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Sonntag, 28. Juni 1914, 10.45, Sarajevo, Ecke Franz-Joseph-Straße/Appelkai: Mit zwei Pistolenschüssen tötet der 19-jährige Gavrilo Princip den Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Frau Sophie. Einen Monat später erklärt Österreich dem Königreich Serbien jenen Krieg, der den Ersten Weltkrieg auslöst. Franz Ferdinand d’Este, Neffe des Kaisers Franz Joseph, war ein Tyrann, scheu und voller Menschenverachtung, der den Tod des Monarchen Franz Joseph herbeisehnte und widersprüchliche Staatspläne entwarf. In diesem biographischen Roman, der nach Erscheinen 1937 sofort verboten wurde, verdammt Ludwig Winder seinen armseligen Helden jedoch nicht, sondern zeigt, wie erstarrt das habsburgische Hofzeremoniell war – eine Wiederentdeckung hundert Jahre nach dem Attentat von Sarajevo.
zum Autor:
Ludwig Winder wurde 1889 als Sohn eines jüdischen Lehrers im südmährischen Schaffa geboren und starb 1946 in Baldock (GB). Feuilletonredakteur u.a. bei der Bohemia in Prag. 1939 Flucht über Polen nach Großbritannien. Autor mehrerer Romane, darunter "Die nachgeholten Freuden", "Der Kammerdiener".
Meine Meinung:
Ich verneige mich tief vor diesem Werk. Der beste historische Roman, den ich jemals gelesen habe. Der Autor beweist ein extrem fundiertes Wissen über die Geschichte und die Gesellschaft jener Zeit, welche vom Hochadel dominiert war. Die Verbindungen der Aristokratie, Österreich war ja für seine Heiratspolitik bekannt, quer über den Globus verwirren und faszinieren gleichermaßen. Bewusst wird dem Leser, wie sehr sich die Gesellschaft in 100 Jahren verändern kann. Unvorstellbar erscheinen z.B. die Regeln der Habsburger-Heiratspolitik. Es wurde penibel vorgeschrieben, wer in welchem Maße zu würdigen sei. Zeitlos hingegen zeigt sich das Nationalitätenproblem in einem großen Reich.
Franz Ferdinand entstammt einer kränklichen Familie. Der wenig charismatische junge Mann kämpft mit seinen Unzulänglichkeiten gleichwohl wie mit seinem Ehrgeiz. Kaum jemand findet ihn anziehend, bis auf eine ebenso wenig anziehende und ebenso ehrgeizige Frau. Die Erzkatholikin Sophie ist ihm seelenverwandt und bringt ihn um den Verstand. Der Thronfolger strebt die Versöhnung der Nationen von Österreich-Ungarn an, obwohl er die Ungarn hasst. Nach einer Amerika-Reise träumt er von den vereinigten Staaten von Europa. Und macht mit seinem Kleingeist zu vieles falsch. Der Autor zeichnet wunderbare Bilder faszinierender Persönlichkeiten. Die Habsburger werden in ihrer Menschlichkeit dargestellt. So leidet man mit ihnen, obwohl sie mit jedem Herzschlag den Unterschied der Aristokratie zum gewöhnlichen Volk leben. Was ihnen letztendlich wohl den Niedergang bescheret hat. Sehr empfehlenswerte Lektüre, deren geschichtlicher Hintergrund und psychologische Darstellung der Figuren bis zur letzten Seite fesseln.
lg, Christine Neumeyer