Hannah Kent - Das Seelenhaus / Burial Rites

  • Kurzmeinung

    Enigmae
    Hervorragend recherchierter Roman auf wahren Begebenheiten
  • Kurzmeinung

    Kapo
    Gute Geschichte, manchmal etwas dröge erzählt.
  • Klappentext:
    "Sie sagen, ich soll sterben. Sie sagen, ich hätte Männern den Atem gestohlen und jetzt müssten sie mir den meinen stehlen."
    Island 1828. Agnes ist eine selbstbewusste und verschlossene Frau. Sie wird als hartarbeitende Magd respektiert, was sie denkt und fühlt, behält sie für sich. Als sie des Mordes an zwei Männern angeklagt wird, ist sie allein. Die Zeit bis zur Hinrichtung soll sie auf dem Hof eines Beamten verbringen. Die Familie ist außer sich, eine Mörderin beherbergen zu müssen – bis Agnes Stück um Stück die Geschichte ihres Lebens preisgibt.


    Die Tat war grausam: zwei Männer erschlagen, erstochen und verbrannt. Die angeblichen Täter, neben Agnes Magnúsdóttir ein junges Paar, werden zum Tode verurteilt. Vor allem an Agnes will der zuständige Landrat ein Exempel statuieren.
    Scheinbar ungerührt nimmt Agnes das Urteil hin, ebenso wie die Ablehnung der Familie. Erleichtert, dem Kerker entkommen zu sein, kann sie bei der Arbeit manchmal ihr Schicksal vergessen. Vieles hier ist ihr vertraut: die schroffe Landschaft, die ärmliche Torfbehausung, der harsche Ton der Hausherrin. Ihr ganzes Leben war davon bestimmt – bis sie einen Mann kennenlernte und sich nach langer Zeit erlaubte, sich ihre Sehnsucht nach Liebe und Zugehörigkeit einzugestehen. Der Schmerz über seinen Tod, der ihr nun angelastet wird, überlagert alles, auch die Angst vor dem eigenen Tod. Schließlich vertraut sich Agnes einem jungen Vikar an, der sie auf den Weg der Reue und Buße führen soll. Während der langen Gespräche, die die ganze Familie mithört, ist es vor allem
    Margrét, die Hausherrin, die ahnt, dass die offizielle Wahrheit über Agnes vielleicht falsch sein könnte.
    (Quelle: Verlagswebsite)



    Über die Autorin:
    Hannah Kent, 1985 in Adelaide, Australien geboren, hat während eines Schüleraustausch in Island zum ersten Mal die Geschichte von Agnes Magnúsdóttir gehört. Sie ist die Mitbegründerin und Herausgeberin der Literaturzeitschrift Kill „Your Darlings“ und studiert an der Flinders University. 2011 gewann sie den 'Writing Australia Unpublished Manuscript Award' für 'Das Seelenhaus'. Der Roman ist mittlerweile in 25 Länder verkauft. In ihrer Heimat Australien und in England stürmte ihr Erstling die Bestsellerlisten.
    (Quelle: Verlagswebsite)



    Aufbau/Allgemeines:
    Das Buch umfasst 384 Seiten und ist in dreizehn Kapitel untergliedert. Die einzelnen Kapitel sind in einzelne Abschnitte unterteilt, die die Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählen. Zum einen aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Agnes, zum anderen als allwissender Erzähler. Eingerahmt wird die Geschichte durch einen Prolog und einem Epilog. Abschließend gibt es ein kurzes Kapitel mit Anmerkungen der Autorin, eine Danksagung und eine kurze Erläuterung zu isländischen Namen samt ihrer Aussprache.



    Eigene Meinung:
    In den Anmerkungen der Autorin Hannah Kent, berichtet diese, dass es sich bei der Geschichte um Agnes Magnúsdóttir zwar um eine fiktionale Erzählung handle, die jedoch auf wahren Begebenheiten beruht. So sei Agnes Magnúsdóttir die letzte Person Islands gewesen, die exekutiert wurde. Hannah Kent hat viele Jahre diese Geschichte recherchiert und sich anhand von Kirchenregistern, Gemeindearchiven, heimatkundlichen Büchern und Überlieferungen ein Bild über den damaligen Mord und der anschließenden Hinrichtung gemacht. Dabei sind viele Personen in „Das Seelenhaus“ historisch belegt und auch historische Originalquellen, wie Briefe und Gedichte, haben ihren Weg in das Buch gefunden, das es für den Leser noch authentischer macht. Hannah Kent sagt von sich selbst, sie habe in ihrem Roman versucht „ein vielschichtigeres Porträt dieser Frau zu zeichnen“.
    Dieses Ziel ist der Autorin gelungen.


