Wie sehr lebt ihr mit euren Figuren?

  • Das mag jetzt zwar ein wenig komisch klingen, aber mich würde mal interessieren, wie ihr euch gefühlsmäßig an eure Figuren hängt? Betrachtet ihr sie mehr von außen oder lebt ihr mit ihnen und ihren Abenteuern mit? Lacht und weint ihr mit ihnen? Verselbstständigen sie sich sogar und bekommen so etwas wie einen eigenen Willen? Was passiert in dem Fall mit eurem roten Faden? Steht er starr oder baumelt er eh nur lose in der Gegend herum?


    Ich komme nur gerade darauf, weil ich gerade eben an dem Ende einer Geschichte geschrieben habe und relativ entsetzt war, wie fies das doch eigentlich gestaltet ist - und hatte dabei selber eine Gänsehaut, weil ich in Gedanken voll in der Rolle der Protagonistin steckte. Nun handelt es sich um eine Sammlung bizarrer erotischer Kurzgeschichten, also es war abzusehen, dass das nicht gut ausgeht. Genauso mies hatte ich mich gefühlt, als ich einen Kurzpsychothriller (ausnahmsweise mal komplett unerotisch :lol: ) verfasst habe, ein Psychogramm eines Stalkers aus der Sicht des Stalkers. Am Schluss war ich so geschafft, weil es äußerst anstrengend und deprimierend war, mich in diese kranke Psyche hineinzuversetzen, um das Ganze auch glaubhaft rüberzubringen.


    Ich stelle es mir aber irgendwie noch furchtbarer vor, wenn man mit seinen Figuren lebt und sowieso nur Krimis und Thriller schreibt (oder Fantasy, wo die Protas einer nach dem anderen den Löffel abgeben -> Das Lied von Eis und Feuer :wink: ). Das müsste für andere Autoren doch eigentlich auch ungeheuer frustrierend sein. Oder haltet ihr dann doch lieber Abstand von euren Figuren? Oder ist dieses Gefühlsmäßige genau das, warum ihr lieber nur positive Geschichten schreibt?

    "deine beschreiebung alleine lässt vermuten, dass es sich um schmöckerroman einzigartiger klasse handelt, nämlich übertriebenem bullshid, der mit der wirklichkeit keinene hinreichenden effekt auf die wirklichkeit erstreckt." (Simon Stiegler)

    Stimmt! Ich schreibe spannende Unterhaltungsliteratur, die den Leser aus der Wirklichkeit entführt, bis zum Ende gelesen wird und bei der der Leser am Ende fragt: Wann erscheint der nächste Band? Schreiben will halt gelernt sein

  • Ein sehr interessantes Thema! :thumleft: Ich denke, als Autor bleibt es nicht aus, dass man mit den Figuren, die man erschafft, mitleidet, sich mitfreut - kurz, dass sie einem ans Herz wachsen. Mehr wahrscheinlich als dem Leser. Mir fällt es jedesmal mehr oder weniger schwer, meine Protagonisten gehen zu lassen. Es kommt darauf an, wie sehr ich mich emotional von ihnen einwickeln lasse. Auch auf die Dauer der Geschichte. Je länger ich an etwas schreibe, desto schwerer ist der Abschied. Das ging mir vor allem beim "Bildnis des Grafen" so, der mich zweieinhalb Jahre intensiv beschäftigt hat. Tatsächlich ist dann das passiert, was du beschreibst: ich musste gesundheitsbedingt eine Pause machen, und als ich mich wieder ans Skript setzte, haben sich die Figuren verselbständigt und ihre Geschichte fast ohne mein Zutun erzählt. Das war schon eine merkwürdige, aber für mich einmalige Erfahrung. Es wundert mich daher, dass es anderen Autoren wohl schon häufig so gegangen ist.


    Auch ist es schon vorgekommen, dass ich während des Schreibens fast geweint habe - oft vor Glück, manchmal aber auch aus Trauer, weil mir die Figur sehr leid tat, z. B. Francis aus "Fairlight", der zwar kein sympathischer Charakter ist, aber doch seine liebenswerten und vor allem tragischen Seiten hat.


    Gerade bin ich dabei, mit einer Freundin eine Fantasy-Kurzgeschichte zu entwickeln, die auf der nordischen Göttersage und den Thor-Verfilmungen basiert. Ich mag besonders den Charakter Fenyir, der auf den ersten Blick ein "Baddie" ist wie Francis, der aber durchaus Grund für sein Handeln hat und vermutlich unter den Lesern für ein paar Überraschungen sorgen wird, da er bisher nicht in besonders gutem Licht dasteht. Gestern haben wir mit Kapitel 15 angefangen, bei dem wir fast den Tränen nahe waren. Albern, aber es war so bewegend, dass wir nicht anders konnten... :uups:

  • Meine Protagonisten sind ja vor allem Katzen. Alle von ihnen sind fiktiv und haben ihr ausgefülltes (aber natürlich gefährliches) Schiffskatzenleben im 17. Jahrhundert geführt. Allerdings gibt es für die meisten lebendige oder in den letzten Jahren verstorbene und mir in den meisten Fällen persönlich bekannte Fellnasen als Vorbilder für die fiktiven felinen Charaktere. Es ist nicht einfach, die Fiktionen im Roman leiden oder gar sterben zu lassen und oft genug halten sie sich - wie Katzen eben sind - (glücklicherweise) nicht an meinen groben Plot. Tatsächlich leide und freue ich mich mit meinen vierbeinigen Protagonisten mit und ich erlaube mir einmal, hier ein ganz persönliches Geheimnis zu verraten: Bei der Lektüre der einen oder anderen Stelle meines Buches kommen mir gelegentlich die Tränen (ziemlich problematisch bei einer Lesung, weshalb ich die problematischen Stellen meistens auslasse oder noch lieber generell jemand anderen, jemand, der das auch gut kann, lesen lasse [anderes Thema] ;-) ). Die Tränen kommen mir dabei nicht etwa, weil ich so gerührt von meiner literarischen Überzeugungskraft bin (das mögen die Leser beurteilen), sondern weil einige Passagen des Textes Transformationen realer, persönlicher Katzenerlebnisse darstellen.

  • Das mag jetzt zwar ein wenig komisch klingen, aber mich würde mal interessieren, wie ihr euch gefühlsmäßig an eure Figuren hängt? Betrachtet ihr sie mehr von außen oder lebt ihr mit ihnen und ihren Abenteuern mit?


    Ich hänge durchaus an meinen Figuren. Sie von außen zu betrachten gehört auf jeden Fall dazu. Das ist kein Widerspruch. Ich muss mir konzeptionell und später immer wieder klar machen, wie die Persönlichkeit, die Fähigkeiten, die Fehler und die Charaktereigenschaften dieser Menschen aussehen, was ihre Motivationen sind, was in ihrem Kopf vorgeht, wo sie sich selbst betrügen und was sie liebenswert macht oder auch einfach nur menschlich. Ich muss ihre Sprache genau kennen und wissen, wen sie mögen und warum. Das schafft ein Maß der Identifikation (eigentlich eher: Verständniss. Denn darauf, dass meine Protagonisten keine Kopie von mir selbst werden, achte ich sehr), das beim reinen Lesen überhaupt nicht denkbar wäre.

    Lacht und weint ihr mit ihnen?


    Diese Frage kann ich also durchaus bejaen.


    Verselbstständigen sie sich sogar und bekommen so etwas wie einen eigenen Willen? Was passiert in dem Fall mit eurem roten Faden? Steht er starr oder baumelt er eh nur lose in der Gegend herum?


    Dass jede Figur ihren eigenen Willen hat, ist für mich die Grundbedingung, um überhaupt eine Geschichte zu entwickeln. In jedem guten Roman geht es im Kern um Menschen (selbst, wenn sie als Katzen, Elfen oder dergleichen getarnt sind :) oder gezielt bestimmte menschliche Eigenschaften weggelassen sind). Genau zu schauen, wer für welche Rolle geeignet sein könnte, ist die Basis zur Entwicklung des Roten Fadens. Wenn ich keine Fehler in der Konzeption gemacht habe, dann kann mir eigentlich nichts besseres passieren, als dass die Figuren tun, was sie wollen (so lange keine fiesen Sachzwänge sie daran hindern). Natürlich bedingt das auch, dass ich kein extrem starres Gerüst statt eines roten Fadens verwende.


    Ich stelle es mir aber irgendwie noch furchtbarer vor, wenn man mit seinen Figuren lebt und sowieso nur Krimis und Thriller schreibt (oder Fantasy, wo die Protas einer nach dem anderen den Löffel abgeben -> Das Lied von Eis und Feuer ).


    Und trotz allem bisher gesagten ist George RR Martin im Vergleich zu mir ein Protagonistenverhätschler. Damit habe ich auch kein Problem. Das liegt einfach daran, dass die Protagonisten erst dadurch, dass sie leiden, leben, lieben, scheitern, versagen und wenn es gefährlich wird auch einmal sterben, werden sie zu richtigen Personen. Natürlich müssen immer genug von ihnen für die Handlung übrig bleiben und manchmal verbietet es auch die Dramaturgie, dass sie den Löffel abgeben. Aber keiner kommt mit narrativer Unsterblichkeit daher.
    So verbessert auch jeder Protagonist, den es tatsächlich erwischt, mein Verhältniss zu den (Über-)Lebenden. Tausend Statisten über die Klinge springen zu lassen hat lange nicht diesen Effekt. Im Gegenteil: Es kann die Protagonisten ganz schnell zu unwirklichen Superhelden verkommen lassen. Mit denen könnte ich mich kaum noch identifizieren.

  • Auch ist es schon vorgekommen, dass ich während des Schreibens fast geweint habe

    Nur fast? Ich hab bei einer meiner Figuren schon Rotz und Wasser geheult, was mich zu der Überlegung gebracht hatte, die Geschichte vielleicht anders zu schreiben. Natürlich habe ich es doch gelassen, es musste einfach sein. Und als es bei den Lesern genau so angekommen ist wie bei mir, war ich mir sicher, dass es so richtig war.


    Bei der Lektüre der einen oder anderen Stelle meines Buches kommen mir gelegentlich die Tränen (ziemlich problematisch bei einer Lesung, weshalb ich die problematischen Stellen meistens auslasse oder noch lieber generell jemand anderen, jemand, der das auch gut kann, lesen lasse [anderes Thema] ;-) )

    Eine sehr gute Möglichkeit. Bei einer Lesung komme ich allerdings nie so weit, dass ich genau solch eine Stelle jemand anderen lesen lassen müsste. Wenn überhaupt, murkse ich meine Protas eher am Ende ab :uups:


    Die Tränen kommen mir dabei nicht etwa, weil ich so gerührt von meiner literarischen Überzeugungskraft bin

    :totlach: Der war gut! Ne wirklich, davon wäre ich auch nie ausgegangen. Man muss schon ein sehr spezieller Mensch sein, wenn man von sich selber so gerührt sein kann.
    Ich bin nun nicht gerade das, was man einen Katzenliebhaber nennt, aber ich verstehe, was du meinst. Es sind die Erlebnisse, die man mit Tieren hat und die man in die Geschichte mit einarbeitet, die Erinnerung daran und an die Gefühle, die man zu dem Zeitpunkt hatte, die einem manchmal die Tränen in die Augen treiben können.


