Das Buch: Die schönsten Liebesgedichte von Jörn Pfennig - das wäre sicher der wirksamste Untertitel für diese Auswahl aus den bisher erschienenen Gedichtbänden des Autors, aber er träfe nur teilweise zu. Für einen Realisten von der Art Jörn Pfennigs schließen sich Einfühlsamkeit und unnachgiebiges Beobachten nicht aus. Sein Optimismus läßt sich nicht auf "positives Denken" reduzieren und seine Breitschaft, auch die traurigen bis trostlosen Aspekte einer Beziehung in Worte zu fassen, nicht auf Pessimismus. Entstanden sind so wahrhaft schöne Liebesgedichte, aber eben auch solche, die in ihrer Melancholie, Ironie oder Wut gar nicht "schön" sein wollen. Nennen wir's also - weniger wirksam, aber um so richtiger: die treffendsten Gedichte Jörn Pfennigs über die Liebe und alles, was dazu gehört.
Der Autor: Jörn Pfennig, Jahrgang 1944, wuchs in Tübingen auf, studierte in München und war dort fast dreißig Jahre lang in verschiedenen künstlerischen Bereichen aktiv. Heute lebt er als Schriftsteller und Jazzmusiker in Burghausen.
Bei diesem Buch handelt es sich meiner Meinung nach um eines mit den schönsten Liebesgedichten, die ich bisher kennen lernen durfte. Mit dem Beginn einer neuen Liebe entdeckt, war ich wohl besonders zugänglich für Liebesgedichte aller Art. Die besondere Schreibart und gut gelungene Verdichtung von Jörn Pfennig hat mich gleich gefangen genommen und seitdem nicht mehr los gelassen. Was besonders magisch wirkt, dass man sich in den Gedichten wieder finden kann. Das zitierte Gedicht beschreibt dabei genau die Situation, wie sich das erste Treffen mit der Liebsten gestaltete. Wüsste ich nicht, dass es bereits einige Jahre auf dem Buckel hat, könnte ich fast glauben, der Autor hätte uns aus nächster Nähe beobachtet. Dieses Sichwiedererkennen macht dieses Buch für mich sehr wertvoll.
Fast verpaßt - Jörn Pfennig
Neu und gierig trieb uns
unsere Zuneigung
durch den Park
im Oktober.
Fast hätten wir sie
überholt
so hastif
redeten wir uns
vorwärts.
Doch der Herbst hatte
ein Einsehen mit uns
und unserer
aufgeregten Ferne.
Er schickte durch den Rwst
der Wärme von gestern
eine Kälte von morgen
ließ uns frösteln
der alte Kuppler
und zwingend zog es
meine Hand in deine.
Da überlief mich
deine Gänsehaut
und die kam nicht
aus der Kälte.
(Jörn Pfennig: Liebeslänglich; Wilhelm Heyne Verlag München, 1995, S.10)