Tom Finnek: Vor dem Abgrund

  • Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
    Im Herbst 1888 kommen zwei junge Menschen ins Londoner East End, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die verarmte Celia Brooks versucht verzweifelt, ihren Vater zu finden. Der Hotelierssohn Rupert Ingram will hingegen seine Pflichten im sündigen Treiben vergessen. Doch im East End hat alles seinen Preis, Antworten ebenso wie das Vergessen. Und während die Huren ihre Dienste feilbieten und ein Mörder namens Jack the Ripper in den Schatten lauert, stoßen Celia und Rupert auf Geheimnisse, die ihr Leben für immer verändern ...


    Autor (Quelle: amazon)
    Tom Finnek (Pseudonym des Autors Mani Beckmann) wurde 1965 in Westfalen geboren und lebt als Filmjournalist, Drehbuchlektor und Schriftsteller in Berlin. Unter dem Namen Mani Beckmann erschienen neben einigen Berlin-Krimis seine historischen Moor-Romane, die im Münsterland angesiedelt sind (siehe Autorenseite Mani Beckmann). Unter dem Pseudonym Tom Finnek schreibt er seit 2009 historische London-Romane. Tom Finnek/Mani Beckmann ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.
    Weitere Informationen unter: www.tomfinnek.de und www.manibeckmann.de
    Oder bei Facebook: www.facebook.com/tom.finnek.mani.beckmann


    Allgemeines
    Erscheinungstermin: 22. November 2013 bei Bastei Lübbe, Hardcover 592 Seiten
    Personenverzeichnis - Neun Teile mit nummerierten Kapiteln - Epilog - Anmerkungen und Übersetzungen
    Wechselnde Erzählperspektiven, teilweise Ich-Erzählung (Rupert Ingram), teilweise auktoriale Erzählung (Celia Brooks, Ned Brooks)
    Die Handlung des Romans spielt im Herbst des Jahres 1888 in London (mit eingeschobenen Rückblicken auf die 1860er Jahre)


    Zum Inhalt
    Nachdem die sechzehnjährige Celia Brooks ihre Mutter Mary an den Typhus verloren hat, begibt sie sich auf die Suche nach ihrem vor Jahren "verschollenen" Vater Ned, einem Seemann, der die Familie im Stich gelassen hat und sich Gerüchten zufolge in London aufhalten soll. Dem naiven Mädchen, das nur einen Koffer und wenig Geld sein Eigen nennt, drohen in London viele Gefahren, zu ihrem großen Glück wird sie von einem jungen Soldaten der Heilsarmee aus einer brenzligen Situation gerettet und findet im Frauenheim der Heilsarmee zunächst Unterschlupf.
    In einer gänzlich anderen, aber auf ihre Art ebenso bedrückenden Situation befindet sich Rupert Ingram, der jüngste Sohn des wohlhabenden Hoteliers Harvey Ingram. Er soll mit der Nichte eines reichen Brauereibesitzers verheiratet werden und in dessen Brauerei eine leitende Position übernehmen. Rupert ist in keiner Weise an dem ihm vorgegebenen Weg interessiert und verkehrt lieber inkognito in den Spelunken Whitechapels.
    Während sich Celia im Londoner East End beharrlich auf die Suche nach ihrem Vater macht, kreuzen sich ihre Wege mit denen von Rupert Ingram...


    Beurteilung
    Schon das äußerst schöne Cover mit einer Aufnahme einer Londoner Straße im 19.Jahrhundert und der Stadtplan des East Ends im vorderen und hinteren Einband wecken große Erwartungen hinsichtlich des Romans, die nicht enttäuscht werden. Die Geschichte der jungen, naiven Celia, ihres verantwortungslosen Vaters Ned und des zunächst ebenso oberflächlichen wie vergnügungssüchtigen Rupert ist in einen ausgezeichnet recherchierten Hintergrund eingebettet. Der Leser fühlt sich durch die abwechselnden Erzählstränge über die drei Hauptfiguren nicht nur sehr fesselnd unterhalten, sondern taucht geradezu in die Atmosphäre Londons im ausgehenden 19.Jahrhundert ein. Alkoholismus, Perspektivlosigkeit und Verkommenheit im Armenviertel stehen den Aktivitäten der Salutisten der Heilsarmee gegenüber. Die Mitglieder der Heilsarmee versuchen nicht nur penetrant zu missionieren, was die erbitterte Gegenwehr der sogenannten Skeleton Army (von Brauern und Schankwirten angeheuerte Pöbler) provoziert, sondern bieten auch tätige Hilfe für die Unterprivilegierten, die sie von der Straße holen und zu sinnvollen Beschäftigungen verleiten wollen. Besonders werden hier die Tätigkeiten von Florence Soper Booth (1861 - 1957, Zweiter General der Heilsarmee) und ihrer Schwägerin Captain Eva(ngeline) Booth (1865 - 1950) geschildert.
    Auch andere historisch verbürgte Romanfiguren treten auf: der Dichter Algernon Swinburne und der skandalträchtige Maler Simeon Solomon, dem eine wichtige Rolle im Roman zukommt. Auch die Untaten des Frauenmörders Jack the Ripper werden thematisiert, stehen jedoch nicht im Zentrum des Geschehens. Aufgrund der Komplexität des Romans wäre es hilfreich gewesen, im Personenverzeichnis historische und fiktive Figuren eindeutig zu kennzeichnen. Auch der Epilog ist in seiner Mischung aus "historischem Nachwort" (Fakten) und dem weiteren Schicksal der Protagonisten (Fiktion) ein wenig verwirrend, allerdings auch sehr originell.
    Der Erzählstil ist anschaulich und verrät in den Beschreibungen der Wege seiner Protagonisten die gute Ortskenntnis des Autors.
    Bei "Vor dem Abgrund" handelt es sich bereits Tom Finneks dritten Roman zur Londoner Geschichte, alle drei Romane drehen sich um Mitglieder der Familie Ingram, sind aber nur so lose verknüpft, dass sie einzeln gelesen werden können.


    Fazit
    Ein ausgesprochen empfehlenswerter Roman für Leser, die etwas mehr als nur gute Unterhaltung erwarten!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Das werde ich mir im April als Taschenbuchausgabe zulegen. Die Cover der Tom Finnek Bücher sind wirklich sehr schön.

    Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht ist Freude!
    Rabindranath Tagore (1861-1941)


    Lha gyal lo - Free Tibet!

    Wir sind grüüüüüün!!!!

  • 1888: Celia Brooks ist 16, als ihre Mutter an Typhus stirbt. Ihre Brüder sind auf See, und ihr Vater hat sich vor acht Jahren aus dem Staub gemacht. Celia beschließt, ihn zu suchen und bricht auf nach London.


    Zur gleichen Zeit hofft der Hotelierssohn Rupert Ingram, einer arrangierten Hochzeit entgehen zu können. Er rebelliert auf seine eigene Weise und treibt sich nachts in den Armenvierteln von London herum, in denen auch Jack the Ripper sein Unwesen treibt.


    Mein Leseeindruck:


    "Vor dem Abgrund" ist das erste Buch von Tom Finnek, das ich gelesen habe. So war ich sehr gespannt und neugierig auf diesen Roman und wurde sehr positiv überrascht. Die Geschichte konnte mich von Anfang an fesseln.


    Die Handlung war nachvollziehbar, sehr spannend und steckte voller Geheimnisse und Überraschungen. Ich mochte die Figuren und konnte das Buch bald kaum noch aus der Hand legen.


    Auch hat mich sehr fasziniert, wie es Tom Finnek gelungen ist, die Atmosphäre der damaligen Zeit einzufangen. Ich konnte London im ausgehenden 19. Jahrhundert fast bildlich vor mir sehen: die alten Pubs und Fabrikanlagen, die Themse und den dichten Nebel.


    Die Geschichte wird erzählt sowohl aus der Sicht von Rupert als auch aus der Sicht von Celia und ihrem Vater. Diese Erzählweise hat mir sehr zugesagt, weil sie einen Blick auf die Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln erlaubt.


    Mich hat "Vor dem Abgrund" restlos überzeugen können, so dass ich nun unbedingt weitere Bücher von Tom Finnek lesen möchte!

    "Ein Leben ohne Bücher ist wie eine Kindheit ohne Märchen, ist wie eine Jugend ohne Liebe, ist wie ein Alter ohne Frieden."


    ( Carl Peter Fröhling )

  • Wir sind im London des ausgehenden 19. Jahrhundert zur Zeit der blutigen Verbrechen von Jack the Ripper. Die junge Celia Brooks kommt nach dem Tod ihrer Mutter Mary aus einer Kleinstadt ins Londoner East End, um ihren Vater zu suchen, der die Familie vor vielen Jahren verlassen hat. Im East End herrscht Prostitution, Alkohol und Armut.
    Auch Rupert Ingram treibt es in den armen Londoner Osten. Er stammt aus einer reichen und vornehmen Hoteliersfamilie und sucht Zerstreuung vor der Langeweile seiner Repräsentationspflichten in den väterlichen Hotels. Er schließt sich einer Gruppe von Grobianen an, die finanziell unterstützt durch Brauereinen gewaltsam gegen Heilsarmisten vorgehen, weil diese Abstinenz predigen und sich aktiv gegen Alkoholmissbrauch engagieren.


    Die Handlung wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, so dass man die gleichen Erlebnisse jeweils aus verschiedenen Blickwinkeln erleben kann. Die verschiedenen Handlungsstränge ergänzen sich im Laufe der Geschichte immer mehr und erzählen anhand von fiktiven Figuren, das Schicksal des historisch verbürgten Matrosen Ned Brooks nach, was dem Buch einen sehr eindrücklichen Rahmen verleiht.


    Mich hat dieses Buch völlig in seinen Bann gezogen. Ich konnte wunderbar in das London von Dickens und Conan Doyle eintauchen und habe richtig Lust bekommen, noch mehr davon zu lesen.
    Die Figuren sind sehr liebevoll und glaubhaft charakterisiert. Es ist dem Autor sehr schön gelungen Celia, als junges Mädchen noch nicht so ausgereift wirken zu lassen, während man sehr nahe am schon etwas reiferen Rupert Ingram dran ist und sein Hadern mit seiner persönlichen Situation sehr gut nachempfinden kann. Mir hat auch sehr gut gefallen, dass Tom Finnek sehr viele historische Informationen ganz natürlich einfließen lässt. Wenn man mehr wissen möchte, kann man sich in einem ausführlichen Glossar hinten im Buch informieren, das auch durch einen zeitgenössischen Stadtplan ergänzt wird.


    Von mir erhält dieses Buch seltene :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: und eine Empfehlung für London-Fans und Liebhaber spannender und gut recherchierter historischer Romane.

    Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht ist Freude!
    Rabindranath Tagore (1861-1941)


    Lha gyal lo - Free Tibet!

    Wir sind grüüüüüün!!!!

  • Das Thema interessiert mich überhaupt nicht und ich werde das Buch auch nicht lesen, aber ich möchte an dieser Stelle mal, stellvertretend auch für andere Rezensionen von @€nigma loswerden, dass ihre (? oder seine, aber ich glaube, €nigma ist weiblich) Rezensionen großartig sind und absolut super aufgebaut. Es werden Details über den Autor und das Buch genannt und es gibt eine Inhaltsangabe, die zwar klärt, um was es geht, aber es wird niemals etwas zuviel verraten.
    Zudem schafft es €nigma, einen neugierig zu machen und obwohl das Genre eigentlich nie in mein eigenes Beuteschema passt, bin ich oft versucht, ein rezensiertes Buch auf die WuLi zu setzen. Wenn ich nur ein Drittel so gut schreiben könnte wie €nigma, würde ich auch mehr Rezensionen verfassen.
    Die Schreibe ist echt klasse, vielen Dank dafür und ich hoffe, ihr seid mir nicht so (sehr) böse, dass das Lob an €nigma ausgerechnet hier gelandet ist :pale:

  • @Magoona
    Danke für das schöne Kompliment!
    Falls es mir eines Tages noch gelingt, Dich zur Lektüre eines Romans zu verleiten, obwohl das Genre eigentlich nicht in Dein Beuteschema passt, wäre das noch ein (weiteres) Highlight meiner Rezensionstätigkeit. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
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