Melville Davisson Post - Onkel Abner, der Meisterdetektiv / Uncle Abner: Master of Mysteries

  • Der Autor (unter Zuhilfenahme vom Klappentext, der englischen Wikipedia und diversen US-Internetseiten): Melville Davisson Post (geboren am 19. April 1869 im Harrison County in West Virginia) war ein US-amerikanischer Kriminalschriftsteller. 1892 schloss er sein Jurastudium an der West Virginia University ab. Im Jahr 1896 veröffentlichte er seine erste Sammlung mit Kriminalgeschichten. Berühmt wurde er mit seinen Detektivgeschichten, in deren Mittelpunkt Onkel Abner steht, ein bibelfester Amateur-Kriminologe, der im US-Bundesstaat Virginia des 19. Jahrhunderts Verbrecher überführt und dafür sorgt, dass Schuld gesühnt wird und ungerecht Angeklagte frei kommen. Die seinerzeit viel gelobten Geschichten - die gut und gerne in einem Atemzug mit Sherlock Holmes, C. Auguste Dupin, Arsène Lupin oder Pater Brown genannt werden können - erschienen in Fortsetzungen in amerikanischen Zeitungen (vor allem in „The Saturday Evening Post“) zwischen 1911 und 1928. Der erste Onkel-Abner-Sammelband erschien 1918 („Uncle Abner: Master of Mysteries“) und enthielt 18 Geschichten. Insgesamt schrieb Post 22 Geschichten mit Onkel Abner, von denen immerhin 14 auch ins Deutsche übersetzt wurden, und im Jahr 1975 unter dem Titel „Onkel Abner, der Meisterdetektiv“ in der Reihe Heyne Crime Classics erschienen sind - die einzige Möglichkeit, Onkel Abner in deutscher Übersetzung kennenzulernen.

    Der Vielschreiber Post gilt als einer der ersten Vertreter einer psychologischen Detektivliteratur in Amerika. Seine Geschichten entwickelten sich aus dem Charakter der handelnden Personen heraus. Die Fälle um Onkel Abner werden von Abners kleinem Neffen Martin (einem etwa zehnjährigen Kind) erzählt, der ihn ständig begleitet, was im Genre der Kriminalliteratur damals eine völlig neue Idee war. Allerdings ist der Junge ein reiner Beobachter, nimmt kaum bis gar nicht am Geschehen teil. Oft versteht er nicht, wie als Sprachrohr des Lesers, was Onkel Abner beabsichtigt.


    Melville Davisson Post, der noch einige andere Serienfiguren schuf, unter anderem Sir Henry Marquis, Monsier Jonquelle und Randolph Mason, starb im Jahr 1930, nachdem er unglücklich von einem Pferd gefallen war. Nach seinem Tod schrieb John F. Suter (1914-1996) weitere Geschichten mit Onkel Abner.


