Sue Monk Kidd - Die Erfindung der Flügel / The Invention of Wings

  • Kurzmeinung

    mhameist
    Tolle Geschichte über zwei starke Frauen in der Zeit der Sklaverei in Amerika
  • Kurzmeinung

    Marie
    Fiktive Erzählung um historische Personen. Berührend mit Längen
  • Der Kampf um Freiheit und Gleichheit


    Der Roman „Die Erfindung der Flügel“ von Sue Monk Kidd ist als Hardcover bei btb erschienen und 495 Seiten stark. Die Autorin wollte einen Roman schreiben, der sich mit Schwestern befaßt und wurde durch eine Ausstellung auf die Schwestern Grimké aufmerksam, erforschte das Leben der Beiden, die zwar viel mitbewegt, deren Namen aber doch eher unbekannt blieben – bis jetzt.


    Sue Monk Kidd hat versucht, den groben Umrissen des Lebens der Grimké-Schwestern zu folgen und gesicherte Daten und Erlebnisse bzw. Worte aus Sarahs Schriften mit eigenen Ideen aufzufüllen; Fakt und Fiktion sind miteinander verschmolzen.


    Das Buch, unterteilt in sechs Abschnitte, umfaßt den Zeitraum 1803 – 1838, beschreibt die Lebensumstände der Südstaatenfamilie Grimké, die reich an Gütern und Sklaven lebt, begleitet die Schwestern und auch die Sklaven sehr anschaulich durch diese Zeit und man erfährt Wissenswertes aus beiden Perspektiven.


    Als Sarah 11 Jahre alt wird, bekommt sie als Geschenk die „Kammerzofen-Sklavin Hetty“ ( genannt Handful), mit einer Schleife um den Hals, als Geschenk. Sarah, zutiefst peinlich berührt, versucht gegen die Sklaverei Widerstand zu leisten, sieht in Handful eher eine Freundin, der sie verbotenerweise das Lesen und Schreiben beibringt. Soviele Unterschiede die beiden Frauen haben, soviele Gemeinsamkeiten haben sie auch. Eines Tages bringt Handful es auf den Punkt: „Mein Körper mag ein Sklave sein, aber nicht mein Geist. Bei Dir ist es umgekehrt.“ Und auch Sarah erkennt, dass nicht nur die Sklaven, sondern auch die Frauen unfrei sind, versucht beides zu ändern; als Verbündete und Mitstreiterin hat sie ihre kleine Schwester Angelina ( Nina), die sie von klein auf erzieht und prägt.


    Fazit:


    Besonders gut gefallen hat mir, dass im Roman sehr viele und gut recherchierte Fakten verarbeitet wurden. Dadurch hebt es sich doch sehr von anderen „Südstaatenromanen“, wie z.B. „Vom Winde verweht“ ab. Hintergründe und auch Beschreibungen der Lebensumstände, Strafen, Träume und Kämpfe der Sklaven werden sehr tiefgreifend beschrieben, genauso, wie die der Grimké-Schwestern, die lebenlang für Freihheit und Gleichberechtigung kämpften.


    Mich hat das Buch sehr beeindruckt und erhält meine absolute Leseempfehlung.

  • Die Grimkés und die Sklaverei


    Im Gegensatz zu der Lesprobe, habe ich das Cover im Laufe des Lesens wirklich lieb gewonnen, dezent mit gelben und weißen Streifen, darauf schwarze Vögel. Schwarzdrosseln wie man im Buch erfährt. Sie stehen für Freiheit oder zumindest für die Hoffnung auf Freiheit.


    Das Buch beginnt mit einem Kapitel über Hetty "Handful" Grimké. Sie ist ein zehn jähriges Sklavenmädchen und lebt mit ihrer Mutter und anderen Sklaven auf dem Anwesen der Familie Grimké. Eine sehr angesehene Familie mit Plantagenbesitz. Dieses Mädchen ist durch ihre lockere Art und ihr "loses" Mundwerk sehr witzig und gleichermaßen sympathisch. Allerdings fängt sie sich öfter eine Ohrfeige für ihre Bemerkungen ein. Ganz offensichtlich war sie nicht so, wie man es von einem Sklaven damals erwartet hat.


    Im zweiten Kapitel geht es dann um Sarah Grimké. Sarah ist die mittlere Tochter des Plantagenbesitzers und sticht nicht nur mit ihrem Äußeren, den roten Harren und den Sommersprossen hervor, sondern auch durch ihre Wissbegierigkeit und dem Ablehnen der typischen "Damenhaftigkeit", die sie erlernen soll. Sie will mehr werden als ihre Mutter, ihr Traum ist Anwältin zu werden. Doch in dieser Zeit scheint es unmöglich, denn Frauen blieben zuhause und Männer gingen arbeiten.
    An ihrem elften Geburtstag bekommt Sarah von ihren Eltern Hetty als "Geschenk". Doch anstatt, wie von ihren Eltern erwartet, sich zu freuen, versucht sie dieses Geschenk abzulehnen. Sie versucht sogar durch einen Freibrief Hetty die Freiheit zu schenken, leider vereitelt Sarahs Mutter den Versuch.
    Sarah sucht ihren Platz im Leben, ihre Bestimmung, denn Anwältin zu werden bleibt nur ein Traum, trotzdem will sie sich weiter für die Sklaven einsetzen. Dies tut sie dann unermüdlich mit ihrer jüngeren, mutigeren Schwester.


    Die Kapitel wechseln stetig zwischen den beiden Mädchen, jeweils aus der Ich- Perspektive. Der Schreibstil ist leicht und flüssig und auch die Charaktere sind sehr schön beschrieben.


    Vor allem Hetty habe ich ins Herz geschlossen, aber ich bewundere auch die Grimké - Schwestern für ihre Hartnäckigkeit und ihren Mut. Zumal dieses Buch historischen Begebenheiten entspricht. Eine Stelle fand ich so traurig, dass ich sogar nasse Augen bekommen habe. Die Stelle an der Hetty ins Arbeitshaus kommt und dort schreckliche Dinge sehen muss.


    Es ist ein sehr schönes Buch über eine "unmögliche" Freundschaft und das Wunder von Möglichkeiten, wenn man die Welt anders sieht, als von einem erwartet wird. Vor allem, wenn man sich nicht dem wortlos fügt, was einem vorgeschrieben wird.


    Ich konnte gar nicht aufhören zu lesen und kann das Buch von Herzen weiterempfehlen.

  • Gleich zu Anfang möchte ich sagen, dass mir bereits die Leseprobe aussergewöhnlich gut gefallen hat. Umso mehr habe ich mich gefreut, dieses tolle Buch weiter lesen zu dürfen. Als es dann gestern morgen im Briefkasten lag, habe ich gleich begonnen zu lesen und gerade eben habe ich es zugeschlagen. Wow, was für ein unglaublich tolles Buch.
    Wir beginnen im Jahr 1803 im Süden Amerikas, genauer in Charleston. Sarah Grimke wächst als mittlere Tochter eines reichen Gutsbesitzers auf. Als sie an ihrem elften Geburtstag aus der Kinderstube auszieht erhält sie ein Geschenk, dass sie weder erwartet hatte noch haben möchte, nämlich das zehnjährige Sklavenmädchen Hetty, genannt Handful. Sarah versucht Hetty ihre Freiheit zu geben, doch dieses wird ihr nicht erlaubt. Stattdessen lehrt sie nun Handful das Lesen und Schreiben, was für diese Zeit eigentlich strengstens untersagt ist und mit dem selbst ihre Eltern nicht gerechnet hätten. Es beginnt eine aussergewöhnliche Freundschaft zwischen den beiden so ungleichen Mädchen. Sarah war in ihrem Denken und Handeln schon immer aussergewöhnlich und kämpft für ihre Freiheit, das tun zu dürfen, was sie selber will und nicht, was man von ihr erwartet und Handful wünscht sich nichts sehnsüchtiger, als ein Stück Freiheit, in einer Welt voller Grausamkeiten und Folter.
    Sue Monk Kidd hat einen aussergewöhnlichen Schreibstil. Sie schildert ihre Geschichte so beeindruckend, dass man förmlich das Gefühl hat, in Amerikas Geschichte einzutreten und als Beobachter alles live zu erleben. Man ist dabei, wenn von den Grausamkeiten gegenüber den Sklaven liest, man spürt die Ängste, die Qualen, ebenso sehr, wie die Sehnsucht nach Freiheit. Die Geschichte wird aus zweier Perspektiven erzählt, sowohl Sarah als auch Handful erzählen hier abwechselnd ihre Geschichte und man bemerkt schon an der Erzählweise der Autorin, welche der beiden gerade erzählt. Das ist wirklich sehr gut gelungen.
    Auch die Herausarbeitung der Charaktere ist sehr gut gelungen. Man hat zu keiner Zeit das Gefühl, dass es nicht authentisch ist und man spürt förmlich die Sehnsüchte der beiden Protagonistinnen und ihren Drang, ihre Träume wahr werden zu lassen, ohne sich selbst zu verlieren. Der Kontrast zwischen den beiden ist bis ins kleinste Detail herausgearbeitet. Auch die Schwierigkeiten einer Freundschaft zwischen schwarz und weiß zu dieser Zeit ist absolut gelungen. Es ist zwar nichts neues, was man über die Geschichte Amerikas erfährt, aber doch ist man gefangen von dieser besonderen Geschichte.
    Ein zu tiefst emotionales Buch, mit einem aussergewöhnlichen Schreibstil und hervorragend recherchiert. So weit ich das richtig behalten habe, basiert dieser Roman nämlich auf wahre Begebenheiten. Ein Buch über Träume, Freundschaft und Freiheit und dem Wunsch frei zu sein, sowohl wirkliches frei sein (Handful) als auch in seinem Tun und Handeln frei zu sein (Sarah).
    Dieses Buch und auch die Erzählweise der Autorin haben mir sehr sehr gut gefallen. Ich bin mir absolut sicher, dass ich bereits zu Anfang diesen Jahres eines meiner persönlichen Lesehighlights in den Händen gehalten zu haben. Von mir gibt es ein: UNBEDINGT LESEN!!!!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ich kann mich meinen Vorrednern_innen nur anschließen.

    "Die Erfindung der Flügel" von Sue Monk Kidd ist ein starkes Buch über den Kampf nach Freiheit und Gleichberechtigung und darüber, niemals seine Ziele und Träume aufzugeben. Ich fand es sehr spannend, im Verlauf der Geschichte immer tiefer in die Leben dieser beiden starken Frauen, Sarah und Handful (und Handfuls Mutter), einzutauchen und mitzuerleben, wie beide unermüdlich dafür kämpfen, ihre Ziele zu erreichen und sich zu verwirklichen.


    Die Geschichte spielt hauptsächlich im bunten Charleston und der Erzählstil der Autorin wirkte auf mich authentisch und lebendig; man hat als Leser das Gefühl, mit Handful auf dem lauten Markt Charlestons zu sein oder mit im Klassenzimmer zu stehen, als Sarah den Sklavenkindern unerlaubterweise das Alphabet beibringt. Und es erschütterte mich immer wieder aufs Neue zu lesen, wie grausam dunkelhäutige Menschen im Süden der USA in dieser Zeit behandelt wurden und wie selbstverständlich die Chancenungleichheit zwischen Männern und Frauen in der Gesellschaft akzeptiert wurde und zum gesellschaftlichen Konsens gehörte.

    Umso inspirierender ist der freiheitsliebende Geist sowohl Handfuls als auch Sarahs: beide sehnen sich nach einem freien, selbstbestimmten Leben und setzen sich dafür ein, ein solches zu erreichen. Beide suchen nach ihrem Platz in der Welt, haben gleichzeitig aber klare innere Vorstellungen und Wünsche und lassen sich diese von niemandem ausreden (und in Handfuls Fall auch nicht ausprügeln).


    Ein wundervolles, starkes, inspirierendes Buch, das noch dazu auf wahren Tatsachen beruht. Eine klare Leseempfehlung!


    Fazit: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Auch mich hat dieser Roman sehr berührt, zum Teil auch erschüttert. Über die frühe Zeit des Abolitionismus in den USA wusste ich vorher nicht viel, schon gar nicht über die diesbezügliche Bedeutung der Quäker. Dass die Grimké-Schwestern reale Figuren sind, ist mir auch erst im Laufe des Romans klargeworden.


    Die Perspektivwechsel zwischen Sarah, der Tochter reicher Plantagenbesitzer, und "ihrer" Sklavin Handful habe ich als sehr gelungen empfunden. Zum einen zeigen sie oft das gleiche Geschehen einmal aus der Sicht der Sklaven, einmal aus der Sicht der wohlhabenden Weißen. Gleichzeitig kommen immer auch neue Informationen und Verwicklungen ins Spiel, sodass die Handlung stets weitergebracht wird. Diese Verzahnung der einzelnen Szenen und Abschnitte hat mir sehr gut gefallen.


    Die Hauptfiguren Sarah und Handful konnte ich gleich ins Herz schließen und über den ganzen Roman hinweg gut mit ihnen mitfühlen. Die Autorin hat hier durch glaubhafte Dialoge und Handlungen viel Empathiefläche geschaffen, gerade auch mit den Ecken und Kanten der Protagonistinnen und den vielen Brüchen in ihren Lebenswegen. Auch die Nebenfiguren sind gut ausgebaut, man kann sie lieben und hassen... Das Leben von Haussklaven wird hier auf z.T. verstörende Weise nachgezeichnet, und ich finde es schwer, es an mich heranzulassen, dass Menschen so behandelt wurden und werden. (Wer mehr über die z.T. noch viel schrecklicheren Lebensumstände von Feldsklaven lesen möchte, sei auf "Heimkehren" von Yaa Gyasi oder "Underground Railroad" von Colson Whitehead verwiesen.)


    Ich habe mir viele mich nachdenklich stimmende Sätze und Passagen aus dem Roman notiert, er wird mir sicher noch länger nachgehen, und angesichts der Thematik kann ich gut mit dem gelegentlich kritisierten "moralischen Zeigefinger" leben, der sich bei ethisch so brisanten Themen vielleicht auch kaum vermeiden lässt.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)