Louis-Ferdinand Céline - Tod auf Kredit / Mort à crédit

  • Über den Autor:
    Louis-Ferdinand Céline (eigentlich Louis-Ferdinand Destouches) wurde am 27. Mai 1894 in Courbevoie geboren. Als Sohn armer Eltern musste er bereits mit zwölf Jahren arbeiten. 1914 meldete er sich freiwillig; er wurde schwer verwundet und mit hohen Orden ausgezeichnet. Aus dem Militärdienst entlassen, nahm er seine durch den Krieg unterbrochenen medizinischen Studien wieder auf und erwarb den Doktortitel. Danach arbeitete er als Armenarzt und an verschiedenen städtischen Kliniken. In den Jahren 1921 bis 1925 bereiste er im Auftrag des Völkerbundes als Schiffsarzt die Küsten Afrikas und Amerikas. Von 1926 bis 1936 war er in leitender Stellung an der Staatsklinik in Clichy tätig.
    Sein erster Roman "Reise ans Ende der Nacht" ( 1932 ) machte ihn mit einem Schlag berühmt; Céline galt fortan als literarischer Neuerer von der Bedeutung eines James Joyce. Dies Urteil bestätigt sein zweiter Roman "Tod auf Kredit" ( 1936 ). Nach einer Reise in die Sowjet-Union veröffentlichte Céline "Mea Culpa" ( 1937 ), eine Absage an seine kommunistischen Ideale. Mit zwei extrem antisemitischem Büchern "L'École des cadavres" und "Bagatelles pour un massacre" (beide 1938 ), geriet er ins Fahrwasser des Faschismus und musste deshalb der Vichy-Regierung 1944 nach Sigmaringen folgen. Er schilderte das Ende Hitler-Deutschlands in der Roman-Trilogie "Von einem Schloss zum anderen" ( 1957 ), "Norden" ( 1960 ), und "Rigodon" ( 1969 ) als makabre, grausige Farce. Nach der deutschen Niederlage floh Céline nach Dänemark; Frankreich forderte seine Auslieferung vergebens. Später wurde er amnestiert und kehrte in seine Heimat zurück, wo er als Armenarzt ein kümmerliches Dasein fristet. Louis-Ferdinand Céline starb am 01. Juli 1961. (Klappentext)


    Inhalt:
    "Wieder sind wir allein. All das ist so träge, so schwer, so traurig...Bald werde ich alt sein. Und es wird endlich zu Ende sein." Bereits die ersten Worte des Romans verraten die Grundstimmung: Krepieren ist hier eine Erlösung aus einer durch und durch beschissenen Welt. Entschuldigt bitte die Wortwahl, aber das Buch ist nun mal nichts für zarte Gemüter!
    Auf den nächsten Seiten erfährt man, was der Arzt Ferdinand von seinem Beruf, den Patienten und der Gesellschaft im Allgemeinen hält: er lässt kein gutes Haar an irgendetwas. Im Prinzip ist das Leben ein ewiger Kampf, jeder gegen jeden. Wem jetzt schon die ersten fünfzig Seiten nicht gefallen, wie Céline über die Kranken schimpft, der sollte das Buch besser abbrechen. Ich hingegen war sofort gefesselt.
    Weiter gehts mit der Beschreibung seiner Kindheit und Jugend: Paris zur Zeit der Weltausstellung. Allerdings durchlebt die Familie schwere Zeiten: die grossen Warenhäuser verdrängen die kleineren Läden, wie sie Ferdinands Mutter betreibt. Der Vater als Büroangestellter ist mit dem Siegeszug der Schreibmaschine überfordert. Ferdinand beginnt diverse Lehren, bricht sie wieder ab, geht nach England in den Sprachurlaub, sucht Arbeit...Tausend kleine Geschichten über die Nachbarn, Besuch auf dem Markt, einen Ausflug mit dem Onkel,...
    Im Buch geht es somit um nichts anderes als das Leben im Allgemeinen, allerdings aus der Sicht eines Faulpelzes im Armenviertel, der eine überaus zynische Sicht auf die Welt hat.


    Meine Meinung:
    Hoppla...da geht es rund...Verkackte Hintern...Wichsen...Fluchen...Pissen...Keine Zeit zum Erholen...oder Sätze auszuformulieren...Man muss sich gegen das Leben verteidigen...Verdammt!...da darf man nicht zimperlich sein...Der Roman erzählt auf mehreren hundert Seiten...im Tempo des gehetzten Affen...lediglich anhand von Satzfetzen...das Leben des jungen Ferdinand in Paris des frühen 20. Jahrhunderts...
    Meine Ausgabe hat "nur" 439 Seiten. Ich glotze nicht schlecht, als ich sehe, dass neuere Ausgaben bei Amazon über 700 Seiten ausweisen!...habe ich hier eine gekürzte Ausgabe?...kein Hinweis darauf...dafür ist in meinem Buch Schriftgrösse 7, Arial...ich lese und lese...mir treten gleich die Augen über...wieder nur zehn Seiten geschafft...unglaublich...ich bin nicht faul...aber was Céline hier auf zehn Seiten knüppelt, das schaffen andere nicht in einem Buch!...wie kann man soviel Inhalt auf so wenigen Seiten unterbringen?...das geht nur in dieser einzigartigen Erzählweise...der hohe Sprachwitz...die unflätige Wortwahl...garantiert spaltet dieses Buch die Gemüter...man wird es lieben oder verabscheuen...


    Céline ist umstritten, nicht nur aufgrund seiner antisemitischem Bücher. (In diesem Buch ist mir nichts Antisemitisches aufgefallen, Ferdinand verabscheut einfach Alles und Jeden gleichermassen) Seine deutliche, unanständige Ausdrucksweise hat wohl nicht nur zur damaligen Zeit Anstoss erregt.
    Ich fand es super und "Tod auf Kredit" ist mit das Beste, was ich in den letzten Monaten gelesen habe. Die Verlockung ist gross, jetzt "Reise ans Ende der Nacht" zu lesen (wurde zwar früher geschrieben, zeitlich schliesst die Handlung aber an "Tod auf Kredit" an), allerdings brauche ich jetzt erst etwas Abwechslung, bevor ich noch Ferdinands Lebenseinstellung adaptiere...

  • Deine Rezension macht wirklich Lust, Celine (mal wieder) zu lesen, besten Dank, Nungesser! Ich muss allerdings gestehen, ich liebe “Tod auf Kredit“ bereits - nicht nur wegen der größten Kotz-Orgie der Literaturgeschichte ;) Ich hab Celine einst zur Hand genommen, weil Bukowski einmal geschrieben hat, Celine sei der einzige Autor, bei dessen Büchern er nicht einschlafe. Wohl war, nur ermüden kann er schon: so konzentriert ist alles, und dann dieses Wortstakkato! Leider sind Kürzungen oder verfälschende Übersetzungen auch bei „Tod auf Kredit“ gar nicht unwahrscheinlich: ich hab “Die Reise...“ leider in der alten Übersetzung gelesen. Inzwischen gibts da zum Glück eine längere deutsche Fassung. Irgendwie muss ich da wohl noch einmal durch... Man muss wohl die Augen offen halten im Übersetzungsdschungel!

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (82/151)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 57 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • nicht nur wegen der größten Kotz-Orgie der Literaturgeschichte


    Örgs, dass wäre jetzt fast ein Ausschlusskriterium bei mir. Das ist das einzigste bei dem sich mir der Magen umdrehen würde und ich gedanklich mitk...en würde, falls das jetzt auf jeder zwanzigsten Seite wäre. So schlimm schreibt er jetzt doch nicht oder? Wie schaut es bei seiner "Reise ans Ende der Nacht" aus? Mir würde übrigens diese Ausgabe vorschweben.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Farast: Bei der Szene handelt es sich um eine längere Schiffsüberfahrt, bei der alle Passagiere seekrank werden. Und bei vollem Schlingern über der Reeling hängen. Es sind einige Seiten am Stück. Dann ist auch wieder gut! Es ist so übertrieben, dass es komisch wird. Wie eine eklige Variante von Stummfilm-Slapstick!