    Hannah Kent schafft es mit Bravour das Leben und die Menschen aus dem Jahre 1828 zum Leben zu erwecken. Vielschichtig skizziert sie unterschiedliche Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten und so echt und plastisch wirken, als würde man sie als Leser direkt vor sich sehen. Ebenso verhält es sich mit der kargen Landschaft und den einzelnen Höfen, auf denen die Geschichte spielt. Man spürt die Kälte und die Einsamkeit an stillen Wintertagen und man riecht das Heu bei der Ernte. Über 384 Seiten taucht man in das Island des 19. Jahrhunderts ab. Doch diese Zeit ist alles andere als idyllisch oder gar romantisch. Die harte Arbeit und die Armut der einfachen Leute wird so realistisch beschrieben, dass man sich glücklich schätzen kann in der Gegenwart zu leben. Agnes, die Protagonistin, wird des Mordes beschuldigt und zum Tode verurteilt. Die Zeit bis zu ihrer Hinrichtung verbringt sie auf einem Hof, auf dem sie die Arbeiten einer Magd übernimmt und mit einem Vikar viele Gespräche führt. Die Familie, die auf dem Hof lebt, beäugt Agnes skeptisch und voller Furcht. Es herrscht eine kühle Distanz, die sich im Laufe der Geschichte langsam verflüchtigt. Der Leser erfährt viel über Agnes Vergangenheit. Über ihre Kindheit, über ihre Arbeit an verschiedenen Höfen, bis hin zu der Nacht, als der Mord geschah. Man erhält Einblicke in Agnes Gefühle und Gedanken und stets schwingt die Axt der Hinrichtung über der gesamten Geschichte.


    Besonders hervorheben muss man zudem die Sprache, die Hannah Kent in ihrem Buch verwendet. Sie ist zugleich poetisch, aber auch hart, wie das Leben zu der damaligen Zeit. Sie schafft es Bilder hervorzurufen, die wie ein Film vor den Augen des Lesers abgespult werden.


    Das Buch ist gespickt mit Abschriften von Briefen oder Gedichten, die historisch belegt sind. Oftmals werden diese einem Kapitel vorangestellt und schaffen einen Übergang in einen neuen Abschnitt. Gerade diese Quellen führen den Leser vor Augen, dass es sich bei der Person der Agnes Magnúsdóttir um eine wahre Person des 19. Jahrhunderts handelt.


    Hannah Kent hat mit ihrem Roman „Das Seelenhaus“ ein herausragendes Debüt geschaffen, dass durch seine atmosphärische Dichte und den authentischen Figuren besticht. Eine eindeutige Leseempfehlung!



    Fazit:
    Authentisch, poetisch, beklemmend – ein beeindruckendes und atmosphärisches Debüt!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Originaltitel: Burial Rites


    Das Original hat gleich einen Platz auf der WuLi gefunden, wahrscheinlich werde ich mir demnächst das E-Book zulegen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998


  • Das Original hat gleich einen Platz auf der WuLi gefunden, wahrscheinlich werde ich mir demnächst das E-Book zulegen.


    ich bleibe zwar bei der Papierversion, aber auch bei mir ist es auf die Wunschliste gewandert. Danke @Vogue für Deine Rezension :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier



  • Das Original hat gleich einen Platz auf der WuLi gefunden, wahrscheinlich werde ich mir demnächst das E-Book zulegen.


    Die Originalfassung als eBook habe ich mir gestern endlich gegönnt, kurz bevor ich die Rezi hier las. Vor einigen Wochen bin ich in Hannover in einer Buchhandlung erstmals über das englische TB gestolpert und seither ging es mir nicht mehr aus dem Kopf.

    "Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler" (Philippe Dijan)


    Tauschgnom

  • wahrscheinlich werde ich mir demnächst das E-Book zulegen.

    Für knapp 5€ kann man da gewiss nichts falsch machen!



    Dito. :)

    Das freut mich. Zumal ich auch sagen muss, dass ich das Cover sehr ansprechend finde und es passt wirklich perfekt zum Inhalt des Buches.


    Die Originalfassung als eBook habe ich mir gestern endlich gegönnt

    Ich hoffe sehr, dass ich dannd einen Eindruck hier lesen kann. Es interessiert mich bei diesem Buch ungemein, wie es andere Leser finden. Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Spaß mit dem Roman.

  • Vielen Dank für deine Rezi, Vogue, das Buch wäre sonst mit Sicherheit total an mir vorbeigegangen. Das Cover spricht mich gar nicht an, aber der Klappentext dafür umso mehr. Und deine Rezi klingt auch klasse. Ich glaube, ich muss dieses Buch lesen! :wink:


    Es erinnert mich an "Alias Grace" von Margaret Atwood, von dem ich total begeistert war. :pray:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Vielen Dank für deine Rezi, Vogue, das Buch wäre sonst mit Sicherheit total an mir vorbeigegangen.

    Umso schöner, dass du nun doch noch auf das Buch aufmerksam geworden bin. Wie ja schon in der Rezension erwähnt: Ich kann es uneingeschränkt empfehlen. Die Atmosphäre, die in diesem Buch aufgebaut wird, ist fantastisch und bedrückend zugleich. Warte nicht zu lange mit dem Lesen!


    Es erinnert mich an "Alias Grace" von Margaret Atwood, von dem ich total begeistert war.

    Ich habe gerade die Inhaltsangabe gelesen. Stimmt, thematisch klingt es wirklich sehr ähnlich. Dann wird dir ganz bestimmt auch dieses Buch gefallen.

  • Warte nicht zu lange mit dem Lesen!


    Mach ich nicht! :friends: Im Original ist es in der Bibliothek schon vorgemerkt. Mal schauen, ob es nicht zu anspruchsvoll für mich ist. Wenn doch, warte ich, bis die deutsche Übersetzung verfügbar ist.


    Umgekehrt wäre dann vielleicht "Alias Grace" auch etwas für dich. :thumleft:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


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  • Mach ich nicht!

    Prima. Dann hoffe ich, dass ich bald deinen Meinung zu dem Buch hier lesen kann.


    Umgekehrt wäre dann vielleicht "Alias Grace" auch etwas für dich.

    Ja, eigentlich schon. Ich habe es auf jeden Fall im Hinterkopf. Allerdings habe ich ein wenig die Befürchtung, dass nach dem "Seelenhaus" ein anderes Buch mit ähnlicher Thematik es sehr schwer bei mir haben wird. Daher würde ich da erstmal mit dem Lesen warten. Dafür war mir dieses Buch doch zu nachhaltig und zu intensiv. Jedoch behalte ich es im Hinterkopf. Danke für den Tipp!

  • Allerdings habe ich ein wenig die Befürchtung, dass nach dem "Seelenhaus" ein anderes Buch mit ähnlicher Thematik es sehr schwer bei mir haben wird. Daher würde ich da erstmal mit dem Lesen warten.


    Das halte ich auch für eine gute Idee! Abwechslung beim Lesen tut schon gut und wahrscheinlich würdest du die beiden Bücher dann zu sehr vergleichen und das würde am Ende wahrscheinlich beiden nicht gut bekommen.

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    Hape Kerkeling


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  • Danke für deine Rezension. Ich habe das Buch als Spontankauf erworben, weil es bei meinem Buchhändler als Empfehlung auslag- und bereue es bisher kein bisschen. Ich habe zwar erst ungefähr ein Drittel gelesen, mir gefällt es aber insbesondere deswegen, weil die Figuren nicht schwarz weiss gezeichnet sind. Und wie du schon sagtest, atmosphärisch ist es wirklich gut gelungen. Mich erinnert es übrigens ein bisschen an "der Maler und das Mädchen" von Magriet de Moor, das ich allerdings nur als Hörbuch kenne. Auch hier diente als Erzählgrundlage eine tatsächlich stattgefundene Hinrichtung einer angeblichen Mörderin.

    :study: Junge mit schwarzem Hahn- Stefanie vor Schulte


    No two persons ever read the same book (Edmund Wilson)

  • Ich war am Anfang sehr skeptisch, ob es einer 29jährigen Australierin gelingen kann, einen Roman über die Verhältnisse im Island des 19.Jahrhunderts zu schreiben- aber das war wohl nur ein blödes Vorurteil meinerseits. Mit großem Erstaunen habe ich den Roman von Hannah Kent durchgelesen-Erstaunen über die gelungene Sprache, stimmungsvoll, aber nicht kitschig, Erstaunen aber auch über den subtilen Aufbau des Themas menschlicher Nähe (oder der Sehnsucht nach ihr), welches natürlich durch den Plot (kaltes, windiges, einsames und armes Island :wink: ) gut unterstützt wird.
    Natürlich ist das Leben hart, die Landschaft karg. Aber gerade in dieser Kargheit und Härte entsteht in dem Roman immer wieder Schönheit, weshalb er eben gut zu lesen ist und dem Leser nicht allzu viel Durchhaltevermögen abverlangt.Die zwischenmenschliche Annäherung zwischen Agnes und den Bewohnern des Hofes, wo sie zuletzt auf ihre Hinrichtung wartet, empfinde ich als glaubwürdig und schließlich eben auch tröstlich- und dass Agnes diesen Trost am Ende anscheinend nicht mehr wahrnehmen kann, ist ein weiterer authentisch wirkender Baustein der Geschichte.
    Gute :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: !

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    No two persons ever read the same book (Edmund Wilson)

  • Bei einem Aufenthalt in Island hat die australische Schriftstellerin Hannah Kent, die Autorin des vorliegenden Romans von einer Frau namens Agnes Magnusdottir gehört, von der berichtet wurde, dass sie wegen Mordes an zwei Männern als letzte Frau auf Island zum Tode verurteilt wurde. Obwohl sie nur sehr wenig herausbekommen konnte außer dass Agnes zusammen mit einem jungen Paar zwei Männer erschlagen, erstochen und dann verbrannt haben soll, hat sie die Geschichte dieser Frau nicht mehr losgelassen.


    Langsam entstand die Idee eines Romans, der die Absicht hat, diese Mörderin als ein menschliches Wesen darzustellen und ihr etwas von dem Monsterhaften zu nehmen, als die sie in ihrer Heimat überliefert wird.


    Agnes ist eine zurückhaltende Frau, die eher schweigt als redet. Von der Mutter früh verlassen, muss sie auf diversen Höfen als Magd ihr karges Leben fristen. Obwohl sie nie zur Schule gegangen ist, ist sie sehr intelligent. Oft muss sie den Arbeitgeber wechseln, weil die armen Hofbesitzer selbst ihren kargen Lohn nicht mehr bezahlen können.


    Ihre letzte Station ist der Kornsahof, wohin sie zum Arbeiten geschickt wird, bis ihre Hinrichtung stattfinden soll. Skeptische und unfreundliche Hofbewohner können aber nicht ihre Freude schmälern, nach der langen Zeit in der Zelle des Gefängnisse wieder arbeiten zu können.
    Der junge Vikar Thorvadur soll sie in der Zeit bis zu ihrem Tod besuchen und sich um ihre Seele kümmern. Ganz langsam wird ihm und auch der Hausherrin Margret klar, dass Agnes alles andere als eine kaltblütige und grausame Mörderin ist.


    Mit einer beeindruckenden Sprache und Einfühlsamkeit in eine historische Person, von der es nur wenige Quellen gibt, ist es Hannah Kent gelungen, nicht nur die damaligen Lebensumstände sehr deutlich zu schildern, sondern auch ihren Figuren ihre Menschlichkeit zurückzugeben.

  • Inhalt (Amazon.de)



    "Sie sagen, ich soll sterben. Sie sagen, ich hätte Männern den Atem gestohlen und jetzt müssten sie mir den meinen stehlen."


    Island 1828. Agnes ist eine selbstbewusste und verschlossene Frau. Sie wird als hart ­arbeitende Magd respektiert, was sie denkt und fühlt, behält sie für sich. Als sie des Mordes an zwei Männern angeklagt wird, ist sie allein. Die Zeit bis zur Hinrichtung soll sie auf dem Hof eines Beamten verbringen. Die Familie ist außer sich, eine Mörderin beherbergen zu müssen – bis Agnes Stück um Stück die Geschichte ihres Lebens preisgibt.


    Meine Meinung


    Wie schon erwähnt wurde, fand Hannah Kent die Inspiration zu ihrem Roman während einer Island-Reise, als sie von eben diesem Mordfall hörte. Nun wollte sie die Geschichte einer Frau, eines Menschen erzählen, die wegen Mordes zum Tode verurteilt wurde.
    Auf die Geschichte an sich möchte ich an dieser Stelle eher weniger eingehen, es ist wohl für jeden Leser besser, Agnes Geschichte aus ihrem eigenen Mund zu "hören". Damit komme ich schon zu dem Aspekt, der dieses Buch besonders für mich macht: Die durch und durch trostlose Stimmung, die man dem Buch, was den isländischen Winter angeht, sofort abnimmt. Das Leben der Charaktere ist bestimmt von Trauer, Trost- und Hoffnungslosigkeit. Man ist zwar über Mord empört, der Tod an sich ist jedoch allgegenwertig und wird auch ohne große Anteilnahme hingenommen. Der einzige Hoffnungsschimmer, den die Bauern haben, ist Gott und ein gutes Leben nach dem Tod, wenn man im Diesseits ein rechtschaffendes Leben geführt hat. Doch es gibt keinen Gott in "Das Seelenhaus" und auch der Seelenstrip bzw. die Geschichte, die Agnes erzählt, ist gottlos, sie wird den geneigten Leser jedoch in ihren Bann ziehen und überraschen.
    Aus naheliegenden Gründen ist dieses wohl nichts für Menschen, die zu Depressionen neigen und auch nicht für Menschen, die sowieso schon schlecht drauf sind, alle anderen sollten jedoch einen Blick riskieren.

  • Ich habe heute die englische Originalausgabe (als E-Book) fertig gelesen und schließe mich den oben ausgeführten Meinungen an.
    "Burial Rites" ist ein Roman, der dem Leser lange im Gedächtnis bleibt, das liegt einmal an der beeindruckend authentisch vermittelten Atmosphäre von Düsternis, Kälte und Kargheit, die ein vermutlich sehr treffendes Bild Islands im 19. Jahrhundert zeichnet. Es liegt aber auch an der differenzierten Ausgestaltung der Charaktere ohne Schwarz-Weiß-Malerei. Neben Agnes fand ich vor allem die Figur der Hausherrin Margrét sehr interessant. Sie ist anfangs (verständlicherweise) komplett dagegen, eine Mörderin auf ihrem Hof aufzunehmen, aber es gelingt ihr, sich dem unerwünschten und unglücklichen "Gast" zu öffnen und ihre Vorurteile zu überwinden.
    Die Aufteilung in zwei Erzählstränge (Ich-Erzählung von Agnes und Erzählung in der dritten Person) ist gelungen und erlaubt es dem Leser, verschiedene Blickwinkel einzunehmen, ich hätte mir allerdings einen etwas rascher fortschreitenden Handlungsverlauf gewünscht, da man (zu) lange nicht genau weiß, was eigentlich in der Nacht zum 14. März 1828 vorgefallen ist.
    Sprachlich hat mir die Originalausgabe sehr gut gefallen. Die Autorin schreibt einen sehr gepflegten, gut lesbaren Sprachstil.
    Jetzt muss ich allerdings erstmal etwas "Leichteres" lesen, da dieses Buch mit seiner Thematik doch etwas auf´s Gemüt schlägt.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

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  • Ich habe das Buch soeben beendet und kann mich meinen Vorrednern ebenfalls nur anschließen - ein beeindruckendes Buch, das lange nachwirken wird. Neue Aspekte oder Blickwinkel habe ich nicht hinzuzufügen, alles Wichtige ist gesagt.


    Neben Agnes fand ich vor allem die Figur der Hausherrin Margrét sehr interessant.


    Sie ist für mich auch die zweite wichtige Protagonistin des Buches, nicht der Pfarrvikar - sie ist für mich so eine Art Gegenpart am Anfang, da sie für mich "die öffentliche Meinung" symbolisiert, die nicht die Hintergründe kennt, sondern nur das, was behauptet wird. Im Verlauf der Monate gelingt es ihr immer mehr, die Vorurteile hinter sich zu lassen, genau hinzu schauen und den Menschen zu sehen, der da gezwungenermaßen mit ihr lebt. Dieser Wandel und ihr vielschichtiger, kluger Charakter sind wunderbar herausgearbeitet, finde ich.


    ich hätte mir allerdings einen etwas rascher fortschreitenden Handlungsverlauf gewünscht, da man (zu) lange nicht genau weiß, was eigentlich in der Nacht zum 14. März 1828 vorgefallen ist.


    Da geht es mir anders: ich fand gerade den langsamen Anfang, das lange Warten auf die Hintergründe, sehr passend. Schließlich dauert es seine Zeit, bis sich Fremde anfangen zu öffnen, noch dazu in einer derart gezwungenen Situation. Und das immer schneller werdende Tempo in Agnes Erzählung, das plötzliche Sich-Öffnen, entspricht für mich so gut dem Bild der immer schneller verrinnenden Zeit, die der jungen Frau noch bleibt.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • nicht der Pfarrvikar


    Den finde ich ziemlich farb- und belanglos. Ein grünes Jüngelchen, der trotz bester Absichten seiner Aufgabe nicht gewachsen ist.


    ich fand gerade den langsamen Anfang, das lange Warten auf die Hintergründe, sehr passend


    Ich fand es auch sehr passend, aber dennoch mag ich es lieber, wenn man etwas schneller zur Sache kommt. :wink:

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  • Gestern Abend 45 Seiten angelesen und festgestellt, dass Das Seelenhaus mich leider überhaupt nicht anspricht. Ich werde dieses Buch nicht weiterlesen. Ich mag zwar historische Romane, die in skandinavischen Ländern spielen, sehr gerne, aber hier sind wirklich nur die Jahreszahlen und die Torfhütten historisch. Die Mentalität der Menschen, wie sie von Hannah Kent dargestellt wird, empfinde ich als grotesk anachronistisch. Die beiden Schwestern Steina und Laugur streiten sich mit der Art, wie heutige Heranwachsende denken. Und wie Steina ganz fix im Kopf, selbstbewusst und schlagfertig dem Landrat an den Kopf wirft, er scheue die Kosten der Überführung der Mörder nach Dänemark - ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass junge Mädchen auf abgelegenen Bauernhöfen im Norden Islands so agiert und reagiert haben.
    Auch die Rollenverteilung ist mir zu schwarz-weiß verteilt: die auf Ansehen und gutes Benehmen versessene Laugur (sie ermahnt ihre Schwester auch noch dazu, die Hand vor den Mund beim Gähnen zu halten), und die nicht aufs Äußerlich versessene, aber dafür geistig extrem wache Steina mit dem ethischen Durchblick. Und dann die Erzählweise in der ersten Person der Protagonistin Agnes: sie redet so verständig und mit innerer Flamme, dass beim Leser die Nadel auf dem Sympathiemesser ganz weit nach rechts ausschlägt ... wobei Agnes nun absolut gar nichts mehr von der Stumpfheit einer ungebildeten Magd Anfang des 19. Jahrhunderts hat!


    Ich habe das Gefühl, dass vor allem Steina eine tiefe Verbundenheit und Verständnis für Agnes entwickeln und dass es am Ende zu einer Riesentraurigkeit kommen wird, wenn man Frau Agnes einen Kopf kürzer macht. Wenn ein Buch schon auf den ersten Seiten so polarisiert und ich derartig das dringende Gefühl beschleicht, ich wüsste genau, was noch kommt, dann muss ich mir eingestehen, dass ich volle Abneigung gegen einen Schreibstil hege, der nicht einmal ansatzweise versucht, auch die innere Entwicklung zeitgemäß zu berücksichtigen. Klar ist es einfacher, mit unserer heutigen Denk- und Betrachtungsweise zu schreiben, vor allem ist so ein Buch viel leichter zu lesen - aber ein gutes Buch kann auf dieser Basis meinem persönlichen Empfinden nach nie entstehen. Ich möchte jedenfalls nichts mehr lesen, was immer nur in den Bewusstseins-Klischees unserer heutigen Mentalität kreist.
    Da lobe ich mir z.B. Halldor Laxness Roman Sein eigener Herr, weil hier die Betrachtungsweise auf die von der damaligen Geschichte geprägte Art zu denken eingeht. Auch Jane Smiley in ihrer Grönland-Saga hat das versucht und meines Erachtens auch gut hinbekommen.


    Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass Das Seelenhaus allein von seinem Schreibstil her bei der Mehrheit der Leser im BT starken Anklang findet, vor allem bei Fans von Rebecca Gablé, deren Schreibstil in mir wiederum eine ganz ähnliche Ablehnung hervorruft wie der von Frau Hannah Kent.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog