John Grisham - Die Erbin / Sycamore Row

  • Beschreibung von Amazon:
    Keine Macht, kein Recht


    Spektakulärer hätte Seth Hubbard seinen Tod nicht inszenieren können. Als sein Mitarbeiter ihn eines Morgens aufgehängt an einem Baum findet, ist die Bestürzung im beschaulichen Clanton groß. Niemand hätte mit einem Freitod gerechnet. Hubbards Familie sieht das pragmatischer und ist in erster Linie an der Testamentseröffnung interessiert. Was sie nicht weiß: Kurz vor seinem Tod hat Hubbard sein Testament geändert. Alleinige Erbin ist seine schwarze Haushälterin Lettie Lang. Ein erbitterter Erbstreit beginnt . . .


    Über den Autor:
    John Grisham hat 27 Romane, ein Sachbuch, einen Erzählband und vier Jugendbücher veröffentlicht. Seine Bücher wurden in 38 Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia und Mississippi.


    Ich habe dieses Buch soeben zuende gelesen, und dies ist meine erste Rezension.
    Vorab, ich habe alle Bücher von Grisham gelesen, und das immer gerne. Hier in diesem Fall handelt es sich um quasi die Fortsetzung zu "Die Jury", und das hat mich bewogen, dieses Buch zu kaufen, und zu lesen.
    Der Handlung an sich konnte ich sehr gut folgen. Der (aus "die Jury" schon bekannte) Anwalt Jack Brigance bekommt von dem durch unstrittigen Selbstmord verstorbenen Erblasser Seth Hubbard eindeutige Anweisungen sein aktuelles hanschriftliches Testament durchzusetzen. Dies sieht im Gegensatz zu dem bisherigen durch Anwälte aufgesetzen, seine schwarze Haushälterin Lettie Lang als (quasi) Alleinerbin vor.


    Das Buch beginnt und endet am selben Ort. Dazwischen enstpannt sich ein Gerichtsverfahren, welches so nur in Amerika, und vermutlich auch dort nur in den Südstaaten stattfinden könnte. Ein eigenbrödlerischer Erblasser, welcher seine Kinder enterbt, um alles seiner schwarzen Haushälterin zu vermachen. Dies sorgt für ein Gerichtsverfahren darum, ob der Erblasser im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, als er solch ein vermeintlich nicht nachvollziehbares Testament hinterlies.


    Grisham schreibt in gut verständlicher einfacher Sprache, und bleibt durchgehend dem Handlungsstrang treu. Mir persönlich ist der Anwalt ein wenig zu perfekt und übertrieben sympatisch- die gegnerischen Anwälte sind sehr überzeichnet, und grosskotzig. Ebenso die Kinder des Erblassers, die "natürlich" raffgierig sind, und zu Lebzeiten kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater hatten (wohl eher gar kein Verhältnis). Dagegen die schwarze Haushälterin, bei der "natürlich" unterstellt wurde, sie sei auf unlauteren Wege zur Erbin geworden.


    Ein Thriller, der völlig ohne Blutdurst und Tatorte auskommt. Für mich persönlich plätschert der Handlungsstrang vor sich hin ohne, dass eine echte Spannung aufkommt. Es war schon auf den ersten Seiten zu ahnen, wie es am Ende ausgehen wird, und die zwischenzeitlichen Wendungen waren nicht wirklich spektakulär. Ein echter Nervenkitzel hat sich nicht eingestellt, ebenso blieb die Verbindung zu den handelnden Personen von wirklicher Nähe entfernt.
    Ein Roman, der durchgängig mit Vorurteilen arbeitet, und diese bestätigt, bzw. die "Guten" als die "Guten" stehen lässt, und die "Bösen" als die "Bösen".

  • Worum es geht
    Wegen einer unheilbaren Krankheit beschließt der 71-jährige Seth Hubbard seinem Leben ein Ende zu setzen.
    Einen Tag nach dem Selbstmord des steinreichen Geschäftsmannes findet Jack Brigance, ein junger Anwalt, das ungewöhnliche Testament des Verstorbenen in seiner Post. Nach dessen letztem Willen soll sein riesiges Vermögen seiner schwarzen Haushälterin und Pflegerin Lettie Lang zugesprochen werden, während seine beiden Kinder und die vier Enkel, zu denen er kaum Kontakt hatte, leer ausgehen sollen.
    Jack ahnt, dass die Vollstreckung der letztwilligen Verfügung Hubbards nicht einfach sein wird, musste er aufgrund seiner Erkrankung doch viele Medikamente einnehmen, die seine Testierfähigkeit in Frage stellen. Darüber hinaus interessiert sich Brigance aber auch für die Hintergründe dieser Entscheidung, und kommt einem lange zurückliegenden Verbrechen auf die Spur.