    An sich werden jedoch keine unflätigen Worte vermieden. Wenn es für Dinge oder Körperteile eklige Worte gibt, dann nimmt Celine eher die... für den Effekt.


    Genau, diese “Reise“-Ausgabe ist die längere Neuübersetzung, die ich mir mal aufm Grabbeltisch angelte, weil sie viel dicker als meine alte Ausgabe war. Irgendwann werde ich sie lesen. Aber nicht so bald ...) ;)

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

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  • O.k., damit komme ich noch klar. Danke für deine Antwort!


    Genau, diese “Reise“-Ausgabe ist die längere Neuübersetzung, die ich mir mal aufm Grabbeltisch angelte, weil sie viel dicker als meine alte Ausgabe war.


    :shock: Will auch solche Bücher auf dem Grabbeltisch finden. Ich wühle da wohl -wenn ich überhaupt mal dazu komme- auf den falschen Tischen rum :wink:


    Irgendwann werde ich sie lesen. Aber nicht so bald ...) ;)

    Womit wir wieder beim Thema wären :wink::lol:

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  • Hallo!


    Deine Rezension macht wirklich Lust, Celine (mal wieder) zu lesen, besten Dank, Nungesser!


    Mehr noch als Lust löst Nungessers Rezension bei mir akute Panik aus, weil ich von Céline sowohl "Tod auf Kredit" als auch "Von einem Schloss zum anderen" im Bücherschrank stehen habe und nicht weiß, wann ich das alles lesen soll. Ach Gott, ach Gott, wenn wirklich jemand dringend der Unsterblichkeit bedarf, so sind es wir Leser. O:-)


    Ich fand es super und "Tod auf Kredit" ist mit das Beste, was ich in den letzten Monaten gelesen habe. Die Verlockung ist gross, jetzt "Reise ans Ende der Nacht" zu lesen


    Da kannst Du Dich auf etwas freuen. "Reise ans Ende der Nacht" gehört zu den besten Romanen, die ich je gelesen habe.



    Örgs, dass wäre jetzt fast ein Ausschlusskriterium bei mir.


    Ich sehe schon, ich muss hier missionarisch tätig werden. Liebe Farast, Brechreiz hin oder her, Céline musst Du lesen. Fang vielleicht erstmal mit "Reise ans Ende der Nacht" an. Der Roman gilt als sein bedeutendster, und es wird, soweit ich mich erinnern kann, darin auch wenig gekotzt. :wink:


    Céline ist umstritten, nicht nur aufgrund seiner antisemitischem Bücher. (In diesem Buch ist mir nichts Antisemitisches aufgefallen, Ferdinand verabscheut einfach Alles und Jeden gleichermassen)


    Célines Antisemitismus ist bedauerlich, aber auch in der "Reise" habe ich keinen antisemitischen Ton entdecken können. "Freigesprochen" wurde Céline ja auch schon längst von dem amerikanischen Schriftsteller und Juden Philip Roth, der über ihn sagte:


    Zitat

    Mein Proust in Frankreich, das ist Céline! Er ist wirklich ein sehr großer Schriftsteller. Auch wenn sein Antisemitismus ihn zu einer widerwärtigen, unerträglichen Gestalt macht. Um ihn zu lesen, muss ich mein jüdisches Bewusstsein abschalten, aber das tue ich, denn der Antisemitismus ist nicht der Kern seiner Romane (...) Céline ist ein großer Befreier.


    Man könnte sagen, Célines Werk legt Zeugnis ab wider seinen Autor. Ja, es ist pessimistisch, zynisch und meinetwegen auch menschenverachtend, es ist aber auch melancholisch, witzig und ironisch. Vor allem ist es schonungslos ehrlich, sowohl was den Inhalt als auch was die Darstellung betrifft. Céline beschreibt, was der Mensch dem Menschen antut, er beschreibt das existentielle und soziale Elend, das auf der Welt herrscht, und er beschreibt es in einer sehr kunstvollen Mischung aus Jargon und Hochsprache. Dabei "verabscheut" er, wie Nungesser sagt, tatsächlich alles und jeden. Denn Machtgier, Egoismus, Brutalität und Grausamkeit sind in jedem Menschen angelegt, und ob man Täter oder Opfer wird, hängt zum größten Teil von Zufall und Gelegenheit ab. Das Werk ist unbequem und bestimmt kein Lesevergnügen im üblichen Sinn, trotzdem macht mich das Lesen solcher Bücher glücklich. Denn es ist - wie Philip Roth sagt - befreiend, der menschlichen Ungerechtigkeit und Bösartigkeit ins Angesicht zu sehen, denn das Verbergen, Verharmlosen, Verschweigen, Verdrängen, mit dem wir leben, beseitigen die inneren Ängste nicht, sondern verstärken sie nur noch. Befreiend ist das Aussprechen des Elends auch deswegen, weil nur darin überhaupt ein Keim von Hoffnung liegt, Hoffnung auf Veränderung, auch wenn es vielleicht eine Illusion bleibt, während all die Lügen und Schönfärbereien an sich schon Hoffnungslosigkeit bedeuten.


    Wer das Leid dieser Welt genau beobachtet, es benennt und in einer Sprache ausdrückt, die dem Leser nicht erlaubt auszuweichen, es sei denn, er schlägt das Buch zu, ob der tatsächlich ein Menschenverächter ist, darüber habe ich meine Zweifel.


    Gruß
    mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • @mofre, du warst das tatsächliche das kleine Zünglein an der Waage, das ich noch gebraucht habe, um mir endlich den berühmten Ruck zu geben und ein paar Klicks auf Amazon zu tätigen. Ich habe mir gestern das Buch "Reise ans Ende der Nacht" gekauft und (so ich irgendwann zum lesen kommen werde, ihr wisst ja wie ich das meine :) ) und ich vor Begeisterung überschäume, dann wird auf jeden Fall "Tod auf Kredit", den @Nungesser so toll vorgestellt hat folgen. Danke noch mal!

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  • Oje, ich hoffe, die positiven Eindrücke überwiegen und es gefällt Dir trotzdem ? Tatsächlich kann das Buch recht anstrengend sein, aber ich hätte gedacht, dass weniger die episodenhafte Handlung stört, als die Erzählweise generell - mit den unvollständigen Sätzen...die die Erzählung irgendwie gehetzt und sehr kompakt wirken lässt.
    Ich denke, das Durchbeissen lohnt sich, auch wenn ich danach ebenfalls erstmal eine Pause von Céline brauchte. Ich finde "Tod auf Kredit" sogar noch besser als sein Meisterwerk "Die Reise ans Ende der Nacht" welches ich mit ein paar Monaten Abstand dann gelesen habe - auch sehr zu Empfehlen (falls Dir "Tod auf Kredit" gefällt!)

    @Nungesser ich antworte hier, ansonst füllen wr allenfalls, sollten die Diskussionen sich erweitern, unnötig den Thread "In 365 Büchern durch das Jahr"
    Damit wir uns richtig verstehen, die Geschichte fasziniert mich, da ich jedoch das Buch nicht in einem "Rutsch" lese, darf ich nicht eine zu lange Pause machen ansonst ist es wirklich anstrengend. Die kurzen fast abgehackten Sätze sind genau richtig für diese Erzählung,denn das Milieu von Ferdinand ist kein blühender Garten. Da wären volltönende ausgeschmückte Sätze fehl am Platz. Dennoch wenn er schreibt:

    Zitat

    Sie hingegen strahlte vollkomene Harmonie aus, alle ihre Bewegungen waren köstlich... Ein Zauber, ein Wunderbild...

