Marie-Sabine Roger - Das Leben ist ein listiger Kater / Bon rétablissement

  • Ich möchte euch hier ein Buch vorstellen, welches ich heute zuende gelesen habe.


    Es ist mein zweites Buch, welches ich von der Schriftstellerin Marie-Sabine Roger gelesen habe.


    Es handelt von einem Mann, mitte Sechzig, der nach einem Verkehrsunfall, an welchen er sich nicht mehr erinnern kann, mehrere Wochen im Krankenhaus zubringen muss.
    In dieser Zeit hält er Rückblick auf sein Leben.
    Dies tut er in Gedanken und in später auch in Texten, die er in seinen Computer eintippt.
    Diese Rückblenden auf seine Vergangenheit vermittelt uns die Schriftstellerin stückweise, immer wieder unterbrochen durch die aktuelle Situation seines Krankenhausauftenthaltes,
    bei welchem er die verschiedensten Leute kennenlernt.
    Bisher als Rentner ein eigenbrödlerisches Leben führend ohne viel Kontakt zu Fremden, und die verwandtschaftlichen Beziehungen auf das Nötigste beschränkt, sind diese
    neuen Kontakte für ihn Neuland.
    Er lernt dabei eigene Meinungen zu hinterfragen und entdeckt, wie interessant und hilfreich es sein kann, sich für andere zu öffnen, andere Lebensgeschichten zu erahnen.
    Besonders im Umgang mit der jüngeren Generation kann man erkennen, wie sich dieser Mann mit Dingen konfrontiert sieht, die er bisher noch nie kennengelernt hat.
    Und dabei reifen eigene Meinungen in ihm heran, die er bisher nicht sehen konnte.


    Das Buch vermittelt uns einen Eindruck in das Denken älterer Menschen, in die Möglichkeiten des konstruktiven Umgangs verschiedener Menschen miteinander, auch des
    Dazulernens.


    Ich habe das Buch sehr genossen.
    Die Handlung ist äußerlich nicht spannend, umfasst auch nur wenige Wochen,
    und doch meint man am Ende eine große Reise gemacht zu haben,
    eine Reise nicht nur durch den Krankenhausbetrieb,
    sondern eine Reise durch ein ganzes Menschenleben, welches auch fast am Ende angekommen noch ungeheures Potential in sich birgt:
    Neu zu endecken, dazuzulernen und vor allem auch zu genießen.


    Ich kann dieses Buch sehr weiterempfehlen.

  • Hallo Amselchen :flower:
    Vielen Dank für die interessante Rezension.


    Neu zu endecken, dazuzulernen und vor allem auch zu genießen.


    Ich glaube mal, das werde ich auch tun, denn auch dieses Buch ist auf meiner WuLi gelandet. Es ist für mich auch Neuland, da ich solche Bücher im allgemeinen nicht lese. Mir fällt allerdings auf, daß ich selbst mich gerade verändere, und da ist das sehr passend.


    Hast du evt. beruflich mit älteren Leuten zu tun? Ich persönlich mag ältere Menschen sehr, komme auch gerne mit ihnen ins Gespräch. Dadurch bin ich nochmal extra gespannt, wie der ältere Mann und sein Erleben sind.



    Viele Grüße


    Sylvia, Brownie, Pearly und Gimli
    :study::study::study:

    :study:Jack McDevitt: Hexenkessel




  • Der positiven Rezension kann ich mich nur anschließen. Ein grantiger alter Mann lernt durch seinen Krankenhausaufenthalt neue Menschen und neue Denkweisen kennen. Dadurch setzt bei ihm ein Umdenken ein. Zwar versucht er nach wie vor, seine grantige Haltung nach außen aufrecht zu halten, doch das ist nur noch Show. Innerlich war er wohl schon immer mitfühlend und anderen gegenüber aufgeschlossen. Diese Eigenschaft tritt jetzt wieder zu Tage. Er schließt Freundschaften und nimmt wieder aktiver am Leben teil. Ein sehr positives Buch.


    Mir gefiel auch, dass es in kurzen Kapiteln erzählt wurde, und dass sich Abschnitte aus der Gegenwart mit Rückblenden in die Vergangenheit abwechselten.

    Verführung Volljähriger zum Bücherkauf sollte nicht unter 5 Jahren Stadtbibliotheksmitgliedschaft bestraft werden!

  • Auch mir hat dieses Buch ausnehmend gut gefallen. Handlungstechnisch passiert nicht übermäßig viel, was aber nicht bedeutet, dass in der Geschichte nichts los ist. Im Gegenteil! Denn während man mehr oder weniger konstant ans Krankenbett gefesselt ist, weil man einen komplizierten Beckenbruch hat, kann man nicht viel anderes tun, als sich Gedanken zu machen. Gedanken über seinen Gesundheitszustand natürlich und die Leute, die im Krankenhaus um einen herumturnen, aber auch um sich und sein eigenes Leben.


    So geht es zumindest unserem Protagonisten. Einem verwitweten Rentner, der ein wenig mürrisch und sehr sarkastisch durchs Leben läuft. beziehungsweise momentan liegt, denn er kann sich eigentlich nicht großartig bewegen. Selbst Waschen kann er sich nicht alleine und ist dafür auf die Hilfe der Krankenschwester angewiesen. Unter anderem dieser Umstand führt ihm natürlich direkt seine mögliche mittelfristige Zukunft vor Augen, was er mit dem ihm eigenen, zynischen Art kommentiert. Eigentlich ein Eigenbrötler ist er nun relativ wehrlos jedem sozialen Kontakt ausgeliefert, den das Krankenhaus so bietet: neben den Krankenschwestern und den Ärzten bei der Visite sind das nicht nur Verwandte der Zimmergenossin und ein kleines Mädchen einer anderen Station, sondern auch der junge Mann, der ihn bei seinem Unfall gerettet hat und der Polizist, der den Fall untersucht.


    Trotz der hauptsächlich bedrückenden Themen, die der Text behandelt, strahlt die Geschichte eine unheimliche Positivität aus - nicht zuletzt durch den beißenden Humor des Protagonisten. Die Kapitel sind sehr kurz und episodenhaft und entwickeln dabei ein immer genaueres Bild vom Leben des Protagonisten. Zeitsprünge und Gedankenwechsel sind recht häufig, durch die Rückkopplung auf die Rahmenerzählung im Krankenhaus behält man aber leicht den Überblick. Es ist sehr spannend, wie offen und selbstreflektiv der nach außen mürrische Protagonist sein kann, wenn er nur mal genügend Zeit und Anlass hat, über die Welt nachzudenken.
    Für mich war es ein wirklich schönes Buch für zwischendurch; mit einer herzerwärmenden Botschaft und liebenswerten Charakteren.

    Wenn wir uns nicht gelegentlich verirren, dann haben wir uns nicht genug bewegt.
    Florian Illies

    :flower:
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