Christina Baker Kline - Der Zug der Waisen / Orphan Train

  • Kurzmeinung

    Marie
    gut recherchierte Historie, aber klischeebehaftet und ein allzu dickes Ende der Glückseligkeit
  • Kurzmeinung

    Pokerface
    Bewegende Geschichte über das Waisenkind Vivian
  • "Für einen Vater, dessen Kind stirbt, stirbt die Zukunft. Für ein Kind, dessen Eltern sterben, stirbt die Vergangenheit." Was Berthold Auerbach schon vor vielen Jahren niederschrieb, wird in diesem Buch an den beiden Protagonistinnen Vivian und Molly überdeutlich, von denen die eine einen ziemlich unrühmlichen Teil der Vergangenheit der USA miterleben musste.
    Vivian, die als Niamh mit ihrer Familie aus Irland nach New York kam, verliert mit neun Jahren bei einem Brand ihre gesamte Familie. Sie wird, wie damals üblich, mit vielen anderen elternlosen Kindern in einen Zug verfrachtet, der sie in den Mittleren Westen der USA bringt. Dort sollen sie ein neues Zuhause finden, was aber zumeist bedeutet, dass sie als billige Arbeitskräfte ein erbärmliches Dasein fristen müssen. Auch Niamh bildet hier keine Ausnahme und so folgen wir dem Schicksal des kleinen Mädchens von einem Unglück ins nächste, bis sie zu der Vivian wurde, die Molly kennenlernt.
    Auch Molly wächst ohne ihre Eltern auf: Mit 17 Jahren hat sie bereits diverse Pflegeeltern kennengelernt. Und auch wenn ihr die materielle Not unbekannt ist, die Vivian durchleben musste, verbindet die beiden vieles: das Gefühl nicht geliebt zu werden, behandelt zu werden wie ein Gegenstand, ständige Unsicherheit über das Morgen und das Empfinden einer völligen Einsamkeit. Doch zum Leidwesen ihrer Pflegeeltern lässt sie sich nicht mehr alles gefallen, was zu ständigen Streitereien führt. Im Rahmen einer Sozialarbeit lernt sie Vivian kennen und die beiden freunden sich an.
    Das zentrale Thema dieses Buches sind die Erinnerungen Vivians, während Mollys Geschichte eher eine Art Rahmenhandlung darstellt, die Vivians Vergangenheit in die Gegenwart zurückbringt. Erzählt wird in einer recht schlichten Sprache, was ich jedoch nicht als Nachteil empfand, da die Zeit der Waisenzüge aus der Sicht einer Neunjährigen geschildert wird. Ein anspruchsvollerer Schreibstil wäre mir unglaubwürdig vorgekommen.
    Auch wenn zwischen dem Erleben als Kind bzw. als Jugendliche zwischen den beiden Hauptpersonen viele Jahrzehnte liegen, zeigt sich eines überdeutlich: Mindestens ebenso schlimm wie die materielle Not ist die seelische. Geliebt, akzeptiert und respektiert zu werden, zu wissen wo man hingehört - so lässt sich auch materielle Not ertragen.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • 1929 – 1943. Vivian kam mit ihren Eltern als Niamh aus Irland nach New York und verlor ihre Familie 1929 im Alter von 9 Jahren durch einen Wohnungsbrand. Infolge dessen wurde sie mit anderen Waisen in einem der berüchtigten Orphan Trains nach Minnesota gebracht. Dort warteten angebliche Pflegefamilien auf die Kinder. Aber in den meisten Fällen sahen man in den Waisen nur billige Arbeitskräfte. Für Vivian begann eine Odyssee durch verschiedene Familien. Ihr Name wurde geändert, sie musste hart arbeiten und wurde nicht geliebt. Erst nach Jahren wurde sie von einem Ehepaar aufgenommen, die ihr eine Familie waren und ihr ein Heim boten.


    2011. In einer zweiten Erzählebene lernt der Leser die 17-jährige Molly kennen, die ähnlich wie Vivian von einer Pflegefamilie zur anderen geschickt wird. Nachdem sie beim Diebstahl eines alten Buchs erwischt wird, muss sie Sozialstunden ableisten und soll bei der inzwischen über 90-jährigen Vivian den Dachboden entrümpeln. Molly, die sonst niemanden in ihre Gefühlswelt blicken ließ, fasst zu Vivian, wegen ihres Einfühlungsvermögen und ihrer lebensweisen Art, langsam Vertrauen.


    Christina Baker Kline öffnet, begründet auf eine belegte, akribische Recherche, dem Leser ein Fenster in ein bislang weitgehend unbekanntes Kapitel amerikanischer Geschichte. Sie schildert eher sachlich-nüchtern die beiden Lebensgeschichten. Sie beschreibt, was beschrieben werden muss und wird dabei nie rührselig. Trotzdem gab es immer wieder Szenen, die mich emotional sehr berührten.


    Beide Handlungsstränge werde fast durchgängig abwechselnd erzählt, so verknüpft die Autorin geschickt Vergangenheit und Gegenwart und ermöglicht ein Teilhaben am Schicksal der beiden Protagonistinnen. Die Charakterisierung der beiden Frauen gelang ihr auch sehr gut, wo hingegen andere Figuren nicht so facettenreich vorgestellt wurden.


    Trotz der Schwere des Themas ließ sich das Buch sehr angenehm und flüssig lesen, weil auf Angriffe auf die Tränendrüsen durchweg verzichtet wurde. Einzig die sich zum Ende hin entwickelnde Hektik in den Ereignissen störte mich ein wenig. Im Anhang des Buches wird kurz und mit Fotos versehen, die Geschichte der Orphan Trains dargelegt.


    „Der Zug der Waisen“ ist ein hochinteressantes Buch, das ich sehr gern gelesen habe. Es brachte mir ein Stück amerikanischer Geschichte nahe, die mir so bisher noch nicht bekannt war.

  • Jung trifft auf Alt und ein Stück amerikanischer Geschichte


    Die 17-jährige Halbwaise Molly lebt bei Pflegeeltern, denn ihre Mutter sitzt im Knast. Nach einem Diebstahlversuch wird Molly zur Ableistung von Sozialstunden verdonnert. Dabei begegnet sie der über 90-jährigen Vivian, deren Dachboden dringend entrümpelt werden muss. Aber nicht nur das. Vivian trägt eine bewegende Biographie in sich, wurde sie doch als Kind irischer Immigranten, nachdem bei einem Brand ihre gesamte Familie umgekommen war, in den „Zug der Waisen“ Richtung Minnesota gesteckt, um dort eine neue Familie und ein neues Zuhause zu finden.
    Im Laufe ihres Zusammenseins entdecken Molly und Vivian, daß ihre Schicksale nicht ganz unähnlich sind, und zwischen den beiden entwickelt sich nach anfänglicher, gegenseitiger Skepsis eine ungewöhnliche Freundschaft.


    Christina Baker Kline greift in ihrem Roman „Der Zug der Waisen“ ein düsteres Kapitel amerikanischer Geschichte auf. Waisenkinder von Einwandererfamilien wurden Ende der Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts mit Zügen, den sogenannten „Orphan Trains“ in den Mittleren Westen der USA transportiert, wo sie Männer und Frauen erwarteten, die sich nicht immer einen heißersehnten Kinderwunsch erfüllen wollten, sondern nach einer geeigneten Arbeitskraft für Haus und Hof suchten.
    In diesen historischen Zusammenhang platziert die Autorin ihre authentisch wirkende Figur Vivian, die als 9-jähriges Mädchen das Los eines „Train-Riders“ ereilt hat. Jahrzehntelang hat Vivian über ihre verlorene Kindheit geschwiegen und vermag erst im hohen Alter, sich gegenüber der jungen, aufsässigen Molly zu öffnen.


    Die Handlung springt zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, so erfährt der Leser nach und nach zwar immer mehr von den persönlichen Lebensgeschichten beider Frauen, doch mich hat der ständige Zeitenwechsel etwas gestört. Zum einen bevorzuge ich prinzipiell eine linear verlaufende Erzählung, zum anderen hätte es Vivian meiner Meinung nach schon aufgrund ihrer unfassbaren Erlebnisse verdient gehabt, allein im Zentrum des Geschehens zu stehen.
    Molly's Hintergrund und ihre Probleme sind ohne Zweifel gut dargestellt. Allerdings lenken sie meines Erachtens vom eigentlichen Thema ab und stellen die eigentliche Tendenz des Buches ein wenig in den Schatten, nämlich auf ein unglaubliches geschichtliches Ereignis aufmerksam zu machen, das wahrscheinlich kaum bekannt sein wird.


    Des Weiteren habe ich den Erzähl- und Schreibstil von Christina Baker Kline als merkwürdig kühl und abgeklärt empfunden. Warum kann ich nicht einmal sagen. Es mag an den kurzen, knappen Sätzen gelegen haben oder an der zum Teil nüchternen Ausdrucksweise, letztlich hat sich bei mir weder große Sympathie noch laue Empathie entwickelt.


    Ich habe den „Zug der Waisen“ mehr als einen Bericht denn als einen Roman gelesen. Die Figuren sind mir nicht sonderlich ans Herz gewachsen, und die Handlung konnte mich nicht vollkommen fesseln. Nichtsdestotrotz habe ich das Buch kurzerhand gelesen und hierbei auf jeden Fall dazugelernt.

  • Klappentext von der Verlagsseite:


    New York, 1929: Mit neun Jahren verliert Vivian Daly, Tochter irischer Einwanderer, bei einem Wohnungsbrand ihre gesamte Familie. Gemeinsam mit anderen Waisen wird sie kurzerhand in einen Zug verfrachtet und in den Mittleren Westen geschickt, wo die Kinder auf dem Land ein neues Zuhause finden sollen. Doch es ist eine Reise ins Ungewisse, denn nur die wenigsten von ihnen erwartet ein liebevolles Heim. Und auch Vivian stehen schwere Bewährungsproben bevor … Erst viele Jahrzehnte später eröffnet sich für die inzwischen Einundneunzigjährige in der Begegnung mit der rebellischen Molly die Möglichkeit, das Schweigen über ihr Schicksal zu brechen.


    Autoreninfo von der Verlagsseite:


    Christina Baker Kline wuchs in England und in den Vereinigten Staaten auf. Sie hat Literatur und Kreatives Schreiben unterrichtet und sich als Buchautorin und Herausgeberin von Anthologien einen Namen gemacht. Ihr Roman „Der Zug der Waisen“ war in den USA ein großer Erfolg und hielt sich monatelang an der Spitze der New-York-Times-Bestsellerliste. Mit ihren Mann und ihren drei Söhnen lebt die Autoin in Montelair, New Jersey.


    Erster Satz


    Ich glaube an Geister.


    Aufbau:


    Das 356 Seiten umfassende Werk „Der Zug der Waisen“ von Christina Baker Kline ist aufgeteilt in einen Prolog, einen Hauptteil, einen Epilog sowie Danksagung und Hintergrundinformationen mit schwarz-weiß Bildern. Voran gestellt ist eine Widmung sowie ein Auszug aus Bunny McBride “Women of the Dawn”. Die einzelnen Hauptteile sind durch Orts- und Zeitangaben voneinander getrennt. Erzählt wird aus der Sicht des personalen Erzählers in der dritten Person. Zeitspannen von 1929 bis 1943 und 2011.


    Meinung


    Bis zu „Der Zug der Waisen“ von Christina Baker Kline war mir nichts über die Waisenzüge oder Orphan Trains in den USA bekannt. In ihren Hintergrundinformationen berichtet Christina Baker Kline, über den geschichtlichen Hintergrund der Orphan Trains, die für einige Kinder ein Glücksfall waren und für andere in die Sklaverei führten.
    Die Geschichte dieser Orphan Train Kinder erzählt sie anhand der fiktiven Lebensgeschichte, des neunjährigen irischen Waisenmädchen Niamh. Sie verlor ihre Eltern und Geschwister bei einem Brand 1929 und wurde zu einem der Kinder des Orphan Train.
    Ein weiterer Handlungsstrang ist die Geschichte um die Waise Molly. Sie ist indianischer Abstammung und nach dem Tod des Vaters und einem Gefängnisaufenthalt der Mutter wird sie von einer Pflegefamilie zu der nächsten geschoben. Nirgendwo ist sie heimisch und erlebt Ablehnung.
    2011 in dem Jahr in dem ein Teil der Handlung spielt lebt sie bei Dinah und Ralph. Dinah arbeitet als Einsatzkoordinatorin bei der Polizei in Howard Spruce und ist streng religiös konservativ. Dadurch hat es Molly, die gänzlich anders ist – sie sit ein Goth und rebellisch – nicht leicht. Durch eine Dummheit bekommt Molly Sozialstunden aufgebrummt. Diese kann sie durch Unterstützung ihres Freundes Jack bei der 91jährigen Vivian ableisten, die ihren Speicher entrümpelt haben will. Zunächst ist sie skeptisch, aber dann findet sie zusammen mit Vivian wichtige Dinge aus deren Vergangenheit und Vivian beginnt ihre Lebensgeschichte nach und nach zu erzählen.


    Ich kann noch nicht einmal sagen, welcher Teil mir besser gefallen hat. Die Lebensgeschichte von Niamh und wie sie zu Vivian wurde, oder die Gegenwart von Molly und ihre Auseinandersetzungen mit Dinah.
    Letztere sind von Intoleranz Dinahs gegenüber Molly gekennzeichnet. Sie akzeptiert sie einfach nicht und stellt nur Regeln auf, an die Molly sich zu halten hat. Es gab keinen Moment in diesem Buch in dem ich Dinahs furchtbares Verhalten nachvollziehen konnte. Allein die Episode mit dem vegetarischen Essen fand ich so daneben von ihrer Seite, dass die Person, die mir vorher schon unsympathisch war, nun auch den letzten Kredit bei mir verspielte. Ebenso erging es mir mit Ralph, der scheinbar wirklich keine eigene Meinung hat und für mich ziemlich blass blieb.
    Die anderen beiden Nebencharaktere Jack und Terry, in Mollys Handlungsstrang, kann ich wirklich als solche bezeichnen, sie tauchen immer wieder mal in der Handlung auf und unterstützen teilweise Dinah oder Vivian. Wobei Terry auch skeptisch gegenüber Molly ist und dies auch gelegentlich zum Ausdruck bringt, aber dabei noch human bleibt.
    Auch Niamh oder Vivians Handlungszweig tauchen einige Nebencharaktere auf die auch gut dargestellt sind. Da ist zum einen die Betreuerin des Waisenzugs, die von ihrer charakterlichen Einstellung, sehr stark Dinah nahe kommt. Aber es gibt nicht nur negative oder neutrale Nebencharaktere. So sind Miss Larsen, Mrs Murphy und Mrs. Nielsen, die sich alle im Laufe der Handlung einen wichtigen Anteil an Niamh bzw. Vivians Leben haben, positive Charaktere, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen Vivian das Leben positiv zu gestalten und das sie Hoffnung hat.


    Auch wenn der Grundtenor von „Der Zug der Waisen“ traurig ist und ein nicht so glückliche Zeit der amerikanischen Geschichte – Orphan Trains, Weltwirtschaftskrise und Zweiter Weltkrieg – beschreibt, gibt es auch schöne Momente im Buch in denen Molly und auch Vivian Anerkennung und Liebe erfahren.


    Christina Baker Klines Schreibstil ist dabei immer sanft und berührend, wobei es teilweise auch durch die kurzen Sätze wie ein Bericht in Teilen rüber kam. Aber ich habe während der gesamten Handlung mit Vivian und Molly gefiebert. Teilweise über die Nebencharaktere den Kopf geschüttelt und auch Molly hätte ich in manchem Moment gerne mal geschüttelt, wenn sie wieder ihre Anwandlungen hatte. Auch wenn ich ihre Handlungsweisen nach dem ich ihre Geschichte kennen gelernt habe, auch etwas verstehen konnte.
    Mit einer Handlungsweise von Vivian hatte ich während des Lesens meine Schwierigkeiten und habe sie immer noch. Verstehen kann ich es nicht, aber über das Ende des Buches bin ich dennoch glücklich. Obwohl ich noch sehr gerne mehr aus Vivians Leben nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erfahren hätte. Dieser Bruch kam mir zu abrupt, auch wenn zu diesem Zeitpunkt der Orphan Train keine Rolle mehr gespielt hat.
    Das Ende hat mich mit Bruch wieder versöhnt, da einige offene Fragen, die sich mir während des Buches gestellt habe – was ist aus den anderen Kinder des Zugs der Waisen geworden – beantwortet wurden.


    Gerade die kleinen Begebenheiten aus Vivians Geschichte wiederholen sich auch in Mollys, wenn man genau liest erkennt man sie und mich haben sie sowohl bei Vivian als auch bei Molly berührt. Geschichte wiederholt sich also doch und ist manches Mal gar nicht so weit auseinander, wie man denkt. Damals wie heute gibt es Menschen, die die Notlage von anderen ausnutzen und davon profitieren, auch diese Begebenheit zeigt Christina Baker Kline auf.


    Fazit
    Ein gefühlvolles und gut recherchiertes Werk über ein Stück Geschichte, das nicht überall bekannt sein wird und mich immer noch nachdenken lässt. Eine absolute Leseempfehlung.


    Bewertung:
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)

  • ich habe nun ebenfalls das Buch gelesen und kann mich den bisher eigentlich nur lobenden Worten meiner VorgängerInnen anschließen. Ich habe das Buch praktisch in einem Rutsch durchgelesen.


    Da es schon mehrere ausführliche Beschreibungen gibt, erspare ich das nun mir und euch.


    Vivians Geschichte, die offenbart wird, war sehr berührend. Mehr als einmal hatte ich Tränen in den Augen. Die Vorstellung, dass ein kleines Kind (!) mutterseelenallein in einen Zug mit zig anderen Kindern gesetzt wird und man den Mädchen dann auch noch meist über die Dauer der Reise ein Baby zur Verantwortung überlies (das sie dann wieder irgendwann abgeben mussten) ist einfach unvorstellbar für mich. All die einzelnen Schicksale der Kinder sind sehr ergreifend.


    Molly war mir ehrlicherweise etwas zu "brav" - 50 Sozialstunden für ein gestohlenes altes Buch aus einer Bücherei? Aber natürlich war das Buch ein Klassiker, und sie ist sehr belesen und Vegetarierin. All die "Abgrenzungen" zur aktuellen Pflegefamilie waren mir schon etwas zu viel aufgetragen.


    Was mich auch etwas gestört hat, war die unterschhiedliche Erzählweise: Vivian in Ich-Form und Molly in Erzählform. Schöner hätte ich es gefunden, wenn auch Mollys Part in Ich-Form gehalten worden wäre. So war es fast ein Hin-und-Her-Schalten in der Geschichte.


    Auch das Ende (in beiden Geschichten) war schon fast etwas zu dick aufgetragen. Die 92jährige, die die Welt mit Internet und Facebook erobert und auf Familienforschung geht? Und auch bei Molly "Friede Freude Eierkuchen"? Aber ok, ich hab mir natürlich ein Happy End gewünscht - nach so einem Buch tut man das wohl automatisch.


