Klappentext:
Unglückliche Ehen und glückliche Mesalliancen, falsche Mütter und untergeschobene Söhne, mal heiter, mal wolkig - Ljudmila Ulitzkaja erzählt vom ganz normalen Leben in Russland. Und von Frauen, die ihrem Leben an einem scheinbar aussichtslosen Punkt eine unerwartete Wendung geben. Die Erzählungen bestechen durch scharfe Beobachtungsgabe, verschmitzten Humor, leise Töne und Zwischentöne sowie die liebevolle Sympathie der Autorin für ihre Figuren. (Verlagsseite dtv)
Zur Autorin:
Ljudmila Ulitzkaja, geboren 1943 bei Jekaterinburg, wuchs in Moskau auf. Sie schreibt Drehbücher, Hörspiele, Theaterstücke und erzählende Prosa. Ihre Werke wurden in viele Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht: 1996 erhielt sie den Prix Médicis, 2001 den russischen Booker Prize. 2008 wurde ihr der Aleksandr-Men-Preis für die interkulturelle Vermittlung zwischen Russland und Deutschland verliehen. 2014 erhielt sie den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Ljudmila Ulitzkaja lebt in Moskau. (Verlagsseite dtv)
Allgemeine Informationen:
Originaltitel der umfangreicheren russischen Originalausgabe: Ljudi nasego zarja
Aus dem Russischen übersetzt von Ganna-Maria Braungardt
Erstmals erschienen 2005
2007 bei dtv als Taschenbuch erschienen
17 Erzählungen in drei Kapiteln: Kurzschluss, Blutbande, Sie lebten lange
239 Seiten
Persönliche Meinung:
Eine unglaublich schöne Frau fühlt sich den Blicken der Männer ausgeliefert und heiratet einen Blinden. Eine Tochter wehrt sich gegen die Gewalt ihres beinamputierten alkoholkranken Vaters und riskiert dessen Tod. Zwillingsschwestern, inzwischen über 60 Jahre alt, kümmern sich ihr Leben lang um die Eltern, aber irgendwann sterben diese. Zwei Ehefrauen eines Mannes leben zusammen. Ein Mann weiß nicht, zu welcher Frau er gehört.
Die Autorin schafft es, aus Kurzgeschichten Biographien zu machen. Meist umreißt sie in einer Erzählung das ganze Leben eines Protagonisten. Sie schildert das Alltägliche, den Kampf ums Geld, mit dem Beruf, dem Ehepartner und den Kindern. Vor allem die Wohnsituation erscheint uns (heute und in unserm Land) erschreckend: Viele Menschen in einer Wohnung zusammengepfercht, pro Familie ein Zimmer mit Gemeinschaftsküche und –bad.
Doch im Alltäglichen findet Ulitzkaja das Besondere. Ein ungewöhnliches Gesicht, eine merkwürdige Eigenschaft, einen außerordentlichen Lebensentwurf. Wie im realen Leben auch sind es die Alltäglichkeiten, die mit dem Besonderen korrelieren und zu überraschenden Ereignissen und sonderbaren Wendungen führen.
Drama und Tragödie liegen dicht beieinander und bedingen sich gegenseitig. Weil die Autorin leicht und locker, verschmitzt und mitunter ironisch ihre Personen, deren Marotten und Entwicklungen betrachtet, liest sich das Buch lebendig und vergnüglich, auch wenn man Mitleid mit einigen Figuren hat.
Was ärgert: Warum schreibt der Verlag nicht „Erzählungen“ auf das Cover oder Vorblatt? Ich hatte den Klappentext nicht gelesen und begann die zweite Geschichte in der Annahme, es handle sich um das zweite Kapitel eines Romans.
Trotzdem: Das Buch gefiel.