Charlotte Link - Sechs Jahre. Der Abschied von meiner Schwester

  • Kurzmeinung

    Lavendel
    Erschütternde, emotionale, offene & ehrliche Schilderung, dazu Kritik am Gesundheitssystem. Voller Liebe & Zusammenhalt.
  • Der Verlag über das Buch
    Auf eindringliche Weise berichtet Bestsellerautorin Charlotte Link von der Krankheit und dem Sterben ihrer Schwester Franziska. Es ist nicht nur das persönlichste Werk der Schriftstellerin, voller Einblicke in ihr eigenes Leben, sondern auch die berührende Schilderung der jahrelang ständig präsenten Angst, einen über alles geliebten Menschen verlieren zu müssen. Charlotte Link beschreibt den Klinikalltag in Deutschland, dem sich Krebspatienten und mit ihnen ihre Angehörigen ausgesetzt sehen, das Zusammentreffen mit großartigen, engagierten Ärzten, aber auch mit solchen, deren Verhalten schaudern lässt und Angst macht. Und sie plädiert dafür, die Hoffnung nie aufzugeben – denn nur sie verleiht die Kraft zu kämpfen.
    Ein subtiles, anrührendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit. Ein Buch, das Kraft gibt, nicht aufzugeben und um das Leben zu kämpfen.


    Der Verlag über die Autorin
    Charlotte Link, geboren in Frankfurt/Main, ist die erfolgreichste deutsche Autorin der Gegenwart. Ihre psychologischen Kriminalromane sind internationale Bestseller, auch Im Tal des Fuchses eroberte wieder auf Anhieb die SPIEGEL-Bestsellerliste. Allein in Deutschland wurden bislang über 24 Millionen Bücher von Charlotte Link verkauft; ihre Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Verfilmungen, zuletzt Das andere Kind, werden im Fernsehen mit enorm hohen Einschaltquoten ausgestrahlt. Charlotte Link lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt/Main.


    Meine Meinung
    Charlotte Link war mir bisher als Autorin spannender Thriller bekannt. Mit „Sechs Jahre“ legt sie ein sehr persönliches Buch vor, in dem sie die lange Krankheit und den Tod ihrer jüngeren Schwester Franziska verarbeitet. Beide waren von Kindertagen innig miteinander verbunden. Die Krebs-Krankheit ihrer Schwester ist auch für Charlotte Link ein tiefer Schock. Sie beschreibt den Klinikalltag, das Verhältnis zu den Ärzten und den Krankenpflegern, berichtet von Diagnosen, die sich später zum Glück als falsch herausstellten, Ärzten aus Berufung und solchen, die nur ihren Job machten, sie spricht von Hoffnungen und Rückschlägen und letzten Endes vom Tod.


    „Sechs Jahre“ ist ein sehr empathisches Buch. Es zeugt von der großen Verbundenheit der Schwestern. Mich hat es tief berührt und hallte lange Zeit nach, nicht zuletzt deshalb, weil ich vor Jahren ebenfalls ein nahes Familienmitglied auf ähnliche Weise verlor und mir nun noch einmal das schier endlose Abschiednehmen vor Augen geführt wurde. So konnte ich dieses Buch immer nur etappenweise lesen, obwohl es trotz aller aufgewühlten Gefühle der Autorin sehr sachlich und keineswegs gefühlsduselig geschrieben ist. Es wird auch auf komplizierte medizinische Bulletins verzichtet, Charlotte Link erzählt von Arztgesprächen und Befunden so, wie sie sie verstanden hat.


    Wie nebenbei weist die Autorin auf Mängel und Schwächen unseres Gesundheitssystems hin, denen Betroffene zumeist hilflos ausgeliefert sind. Ich fand mich und meine Empfindungen, in dem Buch wieder, die Wut, scheinbar gegen Mauern anzulaufen und tiefe Dankbarkeit und Freude über jede gereichte Hand. Genau das, macht dieses Buch so bedeutsam.


    Interview mit Charlotte Link zu ihren Buch

  • Von Charlotte Link habe ich "Das Haus der Schwestern" und "Die Rosenzüchterin" gelesen. Das ist schon sehr lange her. Und da ich damals noch kein Lesetagebuch führte, wollte ich die Bücher irgendwann noch einmal lesen. Bis heute bin ich nicht dazu gekommen, obwohl ich "Das Haus der Schwestern" zwischenzeitlich auch schon gehört habe.


    Nun bin ich über ein sehr privates Buch der Autorin gestolpert: "Sechs Jahre - Der Abschied von meiner Schwester".
    Schon im Vorwort lese ich, was mich in diesem Buch erwartet und dass es keine leichte Kost ist. Sechs Jahre lang kämpfen Charlotte Link und ihre Familie an der Seite ihrer Schwester Franziska gegen den Krebs, um am Ende doch zu verlieren. Franziska stirbt am 7. Februar 2012 mit sechsundvierzig Jahren nach sechsjährigem Kampf an dieser Krankheit. Sie nahm Charlotte vorher das Versprechen ab, darüber zu schreiben.


    Zwischen den Schwestern bestand seit ihrer Kindheit eine unheimlich enge Verbindung. Charlotte verlor mit dem Tod ihrer Schwester den wichtigsten Menschen ihres Lebens. Dieses Buch zu schreiben, war wohl auch ein Stück Trauerbewältigung.
    Doch nicht nur das. Sie war der Meinung, dass das, was sie in diesen sechs Jahren in Krankenhäusern erlebt haben, öffentlich gemacht werden sollte. Auf die Missstände sollte so lange hingewiesen werden, bis sich etwas Entscheidendes ändert.


    Als man im Februar 2006 bei Franziska Metastasen findet und auf die Suche nach dem Tumor gehen will, ist sie noch ganz ruhig. Sie war von den beiden Schwestern immer die sachlich und rational Agierende. Noch dazu war ihr die Situation vertraut. Achtzehn Jahre zuvor hat sie das schon einmal erlebt.
    An einem Vormittag hatte sie einen Termin bei einer Onkologin, zu dem sie noch ganz zuversichtlich ging. Innerhalb einer halben Stunde hat diese Onkologin dafür gesorgt, dass ein Psychologe Franziska wenig später eine tiefe Traumatisierung bescheinigt.
    Diese Onkologin sagte Franziska auf den Kopf zu, dass es für sie absolut keine Hoffnung gibt. Mit einer Chemo-/Strahlentherapie und der Entfernung des Tumors wird sie höchstens noch bis zum Ende des Jahres zu leben haben. Sie solle doch über den Verlauf ihres Sterbens ein Fotoalbum anlegen, damit ihre Kinder etwas hätten, das sie sich dann immer wieder anschauen können.


    Fehldiagnosen wird Franziska noch so einige bekommen. Zumeist negative, die sich dann doch nicht einstellen. Aber diese Erfahrungen macht es unmöglich an positive Diagnosen zu glauben.
    Noch eine Erfahrung, die die Familie in diversen Krankenhäusern gemacht hat: Sobald der Patient mit zwei Dingen zu kämpfen hat, die es nötig machen würden, stationsübergreifend zu arbeiten, ist er aufgeschmissen. Dazu scheinen die meisten Krankenhäuser nicht in der Lage zu sein. In einer Lungenklinik zum Beispiel wird überhaupt nicht darauf reagiert, dass Franziska nichts essen kann. Man stellt ihr das Tablett hin und holt es abends wieder ab. Ohne darauf zu reagieren, dass sie gar nichts zu sich nimmt. Wenn die Familie nicht Essen mitgebracht hätte, wäre sie dort einfach verhungert.


    Das Verhalten vieler Ärzte machte Charlotte Link sprachlos und mich als Leserin wütend. Sie fragte sich, warum ein Arzt einen helfenden Beruf ergreift,


    Zitat von Charlotte Link

    wenn er gleichzeitig so menschenverachtend, rücksichtslos und fast feindselig mit Menschen umgeht, die sich in einer wehrlosen Situation befinden.


    Und wie kann es sein, dass solche Ärzte für ihr Tun nicht bestraft werden. Dass sie sich für Fehldiagnosen in rauen Mengen nicht entschuldigen und schon gar nicht verantworten müssen.


    Es hat sicherlich rechtliche Gründe, aber ich finde es äußerst schade, dass diese "Ärzte" hier nicht mit Namen genannt wurden.


    Glücklicherweise haben sie aber auch andere Ärzte und Klinikpersonal kennengelernt. Sie haben erlebt, dass man sich auch in einem Krankenhaus geborgen fühlen kann, wenn Ärzte und Schwestern mit den todkranken Patienten respektvoll und freundlich umgehen.


    Das Buch ist nicht leicht zu lesen. Wie schon am Titel zu erkennen, gibt es kein Happy end. Trotzdem macht es ein bisschen Mut, die Hoffnung nicht zu schnell aufzugeben.
    Zwei Jahre wurden Franziska anfangs noch gegeben. Sechs Jahre hat sie noch geschafft. Sechs Jahre, die sicher nicht leicht waren, die sich die Familie aber noch gehabt hat.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)

  • Ich habe dieses Buch bereits vor ein paar Tagen beendet. Bisher kannte ich Charlotte Link nur als Romanautorin.


    In "Sechs Jahre" erzählt Charlotte Link die Leidensgeschichte ihrer Schwester Franziska. Und es ist eine Leidensgeschichte, die mir Angst eingejagt hat.


    Franziska ist gerade mal Anfang 40, als bei ihr Darmkrebs festgestellt wurde, der bereits in die Lunge gestreut hat. Die Folge der Behandlung einer Morbus Hodgkin Erkrankung, an die sie mit 18 erkrankte und überstanden hat. Dass durch die Behandlung zig Jahre später neue Tumore entstehen können, davon wusste sie nichts. Ihr wird unmissverständlich klar gemacht, der jetzige Krebs ist inoperabel, in jedem Fall tödlich endend. Dennoch unterzieht sie sich einer Chemo- und Strahlentherapie, die ihr alle Kraft kostet.


    Die beiden Schwestern haben ein sehr inniges Verhältnis, und Charlotte begibt sich auf die Suche nach Behandlungsmöglichkeiten. Sie findet Ärzte, die bereit sind, Franziska zu operieren.


    Das war nur der Anfang. Was Franziska in den Jahren bis zu ihrem Tod erlebt, kann man fast nicht glauben. Etliche Fehldiagnosen wurden gestellt. Von den unfähigen und unsensiblen Ärzten, die ihren Beruf komplett verfehlt haben, mal ganz zu schweigen.


    Ich weiß es nicht, aber gehört zum Medizinstudium auch das Erlernen von "Menschlichkeit", "Einfühlungsvermögen" und "Mitgefühl"? Sowas gehört doch nicht auf Patienten losgelassen.


    Natürlich hat sie auch gute Ärzte kennengelernt. Aber ich weiß nicht, wie ich mit diesen :-# - Ärzten klar gekommen wäre. Auch das Verhalten von Schwestern und ich glaube, es waren Sanitäter, unglaublich.


    Sehr beeindruckt hat mich die Geschwisterbeziehung, die ich selten so innig erlebt habe. Auch der Zusammenhalt innerhalb der Familie findet man so glaube ich eher selten.


    Leider gab es kein gutes Ende für Franziska. Sie hat sechs Jahre gekämpft, gelitten und letztendlich doch verloren.


    Ja, es hat mir irgendwie Angst gemacht. Was wäre, wenn man selbst in diese Lage kommt, sei es als Patient oder als Angehörige. Hätte ich auch diesen Rückhalt durch die Familie? Würde ich Diagnosen der Ärzte anzweifeln? Bei meinem Schwiegervater haben wir irgendwann auch die Aussage bekommen, es wäre nichts mehr zu machen. Er wurde zum Sterben auf die Palliativstation verlegt. Nach diesem Buch sehe ich das mittlerweile etwas anders.


    Ein sehr gutes Buch. Der Schreibstil hat mir gefallen. Man merkt natürlich, dass eine erfahrene Buchautorin dieses Buch geschrieben hat. Keine einfache Lektüre, aber in jedem Fall empfehlenswert.


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