Jack Kerouac u.a. - Ruhm tötet Alles

  • Nach "On the Road" und "Naked Lunch" war das noch ein ganz grosser Lesewunsch. Ich denke, mit diesen drei Werken kennt man das Wesentliche der Beatliteratur, oder?

    Als ich letzten Herbst das ganz okay'e Comic-Sachbuch "The Beats" las, in dem Personen, Bücher und Hintergründe der Beatnik-Bewegung überblicksartig vorgestellt werden, wurde ich überschwemmt mit lauter mir unbekannten Autorennamen und ihren toll klingenden Werken. Ein großer Teil sind Lyriker, viele gelten immer noch als große Namen in der US-Literaturgeschichte, manche schreiben immer noch (oder wenigstens fast ...) Wenig hat den Weg nach Deutschland gefunden und ist hier quasi unbekannt. Ich hatte mir prompt eine Beatnik-Wunschliste aufgestellt mit interessanten Namen, doch das meiste harrt noch meiner Lektüre:


    Philip Whalen (von ihm hat der Verlag Stadtlichter Presse - benannt in Anlehnung an den San-Francisco-Beatnik-Buchladen City Lights Books - eine zweisprachige Ausgabe mit Gedichten herausgebracht: "Nachspielzeit"),


    Lawrence Ferlinghetti (sein schmaler Gedichtband "Pictures of the Gone World" war 1955 wohl das erste Buch, das City Lights Books auch im eigenen Verlag herausbrachte und ist immer noch preiswert erhältlich),


    Charles Olson (wird in den USA anscheinend richtiggehend verehrt, ich fand seine Gedichte allerdings sehr unzugänglich; gab es mal auf deutsch bei Suhrkamp),


    der Lyriker, Pulitzer-Preisträger und Umweltaktivist Gary Snyder (seine Essay-Sammlung "Lektionen der Wildnis" gibt es sogar in deutscher Übersetzung, wenn auch hochpreisig) und


    Diane di Prima (auch ihre "Memoiren eines Beatniks" gibt es übersetzt, wer es mag).


    Vielleicht ist ja was für wen dabei? :wink: Die Namen geistern ja viel umher, auch in den Beat-Büchern selbst (und sei es in den Fußnoten). In dem Briefwechsel tauchen manche bestimmt ja auch auf ...

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (82/151)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 57 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Vielleicht ist ja was für wen dabei?


    @Jean van der Vlugt Danke für die interessanten Tipps.


    Von Herrn Ferlinghetti kenne ich ein paar Sachen. Ziemlich verrückt, aber durchaus interessant.


    Phillip Whalen sagt mir nichts, aber da werde ich mal reinschaun.


    Der Gary Snyder taucht soweit ich mich erinnere auch in Kerouacs Romanen unter anderem Namen auf. War das >Japhy< aus den Dharma Bums?
    Ich bin mir nicht sicher................ :scratch:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Ich habe noch ein wenig herumgeforscht und tatsächlich gibt es auch einen experimentellen Spielfilm über >Howl< und seine Entstehung.
    Ist aus dem Jahr 2010 und gibt es auch als DVD.


    @Nungesser Als Begleitung für deine Neuerwerbung des Gedichts sicher interessant.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

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  • @taliesin Danke für den Hinweis. Tatsächlich habe ich bemerkt, dass mein "Howl"-Buch sozusagen die Ausgabe zum Film ist. Im Prinzip ist es ein Bilderbuch, auf jeder Doppelseite ein quietschbuntes Bild aus dem scheinbar äusserst interessanten Film, und dazu 3-4 Zeilen des Gedichts. Sobald ich etwas mehr Zeit habe, werde ich auch eine kurze Rezi dazu schreiben.
    Wirklich schön, und den Film muss ich mir jetzt natürlich auch anschauen!

  • 1950 - Biographisches
    Allen erzählt, wie er sich auf der Sweet 16-Party seiner Schwester erst betrank, dann miserabel fühlte, schliesslich die Gäste als beknackte Blender und Huren beschimpfte und sich somit noch miserabler fühlte.
    Er versucht zudem in Paterson einen Job als Journalist zu finden, wird aber durch die politische Prominenz seines Vaters überall abgelehnt.
    Während seines Aufenthalts in der psychiatrischen Einrichtung überzeugten die Ärzte Ginsberg, dass seine Homosexualität heilbar wäre - wenn er sich doch nur vernünftig anstrengen wolle. Und tatsächlich kommt es Mitte 1950 dazu, dass Ginsberg eine sexuelle Beziehung mit einer Frau beginnt. Den ersten Tag nach dem Verlust seiner Jungfräulichkeit schildert er wie folgt:

    Zitat

    Ich lief herum, die Liebenswürdigkeit selbst, milde benommen vor Entzücken ob der Vollkommenheit der Natur; ich spürte die Leichtigkeit und Befreiung durch die Erkenntnis, dass all meine schmerzhaften alten Pfade ausgetreten, dass meine ganze Schwulheit affektiert war, überflüssig, morbid, so gar nichts mit Erfüllung und gegenseitiger Liebe zu tun hatte ja ebenso schlimm war wie Impotenz oder Zölibat, worauf es ja praktisch hinauslief. Und die Fantasien, die ich inzwischen über alle möglichen Mädchen habe, zum ersten Mal ungebremst und in dem Wissen, dass sie erfüllbar sind. - Ginsberg an Kerouac, 08. Juli 1950


    Am 14. November heiratet Kerouac Joan Haverty, die er erst wenige zuvor kennengelernt hatte.


    1950 - Literarisches
    Ginsberg zitiert die letzten Zeilen aus George Orwells "1984", um seine mühsame Situation zu beschreiben:

    Zitat

    Aber jetzt war es gut, es war alles in Ordnung, der Kampf war zu Ende. Er hatte sich selbst überwunden. Er liebte den Großen Bruder.


    Erschreckend zu lesen, wie manipulativ die damaligen Behandlungsmethoden gewesen sein musste. In Ginsbergs Briefen von 1950 erkennt man seine Zerrissenheit und sein Wunsch nach Heilung, was dank der Ärzte gleichbedeutend war mit einer langfristigen Beziehung mit einer Frau.

  • Leider gibt es keine Briefe aus dem Jahr 1951: die beiden Freunde sahen sich häufig und mussten einander somit keine Briefe schreiben. Es muss allerdings ein spannendes Jahr gewesen sein: Kerouac schreibt im Frühjahr 1951 die Urfassung von "On the Road" auf eine lange Papierrolle, zudem trennt er sich von seiner schwangeren Frau Joan. Ginsberg lebt weiterhin in Paterson, schreibt Gedichte und finanziert sein Leben mit Aushilfsjobs. Burroughs hingegen sitzt Anfang 1952 in Mexiko im Gefängnis: er erschoss im September 1951 versehentlich seine Frau beim Wilhelm-Tell-Spiel...


    1952 - Biographisches
    Ginsberg ist in engem Kontakt zu W.C. Williams, der ein Gedicht Ginsbergs an den Anfang seines nächsten "Paterson-Zyklus" stellen möchte. Vor allem aber tauschen sich Kerouac und Ginsberg eine Menge Texte aus, loben und kritisieren einander, gestehen einander zu gewisse Formulierungen und Wortkreationen des jeweils anderen verwenden zu dürfen - auch weil sie selbst nicht mehr genau wissen, wer was wie ursprünglich formuliert hat.Allerdings scheint mir insbesondere Kerouac nicht allzu kritikfähig: nachdem ihm Ginsberg schreibt, dass "On the Road" so ziemlich das Beste ist, was er gelesen hat, ABER doch noch ein paar Punkte anbringt, um die Lesbarkeit und die chronologische Reihenfolge deutlicher zu machen, schreibt er am 08. Okt einen ziemlich wütenden Brief, in dem er über so ziemlich alle Freunde und den Literaturbetrieb herzieht. Zudem ist es für ihn unverständlich, weshalb John Clellon Holmes Roman "Go" überhaupt verlegt wird, während sein perfektes Meisterwerk von nichtsahnenden Neidhammeln schlecht geredet wird.


    Es überrascht mich allerdings, dass Ginsberg bereits 1952 bemerkt, wie bedeutend ihre Werke sein werden, ja, dass sie im Prinzip ein eigenes Genre geschaffen hätten:

    Zitat

    "Alles in allem hat Carl (Solomon) tatsächlich angefangen, diese neue literarische Bewegung, die, wie du, Jack, schon vor Jahren gesagt hast, tatsächlich nur aus uns besteht, in die Öffentlichkeit zutragen. Alles in allem fange ich wirklich an zu glauben, dass wir mit uns dreien inzwischen den Kern einer völlig neuen historisch wichtigen etc. etc. amerikanischen Schöpfung haben." - Ginsberg an Kerouac und Neal Cassady, 20. März 1952


    Kerouac beschreibt seine Abenteuer die er während einer Mexikoreise erlebt, was Ginsberg später als das "Grösste, was er je gelesen hat" bezeichnet.


    1952 - Literarisches
    Ginsberg schwärmt von William Faulkners "Soldatenlohn" - er sei der einzige Sterbliche, der so schreibt wie sie selbst. James Joyce' "Finnegans Wake" sei allerdings schwierig: es werde darin zu viel an Sprachkonzepten und geschichtlichen Abstraktionen herumgealbert.
    Kerouac liest Gore Vodals Buch "The Judgement of Paris", welches hässlich durchsichtig sei und das einzig Gute daran die satirisch schwulen Szenen. (Überhaupt ist Kerouac kein Fan von Gore Vidal)

  • 1953 - Biographisches
    Ginsberg versucht Kerouacs Bücher "Dr. Sax" und "Maggie Cassidy" zu verlegen und gibt Kerouac regelmässig Nachricht über die Herausforderungen im Literaturbetrieb.


    1953 - Literarisches
    Ginsberg liest Hermann Melvilles "Maskeraden oder Vertrauen gegen Vertrauen", in dem es um die Leere zwischen Freunden, den Bruch arglosen Vertrauens, geht.

  • Mario

    Hat den Titel des Themas von „Jack Kerouac, Allen Ginsberg - Ruhm tötet Alles“ zu „Jack Kerouac u.a. - Ruhm tötet Alles“ geändert.