Teil 2: "Sechzehn" bis "Dreissig" (Seiten 99-190)

  • SECHZEHN bis ZWANZIG


    Zitat

    Das Unglück meiner Eltern liegt auf Möbeln und Wänden wie eine giftige Haut. Ihre Trauer hat alles Lebendige aus den Räumen gesaugt. Statt Luft atmet man Tod. Nicht nur ihr Sohn ist tot, alles ist tot. Das Haus ist wie ein großer Sarg. Als wäre man lebendig begraben.


    Diese Worte finde ich sehr treffend, aber auch sehr bedrückend. Für Lenny muss es so unendlich schwer sein, in diesem Haus zu leben. Und wie ich schon gesagt habe: ich kann die Eltern nur zum Teil verstehen. Sie haben immer noch einen lebendigen Sohn, der sie braucht und der selbst auch trauert. Und dann erwartet dieser schreckliche Vater auch noch, dass Lenny zuhause bleibt und sich um die zugedröhnte Mutter kommt. Als ob sie das überhaupt merken würde und außerdem finde ich es immer schwierig und unfair, wenn die Kinder auf einmal zu Eltern werden und umgekehrt. Die Mutter sollte sich zusammenreißen und sich um Lenny kümmern, so sollte das laufen!


    Auch die Geschichte mit Jakob und seinen Haaren macht mich sehr betroffen. Wie kann man als Mutter nur so sein? So egoistisch, so berechnend, so wenig erwachsen - wer benimmt sich denn bitte so? Gut so, dass wenigstens Lenny den Mut findet, das zu tun, was sein Bruder sich am Ende doch nicht getraut hat. (Wobei ich nicht verstehe, wie er den Mut gefunden hat, zu springen, aber nicht den Mut, sich die Haare abzurasieren. Klingt für mich sehr danach, vor den Konsequenzen fortzulaufen. Es fällt mir, ehrlich gesagt, schwer, das nicht zu beurteilen.)


    Auch die Szene mit dem Video zum Schulanfang...einfach nur furchtbar!


    Und über die Lehrerin in der Schule musste ich auch den Kopf schütteln. Klar ist es nicht okay, was Lenny gemacht hat. Aber dass sein Mitschüler ihn dermaßen provoziert, so kurz nach einem Trauerfall, das lässt sie dann wieder durchgehen? Das Buch lässt einen wirklich den Glauben an Eltern und Lehrer verlieren.

  • So, jetzt finde ich auch mal wieder Zeit:


    Wobei ich nicht verstehe, wie er den Mut gefunden hat, zu springen, aber nicht den Mut, sich die Haare abzurasieren.


    Vielleicht, weil er nach ersterem nicht mehr mit den Konsequenzen leben muss....


    Bei der Haarschneide-Szene hat Jakob doch einmal ganz kurz aufbegehrt, indem er zu seiner Mutter sagt:

    Zitat

    Es ist mein Leben, nicht deins.


    Aber leider traut er sich dann doch nicht, seine Haare zu scheren.
    Dass die Mutter da gleich so durchdreht und schluchzend den Vater anruft, finde ich echt schrecklich!
    Und schön, dass Lenny es dann tut und eine Kindheitserinnerung mit Jakob währenddessen wieder aufersteht.


    Ich verstehe, dass Lenny Einschlafschwierigkeiten hat. Wer hätte die an seiner Stelle nicht. In alten Fotoalben versucht er Gründe für Jakobs Selbstmord zu finden und schon beim ersten Bild fällt ihm die makellos glattgestrichene Bettdecke auf.

    Zitat

    Nicht mal in einem der schönsten Momente seines Lebens verliert er die Kontrolle.


    Und dann das Video vom ersten Schultag....echt traurig. :cry:


    In Jakobs Zimmer sucht er weiter nach Spuren. Von Jakob selbst bekommt er keine Antworten.
    Ich fand die Szene schön, als die Mutter hereinkommt und das alte Kinderlied summt, das sie früher den beiden Jungs vorgesungen hat. Vielleicht findet sie langsam eine Art der Trauerbewältigung, die besser zu ihr passt, als Tablettenschlucken.


    Die Szene in der Schule am nächsten Tag fand ich dann auch grenzwertig. Von beiden.


    Im Schulhof trifft er schließlich Jana. Sie fragt ihn, ob er glaubt, es hätte an ihr gelegen, dass es mit ihr und Jakob nicht geklappt hat. Bei dem Gespräch kommt heraus, dass es auch das "erste Mal" von dem Jakob Lenny einmal erzählt hat, gar nie gegeben hat. Dafür hat Jakob mit Jana lange über seine Sorgen geredet, sich aber nicht von ihr verstanden gefühlt. Und verstanden hat sie ihn wohl wirklich nicht.
    Um Jana zu trösten, macht Lenny den Selbstmord auch zum Unfall. Für sie ist es bestimmt leichter das zu glauben, vorallem weil sie ja wirklich nichts dafür kann.

    Ich lese gerade


    “Words are pale shadows of forgotten names. As names have power, words have power. Words can light fires in the minds of men. Words can wring tears from the hardest hearts.”
    ― Patrick Rothfuss, The Name of the Wind

  • Ich weiß gar nicht was ich zu dem Kapitel schreiben soll, aber mir kommt es so vor, als ob die Auflehnung, durch Kürzung des Haarschnitts auch eine Form der Trauerbewältigung ist oder wenn nicht das eine Solidarisierung mit seinem Bruder im Innern.


    Meiner Meinung nach beides.
    Die "Erforschung" seines Bruders, das solidarisieren mit ihm trägt sicherlich einen Teil zur Trauerbewältigung für Lenny bei. Er will ja wissen, was Jakob fühlte bevor er sich umbrachte, und da liegt für mich eine gewisse Solidarisierung durchaus auf der Hand und hilft Lenny.


    "Worte verletzen sehr viel tiefer als es Waffen und Fäuste je könnten"


    Wahre Worte!

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    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


    Warnhinweis:
    Lesen gefährdet die Dummheit

    :study:

  • ch fand die Szene schön, als die Mutter hereinkommt und das alte Kinderlied summt, das sie früher den beiden Jungs vorgesungen hat. Vielleicht findet sie langsam eine Art der Trauerbewältigung, die besser zu ihr passt, als Tablettenschlucken.


    Ja, hier kam bei mir das erste mal ein warmes Gefühl gegenüber der Mutter auf.
    Ich glaube, sie wäre eigentlich ein emotionaler Mensch, aber wurde vom Vater auf Funktionalität getrimmt.


    Im Schulhof trifft er schließlich Jana. Sie fragt ihn, ob er glaubt, es hätte an ihr gelegen, dass es mit ihr und Jakob nicht geklappt hat. Bei dem Gespräch kommt heraus, dass es auch das "erste Mal" von dem Jakob Lenny einmal erzählt hat, gar nie gegeben hat.


    Ich finde es schade, dass Jakob zu Lenny nicht das Vertrauen hatte, über seine Probleme zu sprechen.

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    Erich Kästner

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  • Kapitel 16 - 18


    Kapitel 16


    Lenny ist aber hart zu der Mutter, aber ich glaube das musste wohl so sein. Ich habe das Gefühl, das die Mutter in ihrer eigenen Welt lebt!


    Kapitel 17


    Lenny hat sich die Haare abrasiert. Ich glaube er hat das für Jakob getan, um für ihn gegen seine Elter zu rebellieren.
    Wie seine Mutter darauf wohl reagiert? Ich hätte mir das nicht getraut!


    Kapitel 18


    Ich finde es voll gemein, wie der Vater mit seinem Sohn am ersten Schultag uming. Hat er den gar nicht gemerkt, wie sich Jakob
    dabei fühlt? Hat er sich überhaupt mal Gedanken darum gemacht, um die Gefühle der Söhne, ich glaube nicht!

    :study: Ein Tag ohne ein Buch, ist ein schlechter Tag! :study:


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    Gelesene Bücher 2019: 17

  • Ein sehr interessantes Kapitel und ein interessantes Gespräch zwischen Jana und Lenny. Jana erzählt Lenny das Jakob gar nicht sein erstes Mal mit ihr hatte, sondern er ihr erzählte das er "keine Luft" mehr bekommt, also er erzählte von seinem Leben und seiner Situation und das er keine Luft mehr bekommt.


    Eine interessante Stelle wie ich finde, denn durchaus gibt es Personen die bei einer solchen Lebensgeschichte die voller Traurigkeit ist reagieren bzw. einfach wissen das hier mehr ist als nur eine unzufriedene Situation. Schließlich formuliert Jakob auch aus das er "keine Luft" mehr bekommt und auch nie wirklich geatmet habe. Also diese Sätze so gesprochen vor mir, dann würden bei mir alle Alarmlampen schrillen. Aber diese Warnung wird nicht gehört oder vermutet und so nimmt das Schicksal weiter sein Lauf. Interessant aber das Lenny die Wahrheit verschleiert, weil er erkennt das Jana Jakob sehr geliebt hat und auch umgekehrt, das Jakob Jana liebte. Ich glaube er vertuscht die Wahrheit ein Stück weit für beide Seiten. Eine verzeihliche Lüge wie ich finde.

    :study: Feuerkind (Stephen King) 34 / 542 Seiten

    :study: Mit Nachsicht (Sina Haghiri) 14 / 268 Seiten


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  • Ich hab die Zitate jetzt mal nicht in Kapitelreihenfolge sortiert, sondern so genommen, wie sie von euch gepostet wurden. :wink:

    Ich fand das Kapitel auch sehr interessant. Ich kann Lenny gut verstehen, dass er sich auflehnt. Denn warum soll er für seine Eltern da sein, wenn sie nicht für ihn da sind?! Zusätzlich ist es mir auch so vorgekommen, dass Lenny sich überlegt: Da Jakob sich die Haare nicht geschnitten hat und es nicht "geschafft" hat. Wäre es anders gekommen wenn er sich den Kopf kahl rasiert hätte? Probieren geht über studieren. Et voila Lenny schneidet sich die Haare ab. Und die Reaktion der Eltern war ja nicht anders zu erwarten. Da sie ihn nun für verrückt erklärt haben, kann ich mir gut vorstellen, dass sie ihm auch den Freiraum lassen, der Jakob gefehlt hat.

    Ich glaube, Lenny würde sehr gern für seine Eltern da sein, wenn sie ihn nur lassen würden. Aber sie haben sich so sehr in ihrer Trauer vergraben, dass sie nichts anderes mehr wahrhaben können wollen. Für mich ist dieses Haareschneiden etwas, das Lenny für sich macht. Um sich selbst Mut zu machen, um zu beweisen, dass er Dinge tun kann, die sein Bruder - sein Beschützer und Vorbild - nicht konnte. Ich glaube, Lenny braucht diese Bestätigung für sich, um weitermachen zu können und um nicht verrückt zu werden. Auch wenn sein Vater etwas anderes behauptet.


    Das Unglück meiner Eltern liegt auf Möbeln und Wänden wie eine giftige Haut. Ihre Trauer hat alles Lebendige aus den Räumen gesaugt. Statt Luft atmet man Tod. Nicht nur ihr Sohn ist tot, alles ist tot. Das Haus ist wie ein großer Sarg. Als wäre man lebendig begraben.




    Diese Worte finde ich sehr treffend, aber auch sehr bedrückend.


    Diese Worte haben mich auch sehr beeindruckt. Eine bessere Beschreibung dieser beklemmenden Stimmung gibt es wohl nicht.


    (Wobei ich nicht verstehe, wie er den Mut gefunden hat, zu springen, aber nicht den Mut, sich die Haare abzurasieren. Klingt für mich sehr danach, vor den Konsequenzen fortzulaufen. Es fällt mir, ehrlich gesagt, schwer, das nicht zu beurteilen.)

    In dem Moment, da er springt, lässt er alles hinter sich: das Gejammer seiner Mutter, die Vorwürfe seines Vaters, die ewigen Schuldgefühle, die sie ihm vermitteln. Er muss keinerlei Konsequenzen mehr ertragen. Das war für ihn wahrscheinlich einfacher, als sich offen gegen die Eltern aufzulehen und mit ihren Reaktionen leben zu müssen.


    Auch die Szene mit dem Video zum Schulanfang...einfach nur furchtbar!


    Diese Szene ist für mich bezeichnend für das Verhältnis von Vater und Sohn. Hier wird ganz klar, dass Jakob nichts anderes im Leben zu tun hat, als die Erwartungen und den falschen Ehrgeiz des Vaters ("Schaut doch mal, was für einen prächtigen Sohn ich habe!") zu erfüllen. Leider begegnen mir solche Typen immer wieder (vor allem bei uns im Verein gibt es da ein paar ganz spezielle Väter... :roll: ) - da könnte ich jedesmal ausrasten und muss sofort die Kinder in Schutz nehmen. Mit solchen Aktionen hab ich mich bei einzelnen schon recht unbeliebt gemacht :-,

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Ein Kapitel was ich gut fand, aber was ich auch kritisieren muss. Also Lenny hat sich was in den Kopf gesetzt und zieht es durch. Er glaubt das die Tabletten die Mutter nicht gesund machen, sondern krank, er wünscht sich die alte Zeit zurück, die alte Mutter und beginnt ein regelrechten Kreuzzug durchs Haus auf der Jagd nach den Tabletten und hier auch die Kritik, weil ich das ungewöhnlich finde bzw. das schon sehr drastisch finde. Wahrscheinlich ist es in dieser Familie nicht anders möglich gewesen, aber dieses wühlen in Schränken, welche einem nicht gehören ist für mich persönlich ein absolutes Tabu. Vielleicht bin ich da krasser als andere Menschen, aber Schränke, Schubladen, Handys sind Tabuzonen und ein Eingriff ohne Einwilligung ein absolutes No - Go ... in einer Beziehung wäre das für mich der sofortige Killer. In dem Buch ist es natürlich in guter Absicht, aber dennoch muss ich das erwähnen das ich dieses wühlen in Privatsphären absolut nicht gutheiße. Darauf komme ich einfach nicht klar [-(

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  • Leider begegnen mir solche Typen immer wieder (vor allem bei uns im Verein gibt es da ein paar ganz spezielle Väter... ) - da könnte ich jedesmal ausrasten und muss sofort die Kinder in Schutz nehmen. Mit solchen Aktionen hab ich mich bei einzelnen schon recht unbeliebt gemacht


    Das finde ich auch das Schlimme daran: zu wissen, dass es solche Menschen tatsächlich gibt - unfassbar!


    EINUNDZWANZIG bis VIERUNDZWANZIG


    Das Gespräch mit Jana hat gezeigt, dass Jakob wohl auch eine andere Seite hatte, eine sehr verletzliche, sehr unsichere. Vor seinem Bruder wollte er wohl immer der Ältere sein, der der aufpasst und sich kümmert. Dabei hätte Jakob eigentlich die Unterstützung gebraucht. Schade, dass er sich Lenny da nicht anvertraut hat. Auch, was das verpatzte erste Mal angeht. Klar, das ist schon etwas sehr Persönliches, das man nicht unbedingt jedem erzählt, aber vielleicht wäre es gar nicht so falsch gewesen, wenn Lenny sieht, dass sein großer Bruder auch nicht perfekt ist und auch bei ihm nicht immer alles glattläuft.


    Die Aktion mit der Mutter und den Tabletten im Grill, die fand ich richtig stark von Lenny. Dazu gehört wirklich Mut! Ich bin zwar unsicher, ob das zu etwas führen wird, aber immerhin hat er damit ein Statement gesetzt und nicht einfach weggesehen, wie das in seiner Familie so gerne gemacht wird.


    Max Schwester Lilly ist ein Charakter, von dem ich gerne mehr gelesen hätte - sie war mir sofort sympathisch. Und es ist wirklich traurig, von Max zu erfahren, wie eingesperrt sich Jakob gefühlt hat. Ein Junge, der eigentlich so viele Träume und Ideen, so viele Flausen im Kopf hatte, dessen Leben durch die Eltern dann aber zu einer richtigen Einbahnstraße wurde. Wir wollen ja eigentlich alle unseren Eltern gefallen - da ist es schwer, den Moment nicht zu verpassen, an dem man für sich selbst einstehen und seine eigenen Entscheidungen treffen muss, wenn man kein fremdbestimmtes Leben führen will. Jakob hat diesen Moment oder diese Moment wohl mehrmals verpasst.


    Ich weiß noch nicht so ganz, was ich von Lenny und Rosa halten soll. Auf der einen Seite ist es ja gut, dass er jemanden hat, der ihn von der Trauer ablenkt. Aber ich denke immer noch, dass da etwas faul ist. Und vielleicht fühlt Lenny sich Rosa auch nur so nahe, weil sie bei Jakob war, als er starb. Aber naja, verstehen kann ich die Anziehung schon - wen hat Lenny denn sonst? (Hat er eigentlich Freunde? So richtig erwähnt wird das nicht, oder?)

  • In dem Moment, da er springt, lässt er alles hinter sich: das Gejammer seiner Mutter, die Vorwürfe seines Vaters, die ewigen Schuldgefühle, die sie ihm vermitteln. Er muss keinerlei Konsequenzen mehr ertragen. Das war für ihn wahrscheinlich einfacher, als sich offen gegen die Eltern aufzulehen und mit ihren Reaktionen leben zu müssen.


    Sehr schön zusammengefasst von dir.
    Was denkst du, warum er es auch noch wie einen Unfall ausehen lassen wollte und nicht einen Selbstmord vollzog samst Abschiedsbrief, in dem er abrechnete?
    Ich habe irgendwie das GEfühl, dass er keine Anklage erheben wollte, sondern einfach nur für sich selbst tätig werden, sich seine eigene Freiheit nehmen.


    Ein Kapitel was ich gut fand, aber was ich auch kritisieren muss. Also Lenny hat sich was in den Kopf gesetzt und zieht es durch. Er glaubt das die Tabletten die Mutter nicht gesund machen, sondern krank, er wünscht sich die alte Zeit zurück, die alte Mutter und beginnt ein regelrechten Kreuzzug durchs Haus auf der Jagd nach den Tabletten und hier auch die Kritik, weil ich das ungewöhnlich finde bzw. das schon sehr drastisch finde. Wahrscheinlich ist es in dieser Familie nicht anders möglich gewesen, aber dieses wühlen in Schränken, welche einem nicht gehören ist für mich persönlich ein absolutes Tabu. Vielleicht bin ich da krasser als andere Menschen, aber Schränke, Schubladen, Handys sind Tabuzonen und ein Eingriff ohne Einwilligung ein absolutes No - Go ... in einer Beziehung wäre das für mich der sofortige Killer. In dem Buch ist es natürlich in guter Absicht, aber dennoch muss ich das erwähnen das ich dieses wühlen in Privatsphären absolut nicht gutheiße. Darauf komme ich einfach nicht klar


    Ich verstehe deine Einstellung, und auch im normalen Leben bin ich sehr darauf bedacht, dass bei uns jeder seine Privatsphäre hat (es werden nicht gegenseitig Briefe geöffnet oder im Handy gelesen, etc.) weil ich finde, dass diese Privatsphäre jeder Mensch braucht, auch wenn man in einer Beziehung ist (sei es nun eine Liebesbeziehung oder eine Eltern-Kind-Beziehung).
    Hier glaube ich jedoch, dass Lenny einfach "blind" darauf losgesucht hat (und ich glaube auch, dass seine Mutter das so empfunden hat). Mit "bllind" meine ich, dass er nicht mit dem Interesse "was hat sie so alles in ihren Laden, was gibts da interessantes zu entdecken" sondern wie mit einem Radar nach nur EINEM gesucht hat: den Tabeletten. Wie bei einem Alkoholiker nach Flaschen.
    Man will ja, wenn man etwas für sich behalten will und es niemand anderem was angeht, dass es diese "Privatsphäre" eben gibt. Und die Tabletten waren eben schon nicht mehr PRIVAT. Das war schon offensichtlich.
    Ich glaube, alles andere in den Schränken hat er icht einmal registriert.


    Was mir sehr gut gefallen hat von Lenny, war die Aufforderung an seine Mutter, die Tabletten SELBST in den Grill zu werfen und ihr diesen Schritt nicht abzunehmen.


    Klar, das ist schon etwas sehr Persönliches, das man nicht unbedingt jedem erzählt, aber vielleicht wäre es gar nicht so falsch gewesen, wenn Lenny sieht, dass sein großer Bruder auch nicht perfekt ist und auch bei ihm nicht immer alles glattläuft.


    Das habe ich mir anfangs auch gedacht, jetzt habe ich das alles ein wenig sacken lassen und glaube, dass Jakob vielleicht befürchtete, dass wenn er sich selbst gegenüber Lenny auch als so verletzlich darstellt, Lenny gar nichts mehr hätte, an das er sich klammern kann, niemand mehr hat, der ihn beschützt. Und irgendwie sah sich Jakob als Lennys Beschützer.


    Wir wollen ja eigentlich alle unseren Eltern gefallen - da ist es schwer, den Moment nicht zu verpassen, an dem man für sich selbst einstehen und seine eigenen Entscheidungen treffen muss, wenn man kein fremdbestimmtes Leben führen will. Jakob hat diesen Moment oder diese Moment wohl mehrmals verpasst.


    Ja, das ist die "was-wäre-wenn"-Frage. Wäre es für die Familie möglich gewesen einen anderen Weg einzuschlagen, wenn sowohl Mutter als Jakob sich mal auf die Füße gestellt hätten. Die Mutter gegenüber dem Vater wg. der Tabletten und ihre Verletzbarkeit nicht als Erpressungsmittel gegen Jakob verwendet hätte? Und Jakob, wenn er nicht so viel mit sich machen lassen hätte, sondern irgendwann mal STOP gesagt hätte?

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    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


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  • Was denkst du, warum er es auch noch wie einen Unfall ausehen lassen wollte und nicht einen Selbstmord vollzog samst Abschiedsbrief, in dem er abrechnete?

    Vielleicht war das noch so ein letztes Zugeständnis an seine Eltern. So können sie sich die Version vom "Unfall" zurechtlegen und kein Makel bleibt an ihrem Goldjungen haften. Kann aber auch sein, dass er einfach nichts erklären wollte. Vielleicht kann @Chrischie uns ja mal verraten, wie er sich das gedacht hat.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Vielleicht bin ich da krasser als andere Menschen


    Mit "bllind" meine ich, dass er nicht mit dem Interesse "was hat sie so alles in ihren Laden, was gibts da interessantes zu entdecken" sondern wie mit einem Radar nach nur EINEM gesucht hat: den Tabeletten.


    @terry ich denke da hast du recht. So ist es mir auch rübergekommen. Dass er einfach alles nach Tabletten abgesucht hat und andere Sachen nicht gesehen hat. Aber trotzdem denke ich wie Max. Es geht einfach gar nicht, in Sachen von anderen zu wühlen.
    Was ich allgemein von dieser Aktion halte ist was anderes. Zum einen finde ich das Lenny gut und mutig gehandelt hat, aber eigentlich traue ich es ihm gar nicht zu. Für mich war und ist er kein Typ für solch drastische Massnahmen, auch mit all den Erlebnissen, die er nach dem Tod seines Bruder gemacht hat. Es geht mir überhaupt nicht auf.


    Max Schwester Lilly ist ein Charakter, von dem ich gerne mehr gelesen hätte


    Das stimmt. Da bin ich völlig gleicher Meinung.

    Book hangover: Inability to start a new book, because you're still living in the last book's world. :drunken:

  • Kapitel 19 - 30


    So, ich habe das Buch auch schon durch und ich muss sagen, ich finde das Ende hammer. Mich hat das Buch so was von Berührt. Ich musste immer wieder an meinen Bruder denken.
    Manchmal erwische ich mich auch dabei, das ich mit meinen Bruder rede. Das Buch zu lesen, war nicht leicht für mich, aber es ist super geschrieben und es ist
    super mitreißend.


    Das Buch bekommt von mir 5 Sterne.

    :study: Ein Tag ohne ein Buch, ist ein schlechter Tag! :study:


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  • Aber naja, verstehen kann ich die Anziehung schon - wen hat Lenny denn sonst? (Hat er eigentlich Freunde? So richtig erwähnt wird das nicht, oder?)


    Stimmt, von Freunden ist eigentlich nie die Rede. Es scheint so, als wären Jakobs Freunde auch seine Freunde gewesen?


    Was denkst du, warum er es auch noch wie einen Unfall ausehen lassen wollte und nicht einen Selbstmord vollzog samst Abschiedsbrief, in dem er abrechnete?
    Ich habe irgendwie das GEfühl, dass er keine Anklage erheben wollte, sondern einfach nur für sich selbst tätig werden, sich seine eigene Freiheit nehmen.


    Das hört sich einleuchtend an und passt zum Prolog.


    Was mir sehr gut gefallen hat von Lenny, war die Aufforderung an seine Mutter, die Tabletten SELBST in den Grill zu werfen und ihr diesen Schritt nicht abzunehmen.


    Und dass sie das dann auch gemacht hat, wenn auch erst nach der zweiten Aufforderung, zeigt wohl, dass sie bereit ist für weitere Schritte.


    Was ich allgemein von dieser Aktion halte ist was anderes. Zum einen finde ich das Lenny gut und mutig gehandelt hat, aber eigentlich traue ich es ihm gar nicht zu. Für mich war und ist er kein Typ für solch drastische Massnahmen, auch mit all den Erlebnissen, die er nach dem Tod seines Bruder gemacht hat. Es geht mir überhaupt nicht auf.


    Für mich kam das erst auch ein wenig überraschend, aber ich denke, durch Jakobs Tod ist Lenny zum ersten Mal so richtig aufgewacht, beginnt das Leben zu begreifen und auch selbst Maßnahmen und Initiativen zu ergreifen.

    Ich lese gerade


    “Words are pale shadows of forgotten names. As names have power, words have power. Words can light fires in the minds of men. Words can wring tears from the hardest hearts.”
    ― Patrick Rothfuss, The Name of the Wind

  • Ich habe den zweiten Teil des Buches auch am Wochenende in einem Rutsch gelesen. Leider konnte ich da noch keine/n Beiträge/Beitrag verfassen, da ich internetlos war. Daher werde ich nun meine Kommentare nach und nach abgeben. Ich habe mir einfach mal ein paar Beiträge von euch rausgepickt, die ich obendrein kommentieren möchte.



