Lauren Beukes – Zoo City

  • Vorausschicken möchte ich, dass ich die Einordnung in diese Rubrik bewusst gewählt habe, da das "Fantasy-Element" in diesem Buch nicht im Vordergrund steht. Auch der Verlag verzeichnet es unter "Gegenwartsliteratur".


    Kurzbeschreibung:
    Wer Schuld auf sich lädt ...
    ... muss mit zwei Dingen leben: Einer magischen Begabung. Und einem Tier, das plötzlich da ist und einem nie mehr von der Seite weicht. So wie das Faultier, das Zinzi December auf dem Rücken trägt. Zinzi hat einen Haufen Schulden und ein Talent dafür, verlorene Dinge zu finden. Oder Menschen, die im Fall des verschwundenen Pop-Starlets Songweza. Die Suche gestaltet sich schwierig, denn in einer Welt, in der Magie und Verbrechen regieren, sind allzu viele Fragen nicht erwünscht. Wenn man anfängt, in Johannesburgs dunkle Ecken zu schauen, kommt schnell die Wahrheit ans Licht. Eine Wahrheit die einige Leute dringend unter Verschluss halten wollen. Die Wahrheit über die „Getierten“ und über das, was im Verborgenen mit ihnen geschieht ... (Quelle: Verlagswebsite)


    Autorin:
    Lauren Beukes wurde 1976 in Johannesburg, Südafrika, geboren. Sie arbeitet als Autorin und Journalistin und schreibt Romane, Graphic Novels und Drehbücher. Heute lebt sie zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Kapstadt. Die Autorin begeisterte mit ihren ersten beiden Romanen «Zoo City» und «Moxyland» das Feuilleton im englischsprachigen Ausland und gewann für ihr Werk einen der beiden renommiertesten internationalen Sci-Fi- Literaturpreise – den Arthur C. Clarke Award. (Quelle: Verlagswebsite)


    Allgemeines:
    „Zoo City“ erschien im Dezember 2014 als broschierte Ausgabe bei rowohlt Polaris. Der Roman umfasst 368 Seiten, die in 36 Kapitel gegliedert sind.
    Am Ende finden sich eine recht ausführliche Danksagung sowie ein Glossar der afrikanischen Begriffe (das übrigens von der Übersetzerin erstellt wurde).
    Erzählt wird aus der Ich-Perspektive von Zinzi December.
    Die mit dem Arthur C. Clarke Award ausgezeichnete Originalausgabe “Zoo City“ erschien 2010. Übersetzt wurde sie von Judith Reker.


    Inhalt:
    Der Roman führt uns nach Südafrika, in die immer noch sehr unschönen Vororte von Johannesburg. Zinzi December ist eine „Getierte“. Sie hat Schuld auf sich geladen (im Lauf des Romans erfahren wir, dass es der Tod ihres Bruders ist) und muss seitdem mit einem Tier als ständigem Begleiter und einer Art magischer Begabung leben. Ihr Talent ist das Auffinden verlorener Dinge. Hat sie sich bisher nur an Gegenständen versucht, wird sie nun gerufen, um einen verschwundene Pop-Star zu finden – das junge Mädchen Songweza. Diese Suche führt sie nicht – wie so viele ihrer bisherigen Suchen – in die Kanalisation, dafür aber in die tiefsten Abgründe des Verbrechens in und um Zoo City.


    Meine Meinung:
    Lauren Beukes Roman ist eine großartige Mischung aus Thriller und Gesellschaftskritik mit einem großen Schuss wunderbar schwarzem Humor. Es ist für mich aber kein Fantasy-Roman, wenn auch die ein oder andere „magische“ Begabung im Spiel ist und es diese merkwürdigen Verbindungen zwischen Tier und Mensch gibt.
    Mich hatte der Klappentext neugierig gemacht, wenn ich auch nicht so genau wusste, was mich da erwartet. Was ich bekam, war ein Roman, der mich rundum positiv überrascht hat. Da gibt es diese Menschen, die einen tierischen Begleiter als offensichtliches Zeichen ihrer Verbrechen haben. Dabei ist allerdings nicht aus der Art des Tieres ersichtlich, um welches Verbrechen es sich handelt. Auch wird nicht ganz klar, woher diese Tiere plötzlich kommen und welcher große Plan dafür sorgt, dass die Täter fortan auch eine besondere Begabung haben. Vielleicht, damit sie ihre Schuld in irgendeiner Form durch gute Taten sühnen können? Mit den guten Taten ist es aber nicht so einfach, wenn man in Südafrika lebt.


    Beukes nutzt ihre Heimat, um dort eine neue Form des Rassismus anzusiedeln. Nicht mehr die Hautfarbe ist entscheidend für den Status eines Menschen, sondern die Tatsache, ob er getiert ist oder nicht. So haben sich die „Zoos“ in einem Viertel von Johannesburg angesiedelt, dass als gefährlich, verrufen und gemieden beschrieben wird. In dieser Umgebung versucht sich Zinzi über Wasser zu halten. Einen regulären Job zu finden ist schwer, mit dem Stigma eines Faultiers als ständigem Begleiter. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie auch in die ein oder andere illegale Sache verwickelt ist. Über diese Kanäle gerät sie auch an den Auftrag, das Pop-Sternchen Songweza zu suchen, das spurlos verschwunden ist. Auch wenn Zinzi kein gutes Gefühl bei der Sache hat, nimmt sie den Auftrag an und gerät immer tiefer in den Strudel aus Verbrechen und Skrupellosigkeit.


    Die Selbstironie, mit der Zinzi ihr Leben beschreibt, ist einfach großartig. Wunderbarer Wortwitz macht die hoffnungslose Lage für den Leser erträglich ohne das Elend zu verschleiern. Immer wieder klingt auch Kritik an den (realen) Zuständen in Afrika an, das ja immer noch von Bürgerkriegen und Flüchtlingsströmen gezeichnet ist. Und so bringt Beukes den Leser mehr als einmal zum Nachdenken, während er mit Zinzi und ihrem Faultier – das ich sofort ins Herz geschlossen habe – verlorenen Dingen nachjagt und sich aus unzähligen Fallen und Gefahren befreien muss.


    Ein großartiger Roman, der zwar an manchen Stellen ein klein wenig verwirrend und verzettelt scheint, am Ende doch aber wieder alle Stränge einfängt und zu einem guten Ende führt, wenn auch nicht im Sinne eines Happy End. Ich werde die Autorin auf jeden Fall im Auge behalten und vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Fazit:
    Gesellschaftskritik gepaart mit schwarzem Humor und einer kleinen Prise Magie – diese Mischung ist schräg und wunderbar witzig, aber keinesfalls komisch.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Hier findet ihr die gleichnamige Originalausgabe.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Auf den Roman bin ich schon woanders neugierig geworden. Scheint wirklich was Besonderes zu sein. Danke für Deine schöne Rezension, @Hirilvorgul. Mich überzeugt vor allem Dein letzter Satz: schräg und witzig, aber nicht komisch. Ist eben ein großer Unterschied! Ich halte mal die Augen nach offen ... :)

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 55 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)

  • Inhalt (Amazon.de)


    Wer Schuld auf sich lädt ... ... muss mit zwei Dingen leben: Einer magischen Begabung. Und einem Tier, das plötzlich da ist und einem nie mehr von der Seite weicht. So wie das Faultier, das Zinzi December auf dem Rücken trägt. Zinzi hat einen Haufen Schulden und ein Talent dafür, verlorene Dinge zu finden. Oder Menschen, wie im Fall des verschwundenen Pop-Starlets Songweza. Die Suche gestaltet sich schwierig, denn in einer Welt, in der Magie und Verbrechen regieren, sind allzuviele Fragen nicht erwünscht. Wenn man anfängt, in Johannesburgs dunkle Ecken zu schauen, kommt schnell die Wahrheit ans Licht. Eine Wahrheit die einige Leute dringend unter Verschluss halten wollen. Die Wahrheit über die «Getierten» und über das, was im Verborgenen mit ihnen geschieht ...


    Meine Meinung


    Eines vorweg: Ich tat mich bisher schwer mit Urban-Fantasy und Beukes erster Roman, "Shining Girls" konnte mich nicht überzeugen, da er recht konfus wirkte. In meiner lokalen Bücherei bekam ich aber vom Händler/einem Freund auf Frage nach einer Buchempfehlung "Zoo City", dessen Cover wirklich auffällig ist, in die Hand gedrückt. Ich war skeptisch, aber nachdem ich die Inhaltsangabe dann gelesen hatte, nahm ich das Buch dann doch mit, schließlich verdient jeder eine zweite Chance.
    Die Ausgangssituation ist dabei durchaus interessant: Menschen, die moralische Verfehlungen begehen (Mörder, Vergewaltiger etc.), müssen fortan mit einem tierischen Begleiter leben, der selbst magisch ist und ihnen besondere Fähigkeiten verleiht. Diese sogenannten "Getierten" werden aber von der Gesellschaft als Abschaum gesehen (was sie in vielen Fällen auch sind) und dementsprechend gemieden. So führt uns Beukes nach Johannesburg, in ein abgeschlossenes, ghettomäßiges Wohnviertel namens "Zoo City" das den Getierten vorbehalten ist (der Vergleich mit "District 9" passt, was das angeht).
    Hier lebt die hochverschuldete Zinzi December, die sich mit, mehr oder weniger legalen, Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Zinzis Tier ist ein Faultier, das ihr die Begabung verleiht, verlorene Dinge aufzuspüren. Als ein aufsteigendes Pop-Sternchen verschwindet, wittert Zinzi die große Chance.
    "Zoo City" ist vieles: Der Plot um Zinzis Auftrag geht als Krimi durch, dessen Härte jedoch durch die große Klappe der Protagonistin und der Tatsache, dass ihr Begleiter eben ein Faultier ist, was für viele komische Situationen sorgt, gemildert wird. Apropos Begleiter: Warum die Tiere auf einmal an der Seite von "bösen" Menschen auftauchen, wird nicht erklärt und ich weiß, dass ich die fehlende Hintergrundinformation bei "Shining Girls" kritisiert habe, hier machte es mir jedoch wenig aus, schließlich wird nach der Zombie-Apokalypse auch selten erklärt woher die Zombies kamen und man nimmt es als gegeben hin hehe. Lauren Beukes nutzt die Idee der Getierten, die man als innovativ Bezeichnen möchte, um eine neue Form des Rassismus zu etablieren, um dann aufzuzeigen, wie menschenunwürdig und gefährlich Kastendenken sein kann. Wer Kritik an Gesellschaften sucht, in denen ein solches System bis Heute angewandt wird, wird hier fündig werden.
    Man könnte Lauren hier vorwerfen, dass sie zum Ende hin wieder zu sehr ins Fantastische abdriftet und das man den "Bösewicht" schon lange vor dessen Enthüllung kommen sieht, dennoch hat mich persönlich "Zoo City" gut genug unterhalten, um mich, was die Autorin angeht, wieder versöhnlich zu stimmen. Ich werde Lauren Beukes Schaffen im Auge behalten.