Inhalt (Klappentext):
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ Die Definition Kants ist mit dieser Textsammlung in die historische Situation der Jahre 1783 bis 1795 gestellt. Aber unübertroffen bleiben bis heute Kants Einsichten in den Mechanismus der Vorurteile und in deren Rückwirkung auf ihre Urheber.
Allgemeines:
Enthalten sind Texte von Moses Mendelssohn, Immanuel Kant, Johann Georg Hamann, Christoph Martin Wieland, Andreas Riem, Johann Gottfried Herder, Gotthold Ephraim Lessing, Johann Benjamin Erhard und Friedrich Schiller. Außerdem gibt es im Anhang diverse Anmerkungen zu ungebräuchlichen Begriffen, Quellennachweise und Literaturverweise. Ein Nachwort rundet die Textsammlung ab.
Meine Meinung:
„Gegenwärtig erscheint es so, als ob die Aufklärung in Deutschland ins allgemeine Bewusstsein eindringen sollte“, heißt es im Nachwort. Wer die Texte, die die Epoche der Aufklärung geprägt und erklärt haben, gelesen hat, kann nicht anders, als dem zuzustimmen. Denn die Fragen und Themen, mit denen sich die Aufklärer auseinandergesetzt haben, sind immer noch aktuell. Ein kleiner Überblick:
- Mendelssohn betrachtet Aufklärung als den theoretischen Teil der Bildung, den praktischen macht für ihn Kultur aus
- für Kant ist die Aufklärung der „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“, wobei die letztere auf Faulheit oder Angst zurückzuführen ist
- Hamann betrachtet nicht den Unmündigen als schuldig, sondern den denkenden Vormund
- Wieland sieht in der Aufklärung den Weg zur Erkenntnis des Wahren und Falschen; jeder kann ein Aufklärer sein
- Riem ist überzeugt, dass der Mensch die Aufklärung braucht und dass das Staatsoberhaupt dies berücksichtigen sollte
- Herder stellt die Humanität als eine Tochter der bildenden (=menschlichen) Wissenschaften in den Vordergrund
- für Lessing kommt es nicht auf den Besitz von Wahrheit an, sondern auf die Bemühung um das Erreichen dieser
Besonders gut hat mir gefallen, dass man auch einen Vertreter der Gegner Kants, der die Aufklärung nachhaltig geprägt hat, zu Wort kommen lässt. Polemisch greift Hamann ihn an und liefert mit lateinischen, griechischen und französischen Einsprengseln den mit Abstand chaotischsten Text ab, bei dem man als Leser dankbar sein kann, dass es die Anmerkungen mit Begriffserklärungen gibt. Man bekommt aber auf jeden Fall einen Einblick in die Argumente der Gegenposition. Andere Autoren zeichnen sich durch eine überraschend gut verständliche Sprache aus, wobei der Stil stark variiert. Wieland beispielsweise sticht mit ironischen Bemerkungen heraus, die sich gegen die Gegner der Aufklärung richten und den Leser zudem unterhalten, während Mendelssohn beispielsweise ernst bleibt.
Die Texte geben durch die thematischen Unterschiede einen guten Überblick über die Fragen, mit denen sich Aufklärer auseinandergesetzt haben: Welche Rolle hat der Staat? Welche die Religion? Wie weit darf Aufklärung gehen? Wie steht es mit Wahrheit, Humanität, Toleranz? Die Antworten regen zum Selbstdenken an und beweisen ohne Weiteres, dass die Aufklärung heute immer noch im Denken der Menschen weiterlebt und weiterleben sollte, selbst wenn sie sich dessen nicht bewusst sind.
Sehr hilfreich fand ich das Nachwort, welches die Texte in Beziehung setzt und in geschichtliche Zusammenhänge einordnet. So erhält man ein vertieftes Verständnis, was ihre Bedeutung angeht. Auch die Angaben zum jeweiligen Autor zu Beginn eines jeden Textes bereichern das Lesen ungemein.
Fazit:
Für die an der Aufklärung interessierten Leser ein Muss.