    ist dies Prosa pur.
    Stimmt, es wirkt oftmals sehr gehetzt man hat das Gefühl das Ferdinand beim erzählen atemlos durch seine Geschichte rennt, wie wenn es eine Zeit gibt welche tickend abläuft.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Den Inhalt dieser Geschichte werde ich nicht nochmals erwähnen, einfach über meine Empfindungen und Eindrücke möchte ich gerne einiges schreiben.
    Diese Erzählung ist wie eine „Hüpfburg“ kaum hofft man ein wenig zu Ruhe zu gelangen, wird man wieder in die Höhe katapultiert.
    Hier ist kein Autor am Werk der mit wohlgeschliffenen Worten den Sätzen Leben einhaucht.
    Nein Ferdinand gibt dem Leser klar und deutlich zu verstehen, willst du meine Geschichte erfahren, schön, das biete ich dir, jedoch nicht mehr. Wie du damit umgehst ist nicht meine Sache das musst du mit dir selbst ausmachen. Ich werde auch keine grossen Erklärungen abgeben, entweder du verstehst mich andernfalls lässt mich die absolut kalt.


    Die ersten Seiten erscheinen den Leser noch etwas träge, eigentlich ist man versucht zu sagen nichts aufregendes sehr seriös. Dann folgt es wie Hammerschläge und man erschrickt ob der Gewalt der Wörter welche ohne dass ein gewisses Mass an Zurückhaltung geübt wird, einem entgegen geschleudert werden.
    Zuerst dachte ich, ach Ferdinand was bist du für ein „kleiner“ Wichtigtuer, dann überfiel mich ihm gegenüber ob seiner Masslosigkeit der Überdruss und ich ärgerte mich etwas.
    Wiederum kamen Gedanken auf, was für ein elendes, trostloses Leben. Dennoch gelang es mir nicht immer Mitleid zu empfinden, verunmöglicht durch die grobe Wortwahl, sogar in der grössten Not.
    Er macht sich lustig über alles und jeden, er will schockieren mit seiner unflätigen Wortwahl, man hat es so gewollt und nicht anders.


    Natürlich ist Ferdinand ein wahrhaftiges „ausgekochtes Schlitzohr“ über das man doch etwas schmunzeln muss.
    Überraschenderweise musste ich feststellen wie fürsorglich (ja kann man gut sagen) er den Umgang mit Jonkind pflegte. (Internat England)
    Obwohl er seine Eltern oftmals sehr abschätzend nicht nur betrachtete sondern auch behandelte, tief in seinem Innern fühlte er eine grosse Zuneigung zu ihnen. Besonders wie es seiner Mutter wirklich sehr mies ging war er zur Stelle, was seine positive Seite aufzeigte.


    Die Erzählung von Celine ist geprägt von der Verachtung gegenüber der, wie er denkt, verlorenen ja sogar verdorbene(durch Bosheit geprägte) Menschheit welche sich nicht mehr erretten lässt.


    Dennoch versprüht Ferdinand ist eine solche Leidenschaft der man sich nicht entziehen kann. Eine schwierige Lektüre, ein Roman den man ganz sicher mehrmals lesen kann um ihn in seiner Gänze zu erfassen.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Vielen Dank @serjena für Deine Leseeindrücke!

    Nein Ferdinand gibt dem Leser klar und deutlich zu verstehen, willst du meine Geschichte erfahren, schön, das biete ich dir, jedoch nicht mehr. Wie du damit umgehst ist nicht meine Sache das musst du mit dir selbst ausmachen. Ich werde auch keine grossen Erklärungen abgeben, entweder du verstehst mich andernfalls lässt mich die absolut kalt.


    Die ersten Seiten erscheinen den Leser noch etwas träge, eigentlich ist man versucht zu sagen nichts aufregendes sehr seriös. Dann folgt es wie Hammerschläge und man erschrickt ob der Gewalt der Wörter welche ohne dass ein gewisses Mass an Zurückhaltung geübt wird, einem entgegen geschleudert werden.

    Besser könnte ich es auch nicht sagen: die Ausdrucksweise ist gewaltig und die Geschichte wird dem Leser ohne Zurückhaltung entgegengeschleudert. Und ja, man merkt, dass der Autor hier nicht vorhat den Leser "abzuholen", Erklärungen zu geben, eine Geschichte zu erzählen oder eine Meinung zu vertreten.
    Ich habe mich beim Lesen oft gefragt, was wohl der Autor Céline für ein Mensch gewesen sein muss (von seinem oben erwähnten Antisemitismus mal abgesehen), schliesslich orientieren sich die meisten seiner Werke an seinem Lebenslauf (jedenfalls "Tod auf Kredit", "Reise ans Ende der Nacht", und die Deutschland-Trilogie"). Daraufhin hatte ich ein paar seiner "Briefe an Freundinnen" gelesen und auch privat hat er so geschrieben:

    Zitat von Louis-Ferdinand Céline

    Ich liebe Sie sehr, Karen. Ich mag von Zeit zu Zeit noch so hart sein, die Einsamkeit ist zu herb. Nun, so ist es. Ich war einen Monat lang in Leningrad. Alles ist niederträchtig, scheusslich, unvorstellbar ekelhaft. Das muss man sehen, um es zu glauben. Ein Horror. Dreckig, arm - grauenhaft. Ein Gefängnis voller Larven. Überall Polizei, Bürokratie und grauenhaftes Chaos. Alles Bluff und Tyrannei... (Brief vom 15. Okt 1936 an seine dänische Freundin, die Tänzerin Karen Marie Jensen)

    Generell finde ich seine Texte sehr lesenswert und unterhaltsam (auch hier wieder: die antisemitischen Werke mal ausgenommen), aber ich muss dazwischen immer wieder eine Pause machen, sonst wird mir seine Schreibe zu anstrengend - und seine Sicht der Dinge macht einen entweder aggressiv oder depressiv, finde ich.

  • Generell finde ich seine Texte sehr lesenswert und unterhaltsam (auch hier wieder: die antisemitischen Werke mal ausgenommen), aber ich muss dazwischen immer wieder eine Pause machen, sonst wird mir seine Schreibe zu anstrengend - und seine Sicht der Dinge macht einen entweder aggressiv oder depressiv, finde ich.

    Ich werde sicher weitere Bücher von diesem in meinen Augen grossartigen Schriftsteller lesen, wie @Nungesser schon schreibt, (antisemitischen Werke mal ausgenommen)
    Ich habe einen sehr interessanten Artikel zu diesem Thema gefunden.


    Spucken und bespuckt werden
    Die misanthropischen Briefe Célines geben auch Auskunft darüber, wie der Franzose zum Antisemiten wurde


    Ich habe mich beim Lesen oft gefragt, was wohl der Autor Céline für ein Mensch gewesen sein muss (von seinem oben erwähnten Antisemitismus mal abgesehen), schliesslich orientieren sich die meisten seiner Werke an seinem Lebenslauf (jedenfalls "Tod auf Kredit", "Reise ans Ende der Nacht", und die Deutschland-Trilogie"). Daraufhin hatte ich ein paar seiner "Briefe an Freundinnen" gelesen und auch privat hat er so geschrieben:

    Da die Erzählung im wesentlichen autobiografisch ist, spiegeln sich seine Charakterzüge, welche hauptsächlich durch sein Umfeld und ich denke auch durch die Zeit, in der er aufwuchs geprägt wurde, in dieser wieder.


    Ich habe hier noch eine Szene aus dem Roman die sich mir sehr einprägte

    Zitat

    Die Verabschiedung nach England.
    Der Jammer kam doch, stärker als ich gedacht habe, im Augenblick der Abreise. Es ist schwer sie zu unterdrücken. Als wir drei auf dem Bahnsteig der Gare du Nord standen, waren wir sehr kleinlaut…
    Wir hielten uns an den Kleidern fest, wir versuchten zusammen zu bleiben… Kaum war man in der Menschenmasse drin, wurde man schüchtern, unbeholfen… Sogar mein Vater, der in der Passage so laut brüllte, versagte draussen ganz… Er schrumpfte ein.

    Liest man dies denkt man hier wird ein wohlbehütetes, schüchternes Kind in eine ihm fremde Welt geschickt.


    Natürlich ist England fremd, allerdings weiss man,Ferdinand machte sich und den Seinen schon sehr früh Probleme und er nicht unbedarft war. Er war rastlos, suchend und vor allem mit einer unbezähmbaren Energie ausgestattet.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter