Tim Parks - Italien in vollen Zügen / Italian Ways

  • Klappentext:
    In diesem äußerst unterhaltsamen Reisebericht zeichnet Tim Parks ein authentisches Portrait italienischer Lebensweise – wie es sich auf Zugfahrten durch das Land erschließt. Ob als Pendler in ratternden Regionalbahnen, beim Kampf mit tückischen Fahrkartenautomaten oder auf der Suche nach dem richtigen Gleis im majestätischen Hauptbahnhof Mailands, immer richtet sich sein literarischer Blick auf Details, auf Besonderheiten. In unvergesslichen Begegnungen mit pedantischen Schaffnern und kauzigen Mitreisenden, mit Priestern und Prostituierten, Schülern und Verliebten fängt Parks ein, was für das italienische Leben so charakteristisch ist: die Obsession für Geschwindigkeit und zugleich der Sinn für lebensfreundliche Entschleunigung; die großartigen Baudenkmäler und ihre fast schon gezielte Vernachlässigung; und die unsterbliche Begeisterung für ein gutes Argument und den perfekten Cappuccino."Italien in vollen Zügen" erzählt auch, wie die Eisenbahn dazu beigetragen hat, Italien als Staat zu konstituieren, und wie ihre Entwicklung das Bewusstsein Italiens von sich selbst reflektiert – von Garibaldi zu Mussolini zu Berlusconi und darüber hinaus. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Tim Parks, geboren 1954 in Manchester, wuchs in London auf und lebt seit 1981 in Italien. In vielen seiner Romane und erzählenden Sachbücher hat er das Leben in Italien thematisiert. Er hat das Werk von Italo Calvino, Roberto Calasso, Alberto Moravia und Machiavelli ins Englische übersetzt und lebt als Professor für Literarisches Übersetzen in Mailand. Zuletzt erschien von ihm "Sex ist verboten" (Kunstmann 2012). (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Italian Ways
    Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Becker
    Erstmals erschienen 2013 bei W.W. Norton & Company, LondonIn drei Kapiteln – jeweils unterteilt in konkrete Strecken – aufgeteilt. Einem Kapitel vorangestellt ist eine schematisierte Karte des entsprechenden Landstrichs.
    Mit Nachwort und Danksagung 336 Seiten


    Eigene Meinung:
    Italiener leben am liebsten in ihrer Geburtsstadt und dort am liebsten in Mammas Nähe. Wenn man aber in der Fremde arbeiten oder studieren muss, fährt man am Wochenende nach Hause. Am liebsten per Zug, das ist in Italien billig. Behauptet Parks neben anderen Klischeevorstellungen über Italien und seine Bewohner. Doch er verifiziert jedes Klischee und beweist jeden Allgemeinplatz.


    Parks lebt in Verona, arbeitet als Professor an der Universität in Mailand, dazwischen 148 km, die er mit Vorliebe per Bahn für 6,82 € pro Fahrt bewältigt. Das erste Kapitel „Der Zug der lebenden Toten“ erzählt, mit welchen Widrigkeiten sich ein Pendler herumschlägt: An welcher Schlange anstellen? Vor dem Schnellschalter oder dem regulären, wo es schneller geht? Welcher Schalter ist für welche Bahngesellschaft zuständig?
    Da Parks (in erklärter Einigkeit) mit italienischen Eisenbahnen Pünktlichkeit für eine teutonische Eigenschaft hält, hat er volles Verständnis für den toleranten Umgang mit An- und Abfahrtszeiten (und beweist, dass er in Deutschland eher selten mit dem Zug fährt).
    Er liest im Zug Bücher, Examensarbeiten oder Zeitung, doch oft lassen ihm redselige Zeitgenossen nicht die nötige Ruhe, bieten ihm von ihrem Proviant an, Getränke und zwingen ein Gespräch auf. Er reagiert nach Tageslaune.


    Auch Urlaubsreisen unternimmt er mit der Bahn. Im Kapitel „Erster Klasse, Hochgeschwindigkeit“ stellt er kleine pittoreske, monumental verbaute und sachlich-moderne Bahnhöfe zwischen Verona, Mailand und Florenz vor. Parks malt ein schaurig-schönes Bild italienischer Zugreisen und erzählt dem Leser, wo es den besten frisch gepressten Orangensaft gibt, cremigen Cappuccino und starken Espresso, wo die Panini knusprig, die Kellner freundlich und die Toilette zu benutzen ist. Und wo Gelder der EU für mehr oder weniger sinnvolle Renovierungen verbraten werden.


    Parks größtes Eisenbahnabenteuer: Über Mailand und Rom „Bis ans Ende des Landes“ in den Absatz des Stiefels und nach Sizilien. Angebliche Bahnhöfe, von denen man mit einem vollbesetzten Bus zu einem anderen Bahnhof gefahren wird, Züge, die nicht dorthin fahren, wohin der Fahrplan vorsieht, und immer wieder Begegnungen mit Menschen, die ihn als kauzigen Engländer einsortieren, der statt des bequemen Autos den unzuverlässigen Zug nimmt.
    Parks schaut aus dem Fenster und schildert dem Leser Landschaft, Licht und Sehenswertes; er schaut sich in den Abteilen um, macht Bekanntschaft mit Nervensägen, mit Dauer-Telefonierern und schlecht riechenden Sitznachbarn, aber auch mit interessanten Zeitgenossen, schönen Frauen und fröhlichen Jungs.


    Eine höchst vergnügliche Liebeserklärung an seine Wahlheimat und deren Beförderungswesen legt Parks hier vor. Weil er immer wieder Anekdoten seiner Reisen schildert und sich selbst und das Ungemach, das ihm zustößt, durch die ironische Brille betrachtet, folgt der Leser ihm mit Vergnügen.
    Man ist gewarnt vor Zugreisen durch Italien ohne grundlegende Italienischkenntnisse oder einen italienisch sprechenden Begleiter. Andererseits: Unterscheiden sich DB und Trenitalia oder Rete Ferroviaria Italiana tatsächlich nur in der Zahl ihrer Beschäftigten? Oder dem Glanz der italienischen Eisenbahneruniformen?


    Fazit:
    Die pure Lesefreude für Italienreisende, Italienliebende und Italienlebende, für Reiselustige, Abenteurer und Unerschrockene - und nicht zuletzt: Für Fans von Tim Parks.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Den deutschen Titel finde ich durch seine Zweideutigkeit sehr gelungen.

    ich auch :) ich hab Dir trotzdem den Originaltitel in die Überschrift eingefügt :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn