Thomas Hettche – Pfaueninsel

  • Kurzmeinung

    Squirrel
    Angenehme Geschichte, wie es denn gewesen sein könnte vor 200 Jahren auf der Pfaueninsel
  • Kurzmeinung

    Submania
    Hörbuch sehr angenehm gelesen, an einem Tag zügig durch. schöne Sprache, als Buch hätte es evtl. gelangweilt.
  • Der Autor:
    Thomas Hettche, 1964 am Rand des Vogelsbergs geboren, lebt in Berlin. Sein Romandebüt »Ludwig muss sterben« wurde 1989 als Geniestreich gefeiert. Danach erschien unter anderem »Der Fall Arbogast« (2001), ein Bestseller, der in zwölf Sprachen übersetzt worden ist. »Woraus wir gemacht sind«, 2006 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen, stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Anschliessend veröffentlichte Hettche den hochgelobten Roman »Die Liebe der Väter« (2010) und den autobiographischen Essayband »Totenberg« (2012). Zuletzt schrieb er »Pfaueninsel«, 2014 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen, auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2014 (Bekanntgabe des Preisträgers am 6. 10. 2014 um 18.55 Uhr). (Quelle: Der Verlag, ergänzt)


    Der Roman:
    Ja, der Roman hat mir gut gefallen. Thomas Hettche berichtet über die Entstehung der Gartenarchitektur auf der Pfaueninsel und bringt dabei souverän Geschichte und fantastische Erzählung zusammen. Er beschreibt nicht die Landschaft, er erzählt sie. Er zieht mich in seine Geschichte hinein; zu Beginn ignoriere ich total, wo die Lesereise hingeht, am Ende bin ich um eine wunderbare Erzählung reicher. Dabei hat sie teilweise dokumentarischen Charakter wie es eine Internetseite anhand von Textauszügen vor Augen und ins Ohr führt (http://www.pfaueninsel-roman.de/).


    Die Handlung erzählt von Marie, einer Zwergin auch Schlossfräulein genannt, die seit ihrem 6. Lebensjahr auf der Pfaueninsel lebt. Sie wächst dort zusammen mit ihrem Bruder Christian Friedrich Strakon, auch ein Zwerg, auf. Sie lebt auf der Pfaueninsel bei der Familie des Hofgärtners mit weiteren Angestellten und einem Bauern. Gelegentlich erscheint König Friedrich Wilhelm III. von Preussen samt seiner Familie und Hof, dann müssen alle Spalier stehen.
    Die jung verstorbene Königin Luise hatte bei einem Besuch Christian als 'Monster' bezeichnet. Der Ausruf wird den Geschwistern zum Schicksal.


    Die heranwachsende Marie verliebt sich in den Sohn des Hofgärtners, Gustav. Trotz erwiderter Liebe bewahrt es sie nicht vor schweren Schicksalsschlägen, das Zwergenthema spielt dabei eine gewichtige Rolle.


    Das Leben Maries erzählt Thomas Hettche von 1800 bis 1880 in einem grossartigen Stil, den er gekonnt ohne Übertreibung der Zeit anpasst. Das Leben Maries folgt der Preussischen Geschichte ebenso wie der Natur- und Gartengeschichte im 19. Jahrhundert. Die Pfaueninsel wird von Gartenbaumeistern wie Lenné, die Gebäude von Baumeistern wie Schinkel, gestaltet. Sie mutiert zur Heimat fremdländischer Pflanzen und zur Menagerie exotischer Tiere wie Kängerus und einem Löwen. So aussergewöhnlich ist diese reale Umgebung Maries, dass man sich als Leser nicht wundert, wenn auch Märchenfiguren wie Peter Schlemihl sie besuchen.


    Marie habe ich zu lieben gelernt, so sehr, dass ich bei ihrer anrührenden letzten tour de l’île feuchte Augen bekam. Alles fügte sich in diesem melancholischen Roman. Pfaueninsel ist kein Buch für ein paar Seiten zwischendurch, der Leser sollte längere Lesestrecken einplanen, denn dann entfaltet der Roman einen Sog, dem er sich nicht entziehen sollte.


    Besonders möchte ich noch die sorgfältige Gestaltung des Buches vermerken: Gebunden in feinem, blauen Leinen, fast seidig, mit der Prägung einer schönen, weissen Pfauenfeder. Die Vorsatzpapiere sind mit einer historischen Karte der Pfaueninsel bedruckt.

  • Das Buch wurde in der letzten "Druckfrisch"-Ausgabe vorgestellt. Hier kann man sich ein Interview mit dem Autor ansehen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Besonders möchte ich noch die sorgfältige Gestaltung des Buches vermerken: Gebunden in feinem, blauen Leinen, fast seidig, mit der Prägung einer schönen, weissen Pfauenfeder. Die Vorsatzpapiere sind mit einer historischen Karte der Pfaueninsel bedruckt.


    Danke auch für diese Info, Horus und überhaupt für deine Rezension. Schön gemachte Bücher mit interessanten Inhalt gibt es einfach viel zu selten. Wenn es nicht schon auf meiner Wunschliste liegen würde, dann wäre es spätestens jetzt darauf gelandet.


    @€nigma: Danke dir auch für den Link, das werde ich mir später mal genauer ansehen!

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  • @€nigma
    Vielen Dank für den Link zum Interview des Autors mit Denis Scheck.


    Nebenbei bemerkt, was ich bisher von Thomas Hettche las (insb. der Roman Woraus wir gemacht sind), war einfach nicht mein Fall, und doch wollte ich ihn nicht sogleich ad acta legen, zu Recht.

  • Danke für die schöne Rezension. Die Pfaueninsel ist ein ganz wunderbarer Ort, vor allem außerhalb der Saison, wenn die Besucherströme wegbleiben. Das Buch will ich unbedingt lesen.

    :montag: Judith Hermann - Daheim


    "Sehnsucht nach Liebe ist die einzige schwere Krankheit, mit der man alt werden kann, sogar gemeinsam."
    (Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen)


  • Ich habe den Roman soeben beenden und kann mich eigentlich nur Horus' Meinung anschließen. Ich bin begeistert und berührt. Maries Schicksal, ihre Einsamkeit geht einem doch sehr nahe. Beim Lesen fühlte ich mich gleich in eine andere Zeit versetzt.
    Die Passagen um z.B. Botanik oder Menagerien störten mich nicht; es werden viele historische Persönlichkeiten erwähnt: Lenné, Schinkel..., die ich teilweise ergoogelte.
    Ich habe doch direkt Lust bekommen, die Pfaueninsel zu besuchen.


    Er zieht mich in seine Geschichte hinein; zu Beginn ignoriere ich total, wo die Lesereise hingeht, am Ende bin ich um eine wunderbare Erzählung reicher

    Dabei stört es auch gar nicht, dass Hettche Peter Schlemihl auftreten lässt.


    Zum Ende der Geschichte:

  • Danke @Conor für Deine Eindrücke zum Roman. Das Buch ist doch recht kopflastig, wenn man die vielen Ideen des 19. Jahrhunderts verstehen möchte, so wie sie damals auf der Pfaueninsel realisiert oder zumindest besprochen wurden. Das Ende der Geschichte spricht das Herz an, warum auch nicht.


    Mich hat im letzten Teil des Roman der Besuch Maries auf dem Festland sprich in Berlin, im Feuerland, dem Viertel der Borsigwerke (müsste heute in etwa östliche Chausseestrasse Ecke Torstrasse in Berlin-Mitte sein) als Kontrapunkt zur Natur der Pfaueninsel sehr angesprochen. Das Jahrhundert hat sich weg von Natur, Botanik und Exotik entwickelt, sich industrialisiert, oder meinen vielleicht Beobachter es ist selbst zum Monster geworden.

  • Längst habe ich das Buch beendet und wollte noch kurz meine Eindrücke dazu geben.


    Marie ist mir wirklich sehr ans Leserherz gewachsen. Interessant was Hettche aus diesem Stoff gemacht hatte. Probleme wegen der botanischen Aufzählung oder Beschreibungen der Anlage hatte ich nicht. Langweilig fand ich das Buch auf keiner Seite. Ganz im Gegenteil. Probleme hatte ich eher mit


    Ich muss mir noch ein paar Gedanken zu Peter Schlemihl machen. Zu meiner "Schande" muss ich gestehen, dass ich erst nicht wusste, dass er nichts anderes als eine Romanfigur ist/war. Ich muss mir noch mal anschauen in welchem Buch er eine Rolle gespielt hatte, wie da der Inhalt war. Soweit ich es noch im Hinterkopf habe, ist es recht passend zur Geschichte der Pfaueninsel gewesen.


    Zu deinem Spoiler @Conor :



    Gebunden in feinem, blauen Leinen, fast seidig, mit der Prägung einer schönen, weissen Pfauenfeder. Die Vorsatzpapiere sind mit einer historischen Karte der Pfaueninsel bedruckt.


    Da möchte ich noch darauf hinweisen, dass es diese schöne Ausgabe leider nur bei der ersten Auflage gab. Nachlesen kann man es im Thread "Buchumschläge mit oder ohne?"

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  • Ich muss mir noch ein paar Gedanken zu Peter Schlemihl machen. Zu meiner "Schande" muss ich gestehen, dass ich erst nicht wusste, dass er nichts anderes als eine Romanfigur ist/war. Ich muss mir noch mal anschauen in welchem Buch er eine Rolle gespielt hatte, wie da der Inhalt war. Soweit ich es noch im Hinterkopf habe, ist es recht passend zur Geschichte der Pfaueninsel gewesen.


    Es freut mich, dass dir der Roman ebenfalls gut gefällt, @Farast - und danke für deinen Eindruck.
    Sicher hast du schon nachgeschaut bzgl. Peter Schlemihl, dennoch hier einen link zu der Geschichte von Adelbert von Chamisso.

  • Kurzbeschreibung bei Amazon:


    Die Pfaueninsel in der Havel bei Potsdam, Rückzugsort der Preußenkönige, wurde im 19. Jahrhundert von Lenné und Schinkel unter Mithilfe des Hofgärtners Fintelmann zu einem künstlichen Paradies umgestaltet. Es gab Känguruhs dort und einen Löwen, Palmen und Götterbäume, einen Südseeinsulaner, einen Riesen, Zwerge und einen Mohren. Thomas Hettche läßt diese vergessene Welt wieder auferstehen, in deren Mittelpunkt er die kleinwüchsige Marie stellt, das historisch belegte Schloßfräulein der Pfaueninsel. Von ihrem Leben und unseren Vorstellungen von Schönheit erzählt sein Roman, von der Zurichtung der Natur und unserer Sehnsucht nach Exotik, von der Würde des Menschen, dem Wesen der Zeit – und von einer tragischen Liebe.


    Meine Einschätzung:


    Literaturpreise für den Autor und durchweg positive bis begeisterte Rezensionen in den großen deutschsprachigen Tageszeitungen hatten in mir große Erwartungen geweckt. Ich muß gestehen, daß ich weitgehend enttäuscht bin von diesem Buch. Die hochgelobte Prosa finde ich keineswegs so überaus hochstehend, da gibt es Stilansätze mit der Begrifflichkeit des neunzehnten Jahrhunderts, die gleich wieder fallengelassen werden, da sind einige auffällige Lektoratsfehler zu beklagen, die nicht für eine gute Betreuung des Manuskripts seitens des Verlags sprechen.
    Inhaltlich werden viel zu viele Themen in pseudobedeutsamen Formulierungen angeschlagen und dann unverbunden im Raum stehengelassen. Da wird für mich insgesamt sozusagen kein Schuh draus, der hoch angesetzte Anspruch wird nicht eingelöst.


    Von mir gibt es :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Danke für die schöne Rezension. Die Pfaueninsel ist ein ganz wunderbarer Ort, vor allem außerhalb der Saison, wenn die Besucherströme wegbleiben. Das Buch will ich unbedingt lesen.

    Ein wunderbarer Ort - das kann ich nur bestätigen. Erst vor kurzem habe ich die Pfaueninsel besucht und hatte Glück, dass nicht allzu viele Besucher da waren.
    Auch wenn es vielleicht ein wenig ungewöhnlich ist -vielleicht sind ein paar Photos interessant?
    buechertreff.de/attachment/10328/buechertreff.de/attachment/10328/buechertreff.de/attachment/10329/buechertreff.de/attachment/10331/buechertreff.de/attachment/10332/

  • Vielen Dank für die Photos @Conor :D


    @Karthause Ich könnte mir vorstellen, dass dir das Buch gefallen würde und bin sehr auf deinen Eindruck gespannt!

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  • Inzwischen habe ich ebenfalls die « Pfaueninsel » gelesen, und bin doch etwas zwiegespaltener. Das mag eventuell daran liegen – jemand wies darauf oben hin – dass ich ihn nicht in ordentlich langen Stücken geniessen konnte ? Zumindest aber stieß auch mir manchmal auf, wie hier einige Sexszenen mir zu deutlich beschrieben werden.


    Sicher, es mag auch daran liegen, dass man ein Grundthema des Buches unterstreichen will : Für viele, die meisten Personen, sind Marie und ihr Bruder, aber auch einige andere Gestalten der Insel Kuriositäten, Figuren aus einer Freakshow oder einem Wanderzirkus. Die Selbstbehauptung als « normaler Mensch » zu gelten scheint schier unmöglich angesichts manches Publikums. Da zählt man nicht. Jedoch wiesen einige andere erste Begegnungen auf beruhigtere Beziehungen hin (davon eine aber mit der Fabelfigur Schlehmils?). Aber wieviele enden in einem Drama, in einer Katastrophe. Und in großer Einsamkeit...


    Ich war erstaunt, dass das Buch teils mit großen Zeitsprüngen arbeitet und dann einzelne Perioden oder Begegnungen herausarbeitet. Ich überlegte, ob die letzten circa 60/70 Seiten unbedingt notwendig waren ? Okay, vielleicht erwartete man noch das Wiederauftauchen einer der Hauptpersonen ? Und die Bemerkungen zur "Zeit" und der letzte Rundgang sind natürlich andersweitig beeindruckend.


    Diese kritischen Bemerkungen hindern mich nicht daran - trotz einiger Fehler - , teils eine sehr angenehme, ausgefeilte Sprache genossen zu haben als auch hier und da einige richtige Perlen an « Weisheit » ( um ein etwas hochtrabendes Wort zu gebrauchen). Zu den interessanten Hauptthemen gehören sicherlich Anschauungen über die so genannte « Schönheit » oder « Normalität ». Das gilt hier sowohl menschlich, pflanzlich, tierlich als auch zivilisatorisch-städterisch !


    Die Pfaueninsel als solche war mir, muss ich gestehen, echt unbekannt, und landet somit auf einer Wunschliste, falls es nochmals zu einem Berlinbesuch kommen sollte.


    Speziellen Dank an Conor für die Photos !



    Ich vergebe so :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: .

  • Sag ich es mal so: Ich habe mich gepflegt gelangweilt.


    Eine sehr schöne, poetische und zum historischen Hintergrund passende Sprache. Doch: Auch mit einem schöner Mann in einem schicken Anzug mache ich nichts, wenn er ein Langweiler ist.


    Mich konnte Maries Geschichte weder berühren noch fesseln. Ganz zu schweigen von den unzähligen Details, was und wieviel auf der Insel angebaut wurde und wuchs oder wieviele Tiere welcher Gattung importiert wurden und welche es am längsten aushielten.


    Immerhin macht der Roman deutlich: Arten-, Umwelt- und Naturschutz hätte man bereits vor 200 Jahren "erfinden" müssen. Menschenwürde auch.


    Aber neugierig auf den Pfaueninsel bin ich durch das Buch und @Conor s Fotos geworden.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)