Lukas Bärfuss - Koala

  • Inhalt:
    Lukas Bärfuss hat einen gedanklich weit ausgreifenden Roman geschrieben, der über die Frage, warum jemand willentlich den Tod gesucht hat, zu einer anderen vordringt: Welche Gründe gibt es, sich für das Leben zu entscheiden?
    Ein ganz gewöhnlicher Mensch, sein ganz gewöhnliches Leben und sein ganz gewöhnliches Ende. Aber nichts an dieser Geschichte in Lukas Bärfuss` neuem Roman will uns gewöhnlich scheinen. Denn das erzählte Ende ist ein Suizid, und der ihn verübt hat, ist sein Bruder. Auch wenn die Statistik sagt, dass für die Menschen zwischen zwanzig und vierzig Jahren Suizid die zweithäufigste Todesursache überhaupt ist, hilft das niemandem in seinem individuellen Schicksal. Die Fragen, die sich unweigerlich stellen, finden nicht zu Antworten, die denen, die zurückbleiben, wirklich Trost spenden.
    Bärfuss spürt dem Schicksal des Bruders nach, über das er zunächst wenig weiß. Und er begegnet einem großen Schweigen. Das Thema scheint von einem großen Tabu umstellt. Und von einem Geheimnis. Warum nannten seine Freunde ihn Koala? Wie kam er zu diesem Namen? Und hat vielleicht der Name gar das Schicksal des Bruders mitbestimmt; wird ein Mensch seinem Namen ähnlich? Die Geschichte der Tierart in Australien, die heute vor der Ausrottung steht, gerät in den Blick des Autors, und so ist das Buch auch eine Natur-Geschichte über den Umgang des Menschen mit dem anderen Menschen, mit dem Tier, mit Gewalt überhaupt.
    (Quelle: Verlagsseite)


    Der Autor:
    Lukas Bärfuss, geb. 1971 in Thun/Schweiz, ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Dramatiker. Seine Stücke werden weltweit gespielt. Sein über-aus erfolgreicher Debütroman »Hundert Tage« wurde für den Deutschen und den Schweizer Buchpreis nominiert und in 14 Sprachen übersetzt. Lukas Bärfuss lebt in Zürich.
    (Quelle: Verlagsseite)


    Meine Meinung:
    Mit seinem Roman "Koala" macht sich Lukas Bärfuss Gedanken über den Selbstmord und seine Ursache.
    Der Ich-Erzähler reist in seine Heimatstadt, um einen Vortrag über einen deutschen Dichter zu halten, der vor zweihundert Jahren mit seinerFreundin Henriette Vogel Selbstmord beging.
    Danach trifft sich der Erzähler mit seinem Bruder in einer Kneipe. Dies wird das letzte Mal sein, dass er ihn sieht - denn der Bruder begeht kurz danach Suizid. Auch schon vorher hatten die Beiden nicht viel miteinander zu tun, jeder lebte sein eigenes Leben und sie sahen sich recht selten.
    Das Erbe des Bruders ist schnell verteilt, Familie hatte er keine und auch beruflich hat er es nicht weit gebracht.


    "Wir hatten selten Gelegenheit, uns zu sehen; mein Bruder bewegte sich kaum aus jener Stadt heraus, die ich dreiundzwanzig Jahre früher nicht ganz freiwillig verlassen und seither gemieden hatte. Wir führten verschiedene Leben, außer der Mutter und einigen nicht ausschließlich angenehmen Kindheits- und Jugenderinnerungen teilten wir wenig, und gewöhnlich reichten uns zwei Stunden, um der still empfundenen Verpflichtung, sich als Brüder nicht ganz aus den Augen zu verlieren, Genüge zu tun." Zitat, S. 6

    Der Selbstmord wirft bei dem Ich-Erzähler Fragen auf und er beschäftigt sich vielleicht zum ersten Mal intensiv mit dem Bruder und seinem Schicksal. Er macht sich Gedanken über den Selbstmord, sucht Ursachen und stößt u.a. bald auf den Begriff der "Einsamkeit".
    Dieser erste Teil des Romanes war recht interessant zu lesen. Doch dann schweift der Autor ab - man liest über die Kolonialgeschichte Australiens und über das Verhalten des scheinbar lebensunstüchtigen Koalabären.
    Sicher soll damit das Verhalten der Menschen untereinander, die Gewalt und die Gegengewalt, beschrieben werden. M.E. ist diese Australienpassage ein wenig zu ausschweifend geraten; lieber hätte ich wohl mehr über die Beziehung Bruder/Halbbruder gelesen und über die Verarbeitung des Suizids (wie man als Familienangehöriger damit zurechtkommt).
    Zum Titel: Der Name "Koala" hat der Bruder vor Jahren bei der Pfadfinderschaft erhalten, da dieser offenbar eine Charaktereigenschaft mit diesem Tier teilt.

  • Vielen lieben Dank für deine Rezi, Conor :winken:


    Dieser erste Teil des Romanes war recht interessant zu lesen.


    Das weckt schon mal meine Aufmerksamkeit.


    Doch dann schweift der Autor ab


    Wobei ich darüber gerade etwas gestolpert bin. Abschweifen kann zwar interessant werden, aber wenn dann so gar nicht mehr, wie du schreibst, auf die Beziehung zwischen den beiden Brüder bzw. wie man überhaupt einen Selbstmord als Angehöriger verarbeiten kann, eingegangen wird, dann fehlt mir da einfach etwas. Auf meiner Wunschliste bleibt das Buch auf jeden Fall, denn immerhin hast du ihm ja 4 Sternchen gegeben.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Wobei ich darüber gerade etwas gestolpert bin. Abschweifen kann zwar interessant werden, aber wenn dann so gar nicht mehr, wie du schreibst, auf die Beziehung zwischen den beiden Brüder bzw. wie man überhaupt einen Selbstmord als Angehöriger verarbeiten kann, eingegangen wird, dann fehlt mir da einfach etwas.


    Als ich eben die Rezi von Conor las war ich über genau denselben Satz gestolpert! Und dachte - wollte es aber anfangs nicht schreiben -, dass es wohl sehr schwer ist, sich dem Thema ohne Abzuschweifen auszusetzen. Vielleicht ist es einfacher, etwas distanzierter und neutraler über Australien zu schreiben, selbst wenn man der Idee nachgeht, dass Koala ein Name war, der dem Bruder gegeben worden war.
    Allerdings habe ich das Buch auch mal auf die sowieso lange Wuli gestellt.

  • Lukas Bärfuss erhielt für seinen Roman Koala den Schweizer Buchpreis 2014. Die Jury würdigte Koala als «einen autonomen Roman eines gestaltungskräftigen Autors»; Bärfuss verbinde «auf kühne Weise grosse Themen wie Suizid, Kolonialismus und Leistungsideologie».


    Der Autor beeindruckt mich schon lange als Dramatiker und eben als Romancier. Angeregt vom Preis für Koala sollte auch wieder der grossartige Roman Hundert Tage über den Krieg in Ruanda gelesen werden.