Hakan Nesser, Paula Polanski - Strafe / Straff

  • Klappentext:
    Der Brief kommt überraschend, und er holt den Schriftsteller Max Schmeling aus seiner Komfortzone: einen Gefallen soll er ihm tun, seinem ehemaligen Schulkameraden Tibor Schittkowski, den er seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat und den er aus vielen Gründen auch nicht sonderlich gut leiden konnte. Dass er sich auf ein Spiel mit gefährlichem Einsatz einlässt, ist ihm da noch nicht klar. (von der btb-Verlagsseite kopiert)


    Zu den Autoren:
    Paula Polanski ist das Pseudonym einer deutschen Publizistin, die dieses Buch gemeinsam mit Håkan Nesser verfasst hat. Warum sie lieber anonym bleiben möchte, erschließt sich aus der Lektüre des Romans.
    Håkan Nesser ist einer der beliebtesten Autoren Schwedens. Er gilt als der "Philosoph unter den Krimautoren Skandinaviens" (Hannes Hintermeier, FAZ). Nesser begegnete Paula Polanski während einer seiner Lesereisen in Deutschland, wo sie ihm ihre Geschichte erzählte.
    Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der interessantesten und aufregendsten Krimiautoren Schwedens. Für seine Kriminalromane um Kommissar Van Veeteren und Inspektor Barbarotti erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in mehrere Sprachen übersetzt und wurden erfolgreich verfilmt. Daneben schreibt er Psychothriller, die in ihrer Intensität und atmosphärischen Dichte an die besten Bücher von Georges Simenon und Patricia Highsmith erinnern. "Kim Novak badete nie im See von Genezareth" oder "Und Piccadilly Circus liegt nicht in Kumla" gelten inzwischen als Klassiker in Schweden, werden als Schullektüre eingesetzt, und haben seinen Ruf als großartiger Stilist nachhaltig begründet. Håkan Nesser lebt mit seiner Frau in Stockholm und auf Gotland. (von der btb-Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Straf
    Erstmals erschienen 2014 bei Albert Bonniers Förlag, Stockholm
    Aus dem Schwedischen übersetzt von Paul Berf
    3 Teile, 1. Teil: Personaler Erzähler, Präsens, 2. Teil: Ich-Erzähler, Imperfekt, 3. Teil: Personaler Erzähler, Präsens (wichtige Unterscheidungen!)
    27 durchnummerierte Kapitel
    283 Seiten


    Persönliche Meinung:
    Nesser hat sich literarisch schon einmal eine Eskapade geleistet: Als er den Krimi „Kim Novak badete nie im See Genezareth“ und die Aufdeckung des Mörders ein Jahrzehnt später unter „Die Wahrheit über Kim Novak“ veröffentlichte. Es ist ihm also allerhand zuzutrauen. Wie auch dieses Buch beweist.


    Zunächst beginnt es harmlos: Max Schmeling erhält Tibors Brief und besucht ihn. Der ehemalige Schulkollege übergibt ihm einen Art autobiographischen Bericht, der ihm, wenn er ihn beendet hat, sagt, was genau Tibors Bitte beinhaltet. Max fügt sich, vor allem, weil Tibor ihm während der gemeinsamen Schulzeit zweimal das Leben rettete, bzw. aus einer brenzligen Situation befreite.
    Schmeling ist kein glücklicher Mann; nach zwei Ehen und einer unlängst gescheiterten Beziehung hat er eine Psychotherapie hinter sich, befindet sich aber wieder auf dem Weg nach oben und schreibt an einem neuen Buch.


    Dem Typus des Max Schmeling begegnete man schon häufiger in Nessers Büchern, dem einsamen Philosophen / Schriftsteller mit seinen gescheiterten Beziehungen, verhaftet in Gedanken an die Vergangenheit und mit bangem Blick in die Zukunft. Auch der Verrat durch einen Freund wurde bereits öfter thematisiert. Und dennoch gelingt es dem Autor, aus alten Zutaten immer wieder etwas Neues zu kreieren und sich Überraschungen auszudenken, mit denen auch ein großer Fan, der alle seine Bücher gelesen hat, nicht rechnet.


    Der erste Teil des Buches erscheint ganz klar: Max Schmeling liest Tibor Schittkowski. Wer die erzählende Person in Teil 2 ist, errät man schnell, und auch sie passt in die Handlung. Doch dann kommt das 23. Kapitel und an dessen Ende das Gefühl: Ich bin im falschen Film. Man liest noch mal, reibt sich die Augen … und gerät in den letzten Erzählstrang und eine Pointe, die ihresgleichen sucht.


    Tja, und Paula Polanski? Eine weitere Kapriole des Autors?
    Aber, wer weiß: Vielleicht sollte man sich Gedanken um Nesser machen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Gibt's eigentlich einen Grund weshalb der Protagonist den gleichen Namen hat wie ein sehr populärer deutscher Boxsportler?

    Das war auch meine erste Assoziation beim Lesen der Rezi...

  • Das war auch meine erste Assoziation beim Lesen der Rezi...

    Das würde mich auch sehr interessieren :shock:

    Sobald wir lernen, uns selbst zu vertrauen, fangen wir an zu leben. ( Johann Wolfgang Goethe )


    Jede Begegnung , die unsere Seele berührt hinterlässt eine Spur die nie ganz verweht. ( Lore-Lillian Boden )

  • Es wird im Buch so erklärt:


    Ein paar Worte über Max, es geht nicht anders. Damit er nicht mit einem anderen verwechselt wird.
    Sein vollständiger Name lautet Max Herrgott Schmeling. Sein Vater hieß Alois Kopper und war ... Nachdem Max Mutter gestorben war - ... - nahmen Vater und Sohn den Namen Schmeling an. Max hatte dem berühmten Boxer, ..., bereits seinen Vornamen zu verdanken. Alois Kopper hatte in seiner Jugend zwei seiner Kämpfe in Europa gesehen, und als sein einziges Kind zur Welt kam und ein Junge war, stand sein Vorname augenblicklich fest.
    (S. 21)


    Ich habe mich gefragt, warum Nesser ausgerechnet auf Max Schmeling kam, ob er mit der Namensgebung seinen Protagonisten irgendwie kennzeichnen wollte, habe aber keinen Hinweis gefunden. Es scheint eine Spielerei des Autors zu sein. Nix weiter. :)

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  • ganz anders als erwartet:


    Der bislang erfolgreiche Autor Max Schmeling erhält einen Brief von seinem ehemaligen Schulkameraden Tibor Schittkowski, den er seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat, der ihm damals zweimal das Leben gerettet hat und ihn nun im Gegenzug um einen Gefallen bittet. Max fühlt sich dem totkranken Tibor verpflichtet und versucht ihm zu helfen....


    Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Zeiten erzählt und setzt sich langsam zusammen, bis sich am Ende doch alles ganz anders auflöst, als erwartet.


    Zeitweilig fand ich die Erzählung schon etwas zäh und unspektakulär. Als dann auf dem Seitenumsprung ( S. 253 / 254) zu lesen war: „ Wenn ich bis Seite fünfzig gekommen bin und es bis dahin immer noch nicht mein Interesse geweckt hat, lege ich es wieder weg. So mache ich es immer.“ , schoß mir durch den Kopf, ob ich diesen Rat nun auch auf S. 254 noch beherzigen sollte.
    Da aber nur noch 29 Seiten folgten, wollte ich das Ende aber doch wissen und habe durchgehalten. Zum Glück, denn, wie schon oben erwähnt, löst sich alles auf, ganz anders als erwartet und plötzlich – aber erst im Nachhinein – gefällt mir die Erzählung doch ganz gut.


    Trotz allem muß ich gestehen, ich hatte etwas mehr erwartet; gerade diese ominöse Umschreibung „ deutsche Publizistin wagt nur unter Pseudonym zu veröffentlichen“ hat mich auf einen wirklichen, aufgedeckten Skandal warten lassen. Nach Lesen des Buches finde ich es nun überhaupt nicht mehr interessant, zu wissen ob es tatsächlich eine reale Vorlage gab oder wer gemeint sein könnte.


    Fazit: Zum Teil etwas langatmig, aber wenn man durchhält, gibt es ein gut durchdachtes und unerwartetes Ende und die Erkenntnis, den Autoren ebenfalls auf den Leim gegangen zu sein....

  • Ausgeklügeltes Verwirrspiel, jedoch mit schleppendem Beginn...


    Der erfolgreich als Schriftsteller arbeitende Max Schmeling erhält eines Tages einen unerwarteten Brief von einem ehemaligen Schulkameraden. Dieser mittlerweile über sechzigjährige Mann erbittet Max um ein Treffen, da dieser ihm einen Gefallen schulde.
    Max jedoch hat nicht die geriengste Ahnung, welcher Art Tibor Schittkowskis Bitte sein könnte. Obwohl er ihn seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen und noch nie richtig hat leiden können, macht er sich auf nach Gimsen, seiner alten Heimat, um dort Tibor zu besuchen.
    Dieser ist schwerkrank und hat nicht mehr viel Zeit zum Leben. Er hat Max auserwählt, ihm einen letzten Wunsch zu erfüllen, bevor er das Zeitliche segnet. Immerhin hat er Max in ihrer Jugend zwei Mal das Leben gerettet. Ohne ihn gäbe es diesen berühmten Schriftsteller nicht.
    Konfrontiert mit der Vergangenheit packt Max die Neugierde.
    Und so lässt er sich auf etwas ein, dessen Folgen er nicht einmal erahnt. Der Weg zum Verbrechen ist gebahnt...



    Zu Beginn des Romans verläuft die Handlung nur schleppend; es geschieht nicht viel, das Erzählte ist nicht wirklich spannend und man weiß noch nicht, in welche Richtung das Buch gehen wird.
    Doch dann erfährt man immer mehr von der Vergangenheit und den Beweggründen, möchte noch mehr erfahren und wissen, wie es weiter geht. Eine unerwartete Wende verblüfft den Leser, der zuvor im Dunkeln tappte.
    So ist das Ende sehr unerwartet und überraschend. Beim Beenden der Geschichte fällt erst wirklich auf, wie durchdacht sie war und wie alles mit allem zusammenhing.
    Der Schreibstil ist auch sehr angenehm, sodass sich das Buch sehr flüssig und leicht lesen lässt und man es, auch wenn die Handlung zu Beginn noch nicht wirklich voran schreitet, nicht aus der Hand legen mag.



    Zu Beginn des Buches muss man demnach zwar etwas Durchhaltevermögen besitzen, wird aber dafür, wenn man durchhält, mit einem sehr ausgeklügelten, überraschenden und faszinierenden Ende belohnt!

  • Na dann will ich auch mal.


    Autor Max Schmeling erhält einen Brief von einem Jugendfreund. Sein Name: Tibor Schittkowski und erkrankt an ALS. Dieser bittet Max um ein Treffen, da Tibor Max, als Kind, zweimal das Leben rettete. Max ist Ratlos, gerade auch, weil beide seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr miteinander hatten und dieser auch in der Jugend eher oberflächlich war, bis auf die Lebensrettung. Aber er stimmt einem Treffen zu und reist in seine Heimatstadt.


    Im Laufe der Geschichte erinnert sich Max an seine Vergangenheit und der Leser bekommt einen Einblick in sein Leben. Gleichzeitig können wir die Lebensgeschichte von Tibor Schittkowski verfolgen. Mehr kann man hier auch schon gar nicht mehr schreiben ohne zu spoilern.


    Gerade am Anfang wollte ich immer wissen, wie es dazu kam, dass Tibor Max zweimal das Leben rettete und irgendwie stellte ich mir das ganze spektakulärer vor. Für mich plätscherte das Buch so vor sich hin, trotzdem wurde mir nicht langweilig.
    Aber das Ende, dass verschlang ich dann nur noch. Ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen und dann konnte ich es nicht fassen. Der Titel des Buches ist "Strafe", also ist es irgendwie klar, dass jemand bestraft werden wird. Die Frage ist nur: Wer?


    Wer auf Gewalt und Mord und Totschlag hofft, für den ist das Buch wirklich nichts. Denn das fehlt alles. Trotzdem ist es eine wunderbare Geschichte und gut geschrieben. Ich kann jedem nur raten, egal wie zäh es für euch vielleicht sein wird, bleibt bis zum Ende dran. Es wird euch für alles entschädigen und dann sitzt ihr da, mit dem Buch auf dem Schoß und starrt vor euch hin.
    Dieses Buch wirkte bei mir definitiv nach, ich war danach ganz verwirrt ;)
    Und das Buchcover? Ein Traum! Sehr gut gelungen.


    Von mir :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne

    LG Jani



    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."

    Heinrich Heine

  • Ihr Lieben, ich klinke mich hier nach langer Zeit mal ein: Ich habe das Buch für beinahe umme im Flohmarkt gekauft und bin im großen und ganzen hell begeistert.
    Ich gehöre zu den Leserinnen, die in "Eine ganz andere Geschichte" die ganz andere Geschichte viel spannender fanden als die eigentliche Geschichte, und in "Strafe" wird das dort angedeutete Erzählprinzip so richtig schön ausgeschöpft. Man könnte gegen den streckenweise betulich und uninspiriert wirkenden Stil einiges einwenden, aber das letzte Drittel entschädigt für vieles.


    Ja, wenn ich demzufolge daraus schwedische Worte basteln soll, dann bin ich natürlich verloren und brauche gar nicht erst anzufangen. Kann mir von den anderen Lesern hierzu etwas sagen? Habt ihr probiert?


    lG Zefira

  • Ja, wenn ich demzufolge daraus schwedische Worte basteln soll, dann bin ich natürlich verloren und brauche gar nicht erst anzufangen. Kann mir von den anderen Lesern hierzu etwas sagen? Habt ihr probiert?


  • Squirrel :

    Könntest Du vielleicht folgenden Absatz im Beitrag von Zefira spoilern? Danke!