Diskussion über Nietzsche

  • Von den Lehrstühlen der Tugend
    Von den Freuden- und Leidenschaften


    Was ich hieraus mitgenommen habe, ist eigentlich das was Coelho im "Jakobsweg" beschreibt, und zwar mit dem inneren Engel-Dämon. N. schreibt hier von der Tugend, Coelho vom Engel, den es aber letztendlich im Kampf (dort wird er zum Dämon) besiegt werden kann und zum wahren Engel wird. Oder wie N. sagt: die Leidenschaft kann uns nützlich sein:

    Zitat

    Am Ende wurden alle deine Leidenschaften zu Tugenden und alle deine Teufel zu Engeln.


    Das ist der innere Kampf.



    Von den bleichen Verbrechern


    Das ist auch wieder dieser Kampf, hier wird der Kampf nicht gewonnen:

    Zitat

    Es gibt keine Erlösung für Den, der so an sich selber leidet, es sei denn der schnelle Tod.



    Vom Lesen und Schreiben


    Salopp gesagt: Coelho schreibt im "Jakobsweg" mit seinem eigenen Blut, das fühlt man. Ob wir "fremdes Blut verstehen", das liegt an unserer eigenen Entwicklung, meistens nicht. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen.



    Vom Krieg und Kriegsvolke


    Gedanklich habe ich dort meine Probleme mit. N. mag sie und Coelho "Krieger des Lichts" mag sie auch.
    Ich mag keinen Krieg, und habe hier innerliche Schwierigkeiten es zu bejahen; nicht aber verstandesmäßig.

  • Hallo!


    Ich kämpfe auch tapfer weiter, bin jetzt bei der Keuschheit angelangt.


    Mittlerweile kann ich sehr gut nachvollziehen, warum das NS-Regime sich gut anfreunden konnte mit Nietzsches Gedanken. Manche Sätze stoßen mir sehr sauer auf!


    Vom Lesen und Schreiben

    Zitat

    Dass jedermann lesen lernen darf, verdirbt auf Dauer nicht allein das Schreiben, sondern auch das Denken


    Im Gebirge ist der nächste Weg vom Gipfel zu Gipfel: aber dazu musst du lange Beine haben. Sprüche sollen Gipfel sein: und die, zu denen gesprochen wird, Große und Hochwüchsige


    Ich erkenne darin eindeutig absolutes Elite-Denken, den Hang zum Egoismus, von der "besseren" Gesellschaft. Solche Tendenzen lehne ich grundsätzlich ab.


    Zitat

    Vom Krieg und Kriegsvolke
    Ihr sollt den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen.


    Ich finde, ein Krieg kann durch gar nichts gerechtfertigt werden. Ich glaube immer noch an die (vielleicht) idealistische Vorstellung, dass es eine andere Lösung geben muss.


    Hier muss ich aber etwas anmerken, weil es gerade sehr gut passt. Ich habe in den letzten Tagen "Saturday" von Ian McEwan gelesen. Es geht in diesem Roman u.a. auch um 9/11 und den Irakkrieg. Eine Aussage in diesem Buch hat mich aufhorchen lassen, und jetzt bei Nietzsche wurde sie mir wieder bewusst:
    Sinngemäß hieß es so:
    Wenn du gegen den Irak-Krieg bist, dann bist du ja eigentlich für Saddam Hussein


    Ich handhabe es jetzt auch so, dass ich Sachen, die ich nicht verstehe, einfach überlese. Mit dem einen oder anderen Satz kann ich durchaus was anfangen. :eye:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Hallo Rosalita


    Du zitierst:

    Zitat

    Dass jedermann lesen lernen darf, verdirbt auf Dauer nicht allein das Schreiben, sondern auch das Denken


    Ich habe dich aber schon manchmal schimpfen gehört, dass heute jeder Bücher veröffentlicht (Bohlen usw.), egal wie viel Geist hinter diesen Büchern steckt.
    Leider bin ich auch der Meinung, das Bohlen usw. mir lieber Analphabeten wären.
    Ich denke, in diese Richtung zielt das Zitat.


    Oder wenn wir uns über Bildung und RTL-Verblödung empören.
    Das verdirbt doch gerade uns beiden die Lust am Denken.



    Zitat

    Ihr sollt den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen.


    Dazu hat Serjena im 1. Teil schon etwas Gutes gesagt.
    Wenn es nur ein Krieg der Worte ist, dann könnte ich damit leben :wink:

  • Heidi Hof:

    Zitat

    PS Bekommen ich jetzt eins auf den Deckel, weil ich wieder einen großen Namen (Nietzsche) mit Coelho verglichen habe? Ich sehe diese Parallelen, ich würde nie Coelho mit Nietzsche gleichsetzen. Allerdings hat sich Coelho mit gleichen Dingen beschäftigt, das darf ich doch erwähnen, oder?


    Es ist bekannt dass Coelo seine Werke am liebsten unter der Philosophie eingeordnet sehen würde; deswegen greift er auch immer wieder tief in die Schatzkiste der Philosophen; und bedient sich ziemlich grosszügig deren Aussagen welche er für seine Werke dichterisch gekonnt einsetzt.
    Das führt dazu dass es leicht fällt Vergleiche anzustellen.
    Allerdings sagt er damit nichts aus was wir nicht schon wissen.


    :wink: Versteht mich jedoch nicht falsch, ich möchte seinen Ruhm keineswegs schmälern, denn aussser „Elf Minuten“ welches ich absolut schlecht fand, mag ich seine Bücher.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Nein, Serjena, ich verstehe dich überhaupt nicht falsch.
    Mir ist mittlerweile auch aufgefallen (Dürrenmatt/Hesse) hat er auch gelesen, nicht nur Nietzsche :wink:


    Was ich gut an Coelho finde, dass er das in verständlichen Worten schreibt, auch wenn er klaut *grins*


    Übrigens mag ich, genau wie du, 11 Minuten auch nicht besonders. Am besten gefällt mir "Der Jakobsweg" :thumleft:


  • ja klar, das stimmt schon.
    aber es ist doch sicherlich keine Lösung, wenn halt nur eine gewisse Schicht lesen und schreiben lernt und der Rest komplett verdummt. Ich glaube eher, dass durch qualitative Bildung es eher verhindert werden kann, dass die Gesellschaft komplett verblödet. Wenn es niemand schaut und niemand liest, verschwinden solche "Auswüchse" automatisch vom Markt bzw. erscheinen erst gar nicht.


    Ach, die Sachlage ist sehr schwierig, verhindern werden wir es wohl nicht können :roll::roll:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Zitat

    Dass jedermann lesen lernen darf, verdirbt auf Dauer nicht allein das Schreiben, sondern auch das Denken


    Möchte den Versuch wagen hier das Zitat in die richtigen Bahnen zu lenken


    Lesen: lesen befähigt uns ein gewisses Bildungsniveau zu erhalten
    Schreiben: schreiben erlaubt uns etwas schriftlich zu formulieren
    Denken
    Ja nun wird’s etwas kompliziert, denn mit denken meine ich DAS DENKEN, (könnte ich mit euch sprechen wäre es viel einfacher das zu erklären)
    Stellen wir uns vor wir könnten nicht lesen, DENKEN, können wir jedoch, denn diese Fähigkeit müssen wir nicht erlernen dies Fähigkeit haben wir. Nun sind es unsere eigensten Gedanken die sich bilden ohne voreingenommen zu sein, was in anderen Büchern steht. Übelegt man sich wieviel bereits Gedachtes sich in vielen Büchern, wenn auch anders formuliert, wiederholt kann man erkennen was mit diesem Zitat gemeint ist.
    Ich weiss nicht ob ich mich klar ausgedückt habe :oops:

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Ähm, Serjena, das meinst du:


    Wenn ich zum Beispiel im Bett liege und mache mir Gedanken zu X (meine ureigenen Gedanken). Und später stelle ich bei Coelho fest, schau an, dort stehen meine Gedanken zu X.


    Ach so, ja das ist wirklich blöd, wenn die Gedanken dann auch noch bei Nietzsche, Goethe und anderen zu finden sind.


    Ja, das war gut Serjena, jetzt verstehe ich was N. meint :thumleft:

  • So, da war ich wohl am ganz falschen Dampfer. Aber ich hatte schon das Gefühl, dass ich irgendwie ganz falsch an Zarathustra rangehe.


    Danke, Serjena, für die immer wieder erkärenden Worte (hier und im Chat), du hast wirklich den Durchblick!! [-o<


    Jetzt versteh ich auch, warum er den "Einsamen" so hochlobt. Dieser ist nur auf seine eigenen Gedanken gestellt, kann sich nicht von irgendjemanden beeinflussen lassen. Seine Gedanken sind wirklich seine ureigensten. #-o

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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  • Zitat

    Original von Rosalita


    Jetzt versteh ich auch, warum er den "Einsamen" so hochlobt. Dieser ist nur auf seine eigenen Gedanken gestellt, kann sich nicht von irgendjemanden beeinflussen lassen. Seine Gedanken sind wirklich seine ureigensten. #-o


    Hi, wenn dieser allerdings keine Bücher mitnimmt :wink:
    (Wenn ich in die Einsamkeit gehen würde, würde ich doch Kisten mit Büchern mitnehmen :lol: )



    Ich möchte meinen Satz von gestern hier noch erwähnen:


    Ach so, deshalb denk man manchmal, man wäre ein Genie, dabei sind es nur geklaute Gedanken :loool:

  • :wink: Ich habe hier noch ein wundebares Zitat von Jaques Derrida:

    Zitat

    "Nietzsche hat so ziemlich alles gesagt...er hat die miteinander unverträglichsten Dinge gesagt und gesagt, daß er sie sagt."


    Liebe Grüsse
    Serjena

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Bin ich jetzt zu spät? Tut mir leid, aber ich habe den Büchertreff erst diese Woche entdeckt.


    Ich las mit grossem Interesse diese Beiträge. Danke.
    Von Nietzsche selbst habe ich nicht sehr viel gelesen, aber doch einige Essays, Aufsätze etc. zu ihm und seinem Denken. Es ist nicht erstaunlich, dass einem manches auf den Wecker geht, bzw. man empört ist und "nein" ausschreien will! Aber ich frage mich heute, inwieweit wir nicht eventuell Nietzsche mißverstehen, wenn wir in ihm einen Vorreiter der Nazis, einen Menschenverächter etc. sehen. Er selbst behauptete, vielleicht etwas großspurig, dass man ihn "erst in hundert Jahren verstehen würde", was uns einladen mag, mit den ersten Eindrücken vorsichtig umzugehen.
    Hinter manchen Ausdrücken kann wohl was anderes stehen, bzw. mehr als auf den ersten Blick. Z.B.: "Krieg, Kampf, Elite..."
    Der größte Kampf besteht nicht bei Nietzsche, m.E., in der äusseren Unterdrückung anderer, sondern sich aus einer knechtischen Versklavung (Angst, falsche Auffassungen von Pflicht und Unterordnung etc.) zu befreien, um zu einer "stolzen" Selbstannahme in Freude und Lebenslust zu finden.
    Sicherlich fällt es "uns Deutschstämmigen" schwerer, UNBEFANGEN auf Nietzsche und sein Werk zu blicken, da wir im Hinterkopf die furchtbare Nazibarbarei haben und die Anlehnungen an N. In dem Zusammenhang ist mir als in Frankreich Lebenden aufgefallen, dass hier der Umgang eben viel unbeschwerter ist. Für die, die französisch können, hänge ich eine link dran. Ich war von dem Dossier in "Nouvel Observateur" begeistert.


    http://perso.modulonet.fr/~miardouin/presse.htm


    tom

  • Hallo Tom


    Wir haben uns vorgenommen: Nietzsche im Februar weiter zu lesen. Wenn du dann Lust hast, kannst du gerne mitmachen :wink:


    Übrigens, du liest ja auch gerne Klassiker, ab 1. Dezember lesen wir den "Zauberberg", das findest du dann auch hier bei Leserunden. Vielleicht möchtest du das ja auch mitlesen ...