Elif Shafak - Der Architekt des Sultans / The Architect's Apprentice

  • 16. Jahrhundert, Istanbul (das zu dieser Zeit Konstantinopel heisst - keine Ahnung, warum die Autorin diesen Namen ignoriert). In dieser Weltstadt kommt der elfjährige Jahan mit einem weißen Elefanten an, der ein Geschenk des Schahs von Indien für den Sultan des Osmanischen Reiches ist. Der Junge wird mit seinem Tier in der Menagerie untergebracht und findet sich plötzlich wieder mitten im Zentrum dieses mächtigen Herrschaftsgebietes. Doch erst, als er den angesehenen und einflussreichen Hofarchitekten Sinan trifft, erfährt sein Leben eine unerwartete Wendung hin zum Guten. Sinan nimmt ihn als einen seiner wenigen Schüler an, die eng mit ihm zusammenarbeiten. Zusammen mit drei Anderen lernt er das Handwerk der Architektur und ist gleichzeitig stets eng verbunden mit den Geschehnissen im Palast: Intrigen, Freundschaften, Kriege, Liebe. Immer dabei: sein geliebter Elefant Chota.
    Auch wenn sich die Geschichte um die Figur Jahan rankt, ist es doch keine über ihn, sondern über diese Epoche Istanbuls. Shafak erzählt in detaillierter Weise und höchst ausführlich über die Verhältnisse und die Menschen der damaligen Zeit. Manchen mag dabei die Langeweile überkommen, Anderen eine tiefgreiferende Beschreibung der Protagonisten fehlen - ich war jedoch gebannt von diesem bunten, aber auch elenden und teilweise grausamen Leben im damaligen Istanbul. Es ist ein Schmöker im besten Sinne, farbenprächtig ausgeschmückt mit viel Liebe zum Detail, der auf der Grundlage wahrer Personen beruht. Doch die Autorin nimmt diese nur als Anhaltspunkte, wie sie im Nachwort erläutert, und passt manche Gegebenheiten an ihre Vorstellungen an. Auch ist nicht alles unter streng realistischen Gesichtspunkten zu betrachten - Manches gehört sicherlich ins Reich der Phantasie.
    Nur das Ende ließ mich etwas unzufrieden zurück. Als sich alles anfing aufzulösen, begann offenbar auch die Detailfreude Elif Shafaks nachzulassen, Vieles wirkte nur noch recht oberflächlich - die Geschichte verlor für mich ihren Zauber. Dennoch: Ein richtiger Schmöker für lange Stunden.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Der Architekt des Sultans von Elif Shafak ist am 01. April 2015 beim Kein&Aber-Verlag erschienen
    Der Roman ist 647 Seiten stark und im Anschluß folgt eine Anmerkung der Autorin zu den historischen Inhalten sowie eine Danksagung und ein Clossar türkischer Begriffe


    Die Autorin: (laut Klappentext)
    Elif Shafak, in Straßburg geboren, gehört zu den meistgelesenen Schriftstellerinnen in der Türkei.
    Die preisgekrönte Autorin von dreizeht Büchern, darunter Der Bastard von Istanbul (2007), Die vierzig Geheimnisse der Liebe (2013) und Ehre (2014), schreibt auf Türkisch und auf Englisch.
    Ihre in der Türkei teilweise heftig umstrittenen Werke sind in über dreißig Ländern erschienen.
    Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in London und Istanbul.


    Inhaltsangabe: (Klappentext und Buchrücken)
    Es ist einfacher, eine Brück einzureißen, als eine zu bauen.
    Istanbul im 16. Jahrhundert. Es ist die Blütezeit des Osmanischen Reichs, die Stadt das wimmelnde Zentrum des Orients, als Jahan auf einem Schiff im Hafen anlegt. Aus dem fernen Indien angereist, führt er einen weißen Elefanten mit sich, ein Geschenk seines Schahs für die Menagerie des Sultanspalasts.
    So beginnt ein episches Abenteuer, in dem sich der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Junge plötzlich im Herzen des mächtigen Reichs wiederfindet, inmitten des Prunks und des Reichtums.
    Ihm begegnen hinterlistige Höflinge, falsche Freunde, Zigeuner, Tierbändiger und die schöne Prinzessin Mihrimah.
    Doch es ist die Begegnung mit dem Hofarchitekten Sinan - dem berühmtesten Baumeisters der islamischen Welt -, welche Jahans Schicksal für immer verändern wird. Gemeinsam bauen sie Moscheen und Paläste, Mausoleen und Aquädukte, die alle Zeiten überdauern sollen. Doch hinter Jahans neuem Glück lauern Intrigen und Kriege, deren Zerstörungswut größer scheint als alles Bestreben, Neues zu schaffen.


    Meine Meinung:
    Anders als der deutsche Titel vermuten lässt, erzählt das Buch nicht etwa die Geschichte des großen Architekten Sinan, sondern das von Jahan, einem Jungen, der als Mahut mit seinem Elefanten an den Hof des Sultans kommt und ein Schüler Sinans wird. Im Original lautet der Titel auch The Architect's Apprentice, was wesentlich besser passt.


    Der Schreibstil von Elif Shafak ist wunderbar bildhaft.
    Ich empfand das Buch zwar nicht als so unglaublich fesselnd, dass ich es nicht mehr aus der Hand hätte legen können, aber sobald ich darin las konnte ich in der Geschichte versinken und da die Szenen direkt vor mir entstehen.
    Sehr gut gefallen hat mir auch der (wenn auch von der Autorin bewusst an die Story angepasste) geschichtliche Hintergrund. Ich fand es sehr interessant und spannend von Sinan, dem großen Architekten der Süleymaniye-Moschee und vielen anderen herrlichen Bauwerken, seinen Zeitgenossen wie z.B. dem Astronomen und Universalgelehrten Takiyüddin (Taqi ad-Din) sowie den sozialen und politischen Geschehnissen des damaligen Istanbuls zu lesen.
    Auch hat es die Autorin geschafft, mich mit ihren Charakteren mitfühlen zu lassen. Ich habe mich mit Jahan gefreut, mit Yusuf getrauert mich über Rüstem Pascha empört und mit Takiyüddin gelitten.
    Der Architekt des Sultans war mein erstes Buch von Elif Shafak, aber ganz bestimmt nicht mein letztes.


    Ein schönes Buch zum Abschalten und Schmökern.
    Von mir gibt es daher gute :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Life isn't about waiting for the storm to pass.....
    it's about learning to dance in the rain!


    2018 gelesene Bücher 45 :study: 20122 Seiten
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  • @Xirxe
    Mir ging es anfänglich ähnlich wie dir, auch mich hat es gestört in einem historischen Roman von Istanbul zu lesen - statt von Konstantinopel, wie die Stadt zu dieser Zeit hieß.
    Allerdings habe ich später erfahren, damit liegt kein Fehler der Autorin oder des Übersetzers vor.
    Zur damaligen Zeit hieß die alte Stadt auf der Halbinsel zwischen Marmarameer, Bosporus und Goldenem Horn, die nach Westen durch die Landmauer abgeschlossen wurde tatsächlich Istanbul, also eher ein Stadtteil. Daher wechselt die Autorin im Verlauf des Romans auch zwischen Konstantinopel und Istanbul.

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    2018 gelesene Bücher 45 :study: 20122 Seiten
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