Allen Ginsberg – Das Geheul / Howl

  • Der Autor:
    Allen Ginsberg, geboren 1926 in Paterson NJ und 1997 in New York gestorben, war ein US-amerikanischer Dichter der Beat Generation. Gemeinsam mit Jack Kerouac und William S. Burroughs ist er einer der Hauptvertreter der Beatliteratur.

    Das Buch:

    Die vorliegende Ausgabe von "Howl" ist ein Bilderbuch, auf jeder Doppelseite quietschbunte Bilder aus dem scheinbar äusserst interessanten Film aus dem Jahr 2010, und dazu 3-4 Zeilen des Gedichts. Das Gedicht selbst hätte auf einer Handvoll Seiten Platz gehabt, aber diese 224-seitige Ausgabe richtet sich ganz eindeutig an die Fans des Films und/oder des Gedichts: auf der ersten Seite sieht man den computeranimierten Ginsberg, zigaretterauchend, mit einer Brille, deren Gläser so stark reflektieren, dass man seine Augen nicht erkennen kann, vor einer Schreibmaschine sitzend, die Anfangsworte des Gedichts schreibend:

    Zitat

    "I saw the best minds of my generation destroyed by madness..."


    Auf der nächsten Seite dann ein Bild einer Häuserschlucht, ausgemergelte, dürre Menschen ringen miteinander oder stehen wartend in Hauseingängen herum. Dazu der weitere Text:

    Zitat

    "...starving hysterical naked, dragging themselves through the negro streets at dawn looking for an angry fix..."


    Inhalt:
    Das Gedicht besteht aus drei Teilen und einer Fussnote. In der ersten Strophe, die auch deutlich die längste ist, werden Szenen aneinander gereiht, wie man sie aus der Beatliteratur kennt: Jazz, Drogen, (Homo-)Sexualität sind allgegenwärtig. Die Menschen sind unglücklich und auf der Suche nach Freiheit.
    In der zweiten Strophe wird beschrieben, wer für das Elend verantwortlich ist: Moloch, eine undefinierte Anonymität, der zugleich als Grossstadt, Kapitalismus oder als Feuergott interpretiert werden kann.
    Die dritte Strophe richtet sich direkt an Ginsbergs Freund Carl Solomon, der sich in der Irrenanstalt Rockland befindet, und tröstet nach jedem Vers

    Zitat

    "I am with you in Rockland"

    die abschliessende Fussnote spricht dann mit einem optimistischen Ausblick alles heilig.


    Meine Meinung:
    Das Internet ist voll mit Interpretationsansätzen zu diesem Meilenstein der Beatliteratur. Ganz sicher lässt es eine Menge unterschiedlicher Deutungen zu, es ist sehr abstrakt und enthält allerlei Hinweise. Literaturwissenschaftler können vermutlich Wochen und Monate Sekundärliteratur sichten und über die historische Bedeutung des Gedichts referieren (was sicherlich ganz interessant wäre). Ich belasse es mal bei der oberflächlichen Schönheit und geniesse die offensichtlichen Referenzen und Anspielungen.
    Ich habe das Gedicht im englischsprachigen Original gelesen, weil ich denke, dass der Sprachrhythmus und die Wortkreationen das Besondere an dem Gedicht ausmachen - und dass diese Eigenschaften etwas durch eine Übersetzung verloren gehen könnten. Und tatsächlich ist es eine spannende Leseerfahrung. Okay, im Internet liest man oft, dass man das Gedicht laut vorlesen muss, um tatsächlich den Rhythmus des Wehklagens zu spüren - dieses Erlebnis wollte ich meiner Familie und den Pendlern im Zug ersparen. Es lässt sich auch so ordentlich lesen, obwohl es kein Gedicht ist, bei dem sich die Verse aufeinander reimen, aber es hat dennoch seinen Reiz aufgrund seiner eigenen Satzmelodie.