    Von mir 4,5 Sterne

  • Mein Fazit:


    Das schlichte Cover mit den zwei kleinen Kindern, die fröhlich auf einer Wiese spielen, täuscht über den wahren Inhalt ein bisschen hinweg. Es symbolisiert doch eine idyllische Kindheit, die die Kinder der „Orphan Trains“ in der Regel jedoch nicht hatten. Das Buch handelt von der fiktiven Geschichte, aber es steht für viele Schicksale, die sich in unzähligen Häusern so oder so ähnlich abgespielt haben.


    Die Abschnitte von Niamh sind dabei aus ihrer eigenen Perspektive erzählt, wie sie als kleines Mädchen nach New York kam und bald ihre Familie verlor. Sie hatte schon in Irland kein leichtes Leben, aber ihre Erinnerungen an ihre Großmutter gaben ihr stets Halt in dunklen Stunden.


    Erschütternd, welches Schicksal das Mädchen ereilte, aber gleichzeitig auch mutig war, das alles stoisch zu ertragen, begleitete ich die Autorin bei ihrer Erzählung, die nichts beschönigte. Sie beruft sich dabei auf persönliche Begegnungen und den daraus entstandenen Gesprächen mit den „Train Riders“, die aus ihrem schweren Start ins Leben berichteten, aber offensichtlich ihren Mut und ihre Hoffnung nicht verloren, wohl aber den Bezug zu ihrer wahren Identität. Dabei machte mich nicht nur das Verhalten der Pflege-Familien wütend, sondern auch die der Organisation, die die Kinder auf dem Weg begleitete. Kaum waren die Papiere unterzeichnet, wurden die Kinder ihrem Schicksal überlassen und niemand überprüfte, ob auch alles Recht war, was geschah! In der heutigen Zeit kaum noch denkbar, zumindest für meinen persönlichen Lebensbereich kann ich das sagen.


    Natürlich gibt es da noch die 17jährige Molly, die in der Gegenwart auch mit ihrem Schicksal kämpft. Ihr Vater verstorben, die Mutter im Gefängnis, wird sie von einer Familie zur nächsten gereicht, da sie sich kaum auf neue Menschen einlassen kann. Die Enttäuschungen sitzen zu tief. Während ihrer Arbeit bei Vivian beginnt sie langsam aufzutauen und zu verstehen, warum das alles so gekommen ist. Gleichzeitig wird sie stärker und steht für sich selbst ein.


    Das Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt und mich mit dem kleinen Mädchen leiden und zittern, aber auch lieben und aufblühen lassen. Bewundernswert und doch kam auch Traurigkeit auf, dass das Schicksal ihr so übel mitgespielt hatte.


    Sehr bewegend und ergreifend und es bringt ein bisschen Licht in eines der dunklen Kapitel der amerikanischen Geschichte. Sehr interessant waren auch die Ausführungen und Bilder über die „Orphan Trains“ und die „Train Riders“. Sehr empfehlenswert, von mir bekommt die Geschichte fünf Sterne!

  • Zum Buch:


    New York, 1929. Mit neun Jahren verliert Vivian Daly, Tochter irischer Einwanderer, bei einem Wohnungsbrand ihre gesamte Familie. Gemeinsam mit anderen Waisen wird sie kurzerhand in einen Zug verfrachtet und in den Mittleren Westen geschickt, wo die Kinder auf dem Land ein neues Zuhause finden sollen. Doch nur die wenigsten von ihnen erwartet ein liebevolles Heim. Stattdessen müssen sie als billige Landarbeiter, Haushaltshilfen oder Näherinnen unter unmenschlichen Bedingungen für ihre Gastfamilien härteste Knochenarbeit leisten. Viele von ihnen werden für ihr Leben gezeichnet, wenn sie nicht ganz daran zerbrechen. Auch Vivian stehen schwere Bewährungsproben bevor, und mehr als einmal ist sie Willkür und Tyrannei ausgesetzt - bis es ihr nach entbehrungsreichen Jahren endlich gelingt, einen Ort der Geborgenheit zu finden und ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Doch erst Jahrzehnte später, und durch die überraschende Freundschaft zu einem rebellischen, jungen Mädchen, das wie sie bei Pflegeeltern aufgewachsen ist, vermag sie das Schweigen über ihr Schicksal zu brechen und wahren Frieden zu finden.


