Toivo Pekkanen - Meine Kindheit / Lapsuuteni

  • Der Autor (nach Klappentext und Wikpedia): Der Schriftsteller Toivo Rikhard Pekkanen wurde 1902 als Sohn eines Steinhauers in der südfinnischen Hafenstadt Kotka geboren. Da der Vater an Tuberkulose litt, musste der Junge frühzeitig zum Unterhalt der Familie beitragen. Neben seiner Lohnarbeit als Metallarbeiter, Sägewerker und Schmied brachte er sich alle notwendigen Grundlagen des „Schreibens“ als Autodidakt bei. Ab 1928 stand er der Gruppe „Tulenkantajat“ nahe und erntete erste Anerkennung für sein literarisches Schaffen. Ab zirka 1930 ließ er sich als freier Schriftsteller nieder. 1932 bis 1938 unternahm er Studienreisen nach Berlin, London, Paris und Stockholm. Pekkanen entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Literaten Finnlands, stets dem Realismus und dem Leben und Schicksal des Arbeiters verpflichtet, ohne in politische Agitation abzugleiten. Mit seinem Roman „Im Schatten der Fabrik“ thematisierte er zum überhaupt ersten Mal in der finnischen Literatur den Alltag von Industriearbeitern. Toivo Pekkanen starb am 30. Mai 1957 im Alter von 54 Jahren in Kopenhagen.


    Werke: „Die eisernen Hände / Rautaiset kädet“ (1927), „Hafen und Meer / Satama ja meri“ (1929), „Die Unsterblichen / Kuolemattomat“ (1931), „Im Schatten der Fabrik / Tehtaan varjossa“ (1932), Die Geschwister / Sisarukset“ (1933), „Menschen im Frühling / Ihmisten kevät“ (1935), „Schwarzer Rausch / Musta hurmio“ (1939), „Meine Kindheit / Lapsuuteni“ (1953), „Aufbruch zur Reise“ Gedichte (1955)


    Ich bekam plötzlich Lust nach einer Geschichte aus Skandinavien, vom harten Alltag Anfang des 20. Jahrhunderts - und da zog ich diese DDR-Veröffentlichung der Lebenserinnerungen des finnischen Schriftstellers Pekkanen aus dem Regal, deren düsterer Schmidt-Rottluff-Holzschnitt auf dem Einband ("Menschen am Strand") mich auf dem Flohmarkttisch einst angesprochen hatte.


    Gleich die ersten paar Sätze haben mich sehr für den Erzähler eingenommen:

    Zitat

    Im Haus war ein Kind gestorben. In den Flur jener Familie hatte man einen Sarg gebracht, und als die Eltern einmal weg waren, begannen die Geschwister des toten Kindes Beerdigung zu spielen.


    Zu Beginn werden drei frühe Kindheitserinnerungen berichtet (bevor es dann wohl etwas chronologischer weitergeht), die einen mit ihrer schlichten Wucht sofort überfallen, bringen sie doch gewissermaßen "Kindheit" archetypisch auf den Punkt: Zuerst geht es um Tod, Enge, Angst und Eingeschlossensein. Dann um Ausbruch, Wagemut und Lebensfreude. Schließlich um Weltaneignung, Prahlerei, Enttäuschung und Traurigkeit.


    Meine Güte, da kann sich jemand in die kindliche Psyche hineinversetzen. Ich bin sehr, sehr gerührt!


    Laut Klappentext war das Schwierigste bei der Arbeit an seiner Autobiografie für Pekkanen, "den Hass zu überwinden - den Hass, den er zwangsläufig noch einmal empfinden musste, als er jene bitteren Erinnerungen einer armen Jugend beschwor, die sich an der Grenze von Hunger und Elend abgespielt hatte."

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (54/151)


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    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Nach einer Reihe deprimierender Jugenderinnerungen über das unaufhaltsame Abgleiten der Familie in bittere Armut während des Ersten Weltkrieges, habe ich gerade das deprimierendste Kapitel gelesen, und muss eine Lesepause einlegen. Nicht einfach eine Anhäufung von tragischen Versatzstücken, sondern ein Konzentrat davon, wie Armut und Krankheit den Lebenswillen zerbrechen. Das vom sterbenskranken Vater gemurmelte Bibelzitat aus Jeremia spricht Bände: “Verflucht sei der Tag, darin ich geboren bin; der Tag müsse ungesegnet sein, darin mich meine Mutter geboren hat!“ (S. 176). Zum Heulen!

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