Vanessa Barbara - Salatnächte / Noites de alface

  • die Autorin:
    Vanessa Barbara wurde 1982 in São Paulo geboren. Sie ist Journalistin, Übersetzerin und Schriftstellerin sowie Herausgeberin der literarischen Website „A Hortaliça“. Außerdem schreibt sie Kolumnen für die brasilianische Zeitung „Folha de São Paulo“. 2012 wurde sie in die Granta-Liste der zwanzig besten NachwuchsautorInnen aufgenommen. Sie hat den brasilianischen Jabuti-Preis für Journalismus gewonnen und verfasst eine monatliche Kolumne in der New York Times.


    Klappentext:
    Ada und Otto sind seit über 50 Jahren verheiratet und leben kinderlos in einer kleinen Stadt. Sie teilen sich jeden Schritt ihres Lebens, Ada kocht Otto allabendlich Salattee gegen seine Schlaflosigkeit. Mit Adas plötzlichem Tod endet unvermittelt ihre beschauliche Alltagsruine. Otto bleibt allein zurück und fühlt sich verloren. Die Häuser des Ortes stehen eng beieinander und die Nachbarn unterhalten sich lautstark, weshalb Otto - ob er will oder nicht - alle Geschehnisse mitbekommt. Irgendwann merkt er, dass es im Dorf etwas gibt, das man ihm verheimlicht, wovon seine Frau aber sehr wohl wusste ... der „Zwischenfall“. Um ihn ranken sich witzige und absurde Episoden einiger Bewohner. Nico, der Apothekenhelfer, beschäftigt sich begeistert mit den Waschzetteln von Medikamenten und ihren Nebenwirkungen, Mariana, die junge Anthropologin, schaut sich nächtens ihren Lieblingsdokufilm über Eskimos an, der singende Briefträger bringt sämtliche Post durcheinander und Herr Taniguchi, an Alzheimer erkrankt, sorgt für Aufregung in der Nachbarschaft. Von Anfang an gibt es eine fast unmerkliche Fährte zu dem „Zwischenfall“, einem Mord, und schließlich laufen sämtliche Fäden genial zusammen und scheinbar absurde Handlungen erlangen ihren Sinn. Mit feinem, manchmal groteskem Humor und großer Leichtigkeit gelingt es Vanessa Barbara, liebevoll und lebensweise die Geschichten des Alltags zu erzählen, eine Art Psychogramm der kleinen Stadt mit all seinen komischen Bewohnern zu entwickeln und zugleich Spannung zu erzeugen.


    meine Meinung:
    Erzählt wird die Geschichte aus dritter Sicht.
    Mein Eindruck ist etwas zwiegespalten.
    Auf der einen Seite werden die Bewohner des kleinen brasilianischen Dorfes gut und treffend gezeichnet, es werden ihre kleinen Schwächen/Laster aufgedeckt und mit einem Augenzwinkern beleuchtet. Auch das enge und größtenteils freundschaftliche und hilfsbereite Miteinander der doch recht unterschiedlich gearteten Einwohner ist bemerkenswert. Jeder nimmt am Leben der anderen Teil und hilft wo er kann. Sei es der Apothekenhelfer, der der kleinen Gemeinschaft mit Vorliebe Beipackzettel vorliest und stets die kuriosesten Nebenwirkungen der Arzneimittel parat hat oder der Postbote, welcher laut singend die Post konsequent in die falschen Briefkästen steckt oder der 110-jährige Japaner, der erst in den 1970er Jahren bemerkte, dass der Krieg vorbei ist. Auch Akten zerfleischende, Vorgärten zerwühlende und Menschen anspringende/beißende Hunde sind kein Problem. Toleranz ist wichtig im kleinen Örtchen. Und so ist es kein Wunder, dass sie alle nach dem „Zwischenfall“, der erst gegen Ende der Geschichte für den Leser aufgeklärt wird, zusammenhalten und ihn vertuschen. Alle bis auf Otto, denn dieser hatte als Einziger keine Ahnung von dem „Zwischenfall“, macht sich aber so seine Gedanken.
    Und hier komme ich zur anderen Seite. Das Ende bleibt viel zu offen. Lediglich wir Leser erfahren, um was es sich bei dem „Zwischenfall“ handelt und was damals genau geschehen ist. Otto erfährt davon jedoch nichts, genau so wenig wie die Öffentlichkeit (hier kann man geteilter Meinung sein, ob das gut oder schlecht ist). Das heißt, die Situation hat sich für keinen der Beteiligten verändert - alles bleibt so wie es war. So hatte ich nach der letzten Seite das Gefühl, mich lediglich einmal im Kreise gedreht zu haben. Kein befriedigendes Gefühl, schließlich soll doch eine gute Geschichte eine Botschaft vermitteln, uns etwas lernen bzw. etwas verändern. Dies hat diese Geschichte bei mir nicht getan. Schade, denn der Schreibstil der Autorin ist gut, auch der etwas subtile Humor hat mir gefallen. Da wäre deutlich mehr drin gewesen.


    Bewertung:
    Die Geschichte hat durchaus Potential. Die Charaktere und das Dorfleben sind sympathisch und man kann sich gut in die Situationen hineinversetzen.
    Wer etwas grotesken Humor gepaart mit schrulligen Charakteren mag und nichts gegen ein doch recht offenes Ende hat, dem kann ich diese Geschichte empfehlen. Wer ein abgeschlossenes und eindeutiges Ende bevorzugt, der sollte lieber die Finger von diesem Buch lassen.
    Für die gute Idee, die sympathischen Charaktere und den angenehmen Schreibstil vergebe ich :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

    Liebe Grüße von Pippilotta :-) :winken:


    Fernsehen bildet. Immer wenn der Fernseher an ist, gehe ich in ein anderes Zimmer und lese.
    Groucho Marx

    Ich :study: gerade:
    Barry Jonsberg - Das Blubbern von Glück
    Bill Bryson - Eine kurze Geschichte von fast allem