    Meine Meinung:


    Nachdem ich einmal in die Geschichte gefunden hatte, fand ich diese auch gut.


    Wir springen zwischen der Gegenwart (2011) und den Jahren 1920 bis in die Nachkriegszeit hin und her und begleiten Vivian durch ihre Kindheit und ihre verschiedenen Lebensstationen. Erschütternd und erschreckend, was diese Kinder alles erleiden mussten. Ich habe mir so sehr eine nette Familie für Vivian gewünscht.


    Molly, selbst Pflegekind in der Gegenwart, soll Sozialstunden bei der betagten Dame Vivian leisten. Daraus entwickelt sich eine wunderbare Freundschaft und Vivian erzählt Molly ihre Lebensgeschichte. Dadurch findet auch Molly zu sich selbst.


    Fazit:


    Schöne Geschichte, konnte mich gut abholen. 4 Sterne.:bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Liebe Grüße
    Pokerface


    Tu es oder tu es nicht. Es gibt kein Versuchen (Yoda) :study:

  • Inhalt

    Molly wirkt wie ein Goth aus dem Bilderbuch, geschminkt, gesträhnt und gepierct. Das siebzehnjährige Mädchen hat nach dem Tod des Vaters und der Gefängnisstrafe der Mutter viele Pflegestellen und viele verschiedene Schulen erleben müssen. Die Erwachsenen funktionieren wie auf Knopfdruck. Wenn Molly provoziert, explodieren ihre Erziehungsberechtigten, Molly wird wieder fortgeschickt und fühlt sich jedes Mal kurzfristig als Siegerin. Ralph und Dina, die aktuellen Pflegeeltern, nehmen vermutlich an keiner Selbsthilfegruppe für Pflegeeltern teil; denn ihr gemeinsames Motiv, einen schwierigen Jugendlichen aufzunehmen, ist zwischen den Partnern nicht geklärt worden. Als Molly ein Buch aus der Bibliothek zu stehlen versucht, droht ihr – reichlich martialisch – gleich ein Jugendarrest. Mollys guter Freund Jack will sich auf keinen Fall von Molly trennen und dringt darauf, dass sie die Strafe in Form von Sozialstunden abarbeitet. Jack hat auch gleich eine Idee wie, Molly soll der betagten Vivian beim Entrümpeln des Dachbodens helfen.


    Vivian, 91 Jahre alt, verfügt über die gebieterische Ausstrahlung einer Ordensschwester und findet gleich den richtigen Ton bei Molly. Schnell wird klar, dass Vivian sich noch nicht von den Erinnerungsstücken auf ihrem Boden trennen kann; denn über ihr Schicksal als Adoptivkind in den USA der harten 30er Jahre hat sie bisher kaum gesprochen. Vivian wurde gemeinsam mit anderen Kindern aus dem New Yorker Waisenhaus mit dem Orphan Train nach Minnesota aufs Land geschickt und dort als kostenlose Arbeitskraft an so genannte Adoptiveltern verschachert. Die Interessenten wollten entweder ein Baby, einen kräftigen Jungen als Arbeitskraft oder ein Mädchen, das den Haushalt führt und die leiblichen Kinder betreut. Für die Adoptiv-Kinder bestand eine Art Rückgaberecht, so dass sie jederzeit befürchten mussten, wieder fortgeschickt zu werden.


    Ich kann mir gut vorstellen, dass Molly vor den Gesprächen mit Vivian nicht bewusst war, dass ein Pflegekind sich den Wünschen anderer so stark anpassen kann, bis es nicht mehr spüren kann, wer es selbst ist. Vivian, die eigentlich Niamh hieß, musste sogar zweimal ihren Vornamen wechseln, um sich den Wünschen ihrer wechselnden Pflegeeltern zu unterwerfen. Im Unterricht in Amerikanischer Geschichte entdeckt Molly (deren Vater indianischer Abstammung war) gerade die Geschichte der Ureinwohner, die ihre Habe mit sich transportieren und dafür klug auswählen mussten. Die Portage, das Verpacken des persönlichen Besitzes, kann im übertragenen Sinn für Aufbruchssituationen im Leben stehen. Molly erkennt, dass Vivians Nachlass dringend eine Vermittlerin wie sie selbst braucht, damit auch andere die Bedeutung der Dinge verstehen können. Molly und Vivian finden in der jeweils anderen unerwartet eine Gesprächspartnerin, der man das eigene Schicksal nicht erst erklären muss und es kommt für alle Beteiligten zu unerwarteten Wendungen.


    Fazit

    Christina Baker Kline hat mit ihrem flüssig zu lesenden Buch den Kindern der Orphan Trains ein Denkmal setzen wollen und dokumentiert die historischen Ereignisse eindringlich mit zeitgenössischen Fotos. Zusätzlich hat sie ein wunderbares Buch über Pflegekinder und Pflegeeltern geschrieben, das seinen Lesern Einblick in die Gefühle eines entwurzelten Kindes gibt – und das darüber hinaus einige schwer auszurottende unrealistische Vorstellungen über die Beziehung zwischen Pflegekind und Wahlfamilie aus der Welt schaffen kann. Ich bin froh, dass ich von Vivians und Mollys Schicksalen gelesen habe, auch wenn ich Schicksalsberichten anfangs meist skeptisch gegenüberstehe.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Molly, ein schwieriges, junges Mädchen muß kurz vor der Volljährigkeit Sozialstunden ableisten. Durch Vermittlung eines Freundes darf sie das im Haus der reichen Vivian. Zusammen wollen sie den Speicher der Villa aufräumen. Aber bereits nach kurzer Zeit wird klar, eigentlich will Vivian nichts entrümpeln, sondern vergangene Zeiten nochmals Revue passieren lassen. Die 91-jährige Vivian erzählt Molly ihre Lebensgeschichte von der Auswanderung aus Irland, ihrer Ankunft in New York und wie sie im Jahr 1929 mit nur 9 Jahren ihre Eltern bei einem Wohnungsbrand verloren hat. Mit anderen Waisenkindern wird sie in einem Orphan Train in den Mittleren Westen zu Pflegeeltern verschickt. Ihr Leben, ihre psychischen und auch psychischen Leiden und ihr letztendliches Glück schildert der Roman.


    Im Strang der Gegenwart nähern sich die beiden Frauen durch diese Erzählungen und verschiedene Parallelen in ihrer beider Leben immer mehr an und es entsteht ein Vertrauensverhältnis und der Beginn einer Freundschaft. So schafft es Molly, sich nach und nach zu öffnen und auch in der Schule fällt sie plötzlich durch positive Leistungen auf. Das Ende mag eine etwas „heile Welt“ darstellen, gibt aber der traurigen Geschichte einen runden Abschluß.



    Die Autorin hat einen mir unbekannten Teil der amerikanischen Geschichte zum Thema ihres Buches gemacht. Sehr einfühlsam erzählt sie das Leben von Vivian stellvertretend für viele Waisenkinder, die in den Orphan Trains reisen mußten. Sehr interessant sind auch das Nachwort der Autorin mit der Geschichte der Orphan Trains und mit den seltenen alten Bildern und einem Plakat. So wird alles noch spürbarer und bewegender.


    Es ist ein Buch, das sich flüssig liest und auf jeden Fall zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Vor allem unter dem Gesichtspunkt wie aktuell das Thema Pflege-, Waisen- und Flüchtlingskinder in verschiedenen Teilen der Welt heute noch ist.


    Für mich ist das Buch eindeutig ein Highlight!