Max Annas- Die Farm

  • Kurzmeinung

    Mojoh
    Ein Feuerwerk auf kleinem Raum. Hier wird alles gesagt, was nötig ist und vieles regt sehr zum Nachdenken an.
  • Eine abgelegene Farm in Südafrika. Sie wird belagert und beschossen, aber es ist anders, als solche Überfälle auf Farmen Weißer in Südafrika üblicherweise ablaufen. Es geht den Angreifern offenbar nicht hauptsächlich um Mord und schnellen Raub. Das wird den Menschen in der Farm schnell klar.

    In der Farm befinden sich neben der Familie des Besitzers noch die Arbeiter der Farm, Handwerker, die dort gerade zu tun hatten und Besucher. Draußen wird geschossen und die verbarrikadierten Menschen in der Farm sind schutz- und hilflos. Die Telefonleitung ist kaputt, die Handys haben kein Netz.

    Nach ihrer ersten Hilflosigkeit beginnen sie nicht nur zu überlegen, wie sie sich angemessen verteidigen können, sondern sie entwickeln auch so etwas wie eine Strategie, ihrerseits die Belagerer anzugreifen. Insbesondere nachdem nach einem Gast zu Beginn des Angriffs, später auch die Frau des Besitzers erschossen wird.

    Während der Besitzer der Farm, von allen der Boss genannt, um seine Frau trauert, regrediert und seine führenden Rolle ohne Worte abgibt, verschieben sich die bisherigen Hierarchien der Gruppe. Die Schwester der erschossen Ehefrau reißt die Führung an sich und beginnt die Jagd auf die da draußen. Für kurze Zeit ändert die äußere Bedrohung die Strukturen drinnen.

    Sieben Stunden dauert das Drama, bevor der Kampf zu Ende ist. Wie das geschieht, wird nur leise angedeutet, ist Max Annas offenbar auch weniger wichtig als die Beschreibung der Tatsache, dass sich danach nichts ändert. Der Hass auf die Überbleibsel alter Herrschaftsstrukturen wird weiter existieren und deshalb wird es weitere Überfälle auf Farmen geben.

    „Die Farm“ ist ein ernüchternder Bericht über ein Land, in dem nach der Apartheid wohl alle als Verlierer dastehen.

  • Gerade mal knappe 200 Seiten hat dieses Buch, das ich weder als einen Krimi noch als einen Thriller bezeichnen möchte, denn es gibt weder eine Auflösung noch einen Höhepunkt, auf den das Ganze zuläuft. Es beschreibt stattdessen 'nur', was sich in einer Winternacht auf einer Farm in Südafrika abspielt.
    Gegen 18 Uhr werden plötzlich die Menschen auf der Farm von Muller beschossen, ohne dass jemand eine Ahnung hat, weshalb. Es gibt einen ersten Toten, die Anderen verbarrikadieren sich im Haus. Doch nun steht das Haus unter Beschuss und die Eingeschlossenen wissen, dass sie um ihr Leben kämpfen müssen.
    Der Autor lässt beinahe schon im minütlichen Wechsel die Eingeschlossenen abwechselnd zu Wort kommen, wobei aus deren Sicht die Situation sowie ihre Gedanken emotionslos geschildert werden. So erhält man fast beiläufig, häufig nur durch einen Halbsatz, Hintergrundinformationen nicht nur zu den Beteiligten, sondern ebenso zur Lage in Südafrika. Nach und nach werden die Perspektiven der Angreifer miteinbezogen, was langsam etwas Licht in diese fast schon kriegsähnliche Situation hineinbringt.
    Ein außergewöhnliches Buch, das auf engstem Raum spielt, gerade einmal eine halbe Nacht umfasst und dennoch in knappen Sätzen eine Vielzahl von Beziehungen offenlegt. Dazu noch spannend und brutal - nichts für schwache Gemüter.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Den beiden bisherigen Kommentaren ist nicht viel hinzuzufügen. Auch für mich war es eine wirklich beeindruckende Lektüre. Bisher dachte ich immer, und habe es auch so empfunden, dass die erzählte Geschichte für mich bei einem Buch deutlich im Vordergrund steht. Das kann man so für dieses nicht behaupten, denn hier wird nicht wirklich eine Geschichte erzählt.
    Vielmehr hat man als Leser den Eindruck ganz plastisch bei einer Episode einer viel weiter vorher begonnenen und viel länger andauernden Tragödie dabei zu sein. Und gewissermaßen ist genau die unbeteiligte Erzählweise quasi jede Seite aus einer anderen Perspektive zu erleben das, was in diesem Buch zu einem ungewöhnlichen und nachhaltigen Eindruck führt.
    Annas hält sich nicht mit einführenden Worten auf, die Schüsse knallen förmlich sofort los. Nach und nach erfährt man von jedem Charakter (es gibt auch nicht wirklich Hauptpersonen - jeder kommt zu Wort) über das persönliche Empfinden und die Vermutungen die er anstellt, wie er in diese Situation gekommen ist und wie er wieder herauskommt. Die Emotionslosikkeit des Erzählens und der schnelle Wechsel der Perspektiven steht im krassen Gegensatz zu den exestenziellen Gefühlen der handelnden Personen. Dadurch dass man die Hintergründe der Protagonisten nicht kennt, bekommen Gewalt und Tod eine erschreckende Beiläufigkeit, ja fast Gleichgültigkeit.
    Ich kenne mich mit der aktuellen politischen Lage Südafrikas nicht genug aus um eine fundierte Analyse zu stellen, aber sogar mir wird durch die Lektüre ziemlich deutlich, dass die Apartheid und deren Folgen noch lange nicht überwunden sind und wir uns in einem korrupten und kriegerischen Land befinden.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: für ein aufrüttelndes, bewegendes Buch.

    "Imagination, rather than mere intelligence, is the truly human quality."


    "Chaos is found in greatest abundance wherever order is being sought. It always defeats order, because it is better organized."

    Terry Pratchett

    "The person, be it gentleman or lady, who has not pleasure in a good novel, must be intolerably stupid."

    Jane Austen


    :study:

    Alex Haley - Roots

    Andrew Jefford - Whisky Island

    Randale Munroe - What if 2


    :bewertung1von5: 2024: 5 :bewertung1von5: