Amazon ~ Beschreibung:
Als Amanda Webster begreift, dass ihr elfjähriger Sohn Riche unter Magersucht leidet, ist es fast zu spät. Doch wie konnte es nur dazu kommen, dass sich ihr glücklicher Sohn in diesen zurückgezogenen und beängstigend dürren Jungen verwandelt hat? Und das, obwohl diese Krankheit angeblich nur Mädchen und Frauen trifft? Amanda macht sich große Vorwürfe, doch es bleibt ihr kaum Zeit zum Grübeln, denn ihr Kind schwebt in Lebensgefahr. Einfühlsam erzählt Amanda Webster von dem schweren Weg aus der Anorexie und räumt dabei mit vielen Vorurteilen auf.
Meine Meinung:
Lieber Himmel!
Wer, wie ich, bisher geglaubt hat dass Magersucht sich "nur" darauf beschränkt möglichst wenig zu essen und sich mehrmals täglich auf die Waage zu stellen, wird in diesem Buch wahrlich eines Besseren belehrt.
Amanda Webster, eine ausgebildete Ärztin, beschreibt hier autobiografisch und sehr eindrücklich ihr Leben mit der Magersucht ihres elfjähirgen Sohnes.
Der Junge verweigert nicht nur die Nahrungszufuhr, sondern leidet auch unter der krankhaften Phobie, dass seine komplette Umwelt mit Kalorien verseucht ist, die ihn fett machen. Das geht so weit, dass er keine Gegenstände (Türklinken, Autotüren, ect.) mehr berühren kann, keinen Körperkontakt zu anderen Menschen (einschließlich seiner Mutter) mehr zulässt, sich mit elf Jahren auf ein Gewicht von 28 Kilo herunterhungert und damit wirklich in Lebensgefahr schwebt.
Seine Mutter nimmt den Kampf gegen die Magersucht ihres Sohnes auf und beschreibt in ihrem Buch die daraus entstehenden Konsequenzen:
Totale soziale Isolation, Umzug in die Nähe eines Ortes wo der Junge therapiert werden kann, ohne im Krankenhaus monatelang durch eine Nasensonde zwangsernährt zu werden (was der gängige Behandlungsweg gewesen wäre), dadurch entstehende Kosten von über 1.500 Dollar in der Woche (!), die extreme Belastung für die ganze Familie, zu der noch ein Vater und zwei weitere Kinder gehören und die psychischen Folgen, die der tägliche Überlebenskampf bei ihr selber hinterlässt.
In dem Leben der Autorin ist von jetzt auf gleich nichts mehr normal. Fünfmal täglich stellt sie sich der Prozedur ihrem Sohn die Proteindrinks zu verabreichen, die er dringend zum Überleben braucht, weil er jede andere Nahrung komplett verweigert. Für 200 ml. Proteindrink benötigt der Junge meistens eine komplette Stunde und einen wahren Überredungsmarathon.
Wenn sie mit ihm das Haus verlässt, wird jeder kleine Gang zum totalen Spießrutenlauf: Eine weggeworfene Pommes auf dem Bürgersteig oder ein paar Tropfen verschütteter Kaffee hat extreme Ausraster ihres Sohnes zur Folge und machen den Alltag zu einer einzigen, nervlichen Strapaze.
Es ist schier unglaublich unter welchen Bedingungen die Autorin mit ihrem Sohn gelebt hat und das nötigt mir als Leserin wirklich äußersten Respekt ab.
Dennoch kommt die Autorin stellenweise ziemlich unsympathisch rüber, weil sie ihrem Mann oftmals ziemlich ungerecht und bösartig rüberkommt. Manche Dinge, die sie ihm an den Kopf wirft, können auch nicht durch ihren psychischen Ausnahmezustand gerechtfertigt werden, finde ich.
Ein wirklich lesenswertes Buch und eine Geschichte, die dankbar macht, wenn man gesund ist und gesunde Kinder hat und die andernfalls gewiss ein wenig Mut zu schenken vermag.