    Wie es mir gefallen hat
    Die Idee zu diesem Roman hat mich sehr angesprochen, und auch die Umsetzung fand ich insgesamt recht gut gelungen, obwohl gerade der Anfang etwas langatmig und wenig spannend geraten ist. John Grisham wird sich dieses Makels ebenfalls bewusst gewesen sein, und versucht mit einem früheren Fall Jacks, der sich auch negativ auf dessen Privatleben ausgewirkt hatte, gegenzusteuern.
    Immer wieder faszinierend finde ich die Schilderung des amerikanischen Rechtssystems mit seinen dramatischen Geschworenenprozessen und den überlasteten, stets gehetzten Anwälten, die meist am Rande eines Nervenzusammenbruchs stehen. Im vorliegenden Buch hat sich der Autor dabei eher von seiner moderaten Seite gezeigt, und die gesamte Handlung überwiegend auf dem Boden der Realität angesiedelt. Unglaubwürdig fand ich lediglich, dass sich ein vielfacher Millionär in einer ihm wichtigen Angelegenheit ausgerechnet an einen jungen, bisher wenig erfolgreichen Anwalt wendet, den er nicht einmal persönlich kennt. Davon abgesehen, habe ich die handelnden Personen aber als durchaus lebensecht empfunden, und konnte auch keine auffällige Unterteilung in gute und böse Parteien feststellen. Erfreulicherweise verzichtet der Autor auch auf die Bedienung gängiger Klischees. Dass Kinder nicht immer im besten Einvernehmen mit ihrem Vater stehen, und im Erwachsenenalter oft nur mehr sporadischen Kontakt halten, soll ja in den besten Familien vorkommen. Den Versuch der Gegenseite, Lettie unlautere Absichten zu unterstellen, finde ich ebenfalls sehr wahrscheinlich.
    Richtig gut gefallen hat mir der Roman aber erst gegen Ende, als Seths lange verschollener Bruder ins Spiel kommt. Das Motiv des Erblassers erschien mir doch recht glaubwürdig zu sein, und auch mit der endgültigen Lösung des Falles war ich sehr zufrieden, was bei Büchern dieses Genres nicht immer der Fall ist.
    John Grisham habe ich mit dem vorliegenden Buch als sehr talentierten Erzähler kennengelernt; wegen kleiner inhaltlicher Ungereimtheiten vergebe ich dennoch nicht die volle Punktezahl.
    Empfehlen kann ich diesen Roman aber ruhigen Gewissens allen Lesern, die sich bei leichter und "unblutiger" Lektüre gerne gut unterhalten möchten.

  • Ich habe das Buch gerade beendet und es hat mir ganz gut gefallen. Endlich mal wieder zu einem Grisham gegriffen und ich wurde nicht enttäuscht.


    Wie meine Vorredner schon erwähnten, kam es ohne große Bluttaten aus und es war dennoch (oder gerade deswegen?) eine schöne Geschichte. Diese war zwar am Anfang etwas langatmig, da nicht viel Spannendes passiert ist, aber dennoch wurde es meiner Meinung nach nie langweilig und ich hatte die ganze Zeit das Bedürfnis weiterzulesen. Zum Ende hin kam dann etwas Spannung auf. Da man in den insgesamt ca 700 Seiten jedoch langsam darauf hingewiesen wurde, wie das Buch wohl ausgehen mag und was des Rätsels Lösung ist, gab es leider nicht DIE Überraschung mit dem gewünschten Wow-Effekt, aber ich wurde dennoch nicht enttäuscht und bin überzeugt von der Geschichte. Eine klare Leseempfehlung für alle Grisham-Liebhaber.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Katastrophal


    Dieser Roman ist nur schwer erträglich. Sicher, es gibt flott geschriebene Grishams (die Firma, der Klient, der Regenmacher) und langweiligere (Das Testament, die Kammer), aber „Die Erbin“ schlägt dem Fass den Boden aus. Hier zeigt sich Grisham nur noch als Meister der Klischees und der Versatzstücke. Wenn einem die Ideen ausgehen, kehrt man dorthin zurück, wo alles begann: in der ländlichen Idylle von „die Jury“, ehemalige Protagonisten inklusive.


    Soweit (nach zwei Dutzend Romanen) noch tolerierbar. Aber dann. Ständig und überall wird Kaffee getrunken, zum Frühstück gibt es immer Rührei mit Speck, sonst wird fleißigMaisbrei gegessen. Die geschilderten Personen, deren Vielzahl kaum noch zu überblicken ist, sind derart eindimensional, dass man sie eine Seite weiter schon vergessen hat. Bei vielen Namen, die auftauchen, muss man zurückblättern (Willie? Wer was das nochmal?).


    Eine der Hauptpersonen des Romans, Lettie, ist schwarz, Haushälterin, Köchin und Krankenschwester. Eine andere Schwarze namens Sallie ist ebenfalls Haushälterin, Köchin und auch Krankenschwester. Man beachte allein die drollige Namensgebung „Lettie“ und „Sallie“. Nomen est Omen. Die Verniedlichungssilbe am Namensende soll dem Leser deutlich machen: der Unterschicht zugehörig; naives, braves Dienstmädchen.


    Überhaupt sind Grishams Nebenfiguren größtenteils Trottel, primitiv oder rassistisch. Zu Ihrer Charakterisierung verwendet der Autor ausschließlich Klischees. Über einen missratenen Bruder auf der Flucht heisst es: „Und so war es ihm nach einem unsteten Leben zur Gewohnheit geworden, ständig einen Blick über die Schulter zu werfen.“ (S. 291).


    oder


    „...er arbeitete in einer Kneipe...in einer heruntergekommenen Gegend der Stadt, wohin Matrosen, Hafenarbeiter und Handlanger kamen. Um sich zu betrinken, beim Würfel zu verlieren und Dampf abzulassen. Zwei grimmig aussehende Rauschmeißer sorgten für Ordnung...“ (S. 290).


    und


    „Er fuhr jahrelang auf Frachtschiffen und sah die Welt, die ganze Welt. Es gibt keinen Fleck auf der Landkarte, den Ancil nicht kennt. Keinen Berg, keinen Hafen, keine Stadt, keine Sehenswürdigkeit. Keine Bar, keinen Nachtclub, kein Bordell – Ancil war überall (S. 556)


    Als die kleine Tochter der Hauptperson zu Weihnachten einen Welpen geschenkt bekommt, geschieht folgendes: „Sie sah ihre Eltern mit Tränen in den weit aufgerissenen Augen an und brachte kein Wort heraus.“(S. 356).


    Das ist Schundroman-Niveau, so klingt Groschenheft-Prosa.


    Auch Jugendliche gehören bei Grisham entweder zur Null-Bock-Genration: “Vor den auf volle Lautstärke gedrehten Fernsehgeräten saßen Teenager und starrten auf die Mattscheibe.“ (S. 353) oder aber sie entstammen einer Märchenwelt und werden klischeehaft als Engel verklärt: „Zwei Teenager – intelligente Jugendliche, gut Schüler, Sportler, Kirchenmitglieder, beliebte Jungs aus einer anständigen Familie – waren auf einer eisglatten Straße von einem Betrunkenen um ihr Leben gebracht worden....Die armen Jugendlichen“(S. 412)


    Vor allem bei den Anwaltstypen greift Grisham tief in die Kiste mit den Versatzstücken: da ist der unerfahrene, aber moralisch überlegene Junganwalt mit Finanzproblemen, der gegen den älteren und teuren Staranwalt einer großen Kanzlei kämpft. Die Gegenseite ist natürlich skrupellos und arbeitet im Prozess mit illegalen Methoden (wie schon in „Der Regenmacher“ und „Das Urteil“). Da gibt es den alte Dorfanwalt mit Gesundheits- und Alkoholproblemen, dessen Ruf bereits gänzlich ruiniert ist; den publicitysüchtigen Selbstdarsteller, der im Rolls Royce vorfährt oder der mausgraue 0-8-15-Anwalt mit Dienst nach Vorschrift.


    Auch sonst tauchen altbekannte Grisham-Typen auf: die laszive Bedienung im Coffeeshop; die ehrgeizige Praktikantin; ein skurriler Richter, der die „Bösen“ in seinem Gerichtssaal erst zur Schnecke macht und dann hinauswirft (wie schon in „der Klient“).


    Wäre nicht alles schon so oft da gewesen, man würde schmunzeln müssen. So aber wirkt Grishams Kombinationsspiel nur beliebig, die Verwendung immer gleicher Versatzstücke austauschbar und ideenarm. Neu in diesem Buch ist nur die ellenlange, nervtötende Ahnenforschung.


    Einzig, dass ab und an ein witziger Dialog den dicken Schmöker versüsst, hält einen davon ab, das Buch vorzeitig zuzuklappen. Dem Roman hätte es gut getan, um mindestens 200 Seiten gekürzt zu werden.