    Vielleicht können es andere Leute nicht sehen, aber ich habe das Gefühl das Gefühl der Empathie ist nur wenigen Menschen mitgegeben worden und es funktioniert auch nur bedingt gut. Es kommt mir so vor als ob die Empathie nur dann existiert, wenn Menschen das gleiche fühlen, das gleiche leiden und deswegen versuchen sich zu helfen. Das fällt einfach auf, bei so Kleinigkeiten, weil viele sagen nix und merken nix oder sind zufrieden mit der Antwort: "Es geht mir gut." Aber es gibt auch wenige die kommen mit der Tür ins Haus: "Du siehst dreckig/traurig aus." oder "Deine Augen und dein aufgesetztes Lächeln täuschen mich nicht". Es gibt diese Menschen die es sehen und diese Menschen sind Menschen mit eigenen großen Problemen.

    Ich kann dir zustimmen, dass es wirklich nicht so viele Menschen mit wirklicher Empathie gibt. Allerdings kann ich nicht dem zustimmen, dass nur Leute Empathie empfindet oder dem anderen anmerken, wenn es ihnen selbst schlecht geht oder sie Probleme haben. Ich denke eher, dass es damit zusammenhängt, ob man selbst ein aufmerksamer Mensch ist und wie gut man den anderen kennt. Es gibt einfach auch Menschen, die ihre 'wahren Gefühle' ziemlich gut verbergen können und wenn man denjenigen noch nicht so lange kennt, ist es nur logisch, dass man es nicht direkt auf den ersten Blick erkennt. Kennt man eine Person länger, dann fällt es einem leichter. Kennt man eine Person länger und schätzt diese auch, dann macht man sich normalerweise Gedanke um die Person und geht auch auf ihre Gefühle ein. Doch es ist einfach so, dass man nicht zig "beste Freunde" haben kann und um seiner Selbst Willen kann man sich gar nicht um all die Probleme von all den anderen Menschen kümmern.
    Natürlich kann man die Empfindungen einer Person besser nachvollziehen, wenn man eine ähnliche Situation durchgemacht hat. Das ist auch ganz klar. Doch selbst wenn das nicht so ist, kann man Mitgefühl und Aufmerksamkeit schenken. Ich finde, dass das eine nicht das andere ausschließt.


    Auch interessant zu wissen ist wie man die Gespräche zwischen Lenny und Jakob sehen soll: als Selbstgespräch / Gedankengespräch?

    Ich habe es immer als Gedankengespräch aufgefasst.


    Das Unglück meiner Eltern liegt auf Möbeln und Wänden wie eine giftige Haut. Ihre Trauer hat alles Lebendige aus den Räumen gesaugt. Statt Luft atmet man Tod. Nicht nur ihr Sohn ist tot, alles ist tot. Das Haus ist wie ein großer Sarg. Als wäre man lebendig begraben.



    Diese Worte finde ich sehr treffend, aber auch sehr bedrückend.

    Dem kann ich nur zustimmen. Diese Beschreibung finde ich auch sehr treffend und bedrückend. Allerdings finde ich, dass diese Atmosphäre, die hier beschrieben wird, nicht erst nach dem Tod von Jakob so ist, sonder auch schon davor so giftig und tot war.


    (Wobei ich nicht verstehe, wie er den Mut gefunden hat, zu springen, aber nicht den Mut, sich die Haare abzurasieren. Klingt für mich sehr danach, vor den Konsequenzen fortzulaufen. Es fällt mir, ehrlich gesagt, schwer, das nicht zu beurteilen.)

    Da geht es mir wie dir. Für mich ist es eh ganz schwer so eine Handlung nicht zu "ver- /beurteilen", deshalb tue ich mich auch sehr schwer damit, dass über dem Suizid von Jakob in diesem Buch so etwas "Heldenhaftes" schwebt. Das eine lässt sich mit dem anderen für mich definitiv nicht vereinbaren.



    Ein paar allgemeine Anmerkungen meinerseits:
    Ich fand es am Ende etwas einfach, dass Jakob in einem Selbstmörder-Forum unterwegs war und seine dortige Gesprächspartnerin Rosa war und das - natürlich - Lenny sich in diese verliebt und sie gerade eben noch retten kann. Den Teil hätte ich persönlich nicht gebraucht. Da hätte ich es durchaus spannender gefunden noch mehr von Jakobs besten Freunden zu erfahren. Wie sie damit umgehen, welche Gespräche sie mit Jakob geführt haben etc. Da ist allgemein ein wenig mein Kritikpunkt. Es werde ein paar Charaktere eingeführt, die letztendlich aber sehr blass bleiben (Jana, Max).
    Wenn man sich allerdings die Kürze/Länge (wie auch immer man es nun bezeichnen möchte) berücksichtigt, wurde die Geschichte ziemlich gut umgesetzt und vor allem wurde die Atmosphäre in 'wenigen' Worten gut vermittelt. Es gab ein paar Sätze und Formulierungen, die ich wirklich sehr schön (wenn auch oft bedrückend) fand.
    Wie ich oben schon erwähnt habe, komme ich persönlich nicht ganz damit klar, dass es für mich den Anschein macht, dass etwas Heldenhaftes über Jakobs Tod liegt. Dies kollidiert ein wenig mit meinen persönlichen Ansichten und meiner Meinung....

  • Also die einzelnen Kapitel sind wirklich toll und lesenswert, allerdings ist es wirklich so das man gern mehr zu anderen Charakteren erfahren hätte. Scheinbar haben Jakob und Max sich auch lange und eingehend unterhalten über das Thema Familie. Auch leider nur kurz angeschnitten ist Lilly mit "Down-Syndrom". Ich nehme an die Intention rührt daher das Autistische Menschen genau für solche Aktionen sehr gut sind. Ich weiß nicht wie ich es beschreiben kann, aber ein Autist muss nur wenige Sekunden etwas sehen und kann es dann naturgetreu nachzeichnen / basteln etc. . Kurzum Autisten haben Fähigkeiten die wirklich atemberaubend verblüffend sind, ich nehme an das wurde durch Lilly simuliert, ansonsten hätte man durchaus auf das Passwort kommen können, zumindest so wie wir Jakob kennengelernt haben.


    Ein wenig bitter ist es allerdings schon das Jakob sein Bruder so liebt und seine Freunde doch besser Bescheid wussten als sein Bruder. Jakob hat sein Bruder nicht eingeweiht so wie Max. Max hat auch nicht mit anderen darüber geredet? Warum nicht? In dieser Beziehung ist es schon schade das das Buch so kurz ist, denn es bleiben Fragen zurück und Charaktere bleiben blass ausgenommen eben die Protagonisten auf die alles fokussiert ist.


    Das Buch hat trotzdem eine starke Wirkung und regt zum denken an, aber etwas mehr Tiefgang wäre sehr schön zu lesen gewesen.

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  • Ihr Lieben,
    ich habe mich bislang ein wenig zurückgehalten, weil für mich die Diskussion iegentlich erst dann wirklich beginnt, wenn alle das Buch gelesen haben. Was ich bislang so alles an gedanken zum Buch gelesen habe, fand ich sehr interessant - wohl das Positive als auch die Kritik daran. Wie Ihr die Charaktere erlebt und dass Ihr sie zum Teil sehr unetrschiedlich erlebt, finde ich toll.


    Was ich wieder gedacht habe: wie sehr ein Buch, nachdem es geschrieben ist, sich vom Autor löst und ein Eigenleben entwickelt. Übrigens: Natürlich freue ich mich, wenn Ihr mir Fragen stellt - sowohl zum Inhalt als auch zu meiner Art des Schreibens -, aber wahrscheinlich kann ich Euch gar nicht alles beantworten. Bei ganz vielen Stellen in dem Roman bin ich einfach meinem Gefühl gefolgt. Das betrifft die Figuren und ihre charakterlichen Ausformungen genauso wie die Szenenführung. Aber das nur am Rande: Fragt mich und ich versuche so gut wie möglich zu antworten!


    Natürlich habe ich auch Fragen an Euch. Zum Beisoiel an Vogue:


    Wie ich oben schon erwähnt habe, komme ich persönlich nicht ganz damit klar, dass es für mich den Anschein macht, dass etwas Heldenhaftes über Jakobs Tod liegt. Dies kollidiert ein wenig mit meinen persönlichen Ansichten und meiner Meinung....


    Dazu meine Frage: Liegt wirklich etwas Heldenhaftes über Jakobs Tod? Und wenn ja, worin besteht dieses Heldenhafte?


    Und eine zweite Frage: Darf man sich Deiner Meinung nach nicht selbst töten und wenn ja, warum nicht?

  • Bin gerade noch auf Folgendes gestoßen:


    terry schrieb:
    Was denkst du, warum er es auch noch wie einen Unfall ausehen lassen wollte und nicht einen Selbstmord vollzog samst Abschiedsbrief, in dem er abrechnete?


    Vielleicht war das noch so ein letztes Zugeständnis an seine Eltern. So können sie sich die Version vom "Unfall" zurechtlegen und kein Makel bleibt an ihrem Goldjungen haften. Kann aber auch sein, dass er einfach nichts erklären wollte. Vielleicht kann Chrischie uns ja mal verraten, wie er sich das gedacht hat.


    Alles wie einen Unfall aussehen zu lassen - wieso macht Jakob das? Eine gute Frage! Dass er das macht damit kein Makel an ihm haften bleibt, kann ich mir nicht vorstellen. Das passt aus meiner Sicht nicht zu ihm. Vielleicht will er seine Eltern einfach nur schonen. Oder er will Lenny schonen. Oder er will die ganze Tat (den Suizid) einfach nur für sich allein haben. Die Tat geht nur ihn etwas an. Vielleicht hat er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich das Gefühl, dass er etwas nur für sich tut, ganz autonom, ohne Einmischung von außen. Vielleicht hat er deswegen ein Internetforum aufgesucht anstatt sich seinen Freunden (Jana und Max) anzuvertrauen. Vielleicht liegt darin eine große Freiheit. Und könnte nicht in eben dieser Form der Freiheit (mit all ihren Konsequenzen) das liegen, was Lenny im Prolog sagen lässt: "Mein Bruder war ein Held"?

  • Dass er das macht damit kein Makel an ihm haften bleibt, kann ich mir nicht vorstellen. Das passt aus meiner Sicht nicht zu ihm. Vielleicht will er seine Eltern einfach nur schonen.

    Ich hab das mit dem Makel aus Sicht der Eltern gesehen - also dass sie weiterhin ihren makellosen Sohn präsentieren können. Dass Jakob das für sich wollte, glaub ich auch nicht.


    Und könnte nicht in eben dieser Form der Freiheit (mit all ihren Konsequenzen) das liegen, was Lenny im Prolog sagen lässt: "Mein Bruder war ein Held"?

    Ich hoffe, dass Lenny das nicht so sieht. Wobei ich mich an dieser Stelle gerade frage, zu welchem Zeitpunkt hat Lenny das gesagt. Am Ende der Handlung des Buches? Denn wenn wirklich Heldentum im Freitod liegt .... nein, mit diesem Gedanken mag ich mich nicht anfreunden. In gewissen Situationen mag er ein durchaus legitimer Ausweg sein, aber heldenhaft? Für mich sind eher diejenigen dann die Helden, die weiterleben und an der Situation nicht zerbrechen.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Die Tat geht nur ihn etwas an. Vielleicht hat er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich das Gefühl, dass er etwas nur für sich tut, ganz autonom, ohne Einmischung von außen. Vielleicht hat er deswegen ein Internetforum aufgesucht anstatt sich seinen Freunden (Jana und Max) anzuvertrauen. Vielleicht liegt darin eine große Freiheit. Und könnte nicht in eben dieser Form der Freiheit (mit all ihren Konsequenzen) das liegen, was Lenny im Prolog sagen lässt: "Mein Bruder war ein Held"?


    Irgendwie ist es schon etwas widersprüchlich. Auf der einen Seite geht die Tat nur ihm selbst was an, er tut was nur für sich, ganz autonom ohne Einmischung von außen?
    Auf der anderen Seite meldet er sich in einem Internetforum an welches sich um Suizid dreht? Also doch eine Einmischung von außen und letztlich oder vermutlich könnte die Tat auch durch das Forum beeinflusst sein. Beim Suizid gibt es Unterschiede und verschiedene Formen. Ein Internetbesuch und der Austausch sind auch eine Form von Hilfeschrei, die Art des Suizids ist eine heftige Form: Der Sprung aus einer Höhe. Heftige Form deshalb weil die Entscheidung nicht rückgängig zu machen ist. weichere Formen wie Gifte und Tabletten können durchaus noch zu retten sein.


    Bei aller Traurigkeit der Geschichte kann ich das schon nachempfinden wieso Lenny sein Bruder für ein Held empfindet. Die Entscheidung zwischen Leben und Tod ist eine sehr heikle Angelegenheit und die Aussicht das sein Leben bestimmt ist, ist für Jakob im Leben so gewesen wie für Familie jetzt mit Jakobs Tod.


    Zitat

    Das Unglück meiner Eltern liegt auf Möbeln und Wänden wie eine giftige Haut. Ihre Trauer hat alles Lebendige aus den Räumen gesaugt. Statt Luft atmet man Tod. Nicht nur ihr Sohn ist tot, alles ist tot. Das Haus ist wie ein großer Sarg. Als wäre man lebendig begraben.


    umgeschrieben auf Jakobs Gefühle als er lebte:


    Das Unglück von mir liegt auf Möbeln und Wänden wie eine giftige Haut. Meine Trauer und Depression saugt alles Lebendig aus den Räumen. Statt Luft atme ich den Tod. Ich bin nur eine leblose Hülle und alles ist tot. Das Haus ist wie ein großer Sarg. Als ob man lebendig begraben ist.


    Wenn man fies ist kann man argumentieren das die Eltern Jakob in den Suizid getrieben haben und Jakob so nie ne Chance gehabt hatte. Es war also unausweichlich aus dem goldenen Käfig auszubrechen außer halt durch den Weg den er gewählt hat. Die philosophische Frage ist nun, war das nun der freie Wille von Jakob oder haben die äußeren Umstände und die Eltern ihn dazu getrieben?


    Losgelöst von den Gedanken das Suizid negativ konnotiert ist, ist Jakob ein Held weil er es geschafft hat sich aus dem goldenen Käfig zu befreien und den Tod nicht als was negatives zu sehen, sondern als was positives. Man kann nun die Methode kritisieren, aber mal ehrlich wir Menschen begehen viel häufiger Suizid als wir denken (nur ist dieser nicht strafbar).


    Ein Mensch der raucht und raucht und raucht
    Ein Mensch der ißt und ißt und ißt


    Gibt bestimmt noch mehr Beispiele, aber Menschen schaden sich mit allen möglichen Dingen die auf lange Sicht zum Tode führen bzw. zum vorzeitigen Tod führen?


    Jakob macht es nur sehr direkt und versucht für sich eine Lösung zu finden wie er sich aus diesem Dilemma befreien kann, denn so will er nicht Leben, denn das ist gefühlt sein Tod und der Tod ist für ihn Erlösung (evtl. ewiges Leben). Jakob kann durchaus ein Held sein, aber ich weiß nicht ob diese Situation diesen Heldentum beschreibt, ich finde dafür hätte das Buch dann mehr Tiefgang haben müssen um Jakob zum Held werden zu lassen. Denn es bleibt ein wenig widersprüchliches Verhalten zurück.

    :study: Feuerkind (Stephen King) 34 / 542 Seiten

    :study: Mit Nachsicht (Sina Haghiri) 14 / 268 Seiten


    SUB: 857