Håkan Nesser - Die Lebenden und die Toten von Winsford/ Levande och döda I Winsford

  • Klappentext:
    Exmoor, eines Abends im November. Über dem kleinen Dorf Winsford in der südenglischen Moorlandschaft liegt dichter Nebel. Die mysteriöse Frau, die sich unter dem Namen Maria Anderson mit ihrem Hund im abseits gelegenen Haus auf der Heide niederlässt, bietet Stoff für Spekulationen. Was hat sie hier draußen in der Einöde zu suchen? Was hält ihr Mann von ihrem Aufenthalt an diesem Ende der Welt? Wo ist er überhaupt? Tatsächlich auf Reisen?Irgendetwas Sonderbares umgibt die Fremde, die Tag für Tag im diesigen Nieselregen spazierengeht – auch wenn sie schon bald aus dem Dorfleben nicht mehr wegzudenken ist. Nicht alle scheinen ihr jedenfalls wohlgesonnen. Wie anders wäre sonst zu erklären, dass plötzlich tote Vögel vor ihrer Türe liegen und ihr Hund tagelang verschwindet? Und die seltsamen Vorfälle häufen sich. Man könnte auch sagen: Je mehr sie sich auf die kleine Gemeinschaft einlässt, desto gefährlicher wird es für sie. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Håkan Nesser wurde am 21.02.50 in Kumla geboren, Abitur 1968, ab 1969 geisteswissenschaftliches Studium (Englisch, Literaturgeschichte, Nordische Sprachen, Geschichte und Philosophie) in Uppsala, danach Lehramtsstudium in den Fächern Schwedisch und Englisch, Abschluss 1974. Arbeitete bis 1998 als Lehrer, zuerst in Märsta, danach in Uppsala. Seither freier Autor. Håkan Nesser lebt mit seiner (zweiten) Frau Elke in London und auf Gotland. (von der Verlagsseite kopiert und gekürzt)


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Levande och döda I Winsford
    Aus dem Schwedischen übersetzt von Paul Berf
    Erstmals erschienen 2013 bei Albert Bonniers, Stockholm
    58 Kapitel in fünf Teile gegliedert
    Ich-Erzählung aus der Perspektive Maria Andersons
    461 Seiten


    Eigene Meinung / Bewertung:
    Der Klappentext wirkt, als würde die Geschichte einer Frau, die in die Einöde zieht, von außen erzählt. Tatsächlich aber lässt der Autor Maria Anderson als das „Ich“ auftreten - kein anderer kommt zu Wort -, so dass eine sehr dichte, nahe Erzählweise entsteht. Insofern: Falls Spekulationen über Maria im Dorf aufkommen, bekommt der Leser sie jedenfalls nicht mit. Im Zentrum stehen nicht die Geschehnisse im Dorf, sondern Marias Vergangenheit und die ihres Ehemannes.


    Dass Maria ein Geheimnis umgibt, begreift der Leser schnell und auch, dass das Geheimnis ihren abwesenden Ehemann betrifft. Und irgendwann rückt sie mit der Sprache heraus, was vorgefallen ist, so dass man versteht, warum sie sich (mit Hund! der ist ihr sehr wichtig) von Schweden aus, wo sie eine bekannte Persönlichkeit ist, unter falschem Namen in ein gottverlassenes Nest irgendwo in Somerset flüchtet. Warum sie stundenlang durch die karge Gegend streift, Kontakte weitgehend meidet und ihre Mails von einem fremden Rechner abruft.


    Einen großen Teil des Erzähltextes nehmen Landschafts- und Stimmungsschilderungen ein, mehr noch als bei früheren Nesser-Romanen, in denen es dem Autor um die ganze Geschichte und nicht nur um ein Verbrechen und dessen Aufklärung ging. Man mag diese Romane oder man mag sie nicht; ich empfand die langen Spaziergänge (und damit die langen Beschreibungen) als ruhige Atempausen zwischen Marias quälenden Gedanken und der Spannung, was als nächstes passiert.


    Ich war nahe daran, dem Buch die höchste Punktzahl zu geben, aber in den letzten zehn Seiten, als spürbar wird, wie es enden würde, nahm ich meinen Entschluss zurück.
    Man beendet das Buch wie ein wunderbares schmackhaftes Essen, das nicht reicht. Nesser lässt den Leser mit knurrendem Magen zurück, denn viele, wenn nicht die meisten Fragen, die sich angehäuft haben, bleiben unbeantwortet, und am Ende weiß man immer noch nicht, was in Winsford im Einzelnen passierte.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)