Kurzbeschreibung:
Ein 14,8 Meter langer Fischbandwurm, eine Seifenkiste mit Kurs auf den Mond, ein ungeahnt attraktiver Mönch im Jaguar, ein fallender Engel, eine schwangere Dorfprinzessin, eine altphilologische Geheimgesellschaft, eine nordic-walkende Mütterrunde, ein Jungfußballer mit dem Herz am rechten Fleck, eine sinistre Verschwörung der Dorfältesten sowie jede Menge poppige Blasmusik gehören zum unvergesslichen Mikrokosmos dieses Romans, der durch seine Hingabe an leuchtende Details und skurrile Begebenheiten, durch seinen erzählerischen Furor und seine Vielstimmigkeit besticht. Vea Kaiser entfaltet mit Verve, Esprit und unwiderstehlichem Witz die große Geschichte eines kleinen Dorfes und erzählt von einer Familie, die über drei Generationen hinweg auf kuriose Weise der Wissenschaft verfallen ist. Ein wagemutiges, herausragendes Debüt, das Kritik und Leser gleichermaßen verzaubert hat.
Wer sich von „Blasmusikpop“ einen weiteren Provinzroman erhofft, von denen die Literaturwelt momentan überschüttet wird, wird enttäuscht. „Blasmusikpop unterscheidet sich vom sonstigen Einheitsbrei in jeglicher Hinsicht.
Ein 14,8 Meter langer Bandwurm macht sich im Bauch von Johannes Gerlitzen breit. Johannes lebt in einem kleinen Bergdorf namens St. Peter am Anger, wo sich das Leben seit Jahrhunderten nicht geändert hat; wo jeder seinen Platz und seine Aufgabe hat; wo die Zeit buchstäblich stehengeblieben ist; wo man nichts vom sogenannten Fortschritt wissen will. Das Erlebnis mit dem Bandwurm, kombiniert mit der Tatsache, dass seine soeben geborene Tochter verdächtig starke Ähnlichkeit mit dem Nachbarn hat, bringt ihn dazu, diesen Ort zu verlassen und in der Hauptstadt Medizin zu studieren.
Als erfolgreicher Arzt, der seine Wurzeln nicht ganz vergessen kann, kehrt er in seinen Heimatort zurück, als er erfährt, dass seine Frau schwer krank ist. Zwar steht ihm die Dorfgemeinschaft skeptisch gegenüber, aber er kann sich doch durchsetzen und übernimmt die Hausarztpraxis im Dorf. Er kümmert sich um die Tochter und es bricht ihm das Herz, dass sie genau so ist, wie die Frauen in St. Peter immer waren: Sie passt genau in das Schema, in dem man sie haben will. Ihr Ziel im Leben ist es, zu heiraten, Kinder zu kriegen, Mitglied im Elternverein zu werden, Teilzeit zu arbeiten. Auch, dass sie den – Johannes´ Meinung nach – größten Deppen des Dorfes heiraten will, ist ihm nicht gerade recht, aber er kann es nicht verhindert. Der Nachwuchs lässt ein wenig auf sich warten, doch irgendwann kommt es doch dazu und Johannes erwartet einen weiteren St. Peter-Spross, der ist, wie alle sind. Doch er hat sich getäuscht: Johannes A. Irrwein, wie der Kleine heißt, wird kein Trunkenbold, kein Fußballfanatiker, kein Kartenspieler. Nein: Johannes Jun. wird genau wie sein Großvater, den er „Dr. Opa“ nennt. Er wird wissbegierig, introvertiert und Fußballspielen ist seine Vorstellung der Hölle.
Der Zufall will es, dass ein Mönch aus der nächsten Großstadt ins Dorf kommt um den kranken Pfarrer zu vertreten. Er erkennt das Potential, das in Johannes Jun. steckt und sorgt dafür, dass er aufs Gymnasium gehen kann. Wie erwartet entwickelt er sich zum Musterschüler, distanziert sich immer mehr von seiner Dorfvergangenheit und … rasselt (gar nicht wie erwartet), bei der Matura durch. Widerwillig kehrt er nach St. Peter zurück und beschließt, dass es seine Berufung sein muss, wie sein Lieblingsautor und großes Vorbild Herodot, eine Chronik über das Dorf und seine Bewohner (die „Bergbarbaren“) zu führen.
Vea Kaiser gelingt es auf wunderbar charmante, witzige, kluge Art und Weise, dem Leser die Eigenheiten der Dorfbewohner näherzubringen und auch wenn man anfangs geneigt ist, die Antipathie, die Johannes A. Irrwein seinen Nachbarn gegenüberbringt, zu teilen, kommt man doch nach und nach drauf, dass sie seinen Hochmut gar nicht verdienen. Im Zuge seiner Arbeit verursacht Johannes ein Spektakel, dass die Dorfgemeinschaft gegen den Ältestenrat aufbegehren und untereinander noch fester zusammenhalten lässt, aber auch Johannes selbst stark integriert – auch wenn ihm das gar nicht so recht ist. Dieses Ereignis wird das Dorfleben auf lange Zeit verändern, denn nichts ist mehr, wie es war. Im Endeffekt läuft es auf ein sehr überraschendes aber versöhnliches Ende zu.
„Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam“ war eines meiner Jahreshighlight 2014 und ich freue mich sehr auf mehr von Vea Kaiser!