Marcel Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (ab 16.03.2015)

  • Für alle Interessierten des Lebens von Marcel Proust: Diese Biografie hatte ich als erstes gelesen (mittlerweile stehen hier vier Biografien, diverse Begleitbücher und sein weiteres - allerdings unvollendetes - Werk Jean Santeuil).


    Biografische "Kurzdaten": Marcel Proust wurde 1871 geboren. Sein Vater war ein recht bekannter Arzt, sein einziger Bruder wurde ebenfalls Arzt. Zeit seines Lebens litt er unter Asthma, weshalb er nie offiziell einen Beruf ausübte und stattdessen "in Gesellschaft ging", also Veranstaltungen der besseren Gesellschaft besuchte. Die letzten Jahre seines Lebens hatte sich sein Asthma so sehr verschlimmert, dass er nur noch im Bett lag und dabei die "Suche nach der verlorenen Zeit" geschrieben hat.

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Proust - Bis Seite 40


    Nun kommt Monsieur Swann ins Spiel. Spannend finde ich das Auftreten eines gewissen "Fabourg Saint-Germain" wisst ihr zufällig, ob das ein typischer Name für Frankreich ist? Ich weiß zwar nicht, wie es in diesem Buch ist, aber in der Highland-Reihe von Diana Gabaldon spielt ein Saint-Germain als Bösewicht eine Rolle und wenn ich mich Recht entsinne ist ein Saint-Germain in der Edelstein-Trilogie der Antagonist. Ich stelle mir nun die Frage, ob diese Namensgebung eine Rolle spielt oder aus der Luft gegriffen ist? Auch, wenn ich noch nicht weiß, ob Saint-Germain im weiteren Verlauf in "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" noch eine Rolle spielen wird.


    Jetzt geht auch die richtige Handlung los und ich komme schnell in den Lesefluss, wenn mich auch die Anmerkungen, für die man immer hinten ins Buch blättern muss, manchmal rausreißen. Ich versuche es nur zu machen, wenn ich auch Verständnisprobleme beim Lesen habe oder wirklich interessiert in etwas bin, sonst ist man ja nur noch am Seiten blättern. Wie haltet ihr das?


    Wisst ihr zufällig, in welcher Zeit genau das Buch spielt? Einerseits wird auf Geschehnisse von 1891 hingewiesen, andererseits wird in den Anmerkungen davon gesprochen, dass dieses oder jenes den Text in die 80er Jahre datiert. Erschienen ist es 1913, so viel konnte ich schon mal herausfinden.


    Ich habe mich auch in diesem Teil wieder gefunden:


    Zitat

    [...] wie gewisse von einer Manie besessene Personen, die sich bemühen, wenn sie eine Tür schließen, an nichts anderes zu denken, um, wenn wieder die krankhafte Ungewißheit über sie kommt, ihr triumphierend die Erinnerung an den Augenblick, wo sie sie geschlossen haben, entgegensetzen zu können.


    Irgendwie scheinend ihr unterschiedliche Vorstellungen davon gehabt zu haben, wo wir die ersten zwanzig Seiten beginnen, wie ich gerade sehe. Dann lese ich noch mal eben fix bis Seite 50, dann sind wir alle an der gleichen Stelle, oder?

  • Auch ich habe mir übrigens noch etwas zum Buch dazubestellt gehabt, mal sehen, wie das so ist. Es handelt sich um unten angezeigtes Buch. Klang ganz nett so als "Apetizer" und Verständnishilfe, wobei ich mir Proust auch um ehrlich zu sein sehr viel schwerer vorgestellt habe. Er schreibt sehr bildhaft, manchmal etwas komplex, doch sehr gut verständlich. Ich bin gespannt, ob sich das noch ändern wird, denn so gefällt mir das Buch bisher sehr sehr gut!

  • Proust - Bis Seite 40


    [...]


    Irgendwie scheinend ihr unterschiedliche Vorstellungen davon gehabt zu haben, wo wir die ersten zwanzig Seiten beginnen, wie ich gerade sehe. Dann lese ich noch mal eben fix bis Seite 50, dann sind wir alle an der gleichen Stelle, oder?


    Ich hab gestern bis Seite 27 gelesen und hätte jetzt einfach nur bis 40 gelesen, so wie du heute. Dann wären wir auch auf dem gleichen Stand gewesen... Da ich ja heute nach der Arbeit noch Schule hab, wäre mir das auch ganz recht ;)

    LG Jani



    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."

    Heinrich Heine

  • Knü:


    Der Fabourg St. Germain ist ein Stadtviertel von Paris, in dem viele Adlige leben, besonders der Hochadel (Prinzen, Herzöge) usw. Wenn vom Fabourg St. Germain gesprochen wird, ist das ein Synonym für den Hochadel von Frankreich, bei dem Swann verkehrt.


    Jaaa, wegen der Zeitschiene - das ist sehr kompliziert. Aus dem ganzen Werk (ich denke, das kann ich sagen, ohne zu spoilern) ergeben sich kaum Anhaltspunkte, wann es spielt und wie alt der Erzähler zu dem Zeitpunkt ist. Ich hatte mal in einem Buch, das ich mir aus der Bücherei ausgeliehen habe, eine Zeitschiene entdeckt, aber da kann ich mich nicht mehr so genau dran erinnern. Ich denke, wenn man von einer gewissen Personenidentität zwischen Erzähler und Marcel Proust ausgeht, und wenn man weiß, dass er 1871 geboren wurde, und wenn er zu Beginn des Buches (als er sich an seine Kindheit erinnert), noch ein kleiner Junge ist - ab 8 Jahre?, würde ich den Beginn des Buches auf ca. 1880 ansetzen.


    Wegen dem Lesetempo: Diese Woche habe ich noch Urlaub, muss nächste Woche aber wieder zur Arbeit. Daher würde ich auch dafür plädieren, "Tempo rauszunehmen" und heute bis ca. S. 40 zu lesen.

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • @Castor, @Icecube84, noch habe ich nicht weiter gelesen, dann können wir es also bei Seite 40 belassen und morgen gemeinsam bis Seite 60 weiterlesen.


    @Castor Ja, mich hat es auch schon gewundert, dass es bisher kaum Anhaltspunkte zum Alter des Protagonisten gibt (wurde dessen Name eigentlich überhaupt schon genannt? Wenn ja, habe ich den gekonnt überlesen...). Die Ansicht des Vaters, dass der Junge schon zu alt für einen Gute-Nacht-Kuss ist hilft da auch nicht weiter. Vielleicht ist der Junge erst fünf, vielleicht ist er schon 16. Vom Gefühl her würde ich aber auch auf ca. 8 tippen.


    So eine Zeitleiste zu äußeren (Erscheinungsdatum, wann geschrieben, was passierte derweil bei Proust selbst) und inneren Daten (in welchem Jahr befinden wir uns aktuell, wann ist der Protagonist geboren etc.) wäre wirklich toll. Allerdings würde man dann vielleicht auch einiges erfahren, was man erst im Verlauf des Werkes herausfinden soll.
    Vielleicht ist es ja auch ein ganz besonderes Stilmittel Prousts, dessen er sich hier bedient und unsere (meine) Verwirrung ist gewollt. ;)

  • wurde dessen Name eigentlich überhaupt schon genannt? Wenn ja, habe ich den gekonnt überlesen...


    Genau so saß ich gestern da. Nach dem Motto: Wie heißt der eigentlich und wie alt genau ist er???
    Bin ich also nicht allein verwirrt gewesen ;)


    Super danke, dann machen wir das so.
    Heute bis Seite 40 und dann morgen weiter in 20er Schritten.

    LG Jani



    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."

    Heinrich Heine

  • So, jetzt habe ich noch mal in meinen "Gesammelten Werken über/von Proust" gestöbert :loool: , und zwar im "Marcel-Proust-Lexikon" (das Buch, das du, Knü, erworben hast, steht hier ebenfalls - ich kann nichts dafür, ich bin Proust-süchtig).


    Im Marcel-Proust-Lexikon ist ansatzweise ein "Stammbaum", den ich erstmal nicht vollständig wiedergebe, über die Generationen im Buch:
    1820: die Großmutter
    1850: die Eltern, Swann
    1880: der Erzähler (lag ich doch ganz gut mit meiner Schätzung)


    Auch im Lexikon wird er nur der "Erzähler" genannt, es fällt niemals sein Name


    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Das ist ja nett, wieder einmal eine Leserunde zu Proust, dies hatten wir schon einmal, leider sind wir nicht sehr weit gekommen,
    Marcel Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (ab 01.05.2009)


    ich hab mit vielen Anläufen den ersten Band zu 80% geschafft und werde irgendwann wieder weiterlesen. :wink: Das angehängte Buch ist ganz nett und enthält unter anderem eine Autorenbiographie, Bibliographie der wichtigsten Sekundärliteratur sowie einer Auswahl von Originalzitaten und einem Proust-Knigge für Hochstapler. :lol:
    Ich wünsch euch viel Spass und nicht aufgeben, auch wenn es sich zieht.
    Liebe Grüße Mara

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Echt? Also entweder war ich da menthal wo anders oder ich habs anders verstanden.


    Ich habe das so verstanden, dass er früh schlafen ging um eben diesen Träumen nachzufolgen. Allerdings ist es im weiteren Verlauf eher umgekehrt, denn er macht
    aus dem fehlenden Gute Nacht Kuss und dem schweren Gang über die Treppe zum Schlafzimmer nach oben so ein riesiges Drama, (das geht auf Seite 40 los) dass meine
    Theorie da ins Wanken gerät. Das was er aber zu Träumen und der Zeit des Erwachens schreibt, bleibt weiterhin sehr schön und nachvollziehbar.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Was ich an Proust unwahrscheinlich liebe, sind seine Schilderungen; er ist ein genauer Beobachter nicht nur von Gegenständen, sondern auch von Personen. Genau wie bei der Schilderung von Swann, bei der er schon erkennt, dass sich die Person "Swann" immer wieder ändert und der Swann aus seiner Kindheit nicht identisch ist mit einem "späteren Swann".


    Diese Stelle hat mir auch ausnehmend gut gefallen. Der Erzähler erkennt, ganz in Gegensatz zu seiner Großtante, dass sich das Bild, das wir von Menschen
    haben sich im Laufe der Zeit verändern kann.


    Zitat

    ...und das ich das Gefühl habe, die eine Person zu verlassen, um zu einer deutlich davon unterschiedenen anderen zu gehen, wenn ich in meinem Gedächtnis
    von dem Swann , den ich später genau kennengelernt habe, zu jenem ersten Swann zurückkehre - jenem ersten Swann, in dem ich die reizvollen Irrtümer meiner Jugend
    wiederfinde....


    Die Sprache ist einfach grandios und die genauen Beobachtungen zum Wesen der Menschen gefallen mir sehr gut.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Das ist ja nett, wieder einmal eine Leserunde zu Proust, dies hatten wir schon einmal, leider sind wir nicht sehr weit gekommen,
    Marcel Proust - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (ab 01.05.2009)


    ich hab mit vielen Anläufen den ersten Band zu 80% geschafft und werde irgendwann wieder weiterlesen. :wink: Das angehängte Buch ist ganz nett und enthält unter anderem eine Autorenbiographie, Bibliographie der wichtigsten Sekundärliteratur sowie einer Auswahl von Originalzitaten und einem Proust-Knigge für Hochstapler. :lol:
    Ich wünsch euch viel Spass und nicht aufgeben, auch wenn es sich zieht.
    Liebe Grüße Mara


    Oh je, Mara, ich habe mir den Thread mal angeschaut, da wart ihr ja nicht so erfolgreich :D Gerne kannst du dich noch bei uns beteiligen oder später einsteigen, wenn wir etwa an der Stelle sind, wo du aufgehört hast! Noch sind wir ja auch erst auf Seite 40. :)

  • Oh je, Mara, ich habe mir den Thread mal angeschaut, da wart ihr ja nicht so erfolgreich Gerne kannst du dich noch bei uns beteiligen oder später einsteigen, wenn wir etwa an der Stelle sind, wo du aufgehört hast! Noch sind wir ja auch erst auf Seite 40.


    Das ist lieb, aber im Moment hab ich so gar keine Lust auf Proust. :wink:

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Bis S. 40
    (da musste ich mich ein wenig bremsen, ich war schon auf S. 41, als ich entdeckte, dass ich schon übers Ziel hinausgeschossen war :pale: )


    Bei der gesamten geschilderten Szene (Swann kommt zu Besuch) musste ich herzhaft lachen - und irgendwie hatte ich dabei das Bild vor Augen, wie Marcel Proust im Bett in seinem dunklen Schlafzimmer sitzt, die Szene schreibt - und dabei diabolisch lacht :twisted: .
    Wie genau er die Menschen, seine Familie, schildert, und dabei auf ihre Schwächen eingeht!
    Der klatschsüchtige Großvater


    Zitat

    Nun interessierte sich mein Großvater lebhaft für alle Einzelheiten, die ihm dazu verhelfen konnten, sich das Privatleben von Männern wie Molé, dem Herzog Pasquier oder dem Herzog von Broglie vorzustellen

    ,


    wohingegen die Großtante Swann aus genau denselben Gründen deklassiert.


    Die Schwestern der Großmutter hingegen schweben in völlig anderen Welten. Man merkt Prousts Schilderung an, wie wenig er von ihnen hält; ihnen fehlt "jenes Körnchen Salz", um z.B. an Klatsch Interesse zu finden.


    Und nachdem er alle handelnden Personen vorgestellt hat, kann die Szene beginnen und ablaufen, und der Leser kann sich zurücklehnen und genießen.

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

    Madeline Martin, Der Buchladen von Primrose Hall

  • Man merkt Prousts Schilderung an, wie wenig er von ihnen hält; ihnen fehlt "jenes Körnchen Salz", um z.B. an Klatsch Interesse zu finden.


    Klatsch scheint aber auch das einzig erlaubte Thema in der Familie zu sein. Swann entschuldigt sich ja förmlich ein ernstes Thema angeschlagen zu haben, als er kurz über
    Zeitungen und Bücher spricht.


    Findet ihr die Fixierung des Jungen auf den Gute Nacht Kuss der Mutter nicht auch etwas übertrieben? Das beginnt ja schon auf S.35 mit diesem Satz:


    Zitat

    Der einzige unter uns für den Swanns Kommen ein Gegenstand schmerzvoller Sorge war, war ich. Denn an den Abenden wo Gäste oder selbst nur Monsieur
    da waren, kam Mama nicht in mein Zimmer herauf.


    Das ist erst der Anfang des Dramas. Das ganze wird ab S. 40 förmlich zum Familiendrama. Zumindest aus der Sicht des Jungen. Dazu aber später noch.

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    William Shakespeare


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  • Ich frage mich halt dabei, wie alt is das Kind?
    Wissen wir das? Ich glaube nicht.
    Allgemein hab ich ja das Gefühl, dass dem Kind nicht viel Zuneigung entgegen gebracht wird und er wirklich nur diesen Kuss am Abend hat. Und wenn man so um die 7 - 8 Jahre alt is, dann kann das einem Kind schon sehr weh tun, wenn er diesem am Abend nicht bekommt.
    Aber kann man sich als Kind, in diesem Alter, so gut an andere Personen erinnern?

    LG Jani



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    Heinrich Heine

  • Das ist erst der Anfang des Dramas. Das ganze wird ab S. 40 förmlich zum Familiendrama. Zumindest aus der Sicht des Jungen. Dazu aber später noch.


    Es wäre toll, wenn vielleicht jede_r von uns immer die im eigenen Post besprochene Stelle benennt. Dazu reicht schon ein "Bis Seite 40" oder ähnliches in der Überschrift. Dann liest keiner schon Sachen, die er eigentlich noch nicht lesen wollte (so wie ich gerade in @taliesins Post. Da war das jetzt natürlich kein Weltuntergang, aber bei wichtigeren Sachen kann sowas richtig weh tun) Also wäre es supi, wenn alle dran denken würden :friends: Auch wenn es um Kommentare zu anderen Posts geht.

  • Da war das jetzt natürlich kein Weltuntergang, aber bei wichtigeren Sachen kann sowas richtig weh tun) Also wäre es supi, wenn alle dran denken würden


    Sorry, ich werde daran denken. Manchmal schneidet Proust Themen an, die über die vereinbarten 20 Seiten hinweggehen und da ich dann unbedingt wissen will, wie
    das Thema sich fortsetzt, gehen mir halt von Zeit zu Zeit die Pferde durch. Wenn es wirklich wichtig gewesen wäre, hätte ich allerdings darauf verzichtet. :uups:

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  • Proust - S.40 - 60


    Allgemein hab ich ja das Gefühl, dass dem Kind nicht viel Zuneigung entgegen gebracht wird und er wirklich nur diesen Kuss am Abend hat. Und wenn man so um die 7 - 8 Jahre alt is, dann kann das einem Kind schon sehr weh tun, wenn er diesem am Abend nicht bekommt.


    Genau dieses Alter hätte ich auch geschätzt, aber mal ehrlich, auch für einen kleinen Jungen scheint mir sein Verhalten beinahe zwanghaft. Beispiel: der Brief den er
    seiner Mutter überbringen lässt (S. 47) und das finale Abfangen der Mutter beim Zubettgehen. (S.56) Auch seine Aussage, dass er in`s Internat gesteckt wird, (S.51)
    wenn die Mutter sieht wie er wartet, ist überzogen.
    In der MLR 2009 schrieb eine Teilnehmerin vom Ödipalkonflikt. So weit würde ich jetzt nicht gehen, aber die Reaktion klingt schon sehr übertrieben.


    Mittlerweile glaube ich, dass der Junge älter sein muss, weil die Großmutter ihm 4 Bücher von George Sand schenkt. Welcher Achtjährige liest (und versteht) George Sand?
    Ok, der literarische Geschmack der Großmama ist ausgewählt gut und auch die Idee ihm Photographien der Gemälde von Corot und Turner (ich liebe Turner) zu schenken,
    zeugt von ihrer Zuneigung dem Enkel gegenüber. S. 59


    Zitat

    >Mein Kind<, sagte sie zu Mama, >ich brächte es nicht über mich, dem Jungen etwas zu schenken, was nicht gut geschrieben ist.<


    So eine Großmutter wünscht man sich doch.

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  • Proust - S. 40 - 60


    Ich glaube, da muss ich mal zur Verteidigung des jungen Herrn Proust in die Bresche springen :batman: .


    Der Erzähler ist ja zu Beginn der Erzählung erst 8 Jahre alt. Und er ist anscheinend übersensibel, steigert sich da hinein, von seiner Mutter noch unbedingt einen Gutenachtkuss bekommen zu wollen.
    Die Mutter (und die Großmutter) kennen ihren Sohn (Enkelsohn) sehr genau und sie wissen genau - mit dieser Übersensibilität kommt er im "richtigen" Leben nicht weit, und sie wollen ihn bereits in der Kindheit an feste Regeln gewöhnen. Naja, damals hieß es halt nicht sensibel, sondern Proust gebraucht das Wort "nervös":


    Zitat

    Aber in meiner Erziehung war die Rangordnung der Vergehen nicht die gleiche wie in der Erziehung anderer Kinder; man hatte mich vielmehr daran gewöhnt, vor allen anderen (...) diejenigen zu ahnden, bei denen ich jetzt als das allen Gemeinsame feststellen kann, dass man sie auf Grund eines nervösen Impulses begeht.

    (S. 48)


    Übrigens, ich kenne es auch noch, dass die Erziehungsprinzipien von der Mutter durchgesetzt werden, aber öfter mal die Drohung kam "Warte, bis Papa nach Hause kommt!", wie es auch die Mutter des Erzählers auf S. 51 macht:


    Zitat

    "Mach schnell, dass du fort kommst, dass wenigstens der Papa dich nicht sieht, wie du hier stehst und mir auflauerst wie nicht gescheit!"


    Wegen George Sand... Ich habe mal ein Buch von ihr gelesen, das war in der Tat nicht kinder-vorlese-tauglich. Aber ich habe von einer Biografie über George Sand in Erinnerung, dass sie die Dorfgeschichten auch für Kinder geschrieben hatte. Und - wieder das Zeitalter, in dem das Buch spielt - Kinderbücher waren damals ja sehr rar, wenn ich mich recht erinnere. Ich glaube, damals gab es nur sowas wie Max und Moritz und Struwwelpeter - zumindest in Deutschland. Aber da begebe ich mich jetzt doch auf sehr dünnes Eis...


    taliesin: Ja, wenn eine Großmutter solche Lektüre verteilt, schon. Aber wenn so eine Großmutter an junge Paare Stühle verschenkt, die zusammenkrachen, sieht die Sache schon anders aus :totlach: .


    Zum Abschluss habe ich noch ein wunderschönes Zitat gefunden, in dem ich mich wiedererkannt habe:


    Zitat

    Auch in mir sind viele Dinge zerstört, von denen ich geglaubt habe, sie würden ewig währen, und andere sind entstanden, die neue Freuden und Leiden heraufbeschworen haben, von denen ich damals noch nichts wissen konnte, so wie mir heute die damaligen schwer zu begreifen sind.

    (S. 53)

    Lesen ist wie Reisen, ohne dass man dabei einen Zug oder ein Schiff besteigen müsste. Es eröffnet neue, unbekannte Welten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, in das man nicht hineingeboren wurde, und alles mit den Augen eines anderen zu sehen. Es bedeutet, zu lernen, ohne mit den Konsequenzen der eigenen Fehler leben zu müssen.

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