    Bei den in diesem Band versammelten Geschichten handelt es sich wirklich um außergewöhnliche Kriminalliteratur. Sie sind einer „alttestamentarischen“ Gerechtigkeit verpflichtet, die heute sehr archaisch wirkt, ungewohnt für Menschen in einem säkularen Staat mit einem Bürgerlichen Gesetzbuch in der Hinterhand. Sie spielen in der Zeit vor dem amerikanischen Bürgerkrieg, in einer Zeit, als es noch kein funktionierendes Polizeisystem in den Vereinigten Staaten von Amerika gab. Als Menschen das Gesetz oft noch in die eigenen Hände nahmen. Ort des Geschehens sind die urwüchsigen Appalachen, damals Grenzland, in dem harte Männer leben, Pioniere, die ihr Land vor nicht allzu langer Zeit der Natur (oder den eingeborenen Völkern) abgetrotzt haben. Die ihr Hab und Gut ständig verteidigen müssen. Hier verläuft die Grenze zwischen Zivilisation und Urwüchsigkeit. Die Hauptfigur Abner ist ein allseits geachteter Mann, streng, groß und kräftig, mit einer Stimme, die andere zum Verstummen bringt. Er ist von natürlicher Autorität und stark im Glauben. Er reist viel umher im Staat, oft an der Seite eines Friedensrichters, im Schlepptau stets seinen kleinen Neffen, und hört sich die Sorgen seiner Nachbarn an, erteilt Ratschläge oder schlichtet Streit. In meiner Vorstellung ist er eine Mischung aus Jason Robards in „Spiel mir das Lied vom Tod“ und John Huston in „Die Bibel“. Mehr John Wayne als James Stewart. Mehr Gandalf als Pater Brown.
    Doch die Onkel-Abner-Geschichten sind keine religiöse Literatur im engeren Sinne, auch wenn ihre Hauptfigur streng gläubig ist: Es werden keine Abhandlungen über Glaubensfragen herunter gebetet, es wird nicht missioniert (keine Bange!). Die Religion ist allerdings die Grundlage für das Rechtsverständnis der Hauptfigur, die in einer Welt lebt, wo das Gesetz und Gerechtigkeit nicht unbedingt übereinstimmen müssen.
    Verschiedene klassische Motive der Detektivliteratur finden sich in diesem Band. Seltsame Leichenfunde, junge Frauen, die um ihr Erbe geprellt werden sollen, Gerichtsverhandlungen mit überraschenden Einsprüchen und Plädoyers. Wie wurde ein Mann erschossen, dessen Körper kein Einschussloch aufweist? Welcher Täter vergiftet sein Opfer, um es dann noch zu erschießen? Man bekommt es mit Closed-Room-Mysteries, falscher Begierde, Brudermorden und oft auch falschen Anschuldigungen zu tun. Mit Viehdieben und mit diebischen Sklaven (oder doch nicht). Manchmal muss erst geklärt werden, ob überhaupt ein Verbrechen vorliegt. Oder welches. Onkel Abner ist ein genauer Beobachter und Mann weniger Worte. Er schaut sich die Tatorte ganz genau an, entdeckt Beweise, liest Fährten und Spuren und befragt alle Beteiligten. Mit den Tätern „geht er ins Gericht“, redet ihnen ins Gewissen. Er lässt sich nicht von Vorurteilen und schnellen Verurteilungen leiten. Manchmal dreht er eine Beweiskette einfach um, bis sie (unter anderen Vorzeichen als der angenommenen Schuld des Angeklagten) plötzlich zum ersten Ankläger zurückführt. Die Meute, die daraufhin gleich zur Lynchjustiz schreiten will, erinnert er mit sonorer Stimme daran, dass auf diese Weise nichts bewiesen wurde - außer der Zweifel am Hergang der Tat. Oft versucht er den Tätern eine Möglichkeit zu schaffen, die Schuld, die sie anderen getan haben, wieder zu sühnen. Und manchen Tätern setzt er, nachdem er sie überführt hat und ihr schändliches Tun beendet hat, auch gar nicht hinterher, wenn sie in die Einöde verschwinden, da er den Schaden bereits von ihren Opfern abwenden konnte, und die Täter nun (auf der Flucht, in der Wüste) in Gottes richtender Hand sind. So wirkt manches Vorgehen, manche Auflösung oft sogar befremdlich. Doch alles ist akurat entwickelt und logisch aufgebaut. Ein Blick in eine fremde Welt.


    Sehr unterhaltsame, nicht immer spannende, aber immer interessante und überraschende Kriminalgeschichten, die einen lebendigen Eindruck der amerikanischen Gesellschaft des „Wilden Westens“ vermitteln; erzählt um eine sehr originelle, beeindruckende Detektivfigur. Für Freunde klassischer Westerngeschichten und -filme eine Bereicherung, für Leser klassischer Kriminalgeschichten dagegen eine fast notwendige Lektüre.

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (214/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • Hier hänge ich noch eine englische Kindle-Ausgabe an, 229 Seiten von "Bloomsbury Reader" , veröffentlich am 7. November 2013

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (214/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • In diesem Buch "Old Land, Dark Land, Strange Land: Stories by John F. Suter" finden sich fünf von 15 Kurzgeschichten rund um Onkel Abner, die John F. Suter auf Einladung der Erben Melville Davisson Posts geschrieben hat - und das bald sechs Jahrzehnte nach der letzten originalen Onkel-Abner-Geschichte.

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (214/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)