• Ich bin manchmal ein wenig naiv. Ich hatte es überhaupt nicht auf dem Schirm, dass nach dem Buch veröffentlichen auch noch was kommt, nämlich beispielsweise Lesungen. Mein Buch ist relativ eng themenbezogen, also habe ich es über Mailinglisten und Facebook ... entsprechenden Menschen, Gruppen, Initiativen vorgestellt (Engagierte im Bereich Migration/Flucht/Asyl und Frauen/Lesben). Kaum war die erste Mail raus, kam auch schon eine Einladung zu einer ersten Lesung. Aufregung pur - keine Ahnung, wie und was und überhaupt.
    Ich habe mir dann eine Einleitung ausgedacht: Wie kam ich dazu da Buch zu schreiben, habe mich auch als Lesungsneuling geoutet und drum gebeten, mich auszubremsen, wenn ich zu schnell werde .... Geholfen hat mir der Rat einer Verlegerin: "Es macht nichts, wenn man sich verhaspelt, das macht die Autorin nur menschlicher für die Leser".
    Ich habe mir selbst laut vorgelesen und die Zeiten gestoppt - ca. 10 Seiten entsprechen bei mir 15/20 Minuten. Ich lese drei, maximal vier Abshcnitte vor (lieber drei, da mein Buch sehr schmal ist)


    Ich habe noch ein paar weitere Einladungen bekommen, habe mich selbst aber nie drum gekümmert, was an Land zu ziehen - da kann ich also leider keine Tipps geben.


    Nevös bin ich jedes Mal wieder, aber wenn die erste Lesung schon mal ein positives Feedback bringt, so fällt es jedes nächste Mal leichter :-)

  • Super Tipps! Ich werde definitiv einiges davon umsetzen. Das mit der Einleitung finde ich echt gut und auch das Du die Zeit gestoppt hast, um zu sehen, wie schnell du liest.
    Vielen lieben Dank. :thumleft:

  • Dass man sich intensiv darauf vorbereiten sollte, ist ziemlich wichtig. Die Zeit zu stoppen gehört mit dazu, einfach weil man schauen muss, wie viel Text man überhaupt in Angriff nehmen muss.


    Ich bin auch mehr oder weniger da reingestolpert. Da ich Erotik schreibe, hat mich die Besitzerin eines Erotikshops darauf angesprochen, ob ich nicht ein paar Lesungen bei ihr abhalten möchte. Natürlich war ich dem nicht abgeneigt, obwohl ich noch keinerlei Erfahrungen diesbezüglich hatte, da ich selber auch noch nie auf einer Lesung war.
    Da ich ja nicht ganz blöde bin :lol: hab ich nach Videos mit Lesungen im Internet gesucht und wurde recht schnell fündig. Nachdem ich mir ein paar davon angesehen habe, habe ich mich dann vorbereitet:
    - erst einmal schauen, welche Passagen überhaupt mit in die Lesung einfließen sollen
    - Text schreiben, um eine Einleitung und Verbindungselemente zwischen den einzelnen Passagen zu haben. Außerdem ist eine Ausleitung mit den richtigen Worten nicht verkehrt, denn diese Worte sind es, die dem Publikum am Ende im Gedächtnis bleiben
    - laut vorlesen, am besten noch aufnehmen, damit man sieht, wie lange man überhaupt braucht und ob man nicht zu schnell liest
    - Passagen streichen, andere Passagen mit hinein nehmen, versuchen, in vorgesehener Zeit zu bleiben (ich hatte mir 45 Minuten für die reine Lesung vorgenommen)
    - laut vorlesen und dabei schauen, dass Passagen und Verbindungselemente eine Einheit bilden und nichts stört, Zeit stoppen, auf Sprechrhythmus achten, eventuell mal testen, verschiedene Personen mit verschiedenen Stimmen zu sprechen (das muss stimmig wirken, sonst besser lassen).
    - das Ganze noch einmal überarbeiten
    - laut vorlesen, das Ganze aufnehmen, um den letzten Feinschliff vorzunehmen. Zwischendurch folgendes üben: lesen, immer mal wieder aufsehen, um mit dem Publikum in Augenkontakt zu treten, weiterlesen. Ein Spiegel kann helfen, sich selber dabei zu überprüfen. Es ist auch gut, wenn man die Verbindungselemente und die Schlussworte einigermaßen auswendig kann, sodass es weniger wie Vorlesen, sondern mehr wie eine Ansage klingt.


    Ich habe im übrigen das Buch für die Lesung mit Post-its nur so zugepflastert, sodass ich immer schnell die nächste Passage zur Hand habe. Direkt vor der Passage klebt ein Zettel mit dem passende Verbindungselement und auf diesem Zettel habe ich dann vorsichtshalber noch die Seitenzahl gedruckt, wo die nächste Passage anfängt. Sollte man ein Post-it verlieren, findet man die Textstelle dennoch schnell wieder 8)
    Ferner habe ich mir in dem Buch die verschiedenen Personen, wenn sie sprechen, farbig markiert, damit ich immer mit der richtigen "Stimme" vorlese. Auch in den einzelnen Abschnitten habe ich mir Zeichen gemacht für dieses oder jenes - grad so, wie ich es für nötig hielt (z.B. Stimme hoch, schrill, tief, rau, hauchend, ...)


    Wenn man so weit ist, dass man glaubt, man könne die Lesung an sich wuppen, sollte man sich auch Gedanken um das Drumherum machen:
    - Bei der Lesung darauf achten, dass zwei bis drei der Bücher auf dem Tisch liegen/stehen - so kann sich das Cover bei der Lesung auch gut bei denjenigen einprägen, die vorher noch nie etwas von dir gehört haben.
    - Es muss immer ein Glas Wasser in greifbarer Nähe sein (WICHTIG!).
    - Dann sollte man sich vorher Gedanken darüber machen, was man anziehen möchte, damit das nicht am Tag der Lesung in Stress ausartet.
    - Ich hab mir außerdem noch ein paar pinke Plüschpantoffeln als kleinen Gag auf dem Tisch platziert, da in meiner Lesung eine Passage dabei war, in der die Protagonistin pinke Plüschpantoffeln an hatte, die sogar ihr selbst peinlich waren. Reaktion des Publikums: Was machen die Puschen da auf dem Tisch? -> erst Neugier schüren und dann das Aha-Erlebnis, als darauf im Text eingegangen wird. Dabei sollte allerdings darauf geachtet werden, dass hier nur minimales Material eingesetzt wird, denn ein zu bunter Tisch kann auch ablenken.
    - Ein Stift ist auch wichtig, wenn am Ende Bücher mit Widmung verkauft werden sollen und
    - je nachdem, wer das Geld für die Bücher einkassiert - eventuell auch Wechselgeld.
    - Im Voraus schon überlegen, auf welche Fragen man wie eingehen möchte, wenn das Publikum nach der Lesung noch Fragen an den Autor hat. Wie weit darf es in die Privatsphäre gehen und wie setzt man am besten Grenzen, ohne irgendjemanden vor den Kopf zu stoßen? Wenn man sein Privatleben nicht vor dem neugierigen Publikum ausbreiten möchte, sollte man entsprechend vorbereitet sein. Ansonsten kann man diesen Punkt natürlich auch unter den Tisch fallen lassen :wink:
    Und natürlich immer wieder bei den allgemeinen Vorbereitungen einmal laut lesen, um in Übung zu bleiben, eventuell auch mal Mann, Kinder oder Freunde dazu holen, damit die vielleicht auch noch ein paar Tipps geben können, wie es auf sie wirkt.


    Wie man sieht, ist Vorbereitung zwar aufwändig, aber einfach alles und kann eine Menge Stress bei der Lesung vermeiden. So kann man sich ruhiger auf das eigentliche Ereignis einlassen. Und wenn man sich dann mal beim Lesen verhaspelt, geht man mit einer kleinen Entschuldigung, einem Lächeln und einem Schluck Wasser darüber hinweg. Das Publikum wird es freuen :)

    "deine beschreiebung alleine lässt vermuten, dass es sich um schmöckerroman einzigartiger klasse handelt, nämlich übertriebenem bullshid, der mit der wirklichkeit keinene hinreichenden effekt auf die wirklichkeit erstreckt." (Simon Stiegler)

    Stimmt! Ich schreibe spannende Unterhaltungsliteratur, die den Leser aus der Wirklichkeit entführt, bis zum Ende gelesen wird und bei der der Leser am Ende fragt: Wann erscheint der nächste Band? Schreiben will halt gelernt sein

  • Ich danke Dir. Echt klasse! Das werde ich mir auf alle Fälle zu Herzen nehmen und schon mal dem Üben anfangen. Sobald es an die erste Vorbereitung geht, kann ich nun auf deinen Beitrag zurückgreifen und bestimmt hilft das auch vielen anderen Frischlingen. :applause:

  • Divinas Beitrag ist eigentlich kaum noch etwas hinzuzufügen. Es ist übrigens sehr hilfreich, wenn man auch jemand anderem - z.B. einem Freund vorliest, der einen eventuell auf Probleme hinweisen kann, die man vorher gar nicht auf dem Schirm gehabt hat. Kinder sind auch gut, denn die sagen einem gelegenlich sehr präzise, wo es hakt.


    Während der Fragerunde ist es außerdem nützlich, sich Notizen zu dden Fragen zu machen, die man nicht erwartet hatte - oder auch zu unerwarteten Reaktionen auf bestimmte Antworten. So kann man nämlich Folgelesungen noch weiter vorentlasten. Und wenn man sich möglicherweise widerkehrende Fragesteller/innen merkt, dann fühlen diese sich auch sehr gebauchpinselt, was sich auch in entsprechenden Media-Kommentaren niederschlagen kann - positiv, wie negativ.

  • Oh prima! Das kommt direkt mit auf meine Liste. Vielen Dank K.-G. Beck-Ewe
    Darf ich auch einmal Fragen, an welchen Orten ihr bislang so vorgelesen habt? War auch schon einmal irgendwas Außergewöhnliches dabei?