    Ich muss mir konzeptionell und später immer wieder klar machen, wie die Persönlichkeit, die Fähigkeiten, die Fehler und die Charaktereigenschaften dieser Menschen aussehen, was ihre Motivationen sind, was in ihrem Kopf vorgeht, wo sie sich selbst betrügen und was sie liebenswert macht oder auch einfach nur menschlich. Ich muss ihre Sprache genau kennen und wissen, wen sie mögen und warum. Das schafft ein Maß der Identifikation (eigentlich eher: Verständniss. Denn darauf, dass meine Protagonisten keine Kopie von mir selbst werden, achte ich sehr)

    Es ist in meinen Augen aber schon etwas anderes, wenn man die Figuren von außen betrachtet, als wenn man sich in sie hinein versetzt. Wie du richtig sagst, lässt du bei äußerlicher Betrachtung die Figuren aus einem Verständnis heraus handeln, damit alles passt. Bei der inneren Betrachtung sieht es allerdings aus, dass du für kurze Zeit dieser Charakter bist, ohne dass der Charakter wie du ist. Das eine muss nicht schlechter als das andere sein, ein gewisser Abstand kann auch dafür sorgen, dass man nicht jedes Mal einen Schlag versetzt bekommt, wenn das Schicksal (eigentlich ist es ja der Autor, der das bestimmt) dem Prota wieder Knüppel zwischen die Beine wirft. Wenn ich mich in die Personen hineinversetze, komme ich mir gelegentlich ein bisschen schizophren vor und bin dann sogar sauer, was ich wieder mit mir mache :roll:


    Genau zu schauen, wer für welche Rolle geeignet sein könnte, ist die Basis zur Entwicklung des Roten Fadens.

    Also entwickelst du erst den roten Faden und schaust dann, welche Personen dazu passen könnten? Das kann ich für mich nicht behaupten - ich schreibe sogar ganze Romane komplett, ohne vorher ein Konzept gehabt zu haben. Selbst die Personen können sich im Laufe der Geschichte so entwickeln, dass man ihnen ihre Falschheit erst am Ende ansieht. Das bringt mich manchmal in ein ganz schönes Dilemma, wenn alles so verwickelt ist, dass eine Auflösung unmöglich scheint. Dass am Ende dann doch alles passt (nicht nur mir, sondern auch den Lesern), ist für mich jedes Mal ein kleines Wunder :uups:


    Aber keiner kommt mit narrativer Unsterblichkeit daher.

    Nein, so soll es auch gar nicht sein. Warum ich George Martin überhaupt erwähnt habe liegt daran, dass mir seine Bücher im Laufe der Zeit immer konzeptionsloser erscheinen. Man weiß nicht, wo er hin will, und ich habe den Eindruck, dass er es selbst nicht mehr weiß. Im Grunde ist es klar, dass Protagonisten genauso sterben können wie Antagonisten oder sämtliche Nebendarsteller. Aber diese Protas halten in den meisten Fällen auch zumindest bis zu einem gewissen späten Punkt des Romans durch - und es ist klar, wer der Protagonist (= Haupthandelnder) ist. Unser lieber George hat dagegen von Anfang an keinen echten Protagonisten und letztendlich sterben sie alle bei ihm. Er mag sie vielleicht verhätscheln, aber lebt und leidet er wirklich mit ihnen? Wenn ich solche Dinge lese wie: "Jedes Mal, wenn einer fragt, wann der nächste Band herauskommt, murkst er einen Stark ab", dann kommen mir da (berechtigte?) Zweifel.

    "deine beschreiebung alleine lässt vermuten, dass es sich um schmöckerroman einzigartiger klasse handelt, nämlich übertriebenem bullshid, der mit der wirklichkeit keinene hinreichenden effekt auf die wirklichkeit erstreckt." (Simon Stiegler)

    Stimmt! Ich schreibe spannende Unterhaltungsliteratur, die den Leser aus der Wirklichkeit entführt, bis zum Ende gelesen wird und bei der der Leser am Ende fragt: Wann erscheint der nächste Band? Schreiben will halt gelernt sein

  • Es ist in meinen Augen aber schon etwas anderes, wenn man die Figuren von außen betrachtet, als wenn man sich in sie hinein versetzt. Wie du richtig sagst, lässt du bei äußerlicher Betrachtung die Figuren aus einem Verständnis heraus handeln, damit alles passt. Bei der inneren Betrachtung sieht es allerdings aus, dass du für kurze Zeit dieser Charakter bist, ohne dass der Charakter wie du ist.


    Das klingt, als würde das eine das andere ausschließen. Genau das ist für mich aber nicht der Fall. Wenn ich einen Protagonisten immer und immer wieder genau analysiert habe, dann kann ich mich, wenn ich dann tatsächlich sein Leben und Leiden beschreibe, viel stärker in ihn hineinversetzen, als ich es täte, wenn ich nur über ihn lese.


    Also entwickelst du erst den roten Faden und schaust dann, welche Personen dazu passen könnten?


    Im Grunde, ja. Eigentlich ist der Prozess natürlich dynamischer und wechselseitiger. Im Wesentlichen habe ich einfach schon sehr früh sehr viel Plan von beidem: den Charakteren und dem roten Faden.


    ich schreibe sogar ganze Romane komplett, ohne vorher ein Konzept gehabt zu haben.


    Das ist spannend. Leider auch deshalb, weil es schief gehen kann. Je länger die Geschichte und je vielseitiger der Inhalt, desto problematischer wird das. Ich habe keine Erfahrung mit kürzeren Büchern. Meine bisher einzige Geschichte hat ja derzeit etwa 1800 Normseiten und es kommt noch ein dritter Band. So eine Erzählung müsste schon sehr simpel sein, um ohne Konzeptionsarbeit auszukommen. Andererseits genieße ich die Konzeptionsphase sowieso viel zu sehr, als dass ich sie auslassen könnte, ohne etwas zu vermissen.


    Selbst die Personen können sich im Laufe der Geschichte so entwickeln, dass man ihnen ihre Falschheit erst am Ende ansieht. Das bringt mich manchmal in ein ganz schönes Dilemma, wenn alles so verwickelt ist, dass eine Auflösung unmöglich scheint. Dass am Ende dann doch alles passt (nicht nur mir, sondern auch den Lesern), ist für mich jedes Mal ein kleines Wunder


    Das zeigt, wie verschieden wir das Schreiben angehen. Dass am Ende alles passt, basiert bei mir immer darauf, dass ich vorher einen Anfang und ein Ende konzipiert habe - natürlich nicht in allen Einzelheiten, aber doch genau genug, dass ich immer weiß, ob meine Charaktere auf dieses Ende zusteuern oder nicht und dass sie geeignet sind, dort anzukommen.


    Im Grunde ist es klar, dass Protagonisten genauso sterben können wie Antagonisten oder sämtliche Nebendarsteller. Aber diese Protas halten in den meisten Fällen auch zumindest bis zu einem gewissen späten Punkt des Romans durch - und es ist klar, wer der Protagonist (= Haupthandelnder) ist.


    Eigentlich ist das genau das, was ich mit narrativer Unsterblichkeit meine. Es gibt klar unterscheidbare Statisten und Protagonisten. Erstere sind (es gibt natürlich auch friedliche Geschichten) Kanonenfutter und bei letzteren braucht der Leser den Autor nicht mehr, um zu wissen, ob (in der Regel gar nicht) und wann sie sterben dürfen. Das bringt nicht nur das Problem mit, dass die Spannung stirbt, wo eigentlich lieber ein paar der ausgestalteten Figuren dran glauben sollten und andererseits dazu, dass die Protagonisten unecht wirken, weil sie de facto unsterblich sind, obwohl sie kein Superheldenkostüm tragen und nichts von Unverwundbarkeit in der Charakterbeschreibung steht.
    Damit will ich nicht sagen, dass sich die Qualtiät eines Romans daran misst, wie viele Protagonisten sterben. Aber ein Autor, der erst sehr spät zulässt, dass Protagonisten dramaturgisch unsterblich werden (und noch genug in der Hinterhand hat, die es nicht sind), verschafft sich einen enormen Vorteil.

  • Wenn ich einen Protagonisten immer und immer wieder genau analysiert habe, dann kann ich mich, wenn ich dann tatsächlich sein Leben und Leiden beschreibe, viel stärker in ihn hineinversetzen, als ich es täte, wenn ich nur über ihn lese.

    Wahrscheinlich meinen wir beide das Gleiche. Wenn ich mich in eine Person hineinversetze, dann bin ich in dem Augenblick, wo ich schreibe, die Person, dann denke ich wie sie und handle auch wie sie. Das setzt natürlich die Analyse der verschiedenen Verhaltensweisen voraus. Ohne das wäre es kaum möglich, denke ich, denn man ist nun einmal man selbst.


    Das ist spannend. Leider auch deshalb, weil es schief gehen kann. Je länger die Geschichte und je vielseitiger der Inhalt, desto problematischer wird das. Ich habe keine Erfahrung mit kürzeren Büchern. .... So eine Erzählung müsste schon sehr simpel sein, um ohne Konzeptionsarbeit auszukommen.

    Ich rede hierbei nicht von kurzen Büchern. Der Roman, auf den ich das am besten beziehen kann, hat einen Umfang von 390 Normseiten und ist überaus komplex. Und ja, es war problematisch, da ich dazu neige, die Personen in Krisen zu stürzen, aus denen sie wieder befreit werden müssen. Bei diesem Roman wusste ich bis zum 23. Kapitel nicht, wie ich das Ganze auflösen sollte (und der Roman hat nur 26 + ein Bonuskapitel). Angefangen hab ich ihn als Kurzgeschichte und diese dann nur weiterentwickelt. Es hätte definitiv schiefgehen können - nur andererseits spiegelt er das Leben wieder: Wir leben es, ohne die Zukunft zu kennen, geraten in Schwierigkeiten und müssen die irgendwie überwinden. Wenn man dann die Personen im Roman nicht alle in einen Massensuizid treiben möchte, muss man halt Lösungen finden :wink:


    Das zeigt, wie verschieden wir das Schreiben angehen. Dass am Ende alles passt, basiert bei mir immer darauf, dass ich vorher einen Anfang und ein Ende konzipiert habe - natürlich nicht in allen Einzelheiten, aber doch genau genug, dass ich immer weiß, ob meine Charaktere auf dieses Ende zusteuern oder nicht und dass sie geeignet sind, dort anzukommen.

    Interessanterweise klappt es bei mir so nur mit Kurzgeschichten. Da habe ich tatsächlich einen Anfangs- und Endpunkt und entwickele danach die Geschichten. Bei Romanen hat es bei mir dagegen noch nie geklappt.

    "deine beschreiebung alleine lässt vermuten, dass es sich um schmöckerroman einzigartiger klasse handelt, nämlich übertriebenem bullshid, der mit der wirklichkeit keinene hinreichenden effekt auf die wirklichkeit erstreckt." (Simon Stiegler)

    Stimmt! Ich schreibe spannende Unterhaltungsliteratur, die den Leser aus der Wirklichkeit entführt, bis zum Ende gelesen wird und bei der der Leser am Ende fragt: Wann erscheint der nächste Band? Schreiben will halt gelernt sein

  • Wenn man dann die Personen im Roman nicht alle in einen Massensuizid treiben möchte, muss man halt Lösungen finden


    Das wäre mal ein ungewöhnliches Ende ... eine wunderhübsch entwickelte Geschichte und dann, wenn jeder Leser eine Auflösung erwartet, beschließen alle Protagonisten, dass es ja doch nichts bringt und ersäufen sich in nächsten Baggersee. Ende. :twisted: Das hebe ich mir auf, bis ich es mir als exzentrischer Multimillionär leisten kann, meine Leser zu vergräzen.


    Bei Romanen hat es bei mir dagegen noch nie geklappt.


    Echt? Woran hat das denn gelegen? Wollten die Protagonisten (oder die Ereignisse allgemein) partout nicht zum geplanten Endpunkt, oder hast du dich einfach umentschieden?


    Interessanterweise klappt es bei mir so nur mit Kurzgeschichten. Da habe ich tatsächlich einen Anfangs- und Endpunkt und entwickele danach die Geschichten.


    Das leuchtet mir auch ein. Wenn eine Geschichte besonders kurz und knackig werden soll, dann muss man auch besonders zielgerichtet schreiben.

  • Echt? Woran hat das denn gelegen? Wollten die Protagonisten (oder die Ereignisse allgemein) partout nicht zum geplanten Endpunkt, oder hast du dich einfach umentschieden?

    Planlos durch die Galaxis :lol: Nein, es ist tatsächlich so, dass ich zwar meist einen Anfang habe und ungefähr weiß, wie es weitergehen soll, allerdings habe ich am Anfang noch nie eine Ahnung gehabt, wie es tatsächlich auch enden soll. Wenn man es mit dem Leben vergleichen möchte: Ich weiß, wo ich gerade bin und kann mir mittels einer guten Hellseherin auch die nähere Zukunft voraussagen lassen. Aber alles, was dahinter kommt, ist ungewiss - so auch das Ende. Meistens fallen mir nach vielen, vielen Kapiteln mehrere Möglichkeiten ein, wie ich das enden lassen kann, auch wenn ich vorher absolut keinen Plan hatte. Dann schaue ich mir an, in welche Richtung meine Figuren steuern und entscheide mich abschließend für das Ende, das am besten dazu passt. Sprunghaft, wie ich nun einmal bin, würde es mit einem fest vorgegebenen Ende auch gar nichts werden, also behelfe ich mir so. Bisher hat es immer geklappt :loool:

    "deine beschreiebung alleine lässt vermuten, dass es sich um schmöckerroman einzigartiger klasse handelt, nämlich übertriebenem bullshid, der mit der wirklichkeit keinene hinreichenden effekt auf die wirklichkeit erstreckt." (Simon Stiegler)

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  • Meine Freundin und ich sind beide Autoren und es gab eine Szene in einem meiner Fantasyromane, in der eine Hauptfigur starb. Wir beide wussten von dem Moment, da ich ihn schon lang und breit im Plot stehen hatte und er zwingend notwendig war. Doch als ich mich unter Tränen durch die Szene gequält hatte, da bin ich aufgestanden von meinem Schreibtisch, in die Küche gegangen und sie sah hoch von ihrem Manuskript und wusste sofort, was Sache war. Wir lagen uns in den Armen und mussten weinen. Wenn man sich nicht mit Herz - und sei es von außen betrachtet noch so verrückt - an diese Dinge hängt und ihnen die unvermittelte Liebe und Leidenschaft ermöglicht, die man im Umgang mit echten Menschen auch hat, wieso sollte dann, so meine Meinung, etwas beim Leser von der Gefühlswelt ankommen, die ich doch so dringend vermitteln will? Dass ich dann immer heulen muss wie ein Schlosshund, das ist selbstverständlich nicht angenehm und darüber noch bizarr. :cry:

  • Viel zu sehr lebe ich mit. Ich lese gerade die erste Überarbeitung meines Lektoren gegen und brauche schon fast wieder ein Taschentuch. Aber ich bin ja auch schuld daran, habe die Protagonistinnen in diese Situation hineingeschrieben - und wer holt sie nun wieder raus?

  • Das ist spannend. Leider auch deshalb, weil es schief gehen kann. Je länger die Geschichte und je vielseitiger der Inhalt, desto problematischer wird das. Ich habe keine Erfahrung mit kürzeren Büchern. Meine bisher einzige Geschichte hat ja derzeit etwa 1800 Normseiten und es kommt noch ein dritter Band. So eine Erzählung müsste schon sehr simpel sein, um ohne Konzeptionsarbeit auszukommen. Andererseits genieße ich die Konzeptionsphase sowieso viel zu sehr, als dass ich sie auslassen könnte, ohne etwas zu vermissen.


    Das funktioniert doch bei vielen Autoren sehr gut. Selbst Steven King ist ein Autor, der nur aus dem Bauch heraus schreibt. Es gibt keinen Plot, keinen roten Faden, nur eine Idee, die sich während des Schreibens weiterentwickelt. Wer seine Geschichte gut kennt, sollte keinerlei Probleme damit haben, sich irgendwie zu verzetteln. Dazu gehört sicherlich das man sich mit dem bislang Geschriebenen auch mehrmalig auseinandersetzt, anstatt einfach nur weiterzuschreiben, aber jeder scheint so seine eigene Vorliebe zu haben.


    Das Thema hier finde ich aber äußerst passend, denn erst vor etwa 1-2 Wochen hatte ich meinen Eltern einen Auszug aus einem neuen Werk vorgelesen. Beide mussten bei einer Stelle weinen, bei der ich selbst geweint habe, als ich diese schrieb. Ich denke also, dass wenn man das Gefühl welches man beschreiben möchte tatsächlich auch lebt, dann ist man wohl einfacher in der Lage dieses Gefühl auch anderen zu vermitteln. Also mein Daddy ist niemand, der nahe am Wasser gebaut ist, daher hatte mich das schon sehr überrascht. Und so wurde es durchaus auch dort ein Thema. Vermutlich konnte ich diese Szene deshalb so gut beschreiben, weil ich mit meiner Protagonisten so mitgefühlt habe. Das mir die Tränen kommen ist selten, aber ich fühle doch jedes Mal sehr sehr mit und bin auch stets wehmütig, wenn die Reise dann ein Ende nimmt.

  • Martin Hühn schrieb:
    Das ist spannend. Leider auch deshalb, weil es schief gehen kann. Je länger die Geschichte und je vielseitiger der Inhalt, desto problematischer wird das. Ich habe keine Erfahrung mit kürzeren Büchern. Meine bisher einzige Geschichte hat ja derzeit etwa 1800 Normseiten und es kommt noch ein dritter Band. So eine Erzählung müsste schon sehr simpel sein, um ohne Konzeptionsarbeit auszukommen. Andererseits genieße ich die Konzeptionsphase sowieso viel zu sehr, als dass ich sie auslassen könnte, ohne etwas zu vermissen.




    Das funktioniert doch bei vielen Autoren sehr gut.


    Deshalb habe ich ja auch geschrieben, dass es schief gehen kann, nicht muss. Und ja, einige etablierte Autoren kommen damit regelmäßig zum Erfolg. Aber dem stehen eben auch sehr viele Autoren gegenüber, die an mangelnder Planung scheitern. Entweder sie starten gut und werden dann immer schwächer, weil sie sich einfach keine runde Geschichte ausgedacht haben oder sie treiben es ins Extrem und produzieren ein Buch ohne Spannungsbogen. Ich denke mit Grauen an diverse Bücher zurück, in denen eben einfach so eins nach dem Anderen passiert, bis es irgendwann vorbei ist. Nichts daran ist unlogisch, keine Verzettlung aber leider ist das Ergebnis nicht wirklich eine Geschichte. Genau solche Fälle wären vermeidbar. Dazu kommen die immer wieder gehörten Klagen im Sinne von "ich habe mein Buch angefangen, kann es aber nicht fertig schreiben" oder das noch verbreitetere "meine Protagonisten tun, was sie wollen".

    Selbst Steven King ist ein Autor, der nur aus dem Bauch heraus schreibt. Es gibt keinen Plot, keinen roten Faden, nur eine Idee, die sich während des Schreibens weiterentwickelt.


    Tja, das Beispiel passt eigentlich gut mit meinen Erfahrungen von Stephen King Büchern zusammen. Ich habe vor vielen Jahren mehrere Bücher von King gelesen, die meiner persönlichen Ansicht nach sehr stark anfingen, dann ab der Mitte immer mehr an Fahrt verloren und vor sich hin plätscherten und dann zu einem absurden (weil nur noch religiös-mystizistischem) und schwachen Ende geführt wurden. An die genauen Inhalte und Titel kann ich mich nicht mehr erinnern, dafür aber noch sehr gut daran, worin meine Enttäuschung begründet war. Das ist ziemlich genau das, was ich erwarte, wenn ein Autor ohne Konzept schreibt und daran scheitert. Mir ist natürlich klar, dass tausende King-Fans das Gegenteil behaupten würden. Die Ansicht will ich niemandem ausreden. Nur für mich persönlich unterstreicht gerade das Beispiel King nicht gerade das Argument, auf eine Konzeptphase zu verzichten, sei in der Regel kein Problem.


    Wer seine Geschichte gut kennt, sollte keinerlei Probleme damit haben, sich irgendwie zu verzetteln.


    Wer seine Geschichte gut kennt, hat sie entweder schon geschrieben oder aber gut konzipiert. Wer nur den schon fertig gestellten Teil seiner Geschichte gut kennt, kann durchaus in eine Sackgasse geraten. Das bedeutet nicht unbedingt, dass das Buch nicht mehr logisch aufllösbar wäre. Irgendeine Lösung gibt es immer. Es kann aber zu einem sehr schwachen Ende führen.
    Aber das ist, wie gesagt, keine Gewissheit, sondern nur eine Gefahr. Wer diese intuitiv umschiffen kann, dem will ich keinesfalls ausreden, es auch so zu handhaben. Bestimmt kann man eine Geschichte auch kaputtplanen, so dass der Spaß am Schreiben vergeht.


    Dazu gehört sicherlich das man sich mit dem bislang Geschriebenen auch mehrmalig auseinandersetzt, anstatt einfach nur weiterzuschreiben,


    Davor bewahrt einen das beste Konzept nicht. :)

  • Also ich selbst schreibe auch aus dem Bauch heraus. Natürlich habe ich aber auch eine Idee, um was es in diesem Buch geht und wohin das Ganze führen wird. Dennoch entwickelt sich vieles erst beim Schreiben. Bislang habe ich sehr gute Erfahrungen damit gemacht und zum Glück wird ein Buch natürlich auch vorab nicht einzig von mir geprüft. Daher sollte spätestens in dieser Zeit ein fehlender Spannungsbogen oder Ähnliches auffallen. Allerdings hatte ich derartige Fälle bislang nicht. Ich denke das es da tatsächlich auf den Autoren ankommt. Der eine beherrscht es aus einem gelungenen Plot ein tolles Gesamtwerk zu zaubern und der andere tut dies auch ohne Plot. Wichtig ist aber natürlich nicht die Übersicht zu verlieren. Wer sich also in der Geschichte verliert, oder die Charaktere wirken irgendwann unglaubwürdig, weil es einfach keinen roten Faden gibt, dann sollte man sich sicherlich noch einmal um einen ausgefeilten Plot, Charaterbögen usw. bemühen.


    (Wir sind total vom Thema abgekommen :wink: - SORRY!)


    Back to topic:


    Ich schreibe z.B. keine Thriller, aber ich kann an dieser Stelle ja einmal, sagen wieso nicht. Denn einige meiner Bekannten haben sich durchaus schon einmal einen Thriller oder Krimi von mir gewünscht. Allerdings bin ich ein sehr empathischer Mensch und fühle daher stets sehr mit. Ich würde mich vermutlich sehr schwer damit tun mich in einen Psychopathen hineinzuversetzen. Vermutlich könnte ich gar nicht mehr schlafen, oder würde Jahre brauchen, bis ich das Buch abschließen könnte. Ich lese selbst gern Thriller und doch versetze ich mich beim Schreiben viel mehr in den Protagonisten hinein, als beim Lesen. Vermutlich liegt das daran, dass man die Geschichte selbst konstruiert und daher wirklich tief drin steckt.

  • Ein wirklich interessantes Thema, dass du da in die Wege geleitet hast! Kompliment!


    Ich lebe und sterbe mit meinen Figuren. Und zwar nicht nur mit den Hauptfiguren, sondern auch mit jeder kleinen Nebenrolle. Was ja nur natürlich ist, denn es sind alles Teile von mir, die ich erschaffen habe. Und ja: trotzdem habe ich nicht die volle Macht über sie und sie entwickeln oft ein Eigenleben. Dann sitze ich als Autor erstaunt da und schaue ihnen zu, wohin sich ihre Wege führen. Ist es nicht toll, sowas miterleben zu dürfen?
    Wenn ich gerade eine sehr dramatische Szene schreibe und dann zurück in meinen Alltag kehre, lastet mir das Gefühl meiner Hauptfigur oft noch an und macht mich manchmal sogar melancholisch. Ich finde es toll, solche lebendigen Figuren entwickeln zu können =) Für mich sind sie schon so etwas wie Weggefährten, die mir beim Wachsen helfen und mich oft auch eines Besseren belehren. Eine Figur zu Entwickeln und zu beobachten, wie diese sich dann verselbstständigt ist für mich mit das schönste am Autoren-Dasein!

    "Ich sang davon, dass wir alle Träumer waren und es sich anfühlte wie Liebe in der Sonne. Dass wir gerade erst begonnen hatten" - aus Behind the Spotlights - Tage aus Licht

  • Brrr. Ich bin gerade gezwungen, etwas unglaublich schweres zu schreiben. Ein von Anfang an gepflegter Charakter stirbt nicht etwa oder es widerfährt ihm ein Unglück. Dabei könnte ich Abschied nehmen oder anschließend herausarbeiten, wie er an den Folgen wächst, wie er sie verarbeitet. Nein, dieser nette Mensch, der immer hohe Ansprüche an sich selbst gestellt hat und sozial engagiert war scheitert unwiderruflich an sich selbst, seiner Lebenssituation, den Fehlern, die er gemacht hat. Er wird nie wieder ein wirklich glücklicher Mensch werden können und weiß das sogar schon. Ihm wird noch viel gutes im Leben widerfahren und er wird viel gutes tun aber er wird nie wieder mit sich selbst im Reinen sein.

  • Ich denke, man kann den Leser nur emotional berühren, wenn man auch beim Schreiben mit Gefühl dabei ist.
    Was mir immer wieder auffällt bei befreundeten Autoren: Es steckt sehr viel von der Persönlichkeit des Autors in der Geschichte. In der Stimmung, im Thema, in den Hauptfiguren. Wir können da nicht ganz aus unserer Haut, vermute ich. Und das ist auch gut so.
    Okay, wenn ich jetzt einen humorvollen Roman schreibe, kommen mir natürlich nicht die Tränen so wie bei euren Werken, wo es dramatischer ist. Trotzdem fühle ich mich in die Figuren rein. Bei tiefergehenden Sachen, die ich (unveröffentlicht) geschrieben habe, war das bei mir auch so. Ich kann auch nur dann eine emotionale Szene schreiben, wenn ich mich gefühlsmäßig in diesem Moment drauf einlassen kann. Das braucht Zeit und Ruhe und die richtige Stimmung. Geht nicht immer.
    Bei den Sachen, die ich für Zeitschriften schreibe, ist das kein Problem, die gehen auch "nebenbei". Aber wenn mein Herzblut dran hängt, muss ich richtig eintauchen können.


    Was das Plotten anbelangt - Stephen King tut es nicht, wirft aber auch angeblich die ersten drei Versionen weg.... lach... Elisabeth George hingegen plottet bis ins kleinste Detail, was bei einem komplexen Krimi sicher unerlässlich ist. Ich mache durchaus einen groben Plot, schreibe den auch auf, weil ich wissen muss, auf welches Ziel ich in jeder Szene und im Ganzen draufzuschreibe. Aber die Figuren haben durchaus noch die Möglichkeit, sich selbst zu entwickeln. Genau das ist ja das Spannende für mich beim Schreiben!


    übrigens.... den weiter oben angesprochenen Suizid der Hauptpersonen gibt es tatsächlich! "Der wunderbare Massenselbstmord" von Paasilinna. Herrliches Buch von einem skurrilen Finnen! grins.


    happy monday
    Karin

  • Das mag jetzt zwar ein wenig komisch klingen, aber mich würde mal interessieren, wie ihr euch gefühlsmäßig an eure Figuren hängt? Betrachtet ihr sie mehr von außen oder lebt ihr mit ihnen und ihren Abenteuern mit? Lacht und weint ihr mit ihnen? Verselbstständigen sie sich sogar und bekommen so etwas wie einen eigenen Willen? Was passiert in dem Fall mit eurem roten Faden? Steht er starr oder baumelt er eh nur lose in der Gegend herum?


    Oh ich mag dieses Thema :)


    Also im großen und ganzen leide und lebe ich die Abenteuer meiner Figuren mit. Aber es gibt durchaus auch Figuren die mir selbst nicht so sympathisch sind ... bzw. mit denen ich im wahren Leben nichts zu tun haben will :) Aber das ist ja auch der Vorteil, wenn man schreibt, man kann alles beleuchten, wie man möchte und auch unmögliche Figuren einbauen.


    Es gibt auf jeden Fall Figuren an denen ich sehr hänge und die mir extrem Leid tun, wenn sie was schlimmes durchmachen müssen und einige der Figuren entwickeln auch ein Eigenleben. Da muss ich schon gar nicht mehr groß´darüber nachdenken, wie sie reagieren oder was sie sagen oder machen, dass kommt einfach so. Vor allem wenn es Figuren sind die schon im Buch einen sehr starken Charakter haben. Diese entwickeln sich dann auch im Verlauf der Geschichte sehr stark.


    Der rote Faden kann bei all dem Eigenleben schon mal schwächeln :)
    Aber ich bin eh niemand der gerne einen starren Plan hat, den er sturr abarbeitet. Ich habe einen lockeren roten Faden, der am Ende zu dem Ende kommen muss, was ich mir vorher überlegt habe :)


    Auf jeden Fall bin ich oft sehr nah beim Schreiben bei meinen Figuren dabei.

  • Das mag jetzt zwar ein wenig komisch klingen, aber mich würde mal interessieren, wie ihr euch gefühlsmäßig an eure Figuren hängt? Betrachtet ihr sie mehr von außen oder lebt ihr mit ihnen und ihren Abenteuern mit? Lacht und weint ihr mit ihnen? Verselbstständigen sie sich sogar und bekommen so etwas wie einen eigenen Willen? Was passiert in dem Fall mit eurem roten Faden? Steht er starr oder baumelt er eh nur lose in der Gegend herum?


    Ich stelle es mir aber irgendwie noch furchtbarer vor, wenn man mit seinen Figuren lebt und sowieso nur Krimis und Thriller schreibt (oder Fantasy, wo die Protas einer nach dem anderen den Löffel abgeben -> Das Lied von Eis und Feuer :wink: ). Das müsste für andere Autoren doch eigentlich auch ungeheuer frustrierend sein. Oder haltet ihr dann doch lieber Abstand von euren Figuren? Oder ist dieses Gefühlsmäßige genau das, warum ihr lieber nur positive Geschichten schreibt?

    Gute Fragen, gute Fragen ...
    Da es einige meiner Charaktere schon seit meiner Kindheit gibt, hänge ich wirklich sehr an ihnen, vielleicht sogar übertrieben sehr. Immerhin sind sie auch meine künstlerische Inspiration, es gibt keine Zeichnung ohne sie. :friends: Ich denke, es ist mir nicht möglich, sie von außen zu betrachten, nicht einmal die Antagonisten. Es ist, als könnte ich durch sie viele meiner verborgenen Seiten ausleben - auch die bösen. :uups: Aber ich schätze, die Schriftstellerei wäre nur halb so spaßig, wenn einen die eigenen Charaktere kalt ließen.
    Auch wenn es seltsam erscheinen mag: Ich lache viel mit meinen Figuren. Und dass schon mal die Tränen geflossen sind, kann ich nicht verleugnen ... :-?
    Die Selbstständigkeit meiner Charaktere in ihrer Geschichte ist mir sogar wichtig. Sie bestimmen den roten Faden voll und ganz. Ich bin sozusagen bloß für das Ende verantwortlich und diene eigentlich nur als Wegbegleiterin. Manchmal fühlt es sich merkwürdig an, wie sich fiktive Personen in meinen Gedanken selbstständig machen ... beinahe beängstigend. Es kam nicht nur einmal vor, dass ich mit Freunden über meine Figuren geredet habe, als wären diese meine Nachbarn. :pale: Schräge Blicke waren da keine Seltenheit. :-,
    Da ich im Genre "Fantasy" zugegen bin, kann ich sagen, dass zu 99 Prozent mindesten ein Protagonist die Sache nicht überlebt. In meinem Buch hat es meinen liebsten erwischt ... Ich verdamme mich unendlich dafür. Aber alles hat seine Gründe und jeder Charakter hat seinen Weg, so pseudo-philosophisch es klingen mag.
    Es versetzt mir trotzdem beim Gedanken an dieses Opfer einen langanhaltenden Stich. Am schlimmsten war es, als ich realisierte, dass ich nichts mehr von dieser Figur erzählen kann, zumindest nichts Lebendiges - höchstens ihre Vergangenheit oder bedeutsame Rückblicke, die alles eher nur noch schlimmer als erträglicher machen. Hat schon etwas Hartes.
    Trotz allem würde ich die starke Verbundenheit zu meinen Charakteren niemals aufgeben. :love:

  • Ich leide oft mit meinen Romanfiguren mit. Im Falle von Frank Kohlhaas, der in "Beutewelt" über die Schlachtfelder gehetzt wird oder ständig auf der Flucht vor einem übermächtigen System ist, ging mir die Vorstellung oft ein wenig an die Nieren. Da habe ich regelrecht mitgefühlt. Das Gleiche gilt aber auch für meine anderen Figuren. Allerdings lasse ich "gerne" auch mal jemanden sterben, denn das macht die Geschichten vielfach realistischer. Doch, ich versetze mich nicht selten in meine Romancharaktere. Vor allem Frank Kohlhaas ist mir nach 7 Beutewelt-Teilen ans Herz gewachsen. Wäre ich doch wie er! Oder...naja...vielleicht doch besser nicht :)