Anna Gavalda - Nur wer fällt, lernt fliegen/Billie

  • Billie, die von ganz ganz unten kommt, hat in ihrer Kindheit und Jugend wohl schon mehr Härten und Grausamkeiten kennengelernt, als viele Menschen in ihrem ganzen Leben. Völlig lieblos aufgewachsen in Armut und Verwahrlosung, ohne jedes Interesse von Seiten ihrer (Stief-)Eltern, die dem Alkohol zugeneigter waren als ihren Kindern. Immerhin geht sie mehr oder weniger regelmäßig zur Schule, wo sie trotz ihrer Bemühungen schnell zur Außenseiterin wird. Doch dann muss sie ein Theaterprojekt zusammen mit Frank umsetzen, der ebenso wie sie ein Außenseiter ist, aber doch ganz anders. Und das ändert ihr beider Leben.
    Erzählt wird dieses gemeinsame Leben von Billie während einer Nacht, in der sie zuvor Beide in eine Schlucht gestürzt sind und Frank offenbar schwerstverletzt und bewusstlos neben ihr liegt. Sie erzählt und ringt um Worte in der Hoffnung, Frank damit das Leben retten zu können.
    Es ist eine in erster Linie wirklich schön erzählte Geschichte: Man nimmt teil und leidet mit Billie in ihren beschissenen Verhältnissen und hofft und wünscht sich, dass es ein gutes Ende nimmt. Doch für mein Empfinden herrscht zwischen dem Erzählten und dem eigentlichen Inhalt der Geschichte ein gewisser Missklang. Billies Bildung kann man wohl nur (nach ihrer eigenen Schilderung) als zurückgeblieben bezeichnen, doch ihr Erzählstil (auch wenn er herrlich schnoddrig daherkommt) wie auch ihre Wortwahl ist alles andere als verkümmert und stehen beide in einem merkwürdigen Widerspruch zueinander, was mich immer wieder befremdete und aus der Lektüre fallen ließ ;-) Auch der letzte Teil des Buches kam mir eher aufgesetzt vor: Für die eigentliche Geschichte war er nicht notwendig und diente lediglich als Grundlage für das (meiner Meinung) zu überzogene Happy End.
    Toll erzählt, aber für mich in einem bedauerlichen Missverhältnis zur eigentlichen Handlung.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Die arme Kleine und der Schwuli …


    … sitzen in einer Felsspalte fest. Während Franck bewusstlos in Billie's Armen liegt, lässt Billie ihr bisheriges Leben Revue passieren, ein junges, bewegtes Leben, in dem nicht nur die Sonne geschienen hat.


    In ihrem neuen Roman „Nur wer fällt, lernt fliegen“ erzählt Anna Gavalda die Geschichte zweier Menschen, die überwiegend auf der Schattenseite des Lebens beheimatet sind, die dennoch den Mut und die Freude an den schönen Dingen, die Leben nun einmal ausmachen, nicht verlieren, und die vor allem eine tiefe, einzigartige Freundschaft verbindet.


    Da ist zum einen Billie, die aus armen Familienverhältnissen stammt, deren Mutter sich wegen ihr aus dem Staub gemacht hat, die ständig in „Alarmbereitschaft“ ist, die, wie sie sich ausdrückt, „ständig im Weg ist, egal, was sie macht.“
    Da ist zum anderen Franck, der aus vermeintlich geordneten Familienverhältnissen stammt, der es seinem Vtaer nie Recht machen kann, der schwul und somit ausgegrenzt ist und ein Einzelkämpferdasein führt.
    Beide beäugen sich schon von Kindesbeinen an, kommen sich aber erst näher, als sie die Hauptrollen in einem Schultheaterstück einstudieren. Dabei erfährt Billie auch, daß zum ersten Mal in ihrem Leben ihr Willen respektiert wird, eine neue Erfahrung, die gut tut und nachwirkt.
    Im Weiteren verlieren sich die Beiden des Öfteren aus den Augen, gehen getrennte Wege - Billie hält sich mit Gelegenheitsjobs und Prostitution über Wasser, Franck studiert Jura – und finden sich dennoch immer wieder. Eines Tages treffen sie eine Entscheidung, die weitreichende Folgen hat und für ihre Zukunft richtungsweisend ist.


    Der Roman trägt eindeutig die Handschrift Anna Gavalda's. Anna Gavalda versteht es perfekt, Situation einzufangen, Stimmungen zu transportieren und sympathsche Figuren aufleben zu lassen. Ihr Erzähl- und Sprachstil sind einfach, direkt und in diesem Fall absolut passend zu Billie, die in Ich-Form gerade so erzählt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Daher kann man ihr Gedankensprünge und Orts- und Zeitwechsel gut und gerne verzeihen, denn den roten Faden verliert sie nie.
    Trotz der Schwere des Thema's schwingt zudem in der Handlung eine besondere Art von Leichtigkeit und eine gehörige Portion Humor mit.


    Ich bin sofort und neugierig in die Welt von Billie und Franck eingetaucht und konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Auch wenn ich mit dem für mich plötzlichen Ende nicht ganz so glücklich bin, aber alles Glück kommt ja bekanntlich nie, hat mich der Roman gefesselt und unterhalten, so wie ich es mir gewünscht hatte.


    „Nur wer fällt, lernt fliegen“, ein Roman von Anna Gavalda, wie der Leser sie kennt und liebt, und wer sie noch nicht kennt, kann sie jetzt kennenlernen, eine Bekanntschaft, die sich lohnen könnte!

  • Wow,gerade habe ich dieses Buch zu Ende gelesen und bin ein wenig hin-und hergerissen !!


    Ich hätte nicht erwartet,so eine Geschichte zu lesen. Die Lebensgeschichte von Billie hat mich sehr berührt und mich teilweise auch sehr ´runtergezogen.
    Das hatte mit Anna Gavaldas Schreibstil zu tun- sie hat sehr umgangssprachlich geschrieben- so,als würde ich mich gerade unterhalten.
    Ich fand die Art zu schreiben eher untypisch für A.Gavalda,weil sie sonst nicht so umgangssprachlich schreibt.Außerdem hat sie einige Dinge nebenher fallen lassen,sodass ich das eine oder andere Mal schlucken musste
    Trotzdem hat sie geschafft,das ich in die Geschichte eingetaucht bin und mitgelitten habe.


    Das Ende hat mir gefallen und ich muss sagen,das dieses Buch noch nachhallen wird


    Ich vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Immer wieder hat die französische Schriftstellerin Anna Gavalda sich in ihren Romanen seit 2003, die sie bis heute zu einer der erfolgreichsten Autorinnen Frankreichs gemacht haben, beschäftigt mit Menschen, die vom Schicksal hart gebeutelt wurden. Denen eine miserable Kindheit die Zukunft verhagelt hat und die ihr Lebtag nicht auf einen grünen Zweig zu kommen scheinen.
    Menschen, für die die Liebe ein fremder Kontinent ist, der so weit weg scheint, dass sie es nicht für möglich halten, seine Früchte jemals kosten zu können.


    Immer wieder hat die Kritik gemutmaßt, vieles in ihren Romanen sei autobiographisch geprägt, doch sie hat unlängst in einem ansonsten sehr irritierenden Gespräch mit der FAZ –Journalistin Katrin Hummel dies weit von sich gewiesen. Doch, wahrscheinlich ganz gegen ihren Willen, öffnet sie sich auch kurz und lässt mehr Verwandtschaften mit ihren Figuren durchblicken, als sie selbst zugibt:
    „Fragt man Gavalda nach ihrem Alltag, wehrt sie ab: Sie habe gar kein richtiges Leben, ihr Leben, das seien ihre Gedanken. Die sagten viel mehr über sie aus als ihre Größe, ihr Gewicht, ihre Lieben. Das Privatleben der meisten Schriftsteller sei ‚wie ein total flaches EKG‘, ihr eigenes auch. ‚Mein Leben ist das Leben einer alten Dame, einer Greisin. Ich bin einsam, ich lese viel, ich gucke meinen Kindern beim Aufwachsen zu und kümmere mich um meine Rosen. Es ist nicht glamourös.‘
    Man hatte das auch nicht erwartet, aber sie scheint sich selbst unter einen ganz eigenen Erfolgsdruck zu setzen. Beim Schreiben ist das auch so. Sie sagt, dass sie mehr schreiben müsste, denn wenn sie nicht schreibe, fühle sie sich nackt. ‚Aber ich tue mich schwer, ich habe Angst, ich traue mich nicht. Ich fürchte, dass ich es vermassele und dass ich versage.‘ Wenn sie aber anfange zu schreiben, sei der Zweifel ganz weg. ‚Dann werde ich unbesiegbar, selbstsicher. Ich bin nicht mehr ich selbst. Nichts macht mir mehr Angst. Schreiben ist wie ein dicker Mantel, der einem auf den Schultern liegt. Die Figuren tragen dich. Wie ein Kind führen sie dich durch die Geschichten und halten dich am Leben.‘
    In ihrem neuen, hier vorliegenden Buch geht es um zwei jugendliche Außenseiter, die sich lieben lernen und die ihre Freundschaft auch nach langer Trennung konservieren können.


    Da ist zum einen die in einer Wohnwagensiedlung bei den Asozialen aufgewachsene Billie (ihre hilflose Mutter schwärmte für Michael Jacksons „Billie Jean“) und zum anderen der kluge und belesene Franck, dessen reaktionärer Vater für Frank Alamo sich begeisterte.


    Franck ist schwul, was er allen verschweigt. Nur Billie versteht das und lernt ihn dennoch lieben. Als eine Lehrerin beiden die Hauptrolle in einem Stück von Alfred de Musset überträgt, wachsen die beiden über sich hinaus und ihre Rollen derart hinein, dass die Aufführung ein großer Erfolg wird.


    Doch das Glück der beiden, die sich beide auf ihre Art befreit haben, währt nicht lange. Billie bleibt sitzen und Franck wird in ein Internat geschickt. Furchtbare Abstürze folgen und es scheint, als hätte Billie wirklich nur das Leben, in das sie hineingeboren wurde.


    Doch beide haben gelernt sich wieder aufzurichten und die Hoffnung nicht aufzugeben. Und so treffen sie sich irgendwann wieder….


    Ein verrückte Geschichte, die Billie ihrem Glücksstern erzählt, der einzige, der immer bei ihr bleibt.

  • Meine Meinung:


    Das schöne Cover mit dem außergewöhnlichen Titel hatte sofort meine volle Aufmerksamkeit. Während ich von der Leseprobe noch sehr begeistert war, ist diese Begeisterung vollkommener Ernüchterung gewichen.


    In „Nur wer fällt, lernt fliegen“ geht es um zwei junge Außenseiter, die in der Schule durch ein Theaterstück erst sehr spät zueinander finden. Sie, Billie, aufgewachsen bei den Asozialen in einer Wohnwagensiedlung und er, Franck, schwul und im Dauerkrieg mit seinem Vater. Sie verlieren sich für lange Zeit aus den Augen, als er auf ein Internat muss und sie sitzen bleibt und erst sehr viel später führt sie das Schicksal wieder zusammen. Als die beiden beim gemeinsamen Klettern in den Cervennen in eine Felsspalte stürzen, ist Billie nahezu unverletzt, Franck jedoch so schwer verletzt, dass er nach kurzer Zeit bewusstlos wird. In ihrer Not sucht sich Billie einen Stern am Himmel aus und spricht mit diesem über den ungewöhnlichen Verlauf ihrer noch ungewöhnlicheren Freundschaft und hofft dadurch, dass das Schicksal ihr den besten Freund nicht nimmt …


    Nachdem ich die Seiten dieses Romans im negativen Sinne überflogen habe, stellt sich mir nun die Frage, inwieweit sich das Cover mit der Geschichte in Einklang bringen lässt. Ich bin jedoch zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Das ganze Buch ist eine Sammlung von zusammengewürfelten Absätzen, die wirr klingen und mich überhaupt nicht zu fesseln vermögen. Es ist mir bis zum Schluss nicht gelungen, so etwas wie eine emotionale Bindung zu den beiden Charakteren aufzubauen. Ihr Handeln ist für mich oft nicht nachzuvollziehen und das ganze Gebaren wirkt kühl und distanziert. Ihre Art von Freundschaft mutet sehr merkwürdig an und mehr als einmal habe ich mich gefragt, ob Franck nun tatsächlich schwul ist oder insgeheim nicht doch ein Auge auf Billie geworfen hat.


    Leider habe ich keine Vergleichsmöglichkeiten, weil ich zuvor noch kein Buch von Anna Gavalda gelesen habe. Hier gefällt mit allerdings ganz eindeutig der teilweise sehr vulgäre Schreibstil nicht. Auch der Sinn dieser Geschichte mag sich mir nicht erschließen und besonders das Ende hat mir nur noch ein Kopfschütteln, aber keineswegs Begeisterungsstürme entlocken können. Definitiv kein Buch für mich. Zwei Sterne für das schöne Cover und den außergewöhnlichen Titel.


    "Wirklich reich ist, wer mehr Träume in seiner Seele hat, als die Realität zerstören kann!"


    :love: :love: :love:

  • Eins vorweg:Ich lese die Bücher von Anna Gavalda unglaublich gerne. Ich mag ihr Art zu schreiben und vermutlich auch den französischen “Klang” ihrer
    Geschichten, auch wenn ich sie aus Ermangelung an Sprachkenntnissen natürlich auf Deutsch lese.


    In ihrem neuesten Werk begegnen wir Billie und Franck, die sich durch eine Theaterrolle zum ersten Mal richtig begegnen und dadurch immer besser
    kennenlernen. Das Buch beginnt dabei in der Felsspalte, in die die beiden unglücklicherweise auf einer Wanderung gestürzt sind. Da Franck bewusstlos ist, erzählt Billie den leuchtenden Sternen am Nachthimmel die Geschichte und Geheimnisse ihrer schon jahrelang andauernden Freundschaft. Dabei kommen sowohl schöne, traurige, erniedrigende und zu Herzen gehende Momente ins Spiel. Die ganze Nacht erzählt Billie gedankenverloren vor sich hin und hofft so sehr, dass Franck doch endlich aufwacht und mit ihr spricht…


    Das Buch hat mir gut gefallen. Die typische Sprache von Anna Gavalda hat mich berührt und durch das Buch geführt. Ich konnte kaum aufhören zu lesen, auch wenn ich gestehen muss, dass sich das Buch doch ein klein wenig gezogen hat. Dennoch mag ich die Geschichte sehr. Etwas gestört hat michallerdings, dass Franck den gleichen Vornamen hatte wie der Franck aus “Zusammen ist man weniger allein”. So hatte ich ihn, bzw. den
    Schauspieler zum Film, die ganze Zeit im Kopf. Dennoch bekommt das Buch gute 4 Punkte.

  • Meine Rezension:


    Klappentext:


    Billie und Franck sind beim Bergwandern in Frankreich in eine Felsspalte
    gestürzt. Während er bewusstlos in ihren Armen liegt, versucht sie mit
    aller Kraft wach zu bleiben und erzählt ihre Geschichte: Sie, Billie,
    wuchs in einer Wohnwagensiedlung auf, er, Franck, lag wegen seiner
    Homosexualität im ständigen Clinch mit seinem bürgerlich-reaktionären
    Vater. Nichts scheint die beiden zu verbinden, bis sie zwei Hauptrollen
    im Schultheater bekommen. Trotzdem spricht alles gegen ein Happy End:
    Sie bleibt sitzen, er muss ins Internat, es folgen Abstürze und
    Schicksalsschläge. Aber Billie und Franck geben nicht auf. In Paris
    finden sie sich wieder – und Billie stellt ihr Leben auf Reset. Dann
    wird das Glück schon kommen.


    Meine Meinung:


    Die Geschichte wird aus der Sicht von Billie erzählt. Es beginnt damit,
    dass die beiden in der Nacht gerade gestürzt sind, und ziemlich
    ramponiert daliegen. Nach einer Weile wird Franck bewusstlos. Um
    irgendetwas zu tun, versucht Billie „ihren“ Stern am Himmel dazu zu
    überreden, dass er ihnen beiden Hilfe schickt. Damit der Stern auch
    weiß, ob es sich lohnt, erzählt sie die Lebensgeschichte von Franck und
    sich, ab dem Zeitpunkt, an dem sie sich getroffen haben.


    Franck fand ich sofort sympathisch und er tat mir richtig leid, obwohl
    ich garnicht wusste, was genau passiert war. Billie selbst fand ich
    seltsam bzw. etwas verrückt. Im Laufe der Erzählung wird einem aber
    klar, warum sie so ist, wie sie ist. Am Schluss habe ich sie dann auch
    verstanden.


    Der Schreibstil ist flüssig aber irgendwie verrückt. Es ist gut erzählt,
    aber ich musste langsamer lesen, damit ich Billies Gedanken folgen
    konnte. Den Schluss fand ich wunderschön. Er hat das Buch richtig
    abgerundet.


    Insgesamt hat mich das Buch schon beeindruckt und auch noch im
    Nachhinein irgendwie beschäftigt. Aber aufgrund des Schreibstils finde
    ich es auch ein bisschen anstrengend. Trotzdem ist es bald gelesen, da
    es nicht so dick ist (-: .


    Alles in allem ein empfehlenswertes Buch (wenn man sich auf den Schreibstil einlässt).

