Haruki Murakami - Von Männern die keine Frauen haben / Onna no Inai Otokotachi

  • Nach dem für mich hervorragenden 'Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki' erst vom Anfang diesen Jahres war die Wartezeit auf einen neuen Murakami erfreulich kurz: mit dem Band 'Von Männern die keine Frauen haben' erschien vor kurzem eine neue Sammlung von Kurzgeschichten des Autors.


    Diese Geschichten unterschiedlicher Länge, sieben an der Zahl, drehen sich thematisch allesamt um den Aspekt, welchen der Titel des Buches bereits eindeutig vorgibt: Männern, die keine Frauen haben. So jedenfalls nur oberflächlich betrachtet. Denn was den Protagonisten in den Kurzgeschichten fehlt, geht oft weit über den Aspekt eines nicht vorhandenen Partners hinaus, oder steht damit nur indirekt in Zusammenhang.


    Die Qualität der Kurzgeschichten schwankt dabei durchaus; besonders überzeugt hat mich vor allem die skurril-melancholische Erzählung über einen Barbesitzer, welcher sich durch einige mysteriöse Umstände seiner inneren Verletztheit stellen muss, während ich mit Murakamis Hommage an Kafkas Verwandlung mit der Kurzgeschichte 'Samsa in Love' nur wenig anfangen konnte. So wird wohl jeder in diesem Band persönliche Highlights zu finden vermögen; diese sind durchaus vorhanden, wenn mich diese Kurzgeschichtensammlung des Autors auch nicht annähernd so zu fesseln konnte, wie es vor allem die Kurzgeschichten-Bände 'Der Elefant verschwindet' oder 'Blinde Weide, Schlafende Frau' vermochten. Letztlich würde ich 'Von Männern die keine Frauen haben' vordergründig Fans des Autors ans Herz legen, wenngleich auch diese durchaus auf die Taschenbuchausgabe warten können.

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    :montag:

  • während ich mit Murakamis Hommage an Kafkas Verwandlung mit der Kurzgeschichte 'Samsa in Love' nur wenig anfangen konnte


    Und diese Erzählung war für mich DER Hit des Buches. Genial die Idee, Gregor Samsas Rückverwandlung in einen Menschen zu schildern :thumleft: . Mit allen Widrigkeiten, die man sich vorstellen kann: Die Angst um die schutzlose Haut (besonders groß die Angst vor Vögeln), das Problem, auf zwei Beinen zu gehen und die Frage, wie man was anzieht. Ich hätte mir noch ein bisschen mehr Konsequenz erhofft,


    Daneben berührte mich auch die Erzählung, die @Eol erwähnt hat, die des Barbesitzers, der auf eine seltsame Reise geschickt wird. Wenig dagegen konnte ich mit der letzten, der titelgebenden Erzählung anfangen; eine ironische Betrachtung des Liebeskummers habe ich schon anderswo besser und ansprechender gelesen.

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  • Und diese Erzählung war für mich DER Hit des Buches.


    Mir hat sie auch gefallen. Murakami hat die Käfermetapher durchgängig einfließen lassen und auch Samsas Entwicklung lässt sich mit der im Original vergleichen, nur invers: Während Kafkas Samsa immer mehr einem Käfer gleicht, gewöhnt sich Murakamis immer besser an das Menschendasein. Auch das Motiv der Türen hat Murakami aufgegriffen. Besonders interessant ist die Frage, was Murakamis Samsa denn vor seiner Verwandlung gewesen ist.


    Wenig dagegen konnte ich mit der letzten, der titelgebenden Erzählung anfangen


    Im Gegensatz zu der Erzählung mit dem Barbesitzer, die mich nur in Teilen angesprochen hat, konnte ich hiermit relativ viel anfangen. Auf stilistischer Ebene war da ziemlich viel zu holen (auch bei der Metaphorik) und die Tatsache, dass die Frau endlich einmal niemanden betrogen hat, hat mich sehr mit der Sammlung versöhnt.


    Das hat mich nämlich an den anderen Geschichten gestört: In den meisten hintergehen die Frauen ihre Partner. Das war auf die Dauer ziemlich vorhersehbar. Dadurch hatte man zwar schnell eine Sympathie für die Männer entwickelt, aber die Darstellung ist zu einseitig. In Das eigenständige Organ geht es sogar explizit darum, wie verlogen Frauen sind, das fand ich schon zu viel des Guten. Da war es eine Erleichterung, dass die Frau in der letzten Erzählung (übrigens in Kafka-Manier nur mit "M." tituliert) positiv dargestellt wird, der Radiergummi-Zwischenfall hat mir sehr gefallen. Auch die erste Geschichte - obwohl ebenfalls mit einer Betrügerin - hat mir zugesagt, weil die Figurenkonstellation spannend angelegt ist.


    Ansonsten mochte ich es ganz gerne, dass Murakami mit verschiedenen Erzählern gespielt, mal die Er- und dann wieder die Ich-Form verwendet hat. Insgesamt würde ich mich @Eol anschließen: Wer das Buch lesen möchte, kann ruhig auf die Taschenbuchausgabe warten.

    :jocolor: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa // Norman Davies (Projekt)



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