere Fest, obwohl man unter anderen Umständen keine Lust hätte, dahin zu gehen. Aber so gibt es die Gesellschaft und das etablierte Verhalten nun mal vor. Wenn der Freund oder Partner das aber erkennt und im Guten vorschlägt, er ginge alleine hin, während man selbst zu Hause seine Haut ganz genüsslich dem Prozess einer eineinhalbstündigen Osmose in der Badewanne aussetzen könnte, dann wird man als unerfahrene Tusse / einfach gestrickte Tusse gleich sauer. Weil es halt so üblich ist, sauer zu werden, und weil es halt so üblich ist, dass man gleich annehmen soll, dass der Freund / Partner hier hinterrücks planen könnte, die ihm auferlegten weiblichen Fesseln abstreifen zu wollen - von denen man als Frau doch immer eingebildeterweise denkt, man hätte sie ihm so heimlich übergestreift, dass er gar nichts davon mitgekriegt hat. Das ist alles so klotzig schizophren, und hat mit Vernunft oder Überblick null zu tun, sondern nur mit automatischem Abspulen dümmster Verhaltensweisen, nur weil es eben die am weitest verbreiteten und deshalb die im Hirn am leichtesten abrufbaren Verhaltensweisen sind.




    Und nun muss ausgerechnet ich auch noch den Begriff „Hinterfotzigkeit“ erläutern, die laut Surologe(Pelewin) „eine Imitation entsprechender weiblicher Charakterzüge“ ist (sh. S.173) – ich meine, ich gehöre laut Pelewin zu dem Geschlecht, das es „nichts kosten würde, sich menschlich zu benehmen, statt dem Mann ein Maximum an unangenehmen Erlebnissen zu bescheren“, und obwohl "Menschlichkeit meistens keinerlei besondere Anstrengung erfordert, Hinterfotzigkeit hingegen ist oftmühselig …“ (sh. S. 174).
    Gemäß Herrn Viktor Pelewin habe ich als Frau den vollen Durchblick, was Hinterfotzigkeit betrifft, aber sicherlich gibt es auch Leute, die keine Frauen sind, und für die zitiere ich jetzt mal, was der Surologe unserem Damilola auf S. 174/175 erklärt:

    Also, irgendwo findeich das jetzt nicht so gut, dass Herr Pelewin hier unsere innere weibliche Denkweise so öffentlich in seinem Roman verkündet. Aber was will man machen? So sind Männer eben, können aber auch gar nichts für sich behalten und müssen immer gleich alles ausposaunen (Oder besser noch gleich ein Buch drüber schreiben) … :roll:


    Weiter im Gespräch, in dem der Surologe den Damilola berät:

    Autsch, Herr Pelewin.Soll ich jetzt auch noch sagen: Touchée? Hätten Sie wohl gerne, aber nicht doch… Ich tröste mich auf diesen Seiten wunderbar mit dem Gedanken, dass hier aller Wahrscheinlichkeit nach ein Mann aus seiner eigenen Erfahrung gesprochen geschrieben hat … :twisted:


    Damilola gibt nun zu,dass er dann immer so wütend wird, dass er an nichts anderes mehr denken kann. Es wird ihm klar, dass das beschriebene Verhalten Kayas seinen klaren Blick nachdem Akt, wie oben zitiert, verhindert. Auch eröffnet ihm der Surologe, dass die Maximaleinstellung auch mal mit sich bringen kann, dass eine Sure Eifersucht erzeugt. Damilola wird plötzlich alles klar bezüglich Kayas Verhalten in Bezug auf Grimm.
    Und dann erklärt ihm der Surologe auch noch, wie (wir) Frauen systematisch nach Zielen suchen, auf die wir unsere giftigen Pfeile ausrichten, um genau ins Schwarze zu treffen, wenn wir Eifersucht erzeugen wollen – wie gesagt, wir gehen dabei vor, wie ein vom Ziel abgekommener Anti-U-Boot-Torpedo. :idea: Alles klar. Barde, ich hoffe, Du hast gut aufgepasst – von Herrn Pelewin, diesem maximalen Frauenversteher, kannst Du endlich mal was lernen. Da kannst du jetzt alle Deine Ratgeber im Stile von „Wie dominiere ich in einer Hetero-Beziehung über die Frau?“ wegschmeißen. Da gibt’s endlich wieder Platz im Regal! Fall gelöst!



    Der Surologe gibt Damilola dann noch ein paar gute Tips, um Kaya aus dem Konzept zu werfen (es heißt immer noch: Aufgepasst!), die unser herzallerliebster Damilola auch sofort in Anwendung zu bringen versucht, nachdem er Kaya aus der Pausenfunktion, in die er sie geschaltet hat (Mann oh Mann …), erlöst.
    Wobei Kaya keine Beleidigungen über Grimm zulässt, sie macht Damilola darauf aufmerksam, dass er und der Ork im Grunde sich sehr ähnlich sind, weil sie beide Russen sind.
    Hier kommt eindeutig eine Anspielung auf die Geschichte der Ukraine zum Tragen, denn Großrussland hat im Laufe der Jahrhunderte mehrfach versucht, die Slawen in der Ukraine zu zwangsrussifizieren, mit Umsiedelungen, Bildungssystemen in russischer Sprache etc. (Ähnliches ist weiter westlich auch durch Polen-Litauen und im Süden durch die Rumänen erfolgt – die Russen waren also nicht die Einzigen, die die Ukrainer ständig dominiert und bevormundet haben).
    Damilola gleicht Kayas Wissensvorteil wieder mal geschickt dadurch aus, dass er sie einfach nochmal auf Pause setzt, während er googelt und nachliest, was an ihrem Vorwurf eigentlich dran ist.
    Gar nicht mal schlecht gemacht, wie er da die unterschiedlichen Nationalitäten ein bisschen aufs Korn nimmt, wir Deutschen kriegen unser Fett selbstverfreilich auch ab …
    Natürlich fragt sich Damilola nun, was es eigentlich heißt, ein Russe zu sein:

    Das steht zwar auch schon als Klappentext innen auf dem Buchumschlag, aber das musste ich einfach nochmal zitieren. Da war Herr Pelewin echt in Fahrt gekommen, als er das geschrieben hat. :thumleft: Ich hoffe, er hatte beim Schreiben dieses Kapitels wenigstens halb so viel Spaß wie ich beim Lesen.
    Ich habe den Eindruck, dass dieses Kapitel eines der besten im ganzen Buch sein muss. Könnte glatt sein, dass ich es nochmal lesen werde, so viel Spaß hatte ich.



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  • zu Kapitel 9


    Irgendwo und irgendwie leuchtet es glasklar ein, dass man seine eigenen Reaktionen basierend auf einem „Abgleich von verfügbaren Präzedenzfällen“, also basierend auf Erfahrungen, seien es eigene oder von anderen erzählte Erfahrungen, steuert.

    Da kann man kaum gegen argumentieren, denn unsere Reaktionen basieren ganz klar auf Erfahrung und persönlicher Geschichte. Einen philosophischen Hintergrund in Form
    von Theorien sehe ich da nicht (mag es aber geben). Allerdings könnte es sein, dass Herr Pelewin sich ein wenig mit Kybernetik beschäftigt hat, bevor er seine Sure ins Spiel
    gebracht hat.

    Die Analogie mit dem chinesischen Zimmer (S.171/172) finde ich sehr schön. Doch glaube ich, dass auch wir Menschen oft einfach Regeln bzw. woanders abgeschaute Verhaltensmuster kopieren, ohne dass wir weiter blicken könnten.

    Bei spontanen Reaktionen auf menschliches Verhalten ist das sicher richtig. Man hat halt nicht immer Zeit seine Selbstwahrnehmung ständig zu überprüfen Ginge ja auch
    auf Kosten der Spontanität.

    . Das ist alles so klotzig schizophren, und hat mit Vernunft oder Überblick null zu tun, sondern nur mit automatischem Abspulen dümmster Verhaltensweisen, nur weil es eben die am weitest verbreiteten und deshalb die im Hirn am leichtesten abrufbaren Verhaltensweisen sind.

    Das hat wohl auch mit dem Umfeld in dem wir aufwachsen zu tun. Wenn man diese Verhaltensweisen per Umfeld, TV, Medien ständig um die Ohren gehaut bekommt, wird es
    schwierig da wieder rauszukommen. Das bedarf schon einiges an Reflektion und vor allen Dingen kritisches Überprüfen dieser Verhaltensweisen.

    Also, irgendwo findeich das jetzt nicht so gut, dass Herr Pelewin hier unsere innere weibliche Denkweise so öffentlich in seinem Roman verkündet. Aber was will man machen? So sind Männer eben, können aber auch gar nichts für sich behalten und müssen immer gleich alles ausposaunen (Oder besser noch gleich ein Buch drüber schreiben) …

    Jaaa, mein neuer Freund im Geiste ist ein verrückter Russe der auch noch Bücher schreibt. :wink:

    Alles klar. Barde, ich hoffe, Du hast gut aufgepasst – von Herrn Pelewin, diesem maximalen Frauenversteher, kannst Du endlich mal was lernen. Da kannst du jetzt alle Deine Ratgeber im Stile von „Wie dominiere ich in einer Hetero-Beziehung über die Frau?“ wegschmeißen. Da gibt’s endlich wieder Platz im Regal! Fall gelöst!

    "Liebe" @Hypocritia .............nach diesem Outing der Existenz meiner speziellen, geheimen Privatbibliothek, bleibt mir ja nur noch die Reise nach Russland um mit meinem
    Seelenverwandten literweise Vodka zu trinken und über die Schlechtigkeit der Welt und insbesonder der Hinterfotzigkeit der Frauen zu meditieren.

    Da war Herr Pelewin echt in Fahrt gekommen, als er das geschrieben hat. Ich hoffe, er hatte beim Schreiben dieses Kapitels wenigstens halb so viel Spaß wie ich beim Lesen.
    Ich habe den Eindruck, dass dieses Kapitel eines der besten im ganzen Buch sein muss. Könnte glatt sein, dass ich es nochmal lesen werde, so viel Spaß hatte ich.

    Allerdings. Vor allem der zweite Teil über das Wesen all der Nationen ist nicht nur zum Schreien komisch, sondern auch so richtig auf den Punkt. Alle Achtung, Herr Pelewin :pray:

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  • Das hat wohl auch mit dem Umfeld in dem wir aufwachsen zu tun. Wenn man diese Verhaltensweisen per Umfeld, TV, Medien ständig um die Ohren gehaut bekommt, wird es
    schwierig da wieder rauszukommen.

    Stimmt. Die ganzen TV-Soaps, Fratzenbuch und Hausfrauenzeitschriften mit ihren Schicksalsreportagen und Prominews bauen genau auf diesen schematisierten Verhaltensweisen auf.

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  • Kapitel 10 / Swastika S.187 - 223


    Grimm ist frustriert, denn es kümmert sich nach dem Krieg niemand mehr um ihn. Auch von Chloe erhält er keine Nachricht. nach Hause zu gehen hat er auch keine
    Lust, denn die Familie bedauert den Tod von Onkel Schniedel, der auch noch gute Beziehungen zur höheren Gesellschaft hatte. So lÄuft er herum und stellt fest, dass
    es einen neuen Machthaber namens Riss Fromms mit dem tollen Sinnspruch >Wo ischt macht, Broder?< gibt.
    Im Nachhinein wurden einige Urks gehängt, weil sie ihre Geschlechtsteile den Kameras vom Big Byz zur Schau gestellt hatten. Das waren wohl die, die dieses ganze
    Kriegstheater satt hatten und auf ihre Weise gegen das Abschlachten von Orks zur Belustigung des Publikums im Big Byz protestierten.



    Dann wendet sich das Blatt, denn Chloe taucht auf und führt ihn in einen Keller indem sie den Diskurskrämer gefangen hält und verhört. Sie hat herausgefunden, dass
    dieser sein Spielchen mit der Ermordung und auch Skalpierung seiner Gefangenen beendet. Die Skalps hält er als Trophäe.


    Da er um sein Leben fürchtet berichtet er den beiden von der Entwicklung der Gesellschaft aus alten Zeiten bis in die Gegenwart. Auf den ersten Blick klingt das alles sehr
    abgedreht, aber im Grunde ist auch in unsere Gesellschaft so ziemlich alles vorstellbar. Geben wir ihnen noch ein oder zwei Dekaden und sie lassen sich jeden Unsinn einfallen.
    Man muss nur das Volk dazu kriegen, das alles zu glauben. Das wird nicht mehr mit Brot und Spielen, sondern mit Liebe und Tod an den Mann gebracht. Desinformation
    ist das Zauberwort. Die Wirklichkeit wird auf den Kopf gestellt. Ach ja, und ein Gegner wird gebraucht, ein Gegner der möglichst ruchlos und widerwärtig ist. Die Orks waren
    ein ideales Zielobjekt.


    Zitat von V. Pelewin

    Alles was sie wussten, lernte sie aus Filmen. Häufig war dies ihre wichtigste Informationsquelle, für das was in der Welt passierte. Wenn man nun also im
    Kino ein Volk beständig als Mörderbande und Abschaum darstellte, so waren es eigentlich Nachrichten. Doch sie wurden als Kinofilm ausgegeben.


    Doch sie sind gerne bereit die ruchloseste Lüge zu glauben, wenn man ihnen dafür ein sorgenfreies Leben bietet. Das ist der sogenannte Gesellschaftsvertrag.


    Abschließend noch ein Zitat des Diskurskrämers, das für die Orks nicht viel Hoffnung in Aussicht stellt. Sie sind die Opfer, der Feind der gebraucht wird dieses perfide
    System aufrecht zu erhalten.




    Zitat von V. Pelewin

    Ihr seid das Opfer, das man für den Erhalt der Zivilisation bringt. Das Ventil durch das die argen Gefühle der Menschheit entweichen............


    Am Ende stellt Grimm fest, das die Gesellschaft des Big Byz gerade mal 30 Millionen ausmacht, die Urkainer aber mehr als zehnmal so viele sind. Warum betrachten sich
    die Wenigen also als die wahren Menschen?



    Zitat von V. Pelewin

    >Wieso betrachtet ihr euch als die wahren Menschen, und nicht uns?<
    >Weil ihr nur wenig Menschliches in euch tragt< sagte der Diskurskrämer.
    Tragt ihr etwa mehr davon in euch?<, fragte Grimm.


    Da bin ich ja mal gespannt, was die beiden jetzt unternehmen. Viel Hoffnung habe ich nicht. Chloe sagt, dass sie keine Lust mehr hat einem Traum nachzutrauern.
    Die beiden werden doch keine Rebellion starten?




    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Zu Kapitel 10 / Swastika S.187 - 208:


    Wenn ich nicht total amüsiert wäre über die dreckig-chauvinistische Misogynie, die Herr Pelewin hier an den Tag legt, und nicht hin und wieder Anspielungen und Kritiken an aktuellen Verhältnissen sähe, würde mir die Geschichte um Grimm und Chloe und die Khagane und die Derbheit in all ihrer Langeweile noch mehr auf den Keks gehen, als sie es sowieso schon tut. Diese Art Rahmengeschichte zählt definitiv nicht zu den starken Geschichten des Autors. Ich genieße die Teile, in denen er menschliches Verhalten in männlich - weiblich aufteilt, und nebenher noch seine Pelewin-typischen Fragen nach dem "Ich", nach dem Konzept von "Realität", nach dem Konzept von "Glück" etc. einbaut. Aber hierbei steht er als Erzähler in einer sicheren Entfernung, er wirkt wie jemand, der gelassen mit einer Fluppe im Mund auf einem Zaun sitzt und beobachtet, wie andere sich streiten, herumstrebern und -heucheln etc. Er sitzt dabei aber immer in Hörweite, sodass die lächerlichen Figuren in der Welt seine zynischen Kommentare, die er grinsend von sich gibt, aif jeden Fall mitkriegen. Wo er so schreibt, da bin ich Feuer und Flamme für Pelewin, wie bsw. in "Sechszeh und Einsiedel" oder in "Buddhas kleiner Finger" (gibt so viele, viele andere Beispiele ...)


    Aber bei diesem Urkaine /Ukraine Plot habe ich den Eindruck, dass er nicht den nötigen Abstand hinkriegt. Ich habe fast schon das Gefühl, dass ihn das entweder zu sehr nervt oder ihn emotional mitnimmt. Pelwein wirkt zu aggressiv, zu derb, sodass ich mich fast in jedem Spastika-Kapitel frage, was mit ihm los sei, warum er die Pferde so mit sich durchgehen lässt. Da ist nichts von dieser "Aloofness" zu spüren, mit der er normalerweise so leicht und flockig schwierige und extrem komplizierte Sichtweisen 'rüberbringt.

    Im Nachhinein wurden einige Urks gehängt, weil sie ihre Geschlechtsteile den Kameras vom Big Byz zur Schau gestellt hatten. Das waren wohl die, die dieses ganze Kriegstheater satt hatten und auf ihre Weise gegen das Abschlachten von Orks zur Belustigung des Publikums im Big Byz protestierten.

    Zum Teil kann ich es sogar verstehen, dass es Themen gibt, von denen man sich nicht so einfach und lächelnd distanzieren kann, wie z.B. den Aspekt von grundsätzlicher, menschenunwürdiger Ungerechtigkeit oder die der Bestechung (S. 188 Mitte bis 190 oben): die Orks haben keine Chance, sie müssen sich abschlachten lassen auf dem Schlachtfeld. Wenn sie versuchen, bei ihrem eigenen systematischen Abgeschlachtwerden durch ein idiotisches exhibitionistisches Manöver etwas Zeit für taktische Änderungen zu gewinnen (die aber im Endeffekt auch nichts bringen, weil die Kriegsmaschinen technologisch ihren Methoden weit überlegen sind), dann werden sie hinterher genau dafür gehängt, dass sie einen gewissen unerwarteten, weil spontanen Widerstand gegen ihr Abschlachten gewagt haben. Im Grunde eine ausweglose Situation, in denen vorher bereits als Verlierer markiert sind, egal wie sie sich verhalten.
    Ein Khagan muss sich den "Herrschaften" unterordnen und kuschen: wenn er es wagt, den Ork-Verteidigungsversuch der Gasflaschen-Selbstmordattentate nicht nach oben zu denunzieren, dann wird er eben selbst (mitsamt Gefolge) mithilfe einer Bombe dem Erdboden gleichgemacht.
    Hier ist soviel von ohnmächtiger Verzweiflung gegenüber autokratischen Systemen ultimativer Grausamkeit zu fühlen, da ist keine Distanz des Autors, kein "Drüberstehen" zu spüren, eher eine tiefgefühlte Abscheu. Wobei man jetzt aus der Weltgeschichte was auch immer herziehen mag, man muss sich ja nicht auf den Holodomor in der Ukraine (oder in jüngeren jahren auf Janukowitsch) beziehen, da könnte man so viele andere Beispiele herziehen, auch aus aktuellen westlichen Welt, oder gerne wieder mal an Holocaust etc. zurückdenken.


    Oder die Sache mit den blutbesudelten Dokumenten, die als Beweis für eine ehrenhafte Teilnahme zur Verteidigung des Vaterlandes eine Beschleunigung in der Bürokratie bringen sollen, im Endeffekt aber nichts bringen, weil Bestechung eben doch das Einzige wirksame Element in der Bürokratie darstellt. Ich muss daran denken, dass sowohl Du, @taliesin, als auch ich selbst Korruption in Lateinamerika als nötiges Mittel für amtliche Vorgänge kennengelernt haben. Doch in Lateinamerika bedroht Korruption nicht die Existenzgrundlage der Menschen, noch dazu auf täglicher Basis - z.B. wenn mehr Schutzgelder erpresst werden, als ein kleines Unternehmen an Gewinnen abwirft, oder plötzlich jemand seine Eigentumswohnung zwangsräumen muss, weil im korrupten Apparat die Grundbucheinträge gefälscht wurden. Und wenn sich jemand innerhalb des Justizsystems gegen eine solche Ungerechtigkeit zu wehren versucht, dann wird er noch zu jahrelanger Haft verurteilt, und seine Kinder in furchtbaren Heimen untergebracht (So gesehen in einer Doku über Moskau, ob's wirklich so ist, kann ich allerdings nicht beurteilen. Doch nach dem zu urteilen, was man allgemein so hört, kann ich es mir durchaus vorstellen.)
    Das klingt schlimmer als vieles, was man selbst kennt, und kann schon ein Gefühl der Ohnmacht und Verzweiflung auslösen. Ich zweifle aber, dass der Durchschnittsleser solche Zusammenhänge bzw. Assoziationen herstellt. Genauso frage ich mich, inwieweit diese Art derber Extrapolation und dichter Spickung von Anspielungen lesbar bleibt. Außerdem ist Pelewin mit seiner Scheu vor der Öffentlichkeit und seiner konstanten Weigerung, seine Werke zu erklären, als eindeutiger und vehementer der dekonstruktivistischen Bewegung in ihrer rigorosesten Form zu sehen, d.h. jedem ist es erlaubt, einen Text so zu verstehen, wie er meint. Da läuft doch eine Geschichte wie die über Grimm und Chloe doch Gefahr, als Dödelroman verstanden zu werden (weil die Leute sich nur mit Realityshows und Soaps beschäftigen, aber nicht mit dem, was in der Welt passiert), oder denke ich da so falsch?

    Grimm ist frustriert, denn es kümmert sich nach dem Krieg niemand mehr um ihn. Auch von Chloe erhält er keine Nachricht.

    Eigentlich weiß er gar nicht, was mit Chloe geschehen ist - theoretisch könnte sie in Gefahr sein - aber Grimm als typischer Mann glaubt lieber dem geschriebenen Wort, in dem es ja so schön heißt (sh. S. 187, Orkasmus zweiundneunzig "das weibliche Herz"):

    Alles klar, Grimm braucht sich um Chloe keine Sorgen zu machen. wenn sie sich nicht meldet, muss das ja Hinterfotzigkeit sein. :roll:
    (Und übrigens, klar versiegt das Leben ohne Hinterlist - das kann man ja gar nicht anders sehen ... :P )

    Dann wendet sich das Blatt, denn Chloe taucht auf und führt ihn in einen Keller indem sie den Diskurskrämer gefangen hält und verhört. Sie hat herausgefunden, dass dieser sein Spielchen mit der Ermordung und auch Skalpierung seiner Gefangenen beendet. Die Skalps hält er als Trophäe.

    Nix für ungut, aber Chloe benimmt sich auch wie der letzte Abschaum. es ist mir klar, dass Bernard-Henri ein maximal perverses Ar...ch ist, aber mit ihren Foltermethoden bleibt sie nicht im Hintertreffen, auch wenn sie damit "die Wahrheit" aus ihm herausprügeln will. Wie die Frau da argumentiert! #-o

    Also, da bin ich ja wieder mal hundert Prozent bei Dir. ich denke sogar, dass der Teil mit der Nachrichtenmanipulation längst genau so läuft. Ich habe vor zwölf Jahren immer wieder den Kopf schütteln müssen, als George W. Bush in den US-Medien immer als Retter der US-amerikanischen Nation, als Garant für ihre Sicherheit verkauft wurde. Und ein paar Jahre später wurde er von denselben Medien in den USA dann als komplett unfähiger, alkoholabhängiger Ex-Cheerleader dargestellt. Da habe ich mich immer gefragt: Also was nun? Eigentlich kann er nicht beides gleichzeitig gewesen sein, mindestens eine der beiden Darstellungen musste ja falsch sein.
    Oder gucken wir uns die aktuelle Situation mit Griechenland an (Hier hatte ich eigentlich bereits meine Meinung zu den beiden "Bösen" geschrieben, aber meine politische Meinung gehört nicht hierher, erstens weil sie eine politische Meinung ist, und zweitens weil ich nicht möchte, dass Menschen mich auf irgendetwas festnageln, obwohl ich mir selbst immer das Recht vorbehalte, meine Meinung stets zu ändern, gerade weil ich das Gefühl habe, dass die Nachrichten in den Medien aus einer selektiven und subjektiven Übermittlung von wiederum selektiven und subjektiven Meinungen bestehen, deshalb im Grunde genommen eine unzureichende Basis für die Meinungsbildung darstellen. Deshalb habe ich das gelöscht, was ich schreiben wollte).

    Genau, das ist mir auch gleich aufgefallen, den gesamten Abschnitt (S. 205 oben) fand ich recht gut:

    Zitat von V. Pelewin

    "Die Geschichte der Menschheit", unterbrach ihn der Diskurskrämer, "ist die Geschichte der massenhaften Desinformation.

    Das klingt ja schon aphoristisch.


    Am Ende stellt Grimm fest, das die Gesellschaft des Big Byz gerade mal 30 Millionen ausmacht, die Urkainer aber mehr als zehnmal so viele sind. Warum betrachten sich


    die Wenigen also als die wahren Menschen?

    Das klingt wieder nach totaler Ausbeutung und Unterdrückung der Massen zu ihrem Verbleib in der Recht- und Schutzlosigkeit zur Durchsetzung eines schönen Lebens der Nomenklatura. nur wäre es meines Erachtens falsch, diese Aussage nur auf (post-)sozialistische Länder zu beziehen. Die westliche Welt kann sich da durchaus an die eigene gigantische Pinocchio-Nase fassen.


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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • zu Kapitel 10

    Hier ist soviel von ohnmächtiger Verzweiflung gegenüber autokratischen Systemen ultimativer Grausamkeit zu fühlen, da ist keine Distanz des Autors, kein "Drüberstehen" zu spüren, eher eine tiefgefühlte Abscheu.

    Ich denke, da hast du den wunden Punkt in diesem Roman getroffen. Pelewin wirkt da, als hätte er seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle. Unter diesem Eindruck
    fehlt ihm jede Distanz und auch die sonst oft genutzte feine Ironie ist da völlig außen vor. Das wirkt dann auf den Lleser eher abschreckend als faszinierend.


    Da läuft doch eine Geschichte wie die über Grimm und Chloe doch Gefahr, als Dödelroman verstanden zu werden (weil die Leute sich nur mit Realityshows und Soaps beschäftigen, aber nicht mit dem, was in der Welt passiert), oder denke ich da so falsch?

    Nein, aber diese Leute würden bei jedem Roman von Pelewin, so sie ihn überhaupt in die Finger kriegen, ohnehin nach den ersten 10 Seiten aufhören. :wink:


    Aber bei diesem Urkaine /Ukraine Plot habe ich den Eindruck, dass er nicht den nötigen Abstand hinkriegt. Ich habe fast schon das Gefühl, dass ihn das entweder zu sehr nervt oder ihn emotional mitnimmt. Pelwein wirkt zu aggressiv, zu derb, sodass ich mich fast in jedem Spastika-Kapitel frage, was mit ihm los sei, warum er die Pferde so mit sich durchgehen lässt. Da ist nichts von dieser "Aloofness" zu spüren, mit der er normalerweise so leicht und flockig schwierige und extrem komplizierte Sichtweisen 'rüberbringt.

    Das hatte ich ja in meinem ersten Kommentar zu deinem Beitrag schon versucht zu beschreiben. Ich glaube tatsächlich, dass ihn das emotional so mitnimmt, dass es ihm
    vor lauter Emotion nicht mehr gelingt die Dinge sozusagen als unbeteiligter Zuschauer zu beschreiben.
    Das ist sehr schade, den in den von dir @Hypocritia schon erwähnten >Bhuddas kleiner Finger< und der genialen Story >Sechszeh und Einsiedel< geht er ganz anders vor.
    Da schildert er das mit diesem abgehobenen Augenzwinkern und ist trotzdem ganz dabei.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Dann will ich mal sehen, was dieser Roman noch so hergibt. Abbrechen will ich ihn (zumindest noch) nicht, weil er zum einen die schönen Männlein-Weiblein-Passagen enthält (diese wirken wie sehr originelle "he said, she said"-Passagen) und auch wieder mal auf seine typischen metaphysischen Fragen eingeht.




    Ich möchte nochmal kurz etwas einschieben zu Kapitel 10 auf S. 200. Da ist die Rede davon, dass der Name Manitu die

    Zitat von Viktor Pelewin

    irdische Gestalt des Großen Geistes, das persönliche Informationstablett und der universelle Wertmaßstab

    in sich vereint.
    Amen, ich sage Euch: der russische Prophet, der den Namen Viktor Pelewin trägt, verkündet die Trinität der modernen Herde Gottes gläubigen Herde Manitus. Wer an dies Geheimnis glaubet, dem sei lebenslängliches Streben nach Glück bescheret. Seine Aufgabe im großen Namen Manitus sei es von nun an bis zum Augenblick seines Todes, sein Leben dieser Trinität zu widmen, und nicht davon abzulassen. Von nun sollet Ihr den Namen Manitus über das Internet an alle Ungläubigen herantragen, durch unablässiges Angeben mit dem Ausmaß Eures irdischen Besitzes, und dem Bedeutungshunger Eures Egos frönen, möge es auch noch so unbedeutend erscheinen. Wahrlich, ich sage Euch: nur über soziale Medien wird der Mensch zum ewig unbefriedigten Streben im Namen Manitus gelangen. :loool:






    Kapitel 11 (BB) - Seite 209 bis 223:


    Damilola wird ins "Haus Manitus" geladen, zu einem geschäftlichen Termin. Das heißt, er muss sich erst mal "waschen, rasieren und etwas mit den Pickeln im Gesicht machen." (sh. S. 209). Bei Damilolas Heimarbeit ist anscheinend sämtliche Körperhygiene vor die Hunde gegangen.
    Kaya stellt er währenddessen wieder einmal auf Pause, und es freut ihn, weil sie das ärgert: Damilola verwendet hier eine interessante Wortwahl:

    Zitat von Pelewin

    Jedes Mal war ihre simulierte Empörung von einer über die Maßen täuschender Echtheit - ich glaube fast wirklich, dass sie bis auf den Grund ihrer Seele beleidigt sei.


    Eine Tusse vom Typ alte, abgedrehte Schreckschraube (so viel zur Superiorität der Rasse aus dem Big Byz) mit dem Namen Aljona-Libertina fragt ihn, was Bernard-Henri wohl mit Chloe angestellt habe. Es sei auffällig, dass die letzten drei Ork-Mädchen, die von Bernard "gerettet" worden seien, hinterher nie mehr gesehen worden seien. Das Häuschen mit dem gefolterten Bernard darin ist schnell lokalisiert und Damilolas Hannelore befindet sich zuverlässig auf ihrem Posten. Unbegreiflicherweise entscheidet Aljona-Libertina, dass Bernard nicht aus den Händen der Orks gerettet werden solle. Statt dessen gibt sie die Order aus, Chloe zu retten, alles andere inklusive Bernard-Henri und den Truppen von Riss Fromm (in verdächtiger Nähe des Häuschens) können dabei drauf gehen.


    Da Kaya auf Pause gestellt war, kennt sie Aljonas Order nicht. Sie fleht Damilola an, Grimm zu retten. Da sie annimmt, dass Damilola sich hierfür der Obrigkeit widersetzen müsse und sich somit in Gefahr begebe, lockt sie mit einem ganz besonderen sexuellen Leckerli, der sog. "Dopamin-Resonanz", die nur im jahrhundertealten Wissen von Suren mit Maximal-Einstellungen erhalten ist. (Naja, wenn man bedenkt, dass immer wieder bei Pelewin davon die Rede ist, dass man sich die Welt aus sich selbst heraus erschafft, muss man ihm lassen, dass er sich ganz besonders tolle Welten zu erschaffen in der Lage ist. Den Begriff "Dopamin-Resonanz" habe ich sicherheitshalber aber doch gegoogelt ... :lol: Männern sollte man schließlich nie trauen). Für mich klingt das irgendwie nach so einem ost-asiatischen Herumgekinkere - ich meine, das lässt sogar das Kamasutra ein bisschen blass aussehen, oder?
    Nach der Dopamin-Resonanz-Behandlung Originalton Damilola (sh. S. 222):

    Zitat von V. Pelewin

    Ich erkannte, was meinem bisherigen Leben vorenthalten worden war und warum ich bisher so sorglos davon hatte sprechen können, dass die erotische Seite des Lebens für einen nüchternen und weit entwickelten Intellektbnur von nachrangiger Bedeutung ist. Nicht dass mein Intellekt besonders nüchtern oder weit entwickelt wäre, doch ist alles was mir bisher an Lustgefühlen bekannt war, nur von nachrangiger Bedeutung verglichen mit dem, was ich gerade erlebt habe.

    Also das hat mich im ersten Moment erst mal verwirrt. Bisher hat der Autor doch jede Menge Arrgumentation darauf verwendet, Sex als niedere Triebbefriedigung mit viel hohlem Nachgefühl dahinter zu deklarieren. Und plötzlich soll es die ultimative Ekstase geben, die Damilola auf S. 222 glauben lässt,

    Zitat von V. Pelewin

    er hätte so viele Jahre vergebens gelebt.

    Doch auf S. 223 kommt schon die Auflösung der Sache zum Vorschein: Kaya wird mittels Dopamin-Resonanz zur kaltblütigen Erpresserin. Sie droht Damilola unter demütigenden Beleidigungen damit, dass er nie wieder in diesen Genuss kommen werde, wenn er nicht auf der Stelle Grimm rettet ... jetzt hält sie Damilola buchstäblich bei den Eiern (sorry :uups: , aber von dieser Sure kann man als Frau wirklich in Sachen Hinterfotzigkeit einiges lernen :P ).



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    in Herzog