​Gertraud Klemm- Aberland

  • In ihrem neuen Roman befasst sich die österreichische Schriftstellerin Gertraud Klemm mit zwei Frauenfiguren, der 58- jährigen Elisabeth, die ihr Leben lang Hausfrau war an der Seite eines sehr gut verdienenden Mannes und deren 35- jährigen Tochter Franziska, die nach dem Studium und den ersten an einer Doktorarbeit herumwurstelt, an ihrer Mutterrolle leidet, und sich dann noch zu einem zweiten Kind von ihrem Mann überreden lässt.


    An diesen beiden Frauen und ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen macht sie auf eine bissige, aber niemals herabwürdigende, stellenweise auch sehr komische Weise deutlich, wie bestimmte mächtige Geschlechterrollen auch heutige moderne Frauen in alte Fallen tappen lassen.


    Als Gertraud Klemm beim Bachmann-Preis 2014 aus diesem Roman gelesen hat, wurde ihr von einem männlichen Kritiker vorgeworfen, ihr Text sei eine unangenehm berührende "Frauenzeitschrift-Aufschrei-Befreiungsprosa".


    Wer das ganze Buch gelesen hat, wird schnell davon überzeugt, dass dieser Vorwurf alles andere als berechtigt war. Obwohl sich, wie Gertraud Klemm in einem Interview einräumt, insbesondere Frauen von der Charakterisierung der beiden Hauptpersonen angegriffen fühlen:
    „Ich habe das Gefühl, dass sich Menschen vor allem dann angegriffen fühlen, wenn man ihren Lebensplan entlarvt. Wenn eine Frau sich ihr Leben lang aufgeopfert hat für ihre Kinder, immer Abstriche gemacht hat im eigenen Leben, dann werden die Kinder irgendwann ausziehen, sind total undankbar, und sie ist plötzlich ganz allein. Sie hat keine beruflichen Aussichten und einen sehr langen Tag, der irgendwie gefüllt werden muss. Irgendwann kümmert sie sich um die Enkelkinder oder pflegt jemand Älteres. Diese Frauen, die stets in einem dienenden Verhältnis sind, fühlen sich von mir angegriffen, weil ich sie im Text noch einmal entwerte. Andere stimmen mir aber auch zu.“


    Es geht der Autorin überhaupt nicht um eine Diffamierung von Hausarbeit und Kinderaufzucht, sondern um deren gesellschaftlichen Stellenwert: „Ich sage, dass der volkswirtschaftliche Wert von dem, was diese Frauen leisten, sehr hoch ist. Aber solange nur Frauen die Haus- und Erziehungsarbeit machen und solange wir in einem kapitalistischen System leben, wird diese Arbeit nicht bezahlt und somit nicht bewertet. Es wird einfach davon ausgegangen, dass die Frau diese Arbeit gerne gratis macht.“


    Gertraud Klemm, selbst Mutter von zwei adoptierten Kindern, hat viele eigene Erfahrungen in ihrem neuen Roman eingearbeitet. Sie kennt das „Aberland“ als Metapher für die ständige Beschneidung von Möglichkeiten von Frauen. Sie spricht von einer grundsätzlichen biologischen Ungerechtigkeit, die die Frauen in alten Rollen festhält. Das Gegenmittel sieht sie nur im täglichen Schwimmen gegen den Strom, zu dem sie gerade die Männer in Beziehungen auffordert.


    Die beiden Frauen in ihrem Roman, Elisabeth und deren Tochter Franziska, haben diese unterstützende Solidarität ihrer Männer nicht, tun aber selbst auch wenig, um aus den Fallen, in die sie ohne Not getappt sind, herauszukommen.


    Gefallen hat mir sehr, dass Gertraud Klemm die beiden Frauen und ihre Lebenslügen, ihr „Aberland“ ohne Häme schildert. Immer wieder ist so etwas wie Mitgefühl zu spüren, aber auch Ratlosigkeit über so wenig Kampfeswille.


    Ich wünsche dem Buch nicht nur weibliche Leser, sondern auch viele männliche. Denn auch sie müssen die angestammten Geschlechterrollen verlassen und sich auf den unsicheren Weg der Suche nach neuen Mustern machen. Und, würde die Autorin vielleicht sagen: „Denkt nicht, dass es einfach wird.“

  • Die Handlung von Aberland wird abwechselnd aus Sicht zweier Frauen, Mutter und Tochter, beschrieben. Bei der Mutter Elisabeth geschieht das per Ich-Erzähler, bei der Tochter Franziska in personaler Erzählperspektive. Gerade bei letzterer fließen die Sätze teilweise nahezu ineinander, was mich aber nicht störte, sondern ganz gut zum Erzählten passt. Eingeleitet werden die Kapitel durch abgedruckte Schriftstücke wie Einladungen, Todesanzeigen etc., welche auch in Zusammenhang stehen mit dem, was dann passiert.


    Die dann folgenden Szenen zeigen vor allem den Alltag der beiden Frauen. Sie sind im wesentlichen unzufrieden mit ihrer Situation - beide abhängig von einem nicht besonders geliebten Ehemann. Insbesondere Franziska ist sehr am Kämpfen mit ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter und fühlt sich über den Tisch gezogen von den nicht eingehaltenen Versprechen ihres Mannes, sich diese Aufgaben zu teilen. Bei ihr besteht aber noch Hoffnung auf Ausbruch aus dem Käfig, denn sie schreibt an ihrer Dissertation und kann vielleicht noch den Sprung in die Berufswelt schaffen.


    Die Mutter dagegen hat sich damit abgefunden, u.a. aus finanziellen Gründen bei ihrem Mann bleiben zu müssen, um ihren Lebensstandard zu halten. Sie kämpft vor allem gegen ihr "drohendes" Übergewicht, bräunt und langweilt sich auf Parties. Auch trauert sie um ihre verstorbene Freundin, was sie mir zumindest ein wenig sympatischer machte. Leider wurde das dann zum Ende hin wieder zunichte gemacht, vor allem durch ihre Haltung ihrer Tochter gegenüber, die wirklich eine schwere Zeit durchmacht. Aber selbst Franziska ist nicht unbedingt immer der große Sympatieträger, auch wenn ich ihr die Probleme mit Kind und Kegel (die ziemlich realistisch dargestellt sind) gut nachempfinden kann. Das Ende kam für mich persönlich dann recht abrupt in einem gleichmäßig dahinlaufenden Handlungsstrom.