  • Anna Gavalda ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt im Literaturbetrieb. Ihre Bücher verkaufen sich europaweit wie frische Croissants an der Champs Elysee und ich habe der Autorin den Erfolg gegönnt, weil mich die Kurzgeschichtensammlung „Ich wünsche mir, dass irgendwo jemand auf mich wartet“ von ihren Fähigkeiten überzeugt hat. Damals fand die Shortys frech, witzig und frisch in ihrer Unbekümmertheit, die nichts von der abgehobenen Sprache ihrer bisweilen ebenso abgehobenen französischen Schriftstellerkollegen hatte. Aus diesem Grund habe ich mich auf Ihr neues Buch gefreut. Der Nobelpreis-sammelnde Hanser Verlag steht bei mit ebenfalls hoch im Kurs. Zudem klang der Klappentext verlockend. Was sollte da noch schief gehen? Eine kurze Leseprobe ließ gutes erahnen. Meine Vorfreude beim Aufschlagen de Buches war dementsprechend groß. Was ich nun gelesen habe ist eine schriftstellerische Bankrotterklärung. Das 188 Seiten starke Buch kommt nach etwa 90 Seiten in die Gänge (da setzte übrigens meine Leseprobe ein) um dann vierzig Seiten später wieder steil abzufallen. Gleich zu Beginn verheddert sich die Gavalda bei dem vielversprechenden Versuch Spannung aufzubauen, indem sie weder ihre Protagonisten, noch das Geschehen ernst nimmt. Billie, eine junge Frau, laut der Autorin aus dem Prekariat, stürzt mit ihrem schwulen Freund Franck beim Wandern in den Cevennen in eine Bergspalte. Franck liegt verletzt an Ihrer Seite. Eigentlich wirklich eine formidable Möglichkeit Interesse zu wecken. Wenn Billie nur nicht so grenzdebil losplappern würde und jede Spannung von vornherein im Keim erstickt. Ich spüre da keine Sorge elendig zu verrecken, zu verdursten, kein Aufbäumen, meinetwegen auch Humor. Nichts von alledem. Nun gut, dachte ich. Das Buch ist kein Thriller, nicht einmal ein Krimi. Die Gavalda macht in Literatur. Und das bedeutet, dass sie den dramatischen Augenblick dazu nutzt, um uns über die Vergangenheit der beiden Protagonisten aufzuklären.


    Allerdings tut sie das, in einem unerträglichen Plapperton, als säße sie gemütlich vor dem Café de France rührt ihren Café au lait mit dem Löffel um. Überhaupt, diese unglaubwürdige Erzählstimme… Ich kann sie eher einer Frau zu ordnen, die die ENA in Paris absolviert hat, als einer Frau, die aus den armen Schichten der Bevölkerung stammt. Die Autorin schreibt nicht aus ihrer Billie heraus. Sie hat auch keine Ahnung, wie solche Leute ticken und schreibt Empathie befreit viel lieber im Stil einer Tratsch und Klatsch Reporterin, die gleich noch zur Galeries Lafayette muss, um eine farblich passende Tischdecke zum Abendessen zu kaufen. Und was ist eigentlich die Geschichte? Franck ist schwul, natürlich künstlerisch begabt und sein Vater ebenso natürlich ein fürchterlicher Reaktionär. Billie ist hauptsächlich arm, geht manchmal anschaffen, hat aber einen inneren Kompass, der über alles Schlimme zielsicher hinweg führt. Die beiden lernen sich bei einer Theateraufführung kennen, anschließend gehen sie getrennte Wege, bis sie sich widerfinden und nicht mehr voneinander lassen können. Das klingt interessant, einer Amour Fou gleich. Ist in der Realität aber unglaublich zusammengestümpert und gähnend langweilig erzählt. Der Roman versinkt knietief im Kitschmorast, so tief greift Anna Gavalda in die Klischeekiste.


    Übrigens hält die beiden auch nichts und niemand jemals davon ab eine traute Zweisamkeit, schwuler Mann, arme Frau, zu leben. Ich habe den ganzen Roman den Konflikt nicht gefunden, in dem die zwei sich befinden sollen. Insgesamt also ein Konstrukt für die Brigitte lesende Mittdreißigerin mit Hang zu Minderheiten und das internationale Feuilleton, die das angebliche Anliegen der Autorin womöglich löblich finden und den gesellschaftlichen Fortschritt, um die Ecken kommen sehen, wenn sich Gleichgeschlechtlichkeit anstelle von Familientristesse setzen darf. Alles an diesem Buch zielt auf Wirkung ab, auf den Verkauf von möglichst vielen Büchern. Anna Gavalda kennt ihre Leser besser, als die Menschen, von denen sie erzählt. Bonjour Tristesse!