Jens Soentgen - Selbstdenken! 20 Praktiken der Philosophie

  • Inhalt (laut amazon.de):
    "Was tun Philosophen eigentlich, wenn sie philosophieren? Jens Soentgen geht dieser spannenden Frage nach und vermittelt die wirkungsvollsten Praktiken wie Argumentation, Zweifel und Logik: nicht abstrakt, sondern anhand von Beispielen, Fällen, Geschichten, Anekdoten. So wird sehr anschaulich, wie Philosophieren funktioniert und wie es das kreative, eigenständige Denken fördert. Der Leser ist eingeladen, selbst (mit) zu denken."


    Meine Meinung:


    "Alle Praktiken haben das Ziel, die Abhängigkeit von den Meinungen anderer zu verringern. Sie erschließen Quellen für Einfälle und Ideen und schärfen das Urteil. Darin liegt ihre befreiende Kraft. Sie stärken die Fähigkeit, selbst zu denken." (S. 11)


    Durch dieses Buch habe ich mich zum ersten Mal mit der Metaphilosophie, also mit der Untersuchung des Philosophierens, beschäftigt, und es war nicht nur lehrreich, sondern auch amüsant. Der Autor hält hier gekonnt allen möglichen Leuten - von Philosophen bis zum Durchschnittsbürger - den Spiegel vor. Dabei geht es um nichts anderes als das, was der Klappentext so schön zusammenfasst: Um Techniken, mit denen man seine Meinung an den Mann oder die Frau bringt.


    Man hat sich die Vorgehensweise nun so vorzustellen, dass Soentgen sich in jedem der 20 Kapitel einer Technik widmet, diese kurz definiert, anhand von Beispielen vorstellt, anschließend oft ein passendes Spiel oder Experiment zur Illustrierung vorschlägt (wie das, welches von Frederic Bartlett entwickelt wurde) und zum Schluss Quellen bzw. weiterführende Werke aufführt. Der Autor beweist bei seinen Ausführungen sowohl ein Händchen dafür, den Leser verständlich zu informieren, als auch zu unterhalten. Seine Sprache ist nicht kompliziert und er schafft es, Beispiele so geschickt einfließen zu lassen, dass man ständig im Lesefluss bleibt. Er arbeitet sowohl mit Stilmitteln, als auch mit Zitaten, was den Text lebendig macht. Die Bandbreite der untersuchten Techniken reicht von "Provozieren" über "Bilder" oder auch "Parodieren". Dabei erkennt man manchmal nicht nur sich selbst zwischen den Zeilen wieder, sondern man merkt auch, dass die Philosophen nicht immer sachlich gegeneinander vorgehen. Schopenhauer zum Beispiel hat an seinen Kollegen selten ein gutes Haar gelassen und Diogenes hat ganz offen provoziert, indem er ein hundeähnliches Leben geführt hat (davon leitet sich auch die Bezeichnung seiner Anhänger, der Kyniker, ab). Man lernt viele Persönlichkeiten kennen, trifft aber auch auf "alte Bekannte" wie Kant oder Sokrates. Es tut gut, dass Soentgen sich nicht auf bestimmte herausragende Philosophen übermäßig fixiert, sondern eine bunte Vielfalt wahrt.


    Die Anschaulichkeit hat mir neben den gekonnten, teilweise ironischen Bemerkungen des Autors besonders gefallen. Aristoteles' Logik beispielsweise war für mich bis zum entsprechenden Kapitel ein Mysterium. Soentgen erklärt diese mithilfe von Kreisen, wie Leonhard Euler es einst getan hat, und der Leser weiß direkt Bescheid. Durch die gelungene Anschaulichkeit kann er wiederum das tun, wozu das Buch verleiten möchte, nämlich selbst zu denken. Man macht sich Gedanken darüber, wie man von anderen überzeugt wird und auf welche Weise man dies selbst bewerkstelligt. Man stellt nicht nur Autoritäten infrage, sondern geht auch dazu über, gelungene Pointen noch mehr zu würdigen. Das Buch ist somit ein Sprungbrett für das eigene Denken und kommt ohne den erhobenen Zeigefinger aus.


    Fazit:
    Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung, mich hat das Buch mühelos begeistern können. Es infomiert unterhaltsam und unkompliziert, einfach klasse! :thumleft::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :jocolor: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa // Norman Davies (Projekt)



    You cannot open a book without learning something. - Konfuzius

  • Herzlichen Dank für deine Rezension, Irongretta! Das Buch stand schon länger auf meiner Wunschliste, jetzt ist es ein gutes Stück höher gerückt!

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Vielen Dank für die tolle Rezension! :friends: Weißt du, ich muss auch gleich etwas Richtigstellen: ich lag falsch. Nachdem du das Buch kurz im ABSler-Thread vorgestellt hast, kam es schon auf die Muss-ich-haben-Liste und ich habe mich zwar auf deine Rezi gefreut, aber bezweifelt, dass sich da noch groß was ändern wird. Jetzt aber steht es fest, dass ich in wenigen Tagen (je nach Geschwindigkeit der Amazon-Lieferung) Bücherzuwachs erwarte. :lechz::tanzen:

    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."
    Heinrich Heine


      :study:

  • Ich freue mich, dass das Buch mehr Aufmerksamkeit bekommt, als es hatte, denn es hat diese wirklich verdient. :thumleft: Ich bin auf weitere Meinungen mächtig gespannt!


    @Schokopraline: Ich wünsche dir schon mal viel Spaß, da es ja bereits auf dem Weg zu dir ist. :cheers:

    :jocolor: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa // Norman Davies (Projekt)



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